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Die Besiedelung von Deutsch-Südwestafrika.
In der ‘Woche’ No 14 befindet sich ein Aufsatz des früheren Landeshauptmanns von Deutsch-Südwestafrika, des Majors von Francois, betitelt: Burenauswanderungen nach Deutsch-Südwestafrika. Derselbe beschäftigt sich mit der Zukunft des tapfern Burenvolkes und prophezeiht nach der Schablone der deutschen Regierungsweisheit und entgegen den Aussprüchen Bismarcks den entgültigen Sieg der Engländer. Er vergleicht
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die englischen Heere, in der That wenig schmeichelhaft, mit den Perserschaaren und die Buren mit den Spartanern am Engpass von Thermopylae, aber er vergass hinzuzusetzen: Die Spartaner wurden verraten und die Perser konnten sich in Attika nicht behaupten, sie zogen ab, da ihre Rückzugslinie durch die Flotte Athens bedroht wurde. Aehnlich sieht es jetzt aus mit der Verbindungslinie der grossen englischen Armee unter Roberts, die zwar nicht von Schiffen, wohl aber durch einen gefährlichen Guerillakrieg mehr als bedroht ist, ein Krieg, der den Engländern bereits zahlreiche Opfer gekostet hat.
Werden die besiegten Buren, so fährt er fort, das englische Joch tragen, oder einen neuen grossen Trek unternehmen? (Vielleicht den grössten, der jemals aufgebrochen ist.) Doch wohin sollen sie ziehen? In Afrika giebts kein herrenloses Gebiet; England besitzt die besten Teile, Portugal aber steht unter britischem Zwang. So sind die Grenzländer den Buren verschlossen. Es bleibt ihnen nur nach Ueberwindung der Kalahariwüste und nach Durchzug von Britisch-Beschuanaland das deutsche Gebiet in Südwestafrika übrig, ein Gebiet, das den Verhältnissen im Ganzen und Grossen entspricht, welche die Buren bis jetzt gewohnt waren.
Wohl, sagt Herr von Francois, wird der grösste Teil der Buren bleiben und murrend nach dem Krieg in die heimatlichen Farmen zurückkehren, Landwirtschaft, Viehzucht und Gartenbau treiben, um das unter britischer Herrschaft sich stark vermehrende städtische Element mit dem zum Lebensunterhalt Nöthigen zu versehen und bald werden den Landburen die Vorteile einleuchten, ihr Beutel wird sich füllen und die englische Herrschaft, die sie verschmähten, wird ihnen lieb und wert sein. Der Herrensinn wird sich im Nebel verlieren und - es fehlt nur noch hinzuzusetzen - aus dem Herrenvolk der Buren werden englische Heloten, denn der Verfasser sagt richtig: die englische Regierungskunst weiss dafür zu sorgen, dass für die unterjochten Völker nie-
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mals wieder der Tag der Freiheit anbricht. Wer sich also in dieses beneidenswerte Los nicht fügen will, der muss auswandern und dann werden Gesuche an die deutsche Landesregierung in Südwestafrika gerichtet werden um Ueberlassung von grösseren oder kleineren Gütern oder auch nur um Zulassung als Trekburen. Wie soll sich nun aber die deutsche Regierung solcher Einwanderung gegenüber verhalte? Darauf spricht der frühere Landeshauptmann von Deutsch-Südwestafrika das grosse Wort gelassen aus: ‘Ablehnend’.
