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Die deutschen Reichshäfen und das Zollbündnis mit den Niederlanden.
Vortrag gehalten zu Hamburg gelegentlich der Verbandssitzung des Altdeutschen Verbandes durch Dr. Reismann-Grone.
Schluss.
Schliesslich bleibt noch die schwerwiegende Frage übrig, wer die Kosten dieses wirtschaftlichen Wettrennens bezahlt. Soll Preussen, dem an sich es ziemlich gleichgiltig sein kann, worüber es seine Waren einführt und ausführt, die Kriegskosten allein decken, oder ist es nicht richtiger, die Nächstbeteiligten, d.h. die Seestädte, zu den Kosten heranzuziehen? Deutschland ist zwar ein Reich, aber nicht ein Staat. Die finanzielle Gebahrung der einzelnen Staaten im Reiche ist unabhängig von einander, und der preussische Finanzminister wird es nicht eilig haben, mit grossen Einnahmeausfällen bei den preussischen Eisenbahnen das Rückgrat der Hansestädte zu decken. Ich streife nur diese wenigen Fragen nebenbei, um Ihnen zu zeigen, wie vieler sorgsamer und sorgfältiger Erwägungen es noch bedarf, ehe so grosse Ziele erreicht werden. Es mögen hierüber entscheiden diejenigen Männer, in deren Hände die Geschicke des preussischen Staates und des deutschen Reiches gelegt sind.
Eins aber steht unerschütterlich für mich fest: ehe man an all diese Dinge näher herantritt, muss zunächst dem Westen und Süden Deutschlands die Luft nach Norden erschlossen werden. Es darf sich niemals darum handeln, die Verkehrsverhältnisse zu verschlechtern und zu verteuern, dem industriellen Westen den Weg nach dem Ozean durch Bari- | |
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kaden unmöglich zu machen, welche man auf den Verkehrslinien auftürmt: Rückgang der Ausfuhr und der Einfuhr, Stillstand und Hemmung der Gütererzeugung, Krisen im Gewerbe und sicherlich auch in manchen Zweigen der Landwirtschaft, Sinken des Unternehmerverdienstes und des Arbeitslohnes würden die Folgen sein, aber noch lange nicht ein vermehrter Umschlag in den eigenen Häfen und eine Hebung der reichsdeutschen seemännischen und seefahrenden Bevölkerung. West- und Süddeutschland würden eine leidenschaftliche Gegnerschaft allen Bestrebungen gegenüber setzen, auf solche Weise eine nationale Verkehrspolitik zu beginnen.
Es kann sich nicht darum handeln, negativ den Verkehr nach einer Richtung zu unterbinden, vielmehr umgekehrt den Verkehr nach den eigenen Häfen nordwärts zu erleichtern und zu verbessern. Erst sorge man für geeignete Tarifreformen, erst schaffe man das Kanalnetz, dann werden sich ja ohne gewaltsame Eingriffe die guten Folgen von selbst zeigen. An sich verfrachtet der Industrielle jedenfalls gerade so lieb, ja lieber bei gleichen Angeboten über reichische Häfen, an sich dampft die Rheinflotte so gerne nach Emden und Bremen, wie nach Rotterdam und Amsterdam. Dass aber manches geschehen kann, glaube ich in vorstehenden Ausführungen ziffernmässig gezeigt zu haben.
Schwieriger wie für die Ausfuhr, die vorwiegend im Vorhergehenden behandelt ist, gestalten sich die Verhältnisse für die Einfuhr. Wenn Vermehrung und Verbilligung der Ausfuhrwege kaum irgendwo auf Widerstand stösst, so habe ich oben schon gesagt, dass sich beispielsweise die Landwirtschaft gegen neue Einfallsthore ablehnend verhält, und diejenigen, welche solche Einfallsthore befürworten, müssen sich darauf gefasst machen, dass die 8.383.000 Erwerbsthätigen in der Landwirtschaft sich widersetzen werden, wenn sie glauben, dass ihre Belangen mit den Wünschen der 2.383.000 Erwerbsthätigen im Handel und Verkehr im Widerstreit stehen. Ueberall da, wo die Völker Eigengüter er- | |
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zeugen können, werden sie der Einfuhr solcher Güter entgegenarbeiten, mögen sie nun Getreide oder Eisen, Holz oder Kohle oder Garne heissen. Einfuhr und Ausfuhr sind aber einmal wie zwei Brüder oder wie der rechte und linke Arm eines Menschen.
Rotterdam und Antwerpen ist stets ein gewisser Vorsprung gesichert, weil sie nicht nur natürliche Ausfuhr, sondern auch natürliche Einfuhr häfen abgeben. Die rumänischen Eisenbahnen z. B. haben als Stapelplatz sich Rotterdam erwählt und beziehen ihre riesigen Massen an Rohstoffen und Fertigstoffen aller Art hierüber. Ihre eigenen Dampfer legen dort an, löschen und nehmen in Fracht. Entscheidend dabei ist für die rumänischen Eisenbahnen gewesen, dass Rotterdam für sie der beste Platz ist, um Rückfracht für Mitteleuropa, z. B. Getreide, nehmen zu können und keine Verbilligung der Ausfuhr wird sie bewegen, etwa nach Emden oder Hamburg überzusiedeln, so lange nicht den letztgenannten Plätzen dieselbe Einfuhrleichtigkeit gegeben wird. Dies eine Beispiel unter vielen wird Ihnen zeigen, wie viele und mannigfaltige Fragen hier hereinspielen und welche Schwierigkeiten sich entgegenstellen.
Meine sehr verehrten Herren! Mit der Frage, die ich soeben besprochen habe, ist eine weitere verbunden worden, die Frage einer Zollvereinigung des deutschen Reiches mit Holland oder mit Belgien oder mit beiden. Es ist in niederländischen Blättern zuerst der Gedanke aufgetaucht, durch einen Zollanschluss an das grosse deutsche Mittel-Europa sich eine gesicherte wirtschaftliche Stellung zu verleihen. Man kann nicht bestreiten, dass beide Fragen, nämlich die einer deutsch-nationalen Verkehrs-Politik und eines niederländisch-deutschen Zollbündnisses in klarer, logischer Verbindung stehen. Zuerst hat die Brüsseler ‘Germania’ auf die Bestrebungen des deutschen Reiches die eigenen Häfen zu heben und auf die Möglichkeit eines Zollbundes hingewiesen. Das ‘Utrechtsche Dagblad’ hat sich sogar für eine politische Einigung
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ausgesprochen, der ‘Haagsche Courant’ vom 14. August ist lebhaft für ein Zollbündnis eingetreten; in einem Artikel, der die ganze erste Seite des Blattes umfasst, legt er dar, wie gegen alles natürliche Gefühl 1870 die Sympathien Hollands auf seiten der Franzosen gewesen, und wie sie seitdem zu Gunsten Deutschlands umgeschlagen seien und er erklärt diesen Umschlag mit dem Durchbruch der natürlichen Stimme des Blutes. So sagt er: Zijn aldus, naar wij meenen, de redenen verklaard, waarom het Germaansche volk in Nederland in den lateren tijd is teruggekeerd tot zijne natuurlijke sympathie voor de stamverwanten op Duitschen grond, die, gelijk onze voorvaderen tachtig jaren, eveneens hun dertig-jarigen oorlog voor de burgerlijke vrijheid hebben gevoerd, - dit verklaart óók, waarom in den laatsten tijd herhaaldelijk en telkens krachtiger het denkbeeld oprees aan een nauwe aansluiting bij de grootmacht van Midden-Europa. Mehrere Blätter in Holland und Belgien, sind dem gefolgt, andere wie die Tijd und der Expres sind wiederum dem entgegengetreten.
Wir lassen die politischen Erwägungen, das Sichumschauen nach einem vom ‘Haagsche Courant’ betonten politischen Schutze besonders der Kolonien durch Deutschland heute aus dem Spiel und halten uns an die nüchterne Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse.
Allerdings soll damit keineswegs verkannt werden, dass auch politische Momente berücksichtigt werden müssen und vor allem, dass die natürlichen volklichen Empfindungen ein Imponderabile bilden, welches in das Soll und Haben einzustellen ist. Wenn sich natürliche Gegensätze entgegensetzen, so wird allerdings ein Wirtschaftsbündnis ungemein erschwert.
Wir können aber hier erfreulicherweise feststellen, dass der natürliche politische Zug der Niederländer und der Deutschen einer solchen Anbahnung einer wirtschaftlichen dauernden Freundschaft günstig ist. Das Königreich der Niederlande ist rein germanisch, uns in Blut, Sitten und Sprache
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ungemein nahe verwandt. Man nimmt irrtümlich in Erinnerung an den bekannten Freiheitskampf der Niederlande gegen die Spanier an, das Land sei rein evangelisch. Es ist vielmehr vollkommen kongruent den deutschen konfessionellen Verhältnissen. Es wurden gezählt 1897 evangelische: 2 729 000 = 60,5% katholische: 1 596 000 = 35,6%; Holland ist also genau im selben Sinne ‘paritätisch’, wie das deutsche Reich. Belgien allerdings ist fast rein katholisch, und beherbergt obendrein noch 41% romanische Wallonen, welche den 59% Vlamen das Gegengewicht halten. Danach steht allerdings mit Holland, vom politischen Gesichtspunkte betrachtet, eine erhöhte Möglichkeit der Annäherung. Es handelt sich aber hier doch so vorwiegend um wirtschaftliche Erwägungen, dass politische zurücktreten.
Wenn ich zu letzteren übergehe und damit wieder zu trockenen Zahlenberechnungen, so hebe ich auch hier nur das Notwendigste hervor, man soll Zahlen nicht hören, sondern lesen; das Gehör leistet langen Zahlenreihen gegenüber erfolgreichen Widerstand und es ist besser, mit wenigen durchschlagenden Zahlen die Hauptzüge zur Anschauung zu bringen, als durch Zahlenmassen betäuben.
Im allgemeinen genügen für eine Handelsstatistik die Ziffern des Generalhandels einschliesslich der Durchfuhr und des Spezialhandels ohne Durchfuhr. Bei so vorwiegenden Durchgangsländern aber wie Holland und Belgien müssen wir noch unterscheiden zwischen der direkten Durchfuhr, bei welcher erst die Waren für Rechnung des Durchgangslandes in Zwischenhände gelangen, im Durchgangsland lagern und erst später gelegentlieh weiter befördert werden.
Der Aussenhandel des Königreichs der Niederlande stand 1897 folgendermassen: Der Generalhandel einschliesslich jeder Durchfuhr zeigte eine Einfuhr von 22 424 633 t; davon aus Deutschland 7 797 808 t, d.h. also über ⅓. Die Ausfuhr war 14 075 178 t, davon nach Deutschland 8 717 670 t, also weit über die Hällte, Ich
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habe nur die Mengen hier ermitteln können; man hat mir auf Anfrage von einer zuständigen Seite geantwortet, dass die Wertziffern hierfür nicht vorliegen.
Eine grosse Menge von diesen Gütern geht ohne weiteres nur durch Holland durch, an direkt aufgegebene Empfänger im deutschen Reich, in der Schweiz u.s.w. Setzt man diese direkte Durchfuhr ab, so ergeben sich für den Aussenhandel ohne direkte Zufuhr folgende Ziffern: Einfuhr 17 739 018 t, davon aus Deutschland 5 781 566 t, d.h. beinahe ⅓; Ausfuhr 9 388 562 t, davon nach Deutschland 6 681 897 t, d.h. zwei Drittel.
Hiervon sind ferner wieder abzusetzen diejenigen Mengen, welche ebenfalls nur als Durchfuhr zu betrachten sind, welche allerdings auf Rechnung von Holländern ein- oder ausgehen, unter Umständen kürzere oder längere Zeit lagern, in Wirklichkeit aber doch nur Durchgangswaren sind. Setzt man diese Mengen ab, so ergibt sich der Spezialhandel im engeren Sinne, d.h. die Einfuhr zum Verbrauch und die Ausfuhr aus dem freien Verkehr. (Die Edelmetalle werden natürlich hier auch abgesetzt.) Es betrug sodann die Einfuhr in das Königreich der Niederlande 1 706 145 331 Gulden, davon aus Deutschland 304 971 713 Gulden, also nur etwa ein Sechstel. Man sieht also, wie grosse Massen der Deutschen Einfuhr auf die direkte oder indirekte Durchfuhr entfallen, und wie dagegen die Einfuhr deutscher Güter zum Verbrauch in Holland selbst verhältnismässig gering ist, d.h. wie geringen Wert Deutschland verhältnismässig auf die Bedeutung des holländischen Marktes legen muss. Die Ausfuhr des Königreiches betrug dagegen 1 479 065 993 Gulden, davon nach Deutschland 790 204 352 Gulden, d.h. also stark über die Hälfte. Da Holland selbst keine industrielle Behauptung hat unmöglich auch an landwirtschaftlichen Gütern so viel herüberwirft, so handelt es sich in der Hauptsache bei dieser riesigen Einfuhrmenge um Waren, welche von holländischer Kapitalkraft, aus holländischen und anderen Kolonien, von
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Ländern aller Art, kurz aus der ganzen Erde stammen, zunächst für holländische Rechnung nach Holland eingeführt werden und von dort aus als ‘holländische’ Waren nach Deutschland gehen. Es sind also unter dieser grossen Menge von 790 Millionen sicherlich 500 Millionen und darüber, welche gerade so gut unter gegebenen Verhältnissen über unsere eigenen Häfen in Deutschland eingeführt werden könnten. Wir haben ja oben gesehen, wie gross die Tonnenziffern sind, die beispielsweise allein über Rotterdam und Amsterdam nach Deutschland fliessen.
Der Verkehr des Königreichs Belgien mit dem Deutschen Reiche ist nicht so stark. Auch hier lassen wir ohne weiteres den Edelmetallverkehr aus der Berechnung und legen das Jahr 1898 zu Grunde.
Es war der Aussenhandel einschliesslich jeder Durchfuhr: in der Einfuhr 3.279.047.704 Frcs., davon aus Deutschland 558.635.251 Frcs., d.h. über ein Sechstel, die Ausfuhr 3.019.882.489 Frcs., davon nach Deutschland 759.542.887 Frcs., d.h. etwa ein Viertel.
Auch hier war die direkte Durchfuhr ungeheuer gross; sie betrug nicht weniger als 2.265.000.000 Frcs., wovon der Löwenanteil natürlich auf das Deutsche Reich entfällt. Nach der Absetzung dieser direkten Durchfuhr war der Aussenhandel in der Einfuhr 2.046.172.702 Frcs, davon aus Deutschland 245.110.667 Fr.; die Ausfuhr 1.787.007.487 Francs, davon nach Deutschland 451.231.071 Fr.
Nach Absetzung der weiteren indirekten Durchfuhr war der Spezialhandel folgender: die Einfuhr zum Verbrauch 2.044.726.645 Fr., davon aus Deutschland 245.318.315 Fr., d.h. ein Achtel; die Ausfuhr aus dem freien Verkehr 1.787.008.467 Fr., davon nach Deutschland 451.231.071 Fr., d.h. mehr als ein Viertel. Ergebnisse und Schlüsse sind also ganz ähnlich wie bez. Hollands.
Aus diesen Ziffern ergibt sich zunächst der vorherrschende
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Charakter der beiden kleinen Länder als Handels- und Durchgangsländer. In diesem Grundcharakter ist ihre Eigenschaft als Freihandelspolitiker begründet. Wenn solche Zahlen mir anderswo entgegentreten, wenn ich bei anderen Ländern sähe, dass sie so riesenhafte Durchfuhr- und Handelsziffern aufweisen, so würde ich sagen: es ist unmöglich, dass solche Länder sich mit dem Deutschen Reiche zu einem wirtschaftlichen Ganzen einigen können. Holland hat eine direkte Durchfuhr von 9 Millionen Tonnen und einen Spezialhandel von nicht weniger als 5.406.000.000 Mk., während das Deutsche Reich, an Einwohnerzahl zehnmal so gross, nur einen Spezialhandel von 8 Milliarden hat. Belgien hat eine direkte Durchfuhr von 2.465.000.000 Fr. und einen Spezialhandel von nicht weniger als 3.831.000.000 Francs Holland und Belgien sind also im umfangreichsten Massstabe Ausfuhr-, Einfuhr- und Durchfuhr-Länder. Aber was unter allen anderen Umständen unsere Schwäche wäre, ist hier unsere Stärke. Die Durchfuhr, Einfuhr und Ausfuhr Hollands und Belgiens trägt in allererster Linie niemand anders, als das Deutsche Reich. Bei aller Freundschaft und und Liebe für die stammverwandten Holländer und die stammverwandten Vlamen müssen wir es hier klar aussprechen: gerade dieser wirtschaftliche Charakter der beiden Länder macht sie abhängig vom Deutschen Reiche.
Wenn die Niederländer eine direkte Durchfuhr von 9.000.000 t und die Belgier eine solche von 2.465.000.000 Frcs. haben, an welcher sie Fracht und Spedition verdienen, so zwingt sie das zu einer Rücksicht auf diese Durchfuhr und wenn diese Durchfuhr von und nach Deutschland erfolgt, so haben wir an Stelle des Wortes ‘Durchfuhr’ einfach zu setzen: ‘Deutschland’. Rücksicht auf Deutschland folgt hier also aus dem Begriffe des Handels.
Und wenn die Handelsspezialbilanz Hollands mit Deutschland beträgt 1.859.000.000 Mk. und diejenige Belgiens 556.000.000, so zwingen diese 2.415.000.000 Mk. die beiden
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Länder, auf das Deutsche Reich abermals Rücksicht zu nehmen. Denn einmal steht diese Handelsbilanz gewaltig zu gunsten von Holland und Belgien, welche uns das Doppelte hereinwerfen, wie wir ihnen, und zweitens handelt es sich bei diesen Einfuhrmengen in Deutschland nicht etwa um uns unentbehrliche Erzeugnisse der Nachbarländer, sondern ganz überwiegend um Fremderzeugnisse, bei welchen Holland und Belgien im wesentlichen auch nur die Vermittlerrolle zufällt, eine Rolle, welche auch wir ohne besondere technische Schwierigkeiten auch selbst in die Hände nehmen und den eigenen Häfen zuteilen können.
Wie der starke Durchgangsverkehr mit Deutschland dem Niederländischen Spediteur, Verfrachter, Seefahrer, Eisenbahner Rücksicht auf das Deutsche Reich nahe legt, so verpflichtet der starke Spezialhandel der beiden Länder mit dem Deutschen Reiche auch den Niederländischen Kaufmann, Kapitalisten, Industriellen (Veredelungsverkehr) uns gegenüber.
Ich versage es mir bei der drängenden Zeit, hier noch den mehrfachen anziehenden Ausblicken nachzugehen, die sich nach allen Seiten hier eröffnen. Ich will nur sagen, dass, wenn man hier darauf hinweisen will, dass die beiden Niederlande auch einen starken Vermittlungs-, Stapel- und Veredelungsverkehr mit anderen Ländern besitzen, diese Bedenken ja ohne weiteres durch das Wort ‘Freihäfen’ niedergeschlagen werden können. Ich brauche es an der Stelle, wo ich hier rede, nur anzudeuten, denn wir stehen ja inmitten dieser gewaltigen und noch stets aufblühenden Stadt, welche in richtiger Würdigung der realen Aufgaben des Lebens es vorgezogen hat, statt sich von benachbarten Elbhäfen drücken zu lassen, lieber durch den Zollanschluss sich das grosse Deutsche Hinterland gesichert und er verstanden hat, sich gleichzeitig durch die Anlegung des gewaltigen Freihafengebietes, das Sie, meine Herren, in diesen Tagen bewundern, auch sämmtliche Vorteile eines wirtschaftlichen Ver- | |
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mittlungsplatzes ersten Ranges zu behaupten, und so mit einem kühnen Wurfe sich die führende Stellung als Metropole des Deutschen Handels wahrscheinlich auf Jahrhunderte zu bewahren.
Ich muss verzichten, hier in den vielverschlungenen Pfaden wirtschaftlichen Lebens nach allen Richtungen hin zu sehen, ich schliesse dies Kapitel, indem ich nochmals sage: Nicht haben Holland und Belgien die Aufgabe, sich den Freihandel zu sichern, - man höre endlich auf, in wirtschaftlichen Dingen mit abgedroschenen hohlen Phrasen zu kommen. - Man untersuche nur, worin denn eigentlich dieser Handel besteht, und man wird mir sagen: die beiden Länder haben zu allererst die Aufgabe, sich freien Handel mit Deutschland zu sichern. Es kommt nicht nur darauf an, womit man handelt, sondern auch, mit wem man handelt. Was scheinbar unsere Schwäche war, ist in Wahrheit unsere Stärke.
Den Vorsprung Hollands in der politischen Gleichförmigkeit und den Umfang des Handelsverkehrs mit uns ersetzt Belgien durch die wirtschaftliche Homogenität mit dem Deutschen Reich. Ich habe einmal die wirtschaftliche Arbeit der Länder in einigen entscheidenden Erzeugnissen auf gleicher Grundlage aufgerechnet. Er erzeugte auf den Kopf der Bevölkerung i. J. 1897: Eisen: Deutschland 127 kg., Belgien 143 kg., Holland nichts. Kohle: Deutschland 1600 kg., Belgien 3200 kg., Holland fast nichts. Roggen: Deutschland 138 kg., Belgien 74 kg., Holland 71 kg. Weizen: Deutschland 60 kg., Belgien 80 kg., Holland 28 kg. In der Körnereinfuhr heben sich allerdings beide Länder von uns scharf ab; es führte ein an Roggen und Weizen Deutschland (13,40 | 20,50-) 43 kg., Belgien 315 kg., Holland (181 | 500 -) 681 kg. Hier kommt der Charakter der zwei Länder als Durchgang in Betracht; die letztgenannten Mengen sind aber ganz überwiegend Durchfuhrmengen für Deutschland, werden hüben und drüben gebucht und könnten ebenso
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über reichsdeutsche Häfen gehen, sodass die Ziffer Hollands und Belgiens auf ziemlich die unserige sänke. Die Ziffern beweisen mithin schlagend die wirtschaftliche Gleichförmigkeit Belgiens und des Deutschen Reiches; beide Länder sind ebenmässig aufgebaut und ruhen auf ganz ähnlich starken Pfeilern: der Landwirtschaