Germania. Jaargang 2
(1899-1900)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermd
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erster Schritt im neuen Amt war versöhnlich, da er zu einem Vlamenführer, der ihn stets bekämpfte, ohne Aufforderung sagte: ‘Ich bitte Sie zu vergessen, was zwischen uns vorgefallen; als Bürgermeister werde ich zeigen, dass ich den Vlamen und Wallonen gleich geneigt bin.’ Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube und doch hat man die Wetterfahne so oft drehen sehen, dass man schliesslich nicht mehr recht weiss, wer es gut und wer es schlecht mit den Vlamen meint. Der Genter Schöffe De Vigne liebäugelt mit den Franztollen der propagande française und De Mot mit den Vlamen!! Und die ganze göttliche Comödie wird gespielt um einen Sitz in der Kammer zu erobern. ‘Als Abgeordnete aber, da werden die gewaltigen Herren die Vlamen weiter foppen und sich ins Fäustchen lachen.’ * * * Der vlämische Volksrat tagte am 25. Februar in Brüssel um über die Hauptbelangen der Vlamen zu beraten. Die zahlreich besuchte Versammlung wurde durch den Genter Hochlehrer Dr. Obrie geleitet. An den Besprechungen beteiligten sich hervorragend die trefflichen Vlamenführer Reinhart und Dr. Prayon van Zuylen. Sämmtliche Redner waren darin einig im Vlamenland nur solche Abgeordnete für die Kammer aufzustellen, die sich verpflichten, dort allein das Vlämische anzuwenden. Donnernder Beifall durchbrauste den Saal nach jeder Rede. Zur Beratung standen ferner folgende Punkte:
* * * Die Propaganda zur Ausbreitung des Französischen in Brüssel, die von allen Seiten die lebhafteste Unterstützung mittelbar und unmittelbar erfährt, bereitet sich vor einen Sturm auf das Brüsseler Gymnasium zu geben. Die Vlamen mögen die Augen offen halten sonst werden sie überrumpelt. Sollte aber thatsächlich dieser Angriff statthaben und am Ende gar an berufener Stelle Unterstützung finden, so werden wir nicht versäumen, unsere Drohung auszuführen und Mitteilungen machen, die geeignet sind, auch die saumseeligsten Vlamen in Harnisch zu bringen. Wir müssen und wollen in Frieden mit jedermann leben, ist dies aber nicht möglich und werden Prinzipien verletzt, die unangetastet bleiben müssen, so lassen wir alle und jede Rücksicht fahren. * * * | |||||||
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Die Anwesenheit des kleinen deutschen Kriegsschiffes Nixe war Veranlassung geworden zu einer langen Festwoche für die deutschen Gäste. Die Aufnahme seitens des Staates, der Stadt und der Bevölkerung war recht herzlich. Deutsche Flaggen zeigten sich zahlreich an allen Ecken und Enden. Am Tage des Eintreffens wehte selbst hoch oben auf den Thürmen der alten Kathedrale neben der Landesfahne die schwarz-weissrote Flagge. Kanonendonner von Schiff und Forts meldeten das Einlaufen und tausendstimmiger Jubel begrüsste die Seeleute beim Anlegen. Es ist hier nicht der Platz, die Einzelheiten der Festlichkeiten ausführlich zu besprechen, nur gewisse Eindrücke möchten wir wiedergeben, die auf uns und viele andere teils günstig, teils ungünstig gewirkt haben. Wir halten daran, durch offene Aussprache Niemand zu verletzen, möchten aber andrerseits auf Dinge aufmerksam machen, die mehr oder minder zur Rüge angethan waren. Wir begreifen natürlich, dass der grösste Teil der offiziellen Festlichkeiten den Offizieren der Nixe galt. Während der kurzen Zeit ihres Aufenthaltes haben die Herren jedenfalls Zeugnis ablegen können, dass sie neben den als vortrefflich bekannten Leistungen zur See, auch den Ansprüchen, die die Freuden des Lebens an sie stellen, in nicht geringem Masse gewachsen sind. Unter solchen Genüssen verzeichnen wir folgende: Einladung des deutschen Offiziervereins, Frühstück im Stadthause, Einladung des Königs nach Laeken, Prunkmahl beim kommandierenden General Rahier, Ball und Abendessen im zoologischen Garten (in der Festhalle, wohlverständlich), Prunkmahl beim deutschen Gesandten in