Welche Gründe führt nun Herr Major von Francois in's Feld um diesen unglaublichen Beschluss zu rechtfertigen? Man höre und staune:
‘Das patriotische, fromme Familienleben der Buren und ihr bescheidenes Wesen haben etwas, das zum Herzen spricht. Die Ausdauer, mit der sie in zum Teil trostloser Einöde gegen Entbehrungen und nachbarliche Unbilden kämpfen, muss Bewunderung einflössen. Der Bur ist friedliebend und genügsam, er ist zuverlässig und fleissig. Das sind alles Eigenschaften, die ihn als Ansiedler begehrenswert erscheinen lassen. Es unterliegt daher keinem Zweifel, dass der Bur der geeignete Mann ist, wenn es darauf ankäme, eine schnelle wirtschaftliche Entwicklung Südafrikas zu erzielen. Ich muss sogar eingestehen, dass mir die Buren lieber sind als ein grosser Teil der deutschen Ansiedler.... Dahingegen ist in Berücksichtigung su ziehen, dass der Bur nur geringe Kenntniss von Bodenbewirtschaftung besitzt, dass er auf tiefer Kulturstufe steht, dass er gegen die Eingeborenen schroff und hart auftritt, besonders aber, dass dann den deutschen Einwandrern der Platz weggenommen wird, denn ein Bur zieht den andern nach, und der bekannte Kindersegen thut ein mehreres um das Burenelement zu mehren.... Kommt dann in späteren Jahren den Deutschen zum Bewusstsein, dass Südwestafrika mancherlei Reize und Vorteile in sich birgt so findet der deutsche Ansiedler keinen Platz mehr. Wo deut-
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sche Flaggen wehen, herrscht alsdann holländische Sprache. Halten wir unsere junge Kolonie rein nicht nur von Buren sondern überhaupt von fremden Elementen. -
Gott dank ist Hoffnung vorhanden, dass sich die bösen Prophezeiungen des Herrn Majors von Francois nicht verwirklichen und dann fielen natürlich auch die Schlussfolgerungen ins Wasser. Trotzdem kann ich nicht unterlassen auf Letztere etwas näher einzugehen. Also das niederdeutsche Herrenvolk wird nach einem unglücklichen Kriege zum grössten Teil unter der englischen Geissel verbleiben, mit der Zeit den Engländern die Hände küssen, die es blutig geschlagen, die Tausende auf dem Schlachtfelde getötet, und, was noch schrecklicher ist, in gewissenlosester Weise, aller Humanität Hohn sprechend, auf den verseuchten Schiffen hingemordet haben? Die preussischen Freiheitshelden, die in den Unglücksjahren zu Anfang des vorigen Jahrhunderts von Napoleon zu Galeerensträflingen verdammt waren, treten uns lebhaft wieder vor Augen und Entrüstung wird laut in jedem deutschen Land über die haarsträubenden Gräuel und die Barbarei der englischen Regierung. O nein! dies Herrenvolk wird nie vergessen, auch nicht für Geld und gute Worte, wie Herr von Francois meint, es wird zu geeigneter Zeit das Joch abwerfen und die Ketten zerbrechen, die ihm geschmiedet worden.
Aber, fährt der ehemalige Landeshauptmann fort, ein Teil wird auswandern, wird an unsere Thüre klopfen, wird Einlass begehren in seiner Not und da werden wir die Verlassenen und Verfolgten zurückweisen, werden sie dem verhassten Joche wieder zutreiben, dem sie zu entgehen beabsichtigen, werden Henkersdienste leisten!! Diese Schande möchte man dem deutschen Volke anhängen? Ein Sturm des Unwillens bräche bei solchem Vorhaben aus, ein Sturm wie man ihn wohl noch nie erlebt hätte.
Herr von Francois gesteht nebenbei ein, dass man ein besseres Element nicht in's Land ziehen könne als die Buren, und doch findet er Gründe, muss sie finden, um dies zu
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verhindern. Sie verständen nichts von der Bodenkultur? Wie reimt sich das aber zusammen mit der angeführten Behauptung: Der grösste Teil der Buren wird nach dem Krieg murrend in die heimatlichen Farmen zurückkehren, Landwirtschaft, Viehzucht und Gartenbau treiben und das städtische Element mit don zum Unterhalt Nötigen versehen u.s.w.?
Was also unter britischer Herrschaft möglich ist, kann unter deutscher nicht erreicht werden? Dadurch stellt Herr von Francois der deutschen Regierung ein glänzendes ‘Armutszeugnis’ aus. Ferner heisst es: Der Bar lebt auf niedriger Kulturstufe! Wohl trotz seiner gerühmten vorzüglichen Eigenschaften? Es wird noch behauptet, die meisten könnten nicht lesen noch schreiben und dann, dass die Buren, die früher in Deutsch-Südwestafrika einwandern wollten, als erste Bedingung aufstellten, ihnen holländische Schulen zu gewährleisten. Muss man da nicht abermals fragen, wie reimt sich das nun wieder? Woher diese unglaublichen Widersprüche?
Weiter wirft Herr von Francois den Buren vor schroff und hart gegen die Eingeborenen zu sein.
Die Buren sind ein republikanisches Edelvolk, sie kennen keine Standesunterschiede, wohl aber wissen sie, ebenso wie wir selbst, dass das schwarze Element unzuverlässig und nur dann im Zaum zu halten ist, wenn es die eigentlichen Herren des Landes fürchtet, d.h. zu ihnen aufsieht wie zu höheren Wesen. Diesen Zustand erkennt selbst das Völkerrecht an, da es verbietet Schwarze gegen Weisse zu bewaffnen. Hat man etwa seit dem Bestehen Transvaals von Grausamkeiten der Buren gegen Kaffern gehört, wie solche in andern Kolonieen vorgekommen sind?
Kennt man dort einen Kapitän Lothaire, wie im belgischen Kongostaat, einen Prinzen von Arenberg, wie in Deutsch-Südwestafrika, oder gar ein Scheusal wie Schröder in Deutsch-Ostafrika?
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Was nun endlich den Cardinalpunkt anbelangt, den der frühere Landeshauptmann für seine Weigerung Buren zuzulassen, anführt, nämlich dass das Land für die Deutschen bewahrt werden müsse, so ist mir völlig unverständlich, wen Herr von Francois denn eigentlich zu den Deutschen zählt und wen nicht? Es. giebt bekanntlich für viele Menschen Hochdeutsche und Niederdeutsche und zu letztern gehören: Holländer, Vlamen und Buren, die zwar staatlich selbständig sind und eigene Schriftsprache haben, die aber trotzdem zu uns gehören und über kurz oder lang in inniger Gemeinschaft mit uns für das Deutschtum gegen andere Rassen in friedlichen, und wenn es sein muss, kriegerischen Wettstreit eintreten werden. Dieses niederdeutsche Element nun sollten wir abweisen um es den Engländern zu opfern, um diese gar noch wirtschaftlich und numerisch zu stärken?
Wir sollten Deutsch-Südwestafrika aufsparen für die deutschen Kolonisten, die nicht kommen wollen, oder doch so langsam, dass Menschenalter hinziehen, bevor nur ein Teil der Kolonie erschlossen wird? Solch entsetzliche Kurzsichtigkeit herrscht in massgebenden Kolonialkreisen! Das ist doch gradezu unbegreiflich. Fremde Elemente will Herr von Francois fern halten? Und doch haben englische Gesellschaften, vielleicht unter seiner Hauptmannschaft, die wertvollsten Konzessionen erworben. Stehen nach seiner Ansicht die Engländer uns näher als die Niederdeutschen? Sollte der frühere Landeshauptmann bei seinen Reisen in der Kapkolonie und in Transvaal dem berühmten Generalkonsul Focke, der heute in Kapstadt sitzt, irgendwo begegnet sein? Dieser hat ihn dann wahrscheinlich mit seiner Achtung und Ehrfurcht vor dem englischen Wesen angesteckt, denn beide wollen ja dasselbe:
Mit deutschem Blut und Mark die Engländer stärken!!
Focke äusserte sich wie folgt: Es ist ja recht schön, dass wir versuchen unsere Sprache und Eigenart FÜR EINIGE ZEIT aufrecht zu erhalten, aber wir
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könnten doch andrerseits stolz sein Bürger des grossen britischen Weltreiches zu werden!!
Wenn die offiziellen deutschen Vertreter ungestraft solche Ansichten äussern, dann müssen wir das Vertrauen in die Weisheit der deutschen Politik leider verlieren, noch hoffen, wir dass nur untergeordnete Organe solche Ansichten hegen, und dass sich endlich das richtige Bewusstsein Bahn bricht, nämlich: Die Deutschen gehören zusammen und sind dem Deutschtum zu erhalten. Nicht mit Gewalt, damit würde das Gegenteil erreicht, wohl aber durch die Ueberzeugung, dass es so besser ist. Wenn aber gar Stammesgenossen Einlass verlangen und an Deutschlands Pforte klopfen, so muss sie weit geöffnet werden zu fröhlichem und herzlichem Empfang. Grosse Hohenzollern gewährten fremden Verjagten Schutz! Sollte es heute anders sein?
Brüssel.
Bon v. Ziegesar.
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