Germania. Jaargang 3
(1900-1901)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermdDie französische Kriegslyrik des Jahres 1870-71 in ihrem Verhältnis zur gleichzeitigen deutschen.Fortsetzung.Nur Paul Jane, der sich von dem Jargon der Revanchedichtung fast vollständig frei hält, bringt den deutschen Kriegern, welche ihm wie ‘Centaures indomptés’ vorkommen, ungeteilte Anerkennung entgegen und vergleicht ihr unaufhaltsames Vorrücken mit dem Losbrechen eines Sturmes oder dem Wüten einer Windhose (l'Année Sanglante, 1872 IV. S. 16). Nichts desto weniger erfüllt ihn der Einzug der Deutschen in Paris, der | |
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‘heiligen Stadt, dem Lichte der Welt’, mit tiefer Beschämung und unsäglichem Schmerz. Mitleid mit den Bürgern Leipzigs, den Kaufleuten Hamburgs, den Bankiers von Frankfurt, den Leinwebern Stuttgarts und den Bierbrauern Nürnbergs bringt de Banville in ‘Travail stérile’ (Idylles Prussiennes, S. 121-125) zum Ausdruck, weil ein ‘Kürassier’ sie zur Zerstörung von Städten, zu Mord und Blutvergiessen und zur Anfertigung eines Leichentuchs nach Frankreich geführt habe. Am meisten würden aber ohne Zweife die Musensöhne Münchens und Tübingens damals beim Lesen dieses Gedichtes darüber überascht gewesen sein, dass sie sich im Kriege nach de Banvilles Darstellung die Kunst, worin ‘der Henker sich auszeichnet’, zum Studium gewählt hätten. Bei der Schilderung all' des Schrecklichen, welches der Krieg in seinem Gefolge hatte, haben die Dichter doch nicht vergessen hervorzuheben, wie günstig er in Paris zur Zeit der Belagerung auf das Leben in der Familie, das stille häusliche Glück eingewirkt habe. In de Banvilles Gedicht: ‘La Soirée’ (Idylles Prussiennes S. 23) heisst es: ‘Et chacun reste avec les siens
Riant à l'enfant qui babille
Grâce à messieurs les Prussiens
Qui nous ont rendu la familie.’
Die Verkündigung der Republik, welche nach Paul Jane (L'Année Sanglante VI S. 33) für die Unteilbarkeit Frankreichs, Wahrung des alten Kriegsruhms und den Kampf bis aufs Messer eintrat, begrüsst die Dichtung mit lautem Jubel als die Morgenröte einer neuen, glücklicheren Zeit. Mit dem Rufe: ‘Tod den Tyrannen! Hoch die Freiheit!’ hoffte man zuversichtlich mit vereinten Kräften eine baldige Rettung des Vaterlandes herbeizuführen (‘Le chant des Mobiles’, Chants de Guerre de la France S. 67, und unter dem Banner der Republik die Franzosen zu einem Volke von Riesen zu machen (‘Le serment républicain’, a.a. O., S. 215). Bittere Vorwürfe und Anklagen richtet man gegen das undankbare Europa, welches in den Tagen des Glückes wohl die Pariser Model angenommen habe, aber jetzt im Unglück in selbstsüchtiger Zurückhaltung verharre. Die Dichterin Mlle A. Franiatte wendet sich daher an alle Republikaner mit ihrem Hilferuf und erwartet von ihnen, dass sie die übrigen Völker Europas für eine heilige Allianz zum Schutze der französischen Republik gewinnen werden, (‘L'Europe’, a.a. O., S. 125). Mit banger Sorge sahen mehrere Dichter, unter diesen Paul Jane, der Erklärung der Kommune entgegen, die er mit einem sich öffnenden Vulkan oder einem gähnenden Abgrund vergleicht, ja die Anhänger der Regierung vom 4. September 1870 belegt er ohne Schonung mit Ausdrücken wie: ‘fourbes scélérats, nouveaux Septembriseurs’ (L'Année Sanglante XII, S. 59; - Anspielung auf die Schreckenstage vom 2.-7. September 1792). | |
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Den Franzosen ist und bleibt es die Hauptsache, dass ihr Vaterland nach Proklamierung der Republik, und nach dem Seit der Belagerung des ‘Stolzes der Welt, der Köningin der Städte, des Kopfes und Herzens Frankreichs’, aus dem Verteidigungskriege ein ‘heiliger Kampf auf Tod und Leben’ geworden auf Erhaltung seiner führenden Stellung in Europa hoffen dürfe (‘La République’, de Banville, Idylles Prussiennes, S. 40). Der Glaube an die Uneinnehmbarkeit der ‘heiligen Stadt’ stand bei allen Franzosen so unerschütterlich fest, dass es nicht bloss leere Worte waren, wenn sie drohten, mit den Leichen der ‘wilden Vandalen’ den Festungsgürtel der Hauptstadt zu pflasteren odér die Asche der vernichteten Teutonen in alle Winde zu streuen (‘La Française’ par Lacourrière, Les Chants de Guerre de la France, S. 97.) Der stark ausgeprägte Nationalstolz war der mächtig srudelnde Quell, welchem der nie versiegende Optimismus entsprang, welcher die zeitge nössischen französischen Dichter in so hohem Masse auszeichnet. Hoffnung und Vertrauen hat die Franzosen auch nach den schwersten Niederlagen nicht verlassen, wie uns geradezu zahllose Dichtungen beweisen. Dumpfer Verzweiflung hat sich das durch schwere Schicksalsschläge hart geprüfte Volk nicht hingegeben, vielmehr ist Frankreich immer das ‘granitartige Land’ geblieben, in dem von den Felsen des Atlantischen Ozeans bis zu den Bergspitzen der Pyrenaën der alte keltische Geist ungebeugt noch fortlebte (‘Nos oiseaux voyageurs’ par André Chaten, Les Chants de Guerre, S. 9). Aus der traurigen Gegenwart träumt man sich gern in eine glücklichere Zukunft. Als Sieger auf dem Gipfel ihrer Macht angelangt, würden die Franzosen nicht gleich den Deutschen neue blutige Ruhmeskränze zu erwerben suchen, sondern den Weltfrieden herbeizuführen streben und ihren höchsten Ruhm in friedlicher Kulturarbeit erblicken. (Albert Delpit, ‘Le serment d'Annibal’, XI. S. 51). Durch Anwendung der bildlichen Rede, durch Gleichnisse, sucht de Banville in seinem Gedicht: ‘Le Lion’ (Idylles Prussiennes, S. 160 ff.) gleich Lessing ‘die Gründe in Bilder zu kleiden’ und durch Entlehnung lebensvoller Bilder aus der Tierwelt den ungebeugten Stolz der Haupstadt aufs wirksamste zu veranschaulichen. Zweifellos fand der Auspruch, welchen der Dichter den im Todeskampfe liegenden Löwen, den König der Wälder, dem seine Erbschaft nun antretenden Fuchse gegenüber thun lässt: ‘Ich sterbe, doch ich bin der Löwe!’ in den Herzen der Franzosen begeisterten Widerhall. Das Beispiel einer durchgeführten Allegorie bietet uns Manuel, indem er uns in seinem ‘Samson’ das Bild des unglücklichen Frankreichs vor Augen führt. Das Schicksal des Simson teile sein Vaterland, weil es, mit kahlgeschorenem Haupte, entwaffnet und geknebelt zu Füssen des Siegers liege. Die Rolle der Delila, welche ihm das Geheimnis seiner Kraft entlockt und die sieben Locken seines Hauptes abscheren lässt, weist en Preussen zu. Mit dem Haar, welches erbarmungslos dem Schermesser zum Opfer | |
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fiel, meint der Dichter das Elsass; und die ausgestochenen Augen, in denen nur noch blutige Thränen glänzen, sind ihm Metz und Strassburg. Die Wiedervergeltung, die Simson an seinen Feinden übte, mag dem Dichter zur Wahl dieses Bildes Veranlassung gegeben haben, sodass er nun hoffnungsvoll ausrufen konnte: ‘Dagon (Götzenbild der Philister) wird die Pfeiler seines Tempels stürzen sehen. Geduld, Besiegter! Dein Haar wird wieder wachsen!’ (‘Samson’, Pendant la Guerre, S. 139 und 140). Aus den häufig wiederkehrenden Ueberschriften der Lieder: ‘France, tu seras vengée!’ oder ‘La haine Sainte’ und ähnlichen ersehen wir am deutlichsten, welches die Stimmung war, von welcher die Dichter nach dem Fall von Paris und nach dem Friedensschluss beherrscht waren. Es fehlt aber auch nicht an Stimmen, welche die Gemeinplätze hohler Phrasen aufgaben und nur von einer sittlichen Erneuerung eine bessere Zukunft erwarteten, da man es am eignen Fleisch zur Genüge erfahren, dass das Gift der Zügellosigkeit und des Unglaubens das Land an den Rand des Verderbens geführt hatte. Auf die Frage: ‘Wer wird uns Elsass zurückgeben?’ giebt deshalb der Dichter Ferdinand Oberlend (December 1871) die kurze Antwort: ‘Gott selbst, der aber die Franzosen auffordere an ihn zu glauben’ (Chants de Guerre, S. 323). Und Paul Jane begründet (a.a. O., XIII., S. 66-70) mit dem Hinweise auf die alljährliche Verjüngung der Natur im Frühling seine trostreiche Hoffnung auf einen dauernden Frieden und ewigen Volkerfrühling und begrüsst die immer mehr sich freie Bahn schaffende reine Menschlichkeit mit begeistertem Zuruf als die Morgenröte einer neuen Zeit. Mit welcher unbeschreiblichen Freude die Dichter über die Räumung des französischen Gebietes frohlockten, beweist uns der zum ‘Besten der Befreiung des Territoriums’ im grossen Theater zu Marseille von Fräulein Favart am 26. Februar 1872 vorgetragene Prolog Manuels: ‘La Délivrance!’ (S. 165 ff.) Als der Jubelruf durch das noch von den Drangsalen des Krieges schwer heimgesuchte Land erscholl und man den letzten Helm am Horizont verschminden sah, da hoffte man, dass Frankreich aus seinem Boden wieder Lebenskraft schöpfen und gleich einer vom Blitz getroffenen Eiche unter den belebenden Strahlen der Sonne von neuem ergrünen könnte. ‘Französische Volksstimmungen während des Krieges 1870/71’ finden wir auf Grund von französischen Zeitungen, Zeitschriften und Büchern ausführlich zusammengestellt in dem ‘schätzbaren Nachtrage zur Kriegslitteratur’, in dem Werke von Dr. E. Koschwitz (Heilbronn, Salzer 1894), welches zugleich als ‘ein wertvoller Beitrag zur Völkerpsychologie’ dienen kann (Wissenschaftl, Beilage zur Leipziger Zeitung). In ähnlicher Weise wählt V. Charlot, Licencié ès-lettres, die deutschen Kriegslieder als Grundlage für seine Schilderung der Stimmung von Volk und Heer in Déutschland im Kriegsjahre 1870. Er betrachtet sie als eine | |
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volkstümliche Geschichte des Krieges und als eine interessante Ergänzung der Darstellung der politischen und militärischen Ereignisse. Durch ihre Veröffentlichung in französischer Uebersetzung will er seinen Landsleuten zeigen, in welchen Tone die Siegesfreude und der Hass der Nationalfeindes sich geltend machte. Die Form dieser Lieder, welche nach der Ansicht des Uebersetzers aller Verskunst Hohn spricht findet um so weniger den Beifall des Franzosen, als er ja diese nachahmen will. Es ist begreiflich, dass die Darstellung der Emser Vorgänge nach der deutschen Auflassung dem Uebersetzer nicht angenehm ist, und dass er als feuriger Republikaner die Komödie bei Saarbrücken, welche den Spott des Feindes herausforderte und ein vielbenutzter Gegenstand der Dichtung wurde, als den ungeschickten Versuch dynastischer Vergötterung (apothéose dynastique hinstellt (Chansons des Allemands contre la France, traduites par Charlot, Paris, Lachaud, 1872, S. 9). Der Kürze halber dürfte es sich empfehlen, einige charakteristische Proben im deutschen Text und in der französischen Uebersetzung nebeneinander zu stellen. In dem Gedicht: ‘Schlacht bei Wörth’ bei Ditfurth, Historische Volksund volkstümliche Lieder des Krieges von 1870-71, Berlin, Lipperheide, 1871-72, S. 59, heisst die erste Strophe: ‘Unser Königssohn von Preussen
- Friedrich Wilhelm thut er heissen -
Schlug bei Wörth den Allerwersten,
Der Franzosen Hochgeehrtsten,
Mac Mahon, Mac Mahon!
Fritze kommt und hat ihm schon.’
Charlots Uebersetzung (a.a, O., S. 12) lautet: ‘Fritz vient de terrasser
Le plus brave des Français,
Mac Mahon, Mac Mahon!
Fritz arriv', ça ne sera pas long.’
Die entscheidenden Siege der Deutschen beeinflussten natürlich auch den Ton ihrer Kriegslieder. Der unerwartete Erfolg steigerte die Freude. Turkos und Zuaven, sowie die Mitrailleusen verfielen in Deutschland dem allgemeinen Spott. Ditfurth: ‘Schlacht bei Wörth’. Strophe 2, (S. 59): ‘Seine feinen Mitrailleusen
Sind das reine Blech gewesen
Mac Mahon, etc.’
Charlot a.a. O., S. 13: ‘Leurs fines mitrailleuses
N'étaient que du carton,
Mac Mahon, etc,’
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Der deutsche Humor bemächtigte sich namentlich der Person Napoléons, Die einzelnen Züge, welche in den verschiedensten Liedern von ihm sich vorfinden, würden in ihrer Vereinigung ein volles Charakterbild abgeben können. Köstliche Blüten trieb der Spott in dem Liede: ‘Des Kaisers Abschied von seinem Söhnelein, da er ihn nach England schicken wollte.’ (Ditfurth, a.a. O., Nr. 51, S. 71): Srophe 5: ‘Ausgeben kannst du unbeschränkt -
Geld ist ein Honigwaben,
Womit man alle Fliegen fängt -
Du sollst es reichlich haben.
Denn Frankreichs Säckel ist sehr gross,
Und Windvormachen dem Franzos
Verstehn die Bonaparte.’
Strophe 7: ‘Drum merke treu, was ich gelehrt,
Und hier zuletzt noch sage:
Die Welt will recht betrogen sein,
Und wer betrügt, mach's nur nicht fein
Sondern wie Bonaparte!’
Charlot S. 14: ‘Ne recul' pas d'vant la dépense,
On ne prend pas les mouch' sans miel;
Tu as de l'argent en abondance,
Car la France, grâce au ciel
Est une bonne vache à lait;
Et pressurer les Français
C'est l'art des Napoléons
.............
A mes leçons reste fidèle;
Mais surtout c'que j'te rappelle,
C'est que l' monde veut êtr' trompé;
Et sous c' rapport, sans me vanter
Nul ne vaut Napoléon’ etc.
Der Französische Uebersetzer wundert sich darüber, dass in den deutschen Kriegsliedern der Teufel ‘eine so grosse Rolle spiele.’ Zum Beweise dafûr hat er aus dem Liede: ‘Lauf, Louis, lauf!’ (Ditfurth, a.a. O., Nr. 52, S. 72 und 73) folgende Stellen zur Uebertragung ausgewählt: Strophe 7: ‘Der Louis schreit in seiner Not:
Lauf, Louis, lauf!
Komm, Satan, hole mich, sonst bin ich tot . .’
Mein lieber Louis, lauf!
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Strophe 8: Der Satan nimmt ihn Huckepack,
Lauf, Louis, lauf!
Und schleppt ihn durch die Lutt mit Sack und Pack’
Strophe 9: Jetzt schmauch mit dem Satan in St. Cloud
Und trink ein Schälchen Blut dazu!
Louis, schmauch, schmauch, schmauch,
Die Cigarre geht sonst aus!
Potzhimmeldonnerwetter.
(Die zwei letzten Verse fehlen in der französichen Uebersetzung gänzlich). Charlots Uebersetzung lautet (a.a. O.., S. 17): Louis crie en son triste sort:
Cours, Louis, cours. -
‘Satan, prends-moi, ou je suis mort.’
Cours toujours.
Satan le prend sur son dos,
Cours, Louis, cours. -
Et l'emporte au grand galop.
Cours toujours.
Maintenant fume avec satan,
A Saint-Cloud,
Et bois un petit verre de sang
A petits coups.
Fume, fume,
fume, toujours.’
Von dem Liede: ‘Ooch Eener in der Fremde’ (Ditfurth, a.a. O,, S. 73 ff.) hat dur Franzose zwei Strophen ausgewählt: Strophe 3: ‘Sie sagten mir, ich sei nicht wert,
Dass mich die Sonn' bescheine,
Dieweil ich meinen lieben Sohn,
Mit kaum fünfzehn Jahren schon,
Das Morden lass studieren.
Strophe 4: So wandre ich jetzt hin und her,
Die Krone auf dem Rücken;
Nach Paris darf ich gar nicht mehr,
Denn wenn die, mich erblicken,
So sag'n 's am End, wer weiss es denn:
Schicket den Lügner nach Cayenne
Samt seiner span'schen Mücken!’
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Charlot (S. 17): ‘Ne dirait-on pas vraiment
Que je suis un sacripan,
Parce qu'à mon eher enfant
A peine âgé de quinze ans,
Je donne la soif du sang.
Je m'en vais de ci de là,
Ma couronne sur le dos;
A Paris je n'ose pas
Reparaître de sitôt.
Ils pourraient être tentés
A LambessaGa naar voetnoot8) de m'envoyer,
Avec ma chère moitié’.
Von seinem Standpunkte als Republikaner begreift Charlot den bitteren Spott und Hohn des deutschen Liedes: ‘Sie sollen ihn behalten’ (Ditfurth, S. 112), welches den Vorschlag macht, den Urheber alles Unglücks der Franzosen ihnen zu ihrer Schande zurückzuschicken. Strophe 3: ‘Wohin ihn exportieren?
Er ist zu sehr bekannt!
Nein, er soll fortregieren
Zur Strafe für sein Land.
Strophe 4: Des Reiches soll er walten
Und nach ihm sein Lulu!
Sie sollen ihn behalten
Und Sie und Es dazu!’
Charlot (S. 26): ‘L'exporter? on ne peut plus.
Il est un peu trop connu
Qu'il continue à régner
Pour la honte des Français!
Oui en France il régnera,
Et Loulou après papa
Ils les garderont tous deux
Dame Eugénie avec eux.’
Mit zarter Rücksichtnahme auf die Russen giebt Charlot dem Spottliede auf Napoléon: ‘Das Czarenlied’ (Ditfurth, S. 110) die Uberschrift: ‘Le Chant de Napoléon’ (Charlot, S. 120). Hier die erste Strophe des deutschen Liedes: | |
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‘Einst spielt' ich mit Scepter und Krone und Stern,
Das dumme Europa dupiert ich so gern,
Mein Säbelgerassel durchzuckte die Welt,
Ich sprach, und der Kurs steigt; ich sprach, und er fällt;
Zum billigsten Preis kauft' ich Staatspapier' ein, -
O selig, der Kaiser von Frankreich zu sein!’
Von den Liedern, welche gegen die Person des Marschalls Bazaine gerichtet sind, hat Charlot einige Strophen übersetzt. Ditfurth, a.a. O., S. 97, Strophe 2: ‘Er (Mac Mahon) läuft weiss nicht wohin,
Ich in das Metze -
Dass gleich der Henker hol'
Diese Wildhetze!
Strophe 4: Hätt' das zuvor gewusst,
Hätt' meine Nasen
Aus dem verdammten Spiel
Gern 'rausgelassen!’
Charlot, (S. 22): ‘Il court, lui (Mac Mahon), je ne sais où,
Et moi, je cours le guilledouGa naar voetnoot9
C'est assez, c'est trop courir,
Il serait temps d'en finir.’
‘Ah! sacrebleu! ah! ventrebleu!
Si j'avais pu m'en douter
J'aurais joliment tiré
Mon épingle d'un tel jeu.’
Kein Ereignis des Krieges hatte in Deutschland soviel Siegeshymnen hervorgerufen, wie der Fall von Strassburg. Sie haben bei Charlot das lebhafteste Interesse erregt. Ditfurth, S. 126, ‘An Strassburg’, Strophe 1: ‘Strassburg, Strassburg, heiss umfreite;
Strassburg, Allerdeutschenbraut,
Sieh', welch' stolzes Heergeleite
Schickt der Bräutigam der Braut!’
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Strophe 4: ‘Strassburg, schaue auf in Thränen,
Gleich als eine treue Braut,
Die nach langem, stillem Sehnen
Ihren Bräutigam erschaut!’
Charlot, (S. 28): ‘Strasbourg, ardemment courtisée,
Strasbourg, de tout Allemand fiancée,
Vois, pour cortège quelle armée
Le fiancé mène à sa fiancée!
Strasbourg, lève ton oeil mouillé;
Comme la douce fiancée,
Par l'espoir longtemps trompée,
Regarde enfin ton fiancé.....!’
In seinem Groll fügt der Ubersetzer die Bemerkung hinzu (S. 29): ‘On croirait vraiment entendre le langage du Cantique des cantiques.’ In dem Liede: ‘Ubergabe von Paris’ finden sich mehere Stellen, deren Lektüre sein Blut am meisten Aufwallen liess. In diesem Liede heisst es (Ditfurth, S 161) zum Schlu*s von Strophe 3: ‘Zu unsern Füssen liegst du, Buhlerin,
Dein Schild ist trüb, du Städtekönigin.’
Charlot (S 35) fügt seiner Ubersetzung: A nos pieds te voilà couchée, Belle prostituée
Ton blason est souillé, O royale cité,
die gewiss aus heiligem Zorn hervorquellende Bemerkung hinzu: ‘Nettoyez donc vos étables, ô Berlinois!’
Ebenso tief verletzt ihn das mitleidige Bedauern, welches das Gedicht in der Schlussstrophe ausspricht: ‘Zunáchst nimm ein Stück Brot jetzt von uns hin,
Du bleiche Stádtekönigin!’
‘Reçois de ma main Ce morceau de pain
Pour tes affamés O pŝle reine des cités!’
Das ‘Neue Gaudeamus igitur’ (Ditfurth, S. 154) eines begeisterten deutschen Musensohnes, welches feiert ‘la rentrée en scène du grand Barbarossa’ (Charlot, S. 35) ist französischen Ohren kein angenehmer Klang. Charlot widmet in seiner ‘Préface’ der ersten Strophe noch eine besondere Besprechung: | |
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‘Gaudeamus igitur
Können wir jetzt singen,
Weil aus seinen Grabesbanden
Barbarossa ist erstanden,
Lásst den Aar ausschwingen.’
‘Gaudeamus maintenant,
Entonnons un joyeux chant:
Des demeures de la mort
Le grand Barberousse sort:
L'Aigle a repris son essor’
Der Gründung des deutschen Reichs gedenkt der französische Ubersetzer in einer eingehenden Betrachtung. Anstoss erregt ihm die Stelle, welche die Einigung der deutschen Stámme als eine Folge der vom Zaune gebrochenen Kriegersklärung hinstellt. (Ditfurth: ‘Der Kaisertag’ S. 152, Strophe 5): ‘Was wir nicht gebracht zuwegen,
Half der Todfeind auferbau'n.
Er übersetzt sie so: ‘Ce que nous n'avions qu'ébauché,
Notre ennemi mortel l'a lui-même achevé.’
Dass bei dem tiefreligiösen Zug, der in Deutschland Volk und Heer durchdrang, man im gláubigen Aufblick zu Gott sein Geschlck in Gottes legte, erklärt Charlot für Heuchelei und hofft, dass die Franzosen Stellen wie den Anfang der 6. Strophe vom Liede: ‘Der Kaisertag’ (Ditfurth, S. 153): ‘Deutschland hoch für alle Zeiten,
Hoch des Kaiserliche Haus!
Gott mög ferner uns geleiten,
Dass wir's führen gut hinaus!’
‘Vive l'Allemagne à jamais!
Si plus loin Dieu nous veut mener
A Ses desseins notre force égale.’ (Charlot, S. 42)
gleich ihm hässlich und abgeschmackt finden werden. Charlot hat die Mühe nicht gescheut 59 deutsche Lieder zu überśetzen. Ein leichtes Stück Arbeit ist dies für ihn sicher nicht gewesen, da die grosse Anzahl der darin vorkommenden volkstümlichen Worte und derben Soldatenausdrücke einem Ausländer das Verständnis sehr erschwert. Ausser vielen anderen Eigentümlichkeiten mag ihm der Kehrreim des Liedes ‘Die bayrischen Knödel bei Weissenburg’ (Ditfurth, S. 48): ‘Ja ju, ja ju gar lustig ist die Nudelei,
Wo's auf Franzosen geht -
Wir Bayern sind dabei’
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wohl einiges Kopfzerbrechen verursacht haben. Er übersetzt ihn (S. 84): ‘Ja, iou, ia, iou, le régal était parfait.
Quand faut tapager sur le Français,
Le Bavarois est toujours prêt.’
Müssen wir kleinere Versehen oder auch die Verwechslung des Geschlechts, wie in: ‘Les Knedels Bavaroises’ (es heisst: ‘Der Knödel’) durchaus entschuldigen, so können wir die willkürliche Hinzufügung von ‘gredins’ larrons (S. 80), maudits (S. 87) für die Franzosen im Texte der Lieder nur als absichtliche Entstellungen ansehen und auf Rechnung chauvinistischer Bestrebungen setzen. Zum Beweise diene die letzte Strophe des angeführten Liedes: ‘Hurrah, nur immer drauf
Und füttert sie mit Knödel brav,
Dass alle würgen dran,
Mitsamt Napoléon!’
Die Uebersetzung enthält willkürliche Zusätze, (S. 85): ‘Hourrah! hourrah sur les gredins!
De boulettes gavez-les bien.
Qu'ils étouffent ces larrons,
Avec leur Napoléon.’
Zum Schluss möge noch vom ‘Kutschke-Lied’ (Ditfurth. S. 44) die vierte und letzte Strophe im Original und in der französischen Uebersetzung (Charlot, (S. 81) hier ihren Platz finden. ‘Napolium, Napolium,
Mit deiner Sache geht es krumm!
Mit Gott drauf los, dann ist's vorbei
Mit seiner ganzen Kaiserei!
‘Napoléon, Napoléon!
Ton affaire ne sent pas bon;
Grâce à Dieu, elle est finie,
L'impériale comédie.’
Die erklärende ganz verkehrte Bemerkung des Uebersetzers: ‘Cette chanson est d'un général allemand; quelques-uns disent du Prince héritier’ wäre beser unterblieben. Die nationale Denk- und Anschauungsweise ist bei Beurteilung von Kriegsliedern so ausschlaggebend, dass sie gewiss nur selten sine ira et studio besprochen werden. Umsomehr empfiehlt es sich, die oft einander völlig widersprechenden Ansichten neben einander zn stellen und gegen einander abzuwägen. Unsere Zusammengtellung der kritischen Ausserungen über einzelne namhafte Dichter von Kriegsliedern beginnen wir mit den Urteilen, welchen uns über Viktor Hugo's ‘L'année terrible’ vorliegen. | |
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Nennt Heinrich Junker (Grundriss der Gesch. der Franz. Litter. von ihren Anfängen bis zur Gegenwart (Kap. LXIX. § 233, S. 347) dasselbe ein Werk ‘von hoher Bedeutung’ und bezeichnet Wilhelm König in seiner ‘Rede zur Sedanfeier’ (Halle a. S. 1876, S. 241) ‘das Ganze am besten als ein poetisches Tagebuch im pathelischen Stil üder die Zeit vom August 1870 bis August 1871’, so sagt von der unter dem Eindruck des nationalen Unglücks entstandenen Gedichtsammlung ‘L'année terrible’ Eduard Engel (Gesch. der franz. Litter. Leipzig 1888, S. 483 ff.), dass sie ‘weder des grossen Dichters, noch des grossen Gegenstandes würdig sei’. Bei Ad. Kressner in der Geschichte der französischen Nationallitteratur (Berlin 1889, S. 258) finden wir folgendes Urteil über ihn und sein Werk: (Fortset zung folgt) Prof. Dr Fritsche (Zwickau) |
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