Germania. Jaargang 2

Die gelbe Gefahr und England.

Auf verschiedenen Punkten des Erdballs wird blutig gekämpft und überall ist England mit im Spiel. Umgeben von Feinden und widerwilligen oft getäuschten Freunden scheint sich auch an ihm endlich der Spruch aus grauer Vorzeit zu erfüllen, der uns stets warnend, mahnend und drohend zuruft: ‘Untreue gebiert Untreue, hinter der Untreue aber lauert der Tod’. Hab- und Selbstsucht, Härte und Rücksichtslosigkeit, verbunden mit wunderbarem Spür- und Geschäftsinn durchdringt alle Schichten der britischen Bevölkerung und befähigt dieselbe aus gegebenen Verhältnissen ohne alle Gewissensbisse den grösstmöglichsten Nutzen zu ziehen. Für den Engländer ist der Fremde ein untergeordnetes Wesen, hauptsächlich dazu berufen ihm zu dienen. Sein Wert wird ausschliesslich nach den Diensten bemessen, die er ihm zu leisten vermag.

Solche, die sich dem Engländer nicht fügen wollen, verfolgt er, besonders wenn sie ihm gefährlich scheinen, mit Eifersucht und Hinterlist, die Uebrigen werden verachtet in dem ihm eigenen ungemessenen Dünkel. Dienstbeflissene, feile Ausländer aber betrachtet er als Bedientenseelen.

Diese britischen Charakterzüge, die im einzelnen Individuum

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stets mehr oder minder scharf ausgeprägt sind, machen sich natürlich auch fremden Völkern und Staatswesen gegenüber in derselben Weise geltend.

Einen ihm ebenbürtigen Nebenbuhler giebt es für den echten Engländer einfach nicht. Droht dieser jedoch aus der Menge herauszuwachsen, so bleibt kein Mittel unversucht dieses Wachstum zu verkümmern oder zu stören. Hindernisse werden genommen oder umgangen und beharrlich heftet er sich an die Sohlen des Gegners.

Im Geschäftsleben kennt der Engländer ebensowenig Rücksichtnahme als in der Politik. Jedes Unternehmen, das beginnt hinderlich oder bedrohlich zu werden, wird mit allen Mitteln ohne Zögern unterbunden und wenn möglich vernichtet. Erstehen in fremden Ländern, in solchen selbst, die dem unmittelbaren englischen Einfluss nicht unterstehen, konkurrenzfähige gewerbliche Anlagen, so wird nichts unversucht bleiben dieselben gleich anfangs zu ersticken. Zu geldlichen Opfern allein, oder je nach der Grösse des Objekts in Gemeinschaft mit ebenfalls bedrohten Häusern, wagt er, rasch bereit, gewaltige Kapitalien um den Wettbewerb zu lähmen und sich das Monopol und damit die Goldquellen für die Zukunft zu sichern. Wenn brutale Gewalt nicht zum Ziele führt, wird der geheime Krieg und die Maulwurfsarbeit versucht: wie Beteiligung am fremden Geschäft oder Aufkaufen von Aktien. Schliesslich erreicht er in vielen Fällen endlich doch seine Absicht alleiniger Herr und Meister zu sein.

Nach seinen Begriffen ist das eigentliche Engländertum natürlich Haupt und der Magen des britischen Riesenleibes. Millionen von Fangarmen strecken sich aus um dieses Ungetüm auf Kosten oder mit Hülfe andrer Lebewesen zu füllen. Mit seinem Wachstum aber steigern sich selbstverständlich seine Bedürfnisse ins Ungemessene. -

Wer den Kampf mit diesem Riesen aufnehmen will, muss versuchen ihn mit seinen eigenen oder ähnlichen Waffen zu bekämpfen, muss von ihm lernen, muss ihn begreifen. Ob

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er ihm einst gewachsen sein wird, hängt von Ausdauer, gewaltiger Anspannung und höherer Ausbildung ab. - Die gefährlichsten Gegner Englands sind heute Russland in politischer und Deutschland in kommerzieller Hinsicht.

Im Allgemeinen kann zwar der Durchschnittsrusse als Mensch kaum einen Vergleich aushalten mit dem Engländer, zumal was Ausdauer, Geschäftssinn und Selbstsucht anbelangt, wennschon auch ihm Habsucht und Härte keine unbekannten Dinge sind. Die besten englischen Eigenschaften, diejenigen, die grade im Verein mit den schlechteren dieses riesige Wachstum auf fremde Kosten beförderten, gehen dem Russen unbedingt ab. Dahingegen ist er gelehrig, geduldig, berechnend, schlau und wartet im gewöhnlichen Leben wie in der hohen Politik ‘gutmütig lächelnd’ den günstigen Augenblick ab, um ohne allzu grosse Opfer und Anstrengung den Gegner aus dem Sattel zu heben und sich an seine Stelle zu bringen.

Die grosse politische Partie, die den einen dieser beiden Gegner endgültig mattsetzen soll, ist augenblicklich im Gang.

Die Figuren sind nicht blos aufgestellt in diesem Weltenspiel, sondern werden bereits seit einiger Zeit geschoben. Die ‘Bauern’ stehen im Vordertreffen und haben trotz starker Einbusse der ‘englischen Königin’ arg zugesetzt, sie ist augenblicklich in ihren Bewegungen gehemmt und erhofft die Hülfe ihrer Trabanten, Amerika, Japan und Italien.

Russischerseits ist das gewaltige Brett geschlossen besetzt und vorgeschobene Posten bedrohen die feindlichen Blössen.

Das neue Jahrhundert scheint den Weltbrand aus dem fernen Osten heranzubringen. Sollte für die bisherigen Gebieter der alten Erde die Götterdämmerung hereinbrechen? Werden neue Kräfte emporsteigen um künftig die Geschicke der Menschheit zu lenken? Kräfte, die überraschend schnell hervortreten, die nicht mehr zu bannen sind, die mit elementarer Gewalt nach Selbstbethätigung streben!

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Die grosse Krisis, die sich im Orient entwickelt, wird als Kraftmesser dienen und Klarheit bringen, wer der Fähigste und Stärkste im höchsten Wettbewerb sein wird.

Viele ähnliche Kämpfe um die Oberherrschaft haben auch früher in gewissen Teilen der Erde stattgefunden, ein Ringen aber, das den endgültigen Ausschlag für die gesammte Erde bringen soll, kannten wir bis jetzt noch nicht.

Für das Germanentum ist es eine wichtige Frage, ob Deutschland, die grösste Landmacht, gebieterisch einzuwirken vermag in dem heraufziehenden Völkerstreit, oder ob es doch wenigstens imstande ist die Entscheidung nach der einen oder der andern Seite hin zu biegen. Muss es als Seemacht untergeordneten Ranges nicht zurücktreten und sich etwa begnügen einfach mitgeschoben zu werden?

In Betracht kommen vorerst wohl nur die Mächte, die genügende Truppen an den Schauplatz der Ereignisse zu werfen vermögen. Dįes sind zunächst Russland und Japan, dann Frankreich und erst in vierter Stelle Deutschland. Es ist wohl mehr als eine Vermutung, wenn man ausspricht, dass Japan eine Hauptfigur im englischen Spiele abgeben soll. Ob dies in der That geschieht und besonders in Englands ausschliesslichem Interesse, ist allerdings zweifelhaft. Japans Erstarken als Militärmacht ist überraschend schnell vor sich gegangen. In weniger als 15 Jahren ist es aus asiatischer Abgeschlossenheit in den vollen Wettbewerb der Weltpolitik kräftig eingetreten. Es scheint in Anbetracht dieser unglaublichen Thatkraft wenig wahrscheinlich, dass es sich so ohne Weiteres für Englands Interesse binden wird. Die Geschichte lehrt uns ja zur Genüge, wessen sich Englands Bundesgenossen von ihn zu versehen haben. Einen Gleichberechtigten erkennt der britische Hochmut nicht an, höchstens einen Handlanger, den man vielleicht im günstigsten Falle ablohnt, aber lieber noch abschiebt, wenn er alt und arbeitsunfähig geworden ist. Die klugen, wissbegierigen Kinder der aufgehenden Sonne werden sich das wohl auch schon in

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die Ohren geraunt haben, wenn der Versucher an sie herangetreten ist. -

Damit tritt aber eine neue Sorge für Alt-Europa in den Vordergrund: Soll man so ohne Weiteres diesem waffenmächtigen, energischen Vertreter der gelben Rasse die Hauptrolle anvertrauen? Allein schon das Ansehen, das Japan bei allen Asiaten dadurch gewinnt, muss zur Vorsicht mahnen. Merkwürdigerweise hören wir von der Ermordung aller ‘fremden’ Elemente in China aber nicht zugleich von der Vernichtung der 3000 Japaner. Neben den Christenmissionen wird ganz besonders den Landerwerbungen Europas in China die Schuld am Ausbruch der Empörung zugeschrieben, die Abtretung Formosas an Japan aber wird garnicht erwähnt. Soll man daraus nicht etwa ableiten können, dass es den geschickten chinesischen und japanischen Staatsmännern gelungen ist, das Rassegefühl in China und Japan gegen die weissen Teufel zu erwecken?

Englands Interesse verlangt gebieterisch neuen Länderbesitz um die Teile zu ersetzen, die ihm entweder nur lose verbunden oder die bereits ausgesogen und abgewirtschaftet sind wie Indien. Eine gemeinschaftliche nur europäische Aktion bietet England keine Sicherheit, darum sucht es Japan vorzuschieben und Amerika mitzuschleppen. Eine starke rein europäische Einmischung scheint ihm bei den bekannten Gefühlen des Continents ihm gegenüber eine heikle Sache. Es gönnt den Japanern die vornehmste Rolle in Ostasien tausendmal eher als den Russen, denkend, dass es vermöge seiner starken Flotte dennoch sofort den Löwenanteil erhalten und später wohl gar noch goldene Früchte einheimsen dürfte.

Ob ein paar englische Missionare mehr oder weniger mit den andern Europäern umkommen, ist England ganz gleichgültig, es schreitet über diese blutigen Opfer fort, sein letztes Ziel unverrückt im Auge behaltend.

Somit wäre denn die gelbe Gefahr, vor der einst lebhaft an hoher Stelle gewarnt worden ist gewaltig gewachsen.

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Dieselbe kann, da England sicher versagen wird, nur beschworen werden durch festes Zusammenschliessen der europäischen Festlandmächte. Deutschland kann seine Rechnung in der jetzigen Weltkrisis nur finden, wenn es gemeinsam mit Russland arbeitet. Vereint und gedeckt durch Frankreich und Deutschland kann Russland genügende Truppenmassen nach China bringen und zwar gegebenen Falls nicht blos nach China, sondern auch nach der indischen Grenze. Ob es für Deutschland zweckmässig war seine besten Panzerschiffe nach Ostasien zu senden, ist eine vielbestrittene Frage. Vielleicht war dies dennoch nötig, damit eine vereinigte russisch-französisch - deutsche Flotte womöglich durch Gewalt verhindern kann, dass Japan stets grössere Truppenmassen landen wird.

Die Absendung einer weiteren deutschen Division oder gar eines Armeekorps ist jedenfalls ernstlich zu erwägen. Deutschland sollte für alle Fälle stark gerüstet sein zu Nutzen und Frommen Europas und zur Vertretung seiner eigenen Belange, die in Asien, leider aber noch weit stärker, in Afrika durch England gefährdet worden sind.

Brüssel.

Baron v. Ziegesar.