Brüssel, Festessen beim deutschen Generalkonsul zu Antwerpen; dazu noch manche private Frühstücks- und andere Einladungen u.s.w.u.s.w. Für die Mannschaften und Schiffsjungen, die übrigens recht schmuck aussahen, waren auch einige Vergnügungen vorgesehen, so ein Festessen, das in der Unteroffiziersmesse stattfand. Dieser freundliche Akt seitens der Militärbehörden gefiel den deutschen Seeleuten ausnehmend, zumal man den Takt hatte, nur solche belgische Unteroffiziere als Tischgenossen auszusuchen, die der deutschen oder doch mindestens der vlämischen Sprache Meister waren; dadurch kam es zu einer Annäherung und einem freundschaftlichen Austausch der Gefühle, der, wie wir uns später überzeugen konnten, einen nachhaltigen Eindruck auf beide Teile gemacht hat. Leider hatte man bei der anderen, für die Mannschaft vorgesehenen Festlichkeit ‘der Aufführung im französichen Opernhause’ nicht denselben Erfolg zu verzeichnen. Wir möchten doch bei seinen gewissguten Absichten dem Festausschuss nahe legen, bei anderen Gelegenheiten etwas umsichtiger zu sein. Die zweifelhafte Oper ‘La Navarraise’ ist denn doch kaum geeignet unser jugendliches Schiffspersonal glücklich zu beeinflussen, | |||||||
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wahrscheinlich hąt man auch darauf gerechnet, dass die meisten, sagen wir beinahe Alle, vom Texte absolut nichts verstanden haben. Man kann sich aber kaum denken, dass eine Aufführung, von der man nur durch die Handlung selbst das Wenigste begreift, für die deutschen, meist unmusikalischen Schiffsjungen ein grosser Genuss gewesen wäre. Viele gaben auf Anfrage zur Antwort: ‘Ja, das ist alles grossartig, aber wir haben nicht viel davon verstanden, und es hat auch schrecklich lange gedauert.’ Unsere braven meist niederdeutschen Jungens hätten sich gewiss königlich vergnügt, wenn man ihnen, ganz abgesehen von den ‘unbekannten’ deutschen Opern wie: Lohengrin, Fidelio, fliegende Holländer u.a., ein gutes vlämisches Stück im vlämischen Schauspielhause aufgeführt hätte. Selbst gute deutsche Lustspiele sind dort in vlämischer Uebersetzung in Masse vorhanden, aber leider denken Festausschüsse in der Regel nur an die geringe Zahl der hochstehenden Glieder der Festteilnehmer und bemessen darnach das, was geboten werden soll. Ein geldlicher Misserfolg wäre so auch wohl vermieden worden, obgleich letzteres gewiss die geringste Sorge der reichen deutschen Antwerpener sein mag. Verstimmt sind die grossen Massen der weniger bemittelten Deutschen, weil die ‘Nixe’, dieses Zaubermädchen, nur für die höheren Kreise in Beschlag genommen worden ist, trotz mancher Vorschläge anderer Vereine, die leider nicht dem vornehmen Central-Ausschuss der deutschen Vereine Antwerpens angehören dürfen. Dieser ‘leitende’ Ausschuss der deutschen Vereine scheint übrigens ein merkwürdiges Ding zu sein, das altertümliche Ansichten hegt von dem, was zu geschehen hat, um gewisse gesellschaftlichen Vorrechte zu sichern. Kommen Deutsche ins Ausland und sind diese lieben Gäste gar noch Kinder aus allen Kreisen des ganzen deutschen Volkes, so hat jeder das Recht hier mitzufeiern, da dürfen keine einseitigen Massnahmen getroffen werden um die Gäste mit Beschlag zu legen. Voll Freude und Aufopferung hätte Jeder, auch der Unbemittelte, sein Scherflein gebracht um seine Landsleute mitzufeiern, so aber wurde der grösste Teil der Deutschen abgedrängt, was viele bitter empfunden haben. Die Bethätigung der Vaterlandsliebe soll Niemand verkümmert werden, anders wird die Erhaltung des Deutschtums im Auslande unmöglich. Es scheint, dass noch andere Kirchturmrücksichten und Empfindeleien mitgespielt haben. Die grosse deutsche Kolonie Brüssels wurde einfach geschnitten. Ein andermal werden die Brüsseler sich vorsehen und wenn es nicht anders geht, eigene Veranstaltungen treffen müssen, damit der Antwerpener Ausschuss nicht gar zu sehr überlastet wird. |
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