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Die Mainzer Tagung des Alldeutschen Verbandes
I. Die Uebersicht
über die Thätigkeit des Alldeutschen Verbandes seit 1897 ist dem diesjährigen Verbandstage von Dr. Lehr unterbreitet worden und wurde, in der Vorstandssitzung wie auch in der Versammlung unter dem Beifall derselben auszugsweise verlesen. Der Bericht giebt nicht nur einen Ueberblick über die geleistete Arbeit, sondern auch eine programmatische Darstellung der Ziele des Verbandes. Der Aufschwung des Verbandes sei ein glänzender. Die falschen oberflächlichen Ansichten über den blinden Chauvinismus desselben seien im allgemeinen einer richtigeren Beurteilung und Wertung gewichen, die sich in den nationalen Kreisen der jüngeren Generation zu begeisterter Anerkennung gesteigert haben. Die Presse des Auslandes beschäftige sich in immer feindlicherer Weise mit dem Verband, ein Beweis, dass sie die Bedeutung seiner Arbeit für die führende Stellung des deutschen Volkstums erkannt hat. Die Schwierigkeiten, welche die alten Vereinsgesetze vielfach der Organisation des Verbandes machten, sind durch die neue Reichsgesetzgebung gehoben, in Bayern und Sachsen infolgedessen zahlreiche und tüchtige Ortsgruppen entstanden; die alten Ortsgruppen haben sich vielfach zu Gauverbänden zusammen geschlossen. Die aufsteigende Entwickelung des Alldeuts hen Verbandes kommt am besten in folgenden Zahlen zum Ausdruck:
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Mitglieder |
Besteller der
Alld. Bl. |
Ortsgruppen |
Am 1. ordentlichen Verbandstag Sept. 1894 |
5600 |
2200 |
27 |
am 2. ordentlichen Verbandstag 1. April 1897 |
10 217 |
4367 |
75 |
am 1. April 1900 |
21 361 |
8279 |
184 |
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Von den 21 361 Mitgliedern sind 17 577 in Ortsgruppen organisiert, unter Vertrauensmännern stehen 2725 und 1059 Einzelmitglieder. Die Ortsgruppen verteilen sich:
158 im Deutschen Reiche mit 16 577 Mitgliedern |
5 im übrigen Europa mit 319 Mitgliedern |
13 in Amerika mit 371 Mitgliedern |
2 in Afrika mit 83 Mitgliedern |
5 in Asien mit 208 Mitgliedern |
1 in der Südsee mit 19 Mitgliedern |
Hand in Hand damit geht ein finanzieller Aufschwung, der nach Erhöhung der Mitgliederbeiträge auf 2 M. es ermöglichte, den durch die Opferwilligkeit einzelner Mitglieder jährlich geschaffenen Garantiefonds von 10 000 M. in Wegfall zu bringen.
Die Alldeutschen Blätter, die ursprünglich 4 Seiten hatten, erscheinen jetzt als 8- 12- oder 16seitige Nummern.
Der Bericht giebt dann einen Rückblick über die Thätigkeit des Verbandes auf nationalen Arbeitsfeldern.
In der Polenfrage trat der Verband mit der Gründung des Vereins für Waisenpflege in der Provinz Posen und der Errichtung des Waisenhauses zu Neuzedlitz hervor. Letzeres beherbergt 34 Kinder und wird demnächst durch Errichtung einer landwirtschaftlichen Winterschule erweitert werden.
Bei Wahrung der deutschen Interessen im Auslande ist der Erfolg zu verzeichnen, dass es dem Vorsitzenden des Verbandes, Prof. Dr. Hasse im Reichstage gelungen ist, eine wesentliche Erhöhung des Reichsunterstützung an deutsche Schulen im Auslande auf 300 000 M. durchzusetzen.
Der vom Verband eingerichte Gesetzentwurf betr. Abänderungen der Bestimmungen über den Erwerb und Verlust der Reichs- und Staatsangehörigkeit ist leider noch nicht zur Beratung gelangt.
Das Eintreten des Verbandes für die deutschen Stammesgenossen in Oesterreich hat viel dazu beigetragen, die Deutschen im Reich davon zu überzeugen dass es sich dort um ihre eigenen Interessen handelt. Erfreulich seien die erreichten Fortschritte in der Neubelebung des Gefühls der Zugehörigkeit der Niederdeutschen in Holland und Belgien zum deutschen Volkstum. Ein dort bestehendes Misstrauen gegen die Ziele des Verbandes sei meist vollem Verständnis gewichen. Die brutale Vergewaltigung ihrer Stammesbrüder in Südafrika durch England habe die Niederländer auf die Gefährdung ihres eigenen Kolonialbesitzes aufmerksam gemacht und den Gedanken eines wirtschaftlichen Bündnisses mit Deutschland bei voller Aufrechterhaltung der staatlichen Selbstständigkeit bedeutend gefördert Die Niederwerfung der Buren betrachtet der Verband als eine ernste Gefährdung der deutschen Interessen in Afrika. Er erkennt an, dass die Regierung gezwungen ist, Neutralität zu üben, gab aber den Sympathieen des deutschen Volkes für die Buren einen positiven Ausdruck, ermöglicht in einer Burensammlung die bisher die Höhe von 230 530 M. erreicht hat. Davon sind zu einer mit vlämischen Freunden gemeinsam ausgesandten
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Alldeutschen Ambulanz bis jetzt 36 081 37 M. ausgegeben, 6688 M. zur Linderung der Not der Gefangenen in Kapstadt, 21 000 M. an die Ortsgruppe Johannesburg überwiesen zur Unterstützung der notleidenden Angehörigen der im Felde stehenden Buren und Deutschen. Nach dem Rat sachverständiger Kenner der Verhältnisse werden grössere Zahlungen vorläufig nicht überwiesen, da die grösste Not erst noch kommen wird.
In der Kolonialpolitik hat der Verband die Besetzung von Kiautschou, den Erwerb der Karolinen- und Marianneninseln, vor allem den Samoas, freudig begrüsst. In der Behandlung unserer afrikanischen Kolonieen lässt es nach Ansicht des Verbandes die jetzige Kolonialleitung an der nötigen Energie fehlen (ostafrikanische Centralbahn). Auch die Art, wie dieselbe grosse Länderstrecken an Gesellschaften von zweifelhaftem Deutschtum, ohne ausreichende Gegenleistungen, vergebe, verdiene scharfen Tadel und habe das Vertrauen zu dieser Leitung in allen Kreisen des Alldeutschen Verbandes vollständig erschüttert.
Auf keinem Gebiet hat der Alldeutsche Verband einen derartigen Umschwung der Volksmeinung zu verzeichnen und auch nicht zum geringsten seiner Arbeit zuschreiben dürfen, wie auf dem der Flottenvermehrung. Bereits 1895 hatte der Verband auf die Notwendigkeit einer starken deutschen Kriegsflotte hingewiesen. 1896 trat er in eine ausgedehnte Agitation ein. Als dann 1897 die Reichsregierung mit einer Gesetzvorlage an die Oeffentlichkeit trat, war der Boden bereits vorbereitet und der Verband war in der Lage, in einer Reihe von Vorträgen und Publikationen auf dem gelegten Grund erfolgreich weiter zu bauen. Nach Annahme der ersten Regierungsvorlage war sich der Alldeutsche Verband vollkommen klar, dass damit nur alte Versäumnisse nachgeholt seien, dass nunmehr erst für eine der veränderten Weltstellung des Deutschtums entsprechende Flotte zu sorgen sei. Er trat ungesäumt in die neue Agitation ein und die Hunderte von Vorträgen, die unausgesetzte aufklärende Arbeit der Ortsgruppen hat nicht zum wenigsten dazu beigetragen, dass wir der endgültigen Annahme der neuen grossen Flottenvorlage in diesen Tagen gewiss sein können. In Errichtung eines Denkmals für den Admiral der ersten deutschen Flotte, Karl Rudolf Brommy, erfüllte der Verband eine hohe Pflicht der Pietät im Namen des deutschen Volkes. Der Verband erkennt es als sein höchstes Ziel, in Bismarck'schem Geiste zu wirken für die Ehre und Grösse des deutschen Namens, denn Bismarcks Lebenswerk ist der Grund, auf dem sich die ganze Arbeit des Verbandes aufbaut.
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II. Begrüssungsabend
Im Kötherhofe fand eine grosse öffentliche Begrüssungs-Versammlung statt, an der neben den zahlreichen auswärtigen Gästen viele Mitglieder der hiesigen Ortsgruppe und auch eine grössere Masse von Damen teilnahmen. - Rechtsanwalt Class-Mainz begrüsste in sehr herzlichen Worten die Gäste im Namen der Ortsgruppe Mainz und Dr. Reismann dankte im Namen des Verbandes für den liebenswürdigen Empfang. Dr. v. Mühlwerth
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aus Krems a.d. Donau, wie der österreichische Reichsratsabgeordnete Wolf, der ebenfalls anwesend war, wurde mit stürmischen Heilrufen begrüsst, ebenso freundlich wurden Dr. Hartwig, Lehrer Uhlmann und Baron v. Ziegesar aus den Niederlanden empfangen. Schriftlich und telegraphisch ging im Laufe des Abends noch eine grosse Reihe von Begrüssungen auch aus den Niederlanden ein, die bei ihrer Verlesung vielfach mit begeisterten Heilrufen aufgenommen wurden. Bei Konzert und fröhlichen Liedern vergingen schnell die anregenden Stunden dieses Abends.
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III. Hauptversammlung
Heute vormittag 9 1/2 Uhr eröffhete Dr. Reismann-Grone die Verhandlungen der Hauptversammlung mit einer kurzen begrüssenden Ansprache, indem er seinem Bedauern darüber Ausdruck gab, dass die Hauptleiter des Alldeutschen Verbandes, Prof. Hasse, Graf Arnim-Muskau, Graf Udo zu Stolberg und Dr. Lehr, durch die Verhandlungen des Reichstages über die Flottenvorlage verhindert seien zu erscheinen. In herzlichem Tone gehaltene Begrüssungstelegramme der Leiter wurden verlesen und mit lebhaften Heilrufen aufgenommen ebenso Telegramme aus Oestreich es Belgien.
Sodann ergriff Schriftsteller Ammon-Karlsruhe das Wort zu seinem Vortrage über die südafrikanische Frage.
In der Einleitung fragte der Redner, woher das tiefgehende Interesse kommen möge, mit dem das deutsche Volk den jetzigen Burenkrieg begleitete; es hätten doch auch in früheren Jahrzehnten schon Kriege der Engländer gegen die Buren stattgefunden, bei denen das Unrecht nicht minder auf der Seite der Briten war. Die Antwort liegt darin, dass der Weltverkehr die Welt kleiner gemacht hat. Wir erfahren die Kriegsereignisse schon beinahe an dem Tage, an dem sie sich zugetragen, und dadurch sind wir der Schaubühne näher gerückt. Unser Rechtsgefühl wird in erster Linie herausgefordert, das gerade beim deutschen Volke sehr entwickelt ist. Es kam aber noch ein Beweggrund hinzu. Das deutsche Nationalbewusstsein hat sich mächtig gesteigert, und wir haben die Buren als Stammverwandte erkannt. (Beifall.) Durch alle Kämpfe haben die Buren niederdeutsche Sprache und Art festgehalten, und darum konnten wir ihre Empörung über die Winkelzüge der britischen Diplomatie teilen. Wir haben ihre Siege begrüsst, und wir haben wie die Freude so auch das Leid mit ihnen getheilt, als das Kriegsglück sich vor der englischen Uebermacht beugte. Grausam hat das Schicksal den Buren mitgespielt. Doch wir müssen bedenken, dass wir nur ein Stück der Weltgeschichte sehen und nicht wissen, ob das Weltgericht dereinst ihren Spruch bestätigen wird. Das niederdeutsche Element, das seit 100 Jahren englischer Herrschaft seine Eigenart behauptet hat, wird auch in Zukunft seine Zähigkeit bewähren, und es können eines Tages unvorhergesehene Ereignisse eintreten, die das geschehene Unrecht wieder gut machen.
Auf Hoffnungen und Wünsche müssen wir uns leider in Deutschland
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beschränken. Das Reich hat seine Neutralität verkündigt. Nicht als ob unsere Staatsmänner unser Interesse an der Unabhängigkeit der Burenstaaten verkannt hätten. Nach dem Jamesoneinfall beantwortete der damalige Staatssekretär des Auswärtigen, Freiherr v. Marschall, eine Interpellation mit klaren Worten dahin, dass Deutschland die Fortdauer der Selbständigkeit der Südafrikanischen Republik wünsche, wie sie vertragsmässig gewährleistet ist, und dass Deutschland in der Vereinigung von ganz Südafrika zu einem einheitlichen Wirtschalts- und Staatengebiete eine schwere Schädigung der deutschen Interessen erblicke (Bewegung). So der Staatssekretär im Januar 1896. Der bezeichnete Ausgang ist eingetreten, die Burenstaaten sind von England bestimmt, zu einem einheitlichen Wirtschafts- und Staatengebiete vereinigt zu werden mit dem Kapland und Natal, unsere deutschen Interessen sind schwer geschädigt, dennoch beobachten wir Neutralität, weil wir im Hinblick auf die englischen Machtmittel zur See und unsere eigenen nicht anders können. Was sollen wir als Deutsche in dieser Lage thun? Eines wollen wir jedenfalls nicht thun, weil es nicht deutsch wäre, nämlich einen wüsten Engländerhass nähren und pflegen. Schmähen, wenn man nicht handeln kann, ist nicht deutsch. Wir wollen versuchen, von den Engländern zu lernen: das ist deutsch! Wir haben das stolze Selbstgefühl der Engländer in diesem Kriege gesehen. Möchte doch auch ein solches Selbstgefühl alle Deutschen erfüllen in dem Bewusstsein, dass niemand Deutschland ungestraft verletzen dürfe! Wir haben ferner mit erlebt, wie die ge waltige Macht Albions unter den ersten wuchtigen Schlägen seiner Gegner ächzte und stöhnte. Wir haben aber auch wahrgenommen, dass kein
Engländer verzagte und dass die ganze Nation von dem einheitlichen Willen beseelt war, den Krieg zum siegreichen Ende zu bringen. In jenen Tagen, als die englische Presse von der kritischen Lage des Reiches sprach, äusserte ein englischer Minister den brutalen Satz: Die Niederwerfung der Buren sei nur eine Frage der Zeit und des Geldes! Also nicht des Rechtes und der Gerechtigkeit. Der Satz klingt böse, er kann aber uns Deutschen zu denken geben. Die Opposition im Parlament tadelte nur die ungenügende Vorbereitung des Krieges, nicht dessen Endziel. Wenn der Krieg vorbei ist, wird Chamberlain der Held des Tages sein.
Doch nicht blos von den Briten, auch von den Buren können wir lernen. Der Krieg hat uns die Schwäche der Milizheere geoffenbart. Bei den Buren trugen die militärischen Leistungen zu sehr den Charakter der Freiwilligkeit. Ein Heer muss streng hierarchisch organisirt sein; nur wer sein Amt von einem Oberen hat und diesem mit seinem Kopf verantwortlich ist, kann den unbedingten Gehorsam erzwingen, den der Krieg fordert. Das unerwartete, wenigstens mit allen Vorhersagungen der Kenner des Landes im Widerspruch stehende Erlahmen des Widerstandes nach der Einnahme von Kroonstad beweist die Richtigkeit dieser Ansicht. Dem Einzelnen ist durchaus kein Vorwurf zu machen; es handelt sich um Fehler der Organisation.
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Aber alle diese rückschauenden Betrachtungen können nichts daran ändern, dass unsere Interessen in Südafrika schwer verletzt worden sind. Ein Stück niederdeutschen Landes ist verloren gegangen, ein Vorposten des Deutschthums, an den sich viele stille Hoffnungen knüpften, ist im Begriffe vernichtet zu werden. Der Uebermut der Sieger, die sich bisher schon nicht gerade durch Anspruchslosigkeit auszeichneten, wird nach dem Kriege bedeutend gesteigert sein. Unsere Kolonieen in Afrika sind in Gefahr, von den angelsächsischen Vettern gelegentlich als ihr Eigentum reklamirt zu werden. Ein ganz unter britischer Herrschaft stehendes Afrika ist der Traum der Engländer, den sie mit Zähigkeit verfolgen. Die Umstände können ihnen zeitweise ein Verleugnen dieser Pläne ratsam erscheinen lassen, aufgeben werden sie dieselben nie, denn ihre Politik ist nicht nur Weltpolitik nicht nur Wirtchaftspolitik, sondern auch Arbeiterpolitik, Sozialpolitik. Und Und weil alle Klassen, einschliesslich der Arbeiter, sich dessen bewusst sind, ist ein Verzicht Englands undenkbar Die Engländer haben eine Arbeiterversicherung mit ihren Schlachtschiffen errichtet. (Beifall.)
In dem Unterliegen des Burenvolkes hat uns das Schicksal eine Warnung erteilt: wir wollen sie verstehen und nicht mehr vertrauensselig sein!
Was also sollen wir nach der südafrikanischen Schlappe thun? Antwort: das nämliche, was Preussen nach Olmütz, was der Norddeutsche Bund nach der Luxemburger Affäre that: Schweigen und Arbeiten! Das Deutsche Reich muss sich stark machen zur See, ohne seine Landmacht zu schwächen. Die nötigen Opfer müssen bereitwillig getragen werden, sonst werden wir den Wettbewerb mit dem von einem Willen beherrschten englischen Volke nicht bestehen. Redner geisselt die Schwäche, an Ausländern hinaufzusehen, anstatt zu sagen, was die können, können wir auch, denn wir sind mindestens so gut wie sie! Nur kurz berührt er die laue Behandlung der Flottenfrage im Reichstage, dessen Kommission 25 Schiffe strich und wegen der 55 Millionen neuer Steuern ein grosses Lamento machte. Der Reichstag hätte die Regierung überbieten, er hätte 6 Geschwader anstatt 4 fordern, für den Ausbau 10 Jahre anstatt 20 ansetzen sollen. Denn dass wir uns unserer Freiheit wehren müssen, das sollte der Reichstag nachgerade selbst wissen und nicht die Regierung fragen, was denn geschehen sei, um eine neue Flottenvorlage zu rechtfertigen! Hätten wir Deutsche schon vor 20 Jahren dafür gesorgt, dass unsere Seemacht mit der anderer Staaten im gleichen Schritt sich entwickelte, dann ständen wir jetzt nicht beschämt und gedemütigt am Ende des Burenkrieges. Eine ruhige Einsprache Deutschlands hätte den Burenkrieg verhindert, denn der Brite hat ein gutes Augenmass für die Abschätzung von Machtverhältnissen. (Beifall) Aber unsere Schwäche forderte seinen Uebermut ja geradezu heraus! Daher hat er unsere Interessen, wo er konnte, mit Füssen getreten, in Südafrika, in Samoa, bei den Dampferbeschlagnahmen. Als Gral Bülow gegen letztere in entschiedenem Deutsch Einsprache erhob, fand Lord
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Salisbury seine Sprache ‘schroff’, und er hatte recht, denn hinter dieser Sprache stand nicht, was ihr Nachdruck verschaffen konnte. Hätten wir damals die vier in Aussicht stehenden Geschwader schon gehabt, so hätte Lord Salisbury die Sprache des Grafen Bülow sehr höflich, durchaus den Verhältnissen angemessen gefunden. (Lebhafter Beifall und Heiterkeit.)
Das Recht ist im 20. Jahrhundert nur soweit geschützt, als die Macht auf seiner Seite steht. Kein Bedrängter kann sich auf fremde Hilfe verlassen. Auch Deutschlands Rechte haben keinen andern Beschützer und Helfer als das deutsche Volk selbst. Und darum möge sich dieses bereit machen, sein Recht nach alter deutscher Sitte, mit deutschem Mute selbst zu schützen. Bereit sein ist alles. Kommt es zum Treffen, dann wird jeder Deutsche seinen Mann stellen und wir brauchen niemals zu verzagen. Hilf dir selbst, so hilft dir Gott! (Stürmischer Beifall.)
Nachdem der Vorsitzende dem Redner gedankt hatte, ergriff Dr. Wirth (Frankfurt) das Wort, um, lebhaft unterstützt von dem Professor der Geographie Fischer aus Marburg, auf Grund seiner intimen Kenntnis des Landes nördlich vom Vaal seiner Ansicht dahin Ausdruck zu geben, dass die volkliehe Frage in Südafrika mit Beendigung des Krieges noch nicht gelöst sei, dass vielmehr das niedersächsische Element ähnlich anderen schwächeren Völkerstämmen in den ausgedehnten geographischen Verhältnissen Südafrikas sich auf die Dauer erhalten werde, nachdem der Kampf und sein unglücklicher Ausgang ein bitteres Erziehungsmittel für de Buren geworden sei.
Es wurde sodann folgende Entschliessung angenommen:
‘Der Alldeutsche Verband spricht sein unverändertes Mitgefühl für die Buren in ihrem heldenhaften Kampfe für Freiheit und Recht aus und hofft, dass, unabhängig von dem Ausgang des jetzigen Krieges, die endgültige Entscheidung über das Schicksal des niederdeutschen Stammes in Südafrika einer späteren Zeit vorbehalten bleiben wird; der Verband spricht die Erwartung aus, dass die Reichsregierung im Gegensatz zu ihrer schwankenden Haltung in ihrer südafrikanischen Politik innerhalb der letzten 5 Jahre nunmehr eine stetige, massvolle, die Zukunft unserer südafrikanischen Interessen unausgesetzt im Auge behaltende Politik befolgen werde.’
Hierauf ergriff Prof. Samassa das Wort zu seinem Vortrag über:
Unser Verhältnis zu Oesterreich und die Lage der Deutschen in Oesterreich. Er bemerkte einleitend, dass es unmöglich sei, diesen Gegenstand in der zeitlichen Beschränkung, die hier geboten sei, erschöpfend zu behandeln. Redner betonte, dass jeder Deutsche, wo immer in der Welt er sein Deutschtum erhalte, eine Mehrung des deutschen Nationalvermögens bedeute, die Erhaltung des österreichischen Deutschtums, das für das Deutsche Reich den vorgeschobenen Posten gegen das andrängende Slaventum bilde, aber überhaupt eine Lebensfrage sei. Er wolle die Mittel betrachten, fuhr Redner fort, durch die die Aufgabe, das österreichische Deutschtum zu erhalten, gelöst werden und wie das Deutsche Reich sich hieran thätig beteiligen kann. Es werde notwendig sein, von der Geschichte und den thatsächtich gegebenen
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Verhältnissen in Oesterreich und im Reiche ausgehend einen Blick auf die Zukunft zu werfen. Redner hofft, dass es ihm gelingen werde, die Dinge weder vom einseitig deutsch-österreichischen noch vom einseitig reichsdeutschen Standpunkte zu betrachten.
Die geschichtliche Stellung des Deutschtums in Oesterreich sei aus rein kulturellen Momenten erwachsen; in kurzen, klaren Zügen skizzierte der Redner diese kulturelle Entwickelung des Deutschtums in Oesterreich. Seit 1848 nun werde das Schiff des österreichischen Staates von den Wogen der nationalen Bestrebungen hin und hergeworfen. Die erste Umgestaltung des theresianischen Staates durch den erstarkenden Nationalitätenkampf bedeutete der Ausgleich mit Ungarn. Durch die zielbewusste ungarische Politik habe Ungarn in der auswärtigen Politik und handelspolitisch ein Uebergewicht bekommen, das ihm nach seinen Leistungen keineswegs zukomme. Alle gemeinsamen Angelegenheiten müssen heute unter Zustimmung beider Teile beschlossen werden, und nicht, wie es vernünftigerweise sein müsste, durch ein auf Grund der Bevölkerungsziffer zusammengesetztes gemeinsames Parlament. Wenn das Verhältnis Ungarns zu Oesterreich nicht anders wird, muss letzteres notwendigerweise bankerott werden. Oesterreich strebt deshalb die Unabhängigkeit Ungarns offen an. Da eine Rückkehr zum centralistischen Staat Maria Theresias aber unmöglich sei, gehe das Verhältnis Oesterreichs zu Ungarn zweifellos der Personalunion entgegen.
Die selbständige Stellung, die sich die Magyaren errungen haben, war natürlich für die anderen Nationalitäten eine Anregung, ähnliches zu erstreben, und solche Bestrebungen treiben auf einen Föderativstaat hin, in dem die Slaven ein grosses Uebergewicht hätten. Die Verwirklichung eines solchen Planes würde die Vernichtung des österreichischen Deutschtums, die Lösung des deutsch-österreichischen Bündnisses bedeuten. Man pflegt diesen Plan vielfach als reine Utopie zu belächeln, vergisst aber, dass er schon mehrfach seiner Verwirklichung nahe war. Andererseits aber, bedeutet der gegenwärtige Zustand für Deutschland eine ständige Gefahr durch das numerische Ubergewicht der Slaven. Als eine Rettung der Deutschen aus dieser Lagekönnte eine Annexion durch das Deutsche Reich angesehen werden. In der That würde dies die Vollendung des deutschen Nationalstaates bedeuten, und es könnte sich wohl eine Weltlage, wie sie Anfang der 70. Jahre vorhanden war, ergeben. Trotzdem böte eine derartige Annexion eine schwere Gefahr fnr beide Teile. Oesterreich ist gegenüber der deutschen Entwickelung so zurückgeblieben, dass es eine Reihe deutscher Einrichtungen nicht annehmen kann. So ist z. B. das allgemeine Wahlrecht fnr Oesterreich ganz undenkbar. Andererseits würde den jetzigen Parteien im Reiche teils die Fähigkeit, teils der Wille fehlen, eine nationale Politik gegenüber den Slaven zu führen. Die Notwendigkeit, sich jahrzehntelang mit innerpolitischen Fragen beschäftigen zu müssen, würde eine schwere Fessel fnr unsere Weltpolitik sein, die zu treiben wir genötigt. Wir müssen unsere Aufgabe daher teilen: während das Reich die weltpolitischen Ziele des deutschen Volkes betreibt, sichern ihm die
Deutschen Oesterreichs seine kontinentale Stellung und bieten
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ihm die Rückendeckung, die es notwendig braucht. Dazu bedarf es aber einer Umstaltung Oesterreichs, die den Deutschen dort die Sicherheit ihrer nationalen Existenz gewährleistet. Die österreichische Verfassung müsste in der Weise umgestaltet werden. dass mindestens Galizien und die Bukowina, vielleicht auch Dalmatien im Reichstage nicht vertreten sind. Der Rest der ehemaligen deutschen Bundesländer müsste einen engeren Staatsverband bilden. In diesem hätten die Deutschen eine schwache numerische Majorität, die durch wirtschaftliche und kulturelle Ueberlegenheit noch gesteigert würde. Der Redner fnhrt an einigen klassischen Beispielen aus, wie wenig Zusammenhang Galizien mit dem übrigen Oesterreich habe und dass es lediglich ein Land sei, das Oesterreich viel koste, aber nichts leiste. Den Unterschied der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zeigen folgende Zahlen: In Deutsch-Oesterreich kommt an direkten Steuern auf den Kopf der Bevölkerung 6,50 fl., in Galizien 1,98 fl., in der Bukowina 1,88 fl., in Dalmatien 1,35 fl.; an indirekten Steuern in Deutsch-Oesterreich 17,00 fl., in Galizien 7,30 fl., wobei zu beachten ist, dass allein die Staatsschuldenverzinsung in ganz Oesterreich 6,60 fr. auf den Kopf der Bevölkerung beträgt. Den kulturellen Unterschied beleuchten folgende Ziffern: In Oberösterreich sind von 10,000 Per sonen männlichen Geschlechts über 16 Jahre 616 Analphabeten, in Galizien 6487, in der Bukowina 7545, in Dalmatien 7575. Der Vorschlag, Galizien eine Sonderstellung zu geben, ist von deutscher Seite schon Ende der 60. Jahre von einem Leipziger Gelehrten gemacht worden. Ob man Dalmatien auch eine Sonderstellung einräumen sollte, darüber sind auch in deutschen Kreisen die Ansichten geteilt, da es gute Häfen habe; keinesfalls aber sei dies Land für den Parlamentarismus reif.
Deutsch-Oesterreich müsste durch eine Zollunion und ein Schutz und Trutzbündnis, das in die Verfassung aufzunehmen sei, mit dem Reiche verbunden sein. Ungarn könnte einem weiteren Zollverbande angehören, müsste aber sowohl wirtschaftlich wie politisch Anlehnung an Oesterreich suchen.
Man fragt sich, wie sich eine derartige Gestaltung Oesterreichs werde erreichen lassen, da die leitenden Kreise, der Feudaladel, der Klerus und die Slaven natürlich den schärfsten Widerstand entgegensetzen würden. Die Geschichte der letzten 50 Jahre beweise aber, dass die leitenden Kreise vor jeder energischen politischen Partei zurückgewichen sind. Das zeige das Entgegenkommen gegenüber den Polen, gegenüber den Sklaven und das Opfern der bescheidenen Siebenbürger Sachsen durch die Regierung. Die Deutschen aber, die nur eine Umgestaltung, nicht eine Zerstörung des Reichs wollen, sind für Oesterreich ein so wichtiges Element dass man ihnen entgegenzukommen wohl Veranlassung hat. Hoften wir, dass es ihnen gelingen werde, ohne eine europäische Katastrophe aus eigener Kraft die Stellung zu erkämpfen, deren sie zur Ausbreitung ihrer nationalen Kraft bedürfen.
Der lebhafte Beifall, der dieser in Form und Inhalt ausgezeichneten, vielfach auch durch Erzählung persönlicher Erfahrungen und humorvolle Bemerkungen gewürzten Rede folgte, zeigte deutlich, mit wie grossem Interesse die stattliche Versammlung den Ausführungen gefolgt war.
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In der Debatte ergriff u.a. das Wort der österreichische Reichsratsabgeordnete Wolf, mit stürmischen Heilrufen begrüsst. Er dankte zunächst dem Alldeutschen Verbände, dass es ihnen, den Oesterreichern fast alljährlich gestattet sei, über ihre internen österreichischen Fragen in Deutschland zu sprechen. Denken Sie jedoch nicht, so fuhr er fort, dass Sie uns damit eine Gnade erweisen; wenn Sie für uns eintreten, so müssen Sie es thun aus einfachem politischen Egoismus. (Lebhafter Beifall.) Wenn acht Millionen Deutsche - und wahrlich nicht die schlechtesten (Beifall) - vor den Thoren dieses Reiches abgeschlachtet werden, glauben Sie nicht, dass das ihr Ansehen hebt! Wenn man vor 5 bis 6 Jahren in unserer Sache gewagt hätte, in einer reichs-deutschen Versammlung zu sprechen, so wäre man zweifellos mit der bei ihnen in Deutschland üblichen parlamentarischen Korrektheit an die Luft gesetzt worden. (Stürmische Heiterkeit und Beifall.) Der Redner schildert dann in eindringlichen Worten die Gefahr des agressiven Tschechentums. Der Tscheche sei bei Verwendung seiner überschüssigen Volkskraft vorsichtiger als wir Deutsche; er versteht, dort, wo sich Tschechen im Auslande niederlassen, das Volkstum treu zu bewahren, weil er national viel energischer ist als wir. Leider werde der Kampf der Tschechen gegen die Deutschen sogar von Deutschen unterstützt; deutsches Kapital sei vielfach an tschechischen Banken beteiligt, die reine Kampfinstitute seien, u.a. die deutsche Bank (Bewegung.) Im übrigen freue er sich, dass er einmal aus den kleinlichen politischen Verhältnissen herausgekommen sei, aus dem Kleinkampf, der zwar ungeheuer notwendig, aber auch ungeheuer ekelhaft sei. (Beifall.) Die Deutschen in Oesterreich sehen jetzt nur noch in einem energischen entschiedenen Auftreten ihr Heil und wenn, was er nur wünsche, das jetzt in Wien tagende
Parlement zum Teufelginge, so würden die Anhänger dieser Idee anstatt mit 8, mit mindestens 20-30 Mann ihnen Einzugins Parlament halten
Auch Wolf trat für eine Zollunion Oesterreichs mit dem deutschen Reiche ein und bezeichnet als die Ziele der nordösterreichischen Deutschen 1. die Erzwingung der deutschen Sprache als Staatssprache, 2. die Inartikulierung des Bündnisses mit dem deutschen Reiche in dem Staatsgrundgesetz und 3. die Zollunion.
Lange anhaltender Beifall folgte seinen Ausführungen und die Versammlung nahm hierauf folgende Entschliessung an:
‘Der Alldeutsche Verband sieht in der Erhaltung des österreichischen Deutschtums eine Lebensfrage des deutschen. Volkes und hofft, dass es den Deutschen Oesterreichs durch standhaftes Ausharren im Kampfe gelingen werde, die ihnen gebührende Stellung im Staate zu erlangen. Er wünscht unter dieser Voraussetzung einen engeren Anschluss Oesterreichs an das Deutsche Reich durch die Aufnahme des deutschösterreichischen Bündnisses in die Verfassung und durch eine Zollunion.’
Endlich wurde nach einer Begründung durch Verlagsbuchhändler Lehmann folgende Entschliessung zur Flottenfrage gutgeheissen:
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‘Der Alldeutsche Verband spricht seine lebhafte Freude über die endgültige Sicherung einer grösseren deutschen Schlachtflotte aus und ist sich mit Genugthuung bewusst, seinen redlichen Anteil an der glücklichen Erreichung dieses Zieles zu haben. Er hält es für eine selbstverständliche Pflicht der Reichsregierung, die heute zurückgestellten Auslandsschiffe rechtzeitig und in dem Umfange des gesteigerten Bedarfs anzufordern, sowie Mittel und Wege zu finden, um den Ausbau der Flotte zu beschleunigen. Er hält eine Werbethätigkeit des Verbandes mit diesem Ziele für eine der wichtigstén Aufgaben des Verbandes in den nächsten Jahren.’
Vor Schluss der Verhandlungen wurde unter Beifall der Versammlung die Absendung folgender Depesche an die Hauptleitung beschlossen:
‘Die Hauptversammlung des Alldeutschen Verbandes sendet den Mitgliedern der Hauptleitung treu deutschen Gruss und erneuert das Gelöbnis, im Kampfe für die alldeutschen Ziele treu zu ihren Führern zu stehen. So schmerzlich die Hauptversammlung es empfindet, die Mitglieder der Hauptleitung nicht in ihrer Mitte zu sehen und ihrer bewährten Leitung entbehren zu müssen so dankt sie ihnen umsomehr für ihre Pflichttreue, mit der sie im Reichstage für die Verwirklichung einer Forderung eintreten, für die der Alldeutsche Verband seit Jahren seine Kräfte eingesetzt hat. Die Hauptversammlung fühlt sich mit ihren Führern im Geiste vereint in gemeinsamer Arbeit für Macht und Grösse des deutschen Volkes.’
Die geschäftlichen Verhandlungen des diesjährigen Verbandstages waren damit beendet; am Nachmittag schloss sich eine Besichtigung der Sehenswürdigkeiten der Stadt Mainz unter sachverständiger Führung und am Abend ein grosser Kommers an.
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IV. Festkommers
4-5000 Personen, Frauen und Herren, hatten sich in dem grossen festlich geschmückten Saale des Mainzer Turnvereins, der die Kommenden bei weitem nicht fassen konnte, zur geselligen Nachfeier der ernsten Beratungen eingefunden. Rechtsanwalt Class aus Mainz konnte den Kommers mit der freudigen Mitteilung eröffnen, dass, laut einem Telegramm Dr. Lehrs, der Reichstag die Flottenvorlage soeben in zweiter Lesung mit grosser Mehrheit angenommen habe. Der Mitteilung folgte ein brausender, lang anhaltender Beifall. Die Begrüssungsrede endete mit einem Hoch auf den Kaiser, dem der Alldeutsche Verband zwar nicht in allen Dingen hätte folgen können und zu dessen Regierungshandlungen er sich hie und da kritisch hätte stellen müssen, dem er aber da, wo er sich mit ihm auf gleichem Wege zu den hohen nationalen Zielen wusste, um so freudiger zujubele. Das Hoch auf den Kaiser und den Grossherzog von Hessen wurde unter dem Eindruck der Nachricht vom Gelingen des Flottengesetzes
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mit besonderer Begeisterung ausgebracht. Weitere Hochs galten den Leitern und dem Ausschuss des Verbandes, den Mitgliedern und den Gästen. Ein Vertreter des Wartburgbundes deutscher Jugendbündler, ein Verein, aus dem u.a. der grosse deutsch-nationale Handlungsgehilfenverband hervorgegangen ist, stellte künftigen Anschluss des Bundes an den Alldeutschen Verband in Aussicht und toastete auf die deutsche Rasse. Reichsratsabg. Wolf entschuldigte in seiner drastischen packenden Weise den Radikalismus der deutschen Volkspartei. Schwerhörigen oder denen, die sich so stellen, wie es die österreichische Regierung sei, könnte man nur mit dem höheren Grad der Deutlichkeit, der Grobheit, verständlich werden. Wolf hob besonders hervor, dass die national-radikale Partei bereits in grossem Umfange die Jugend und die Frauen für sich gewonnen habe. Ja man wäre in Oesterreich bereits so weit, zahlreiche Arbeiter zu freudiger Mitarbeit an der deutschnationalen Sache herangezogen zu haben - eine Thatsache, die im Reiche besonders wundernehmen werde. Mit einem Hurrah Alldeutschland schloss die ausserordentlich zündende Rede.
Ein Vertreter der Marine vom Schiff Kaiseradler trug in Uniform unter grossem Beifall schwungvolle Verse vor, in denen er den Verband bittet, weiter in seinem Wirken für die Flotte und für den Schutz aller Deutschen übersee fortzufahren. Bei Musik und Gesang patriotischer Lieder blieb man bis zu sehr vorgerückter Stunde zusammen, bis der Gedanke an die morgende Festfahrt nach Rüdesheim auch die Letzten zur Heimkehr mahnte.
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V. Die Niederwaldfahrt.
Den stimmungsvollen Abschluss der diesjährigen. Tagung des Alldeutschen Verbandes in Mainz bildete eine gemeinsame Rheinfahrt der Abgeordneten und Gäste am gestrigen Tage zu Alldeutschlands herrlichstem nationalen Denkmal, der Germania auf dem Niederwald, an der sich über 500 Personen aller Stände beteiligten. Sehr erfreulich war vor allem die starke Teilnahme der deutschen Studentenschaft, die durch Abgeordnete des Kyffhäuser-Verbandes, des Vereins deutscher Studenten, des Akademischen Turnerbundes und 20 Mitglieder der Burschenschaften von technischen Hochschulen vertreten war. Selbstverständlich fehlten auch die Gäste aus Oesterreich und den Niederlanden nicht. Auf dem festlich geschmückten niederländischen Dampfschiff ‘Königin Wilhelmina’ ging die fröhliche Fahrt vor sich. Die Kapelle des Mainzer Pionier-Bataillons stellte die Musik und unter Becherklang und dem Gesänge deutscher Lieder wurde gegen 12 Uhr mittags Rüdesheim erreicht, von wo aus die ganze Gesellschaft mit 3 Extrazügen der Zahnradbahn durch blühende Weinberge die Höhe hinan zum Niederwald fuhr. Nach einem kurzen Aufenthalt in Jungs Denkmal-Wirtschaft sammelten sich die Teilnehmer an der Fahrt nebst einer
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grossen zufällig anwesenden Menge von Rheinreisenden, unter denen das ausländische Element nebst einer grossen Anzahl von Lehrern, die auf der Ruckreise von dem Kölner Lehrertage hier Station gemacht hatten, stark vertreten war, vor der festlich geschmückten Rednertribüne, die zu Füssen des gewaltigen Denkmals Aufstellung gefunden hatte. Rechtsanwalt Class-Mainz dem die ausserordentlich umsichtige und würdige Veranstaltung in erster Linie zu danken war, wies in seinem kurzen Begrüssungswort auf die Gepflogenheit des Alldeutschen Verbandes hin, im Anschluss an seine Tagungen Stätten zu besuchen, die durch die machtvolle Vergangenheit deutscher vaterländischer Geschichte geheiligt seien. So galt der Besuch des Verbandstages in Hamburg dem herrlichen Sachsenwalde und so gilt unser heutiger Ausflug dem gewaltigen Denkmal am herrlichsten deutschen Strom, dass das, was vor 30 Jahren die Herzen und Geister bewegte, wieder lebendig vor uns werden lässt und uns Alldeutschlands Macht und Grösse in überwältigender Weise vor Augen führt. (Stürm. Beifall ) Hier wollen wir aufs neue geloben, deutsch zu sein und deutsch zu bleiben. Im Anschluss an diese Worte stimmte die Versammlung die ‘Wacht am Rhein’ an. Alsdann nahm Pastor Klingemann-Essen das Wort zu einer Ansprache, wie sie selbst an dieser Stätte ergreifender und hinreissender kaum je gehalten worden sein dürfte, und deren Inhalt wir nicht ermangeln wollen wortgetreu wiederzugeben.
‘Verehrte und liebe Festgenossen, deutsche Männer und Frauen! Das gewaltige Denkmal am herrlichen Rheinstrom, - wie wirkt es so mächtig auf uns ein, wie redet es zu uns eine begeisternde Sprache! Es mahnt uns an jene grosse Zeit, deren Kinder und Erben wir sind, deren Errungenschaften zu wahren unser heisses Bemühen sein muss. Es erinnert uns an die heilige Verpflichtung unverbrüchlicher Treue zu Kaiser und Reich. Vor unsre Seele stellt des ragende Standbild jene grossen Männer, die Helden unsres Volkes, die neue herrliche Zeit dem Vaterland haben heraufführen dürfen, und deren Gedächtnis in nie verlöschender Dankbarkeit uns allen tief im Herzen wurzelt. Was sie uns gewesen und was sie uns erworben, das wird in uns fortleben, das wollen wir pflegen und hüten, so lange die alten Eichen des Niederwaldes hier oben ihr Lied hinüberrauschen zu jenen Eichen des Sachsenwaldes, die über dem Bismarckgrab sich wölben.
Aber nicht von grosser Vergangenheit allein redet zu uns diese Stätte, sondern nicht minder von der Gegenwart und ihren Aufgaben. Es gilt nicht nur errungenes zu hüten, sondern nationales Gut zu wehren. Wir, Alldeutschen sind uns darüber klar, dass wir nicht ausruhen dürfen auf den Lorbeeren von 1870-71, dass wir zu arbeiten haben an unsres Deutschen Volkes grosser Aufgabe, sich selbst zu erkennen und zu behaupten in seiner weltgebietenden Stellung.
Wohl ist es ein wunderherrlicher Ausblick, den wir hier thun dürfen in einen der schönsten Gauen deutschen Landes, und unser trunkenes Auge schweift entzückt über Berg und Thal und Strom. Aber ein anderes grösseres noch will uns der Strom künden, der zu unsren Füssen seine
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Wogen dem Meer entgegen rollt, er will uns erinnern an das Zeichen unter dem unsre Zeit steht, das Zeichen des Weltverkehrs. Das Werden und Weben der neuen Zeit ist in die Ferne gerichtet; hier denken wir an das Deutschland jenseits der Meere, an das Deutschland auf dem Wasser und über dem Wasser und folgen gerne den führenden Spuren unsres kaiserlichen Herrn.
Wir sind vorhin auf dem festlich geschmückten niederländischen Dampfer ‘Koningin Wilhelmina’ gefahren und blieben den grössten Teil der herrlichen Fahrt im Kielwasser des uns voraus dampfenden ‘Deutscher Kaiser’. Dass soll uns zu denken geben! Niederland - alldeutsch bemannt - in den Spuren, im Kielwasser des grossen deutschen Gedankens wahrlich ein herrlicher Ausblick, eine köstliche Vorbedeutung (lebhafte Zustimmung).
So soll es denn allzeit unsere Aufgabe sein, unserm deutschen Volke das deutsche Gewissen zu schärfen für die grossen Forderungen und Ziele einer deutschen nationalen Zukunft. Wir fühlen uns dazu mitberufen, dem deutschen Michel das Schwimmen zu lehren. Ist es schon in weitem Masse gelungen, den binnenländischen Standpunkt zu überwinden, unser Volk von der Wichtigkeit seiner Aufgaben zur See zu überzeugen, wie noch in den letzten Tagen der Triumphzug der Torpedos rheinaufwärts es bewiesen hat, so möchten wir nun auch die binnenländische Enge des nationalen Gesichtskreises überwinden helfen, unser Volk auf die hohe See des nationalen Gedankens hinausführen, den keine Grenzpfähle einengen dürfen. Es darf nicht sein, dass wir uns einwiegen und einschläfern lassen in jenen reichssatten Hurrahpatriotismus, der die ganze Vaterlandsliebe so vieler ausmacht. Es gilt die Liebe zu dem gesamten deutschen Volk, zu denen allen, die unseres Geistes und unserer Sprache sind. (Stürmicher Beifall.)
Nach Westen hin, wo grosse Aufgaben glorreich gelöst sind, schaut das stolze Antlitz der Germania dort über uns. Ist's uns nicht, teure Volkgenossen, als müssten wir heute ihr Antlitz nach Osten wenden? Wir ge denken des grossen um unsere Ostmark wogenden Kampfes. Von berufenen und beredten Zeugen haben wir es uns in diesen Tagen bestätigen lassen, dass es dort nicht etwa um ein Vorpostengefecht sich handelt, sondern dass ein wesentlicher Theil unserer Hauptarmee in schwerem Ringen begriffen ist. Wir stehen freudig und dankbar auf dem Boden der politischen Schöpfung, deren Andenken dies Standbild verewigt, aber unsere Liebe zum deutschen Volk kennt keine Grenzpfähle. Jene Millionen der Ostmark, die dem slavischen Ansturm schier zu erliegen drohen, sind unser Fleisch und Blut, mit uns durch Gemeinschaft der Sprache und Gesittung, durch Gemeinschaft einer gewaltigen Geschichte verbunden. Mit begeisterter Teilnahme verfolgen wir ihren Kampf, ja, wir grüssen unser deutsches Volkstum wo immer es um sein Dasein ringt!
Und so soll uns denn das ragende Standbild zu unsern Häupten eine Verkörperung des gesammten deutschen Volkes sein. So stark und fest, so bewusst und stolz in geschlossener, gerüsteter Kraft möge überall unser deutsches Volk all' seinen Gegnern entgegentreten! So wollen wir arbeiten
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mit mannhaftem Ernst in heissem Bestreben, nationales Gut zu wahren und zu mehren, so wollen wir uns bemühen, aus allem Schlaf träger Gleichgiltigkeit unser Volkstum aufzurütteln, zum Bewusstsein seiner Aufgabe und seiner Kraft, auf dass es Wahrheit werde, was wir singen:
‘Von der Maas bis an die Memel,
Von der Etsch bis an den Belt!’
‘Soweit die deutsche Zunge klingt
Und Gott im Himmel Lieder singt!’
Nun aber erheben wir unsern altgermanischen Heilruf und bringen dem deutschen Volke unser dreifaches: Heil! Heil! Heil! ‘(Minutenlanger Jubel.)
Unter donnerndem Beifall betrat dann Reichsrats Abgeordneter Wolf die Tribüne zu folgender Ansprache: Liebwerte Volksgenossen! Es gereicht mir zur höchsten Ehre, heute an herrlichster, an geweihter Stätte zu Ihnen sprechen zu dürfen. Fürchten Sie nicht, dass ich Sie mit dem Kleinkram unsere eigenen Angelegenheiten behelligen werde. Ich bin vielmehr gekommen, um mir hier neue Kraft zu holen, um mich zu stählen auf deutschnationalster Erde für Kampf und Not in der Heimat gegen die feindlichen Gewalten unseres Deutschtums. (Beifall.) Ich will Sie nicht damit aufhalten, welche Gefühle mich hier bewegen zu Füssen der All-Mutter Germania, bei der Wacht am Rhein. Wir waren ausgeschlossen, als Deutschlands Söhne über den Rhein zogen, uns wies das Schicksal den Kampf im Osten zu, den Kampf gegen das Tschechen und Polentum. Er dauert heute mit unverminderter Stärke an, während Sie sich im Frieden sonnen können. Und so kommen wir zu Ihnen, weil wir Sie brauchen. Wir fordern nicht Mitleid, Ihre materielle Unterstützung noch andere Mittel, wir fordern nichts anderes als Ihre moralische Unterstützung in unserm schweren Kampfe. (Lebh. Beifall). 8 bis 9 Millionen wahrlich nicht der schlechtesten Volksgenossen halten, wie Sie hier die Wacht am Rhein, die Wacht an der Donau. Sie sind untrennbar für alle Ewigkeiten verknüpft mit Ihnen durch die Bande des Bluts, der Sprache und des Geschlechts. (Beifall.) Und an der geheiligten Stätte des deutschen Volkstums rufe ich Ihnen daher die Worte unseres grossen Dichters Anzengruber zu, die er seinem Steinklopferhannes in den ‘Kreuzelschreibern’ in den Mund legt, als dieser, mit aller Welt zerfallen, des Nachts umherirrt, um seinem Leben ein Ende zu machen und plötzlich das herrliche Sternenzelt seines Gottes über sich sieht: ‘Dir kann nix g'schengn! Du gehörst zu
dem Allen und des Alles g'hört zu Dart’ So sagen wir Deutsch - Oesterreicher im Anblick des herrlichen Rheingaues und des schönsten Denkmals deutschen National-und Volksbewustseins: Uns kann nix g'schehgen Wir gehörn zu dem Allen und des Alles g'hört zu uns! (Donnernder Beifall und Heilrufe auf den Redner.) Mit dem gemeinsamen machtvollen Gesange des ‘Deutschland, Deutschland über Alles’ erreichte hierauf die erhebende nationale Feier ihr Ende.
Die Teilnehmer fanden sich dann in Jungs Niederwaldhotel zum gemeinsamen Essen zusammen, das durch zündende Ansprachen von Wolf, Dr. Reismann-Grone, Professor Samassa, R.A. Class-Mainz n.a. verschönt wurde. Ein Kellerfest bei Jung in Assmannshausen wo herrlicher Rheinwein
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floss und ein Schiffstänzchen auf der gemeinsamen Rückfahrt bei wunderschöner Uferbeleuchtung aller Landhäuser von Rüdesheim bis Mainz. Selbst Prinz Albrecht von Preussen grösste umgeben von seinen Familie von dem von Seiner Mutter der Niederländischen Prinzessin Marianne ererbtem Schlosse mit lebhaftem Tücherschwenken, was mit Heilruf, Musik und Böllerschüssen erwiedert wurde. Besonders schön war das Schloss des Grossherzogs von Luxemburg in Biebrich beleuchtet. Regste Anteilnahme der Bewohner bewies, dass der alldeutsche Gedanke immermehr Raum gewinnt. - Dem Vorstand der Orstgruppe Mainz Heil und Dank für die vortreffliche Leitung.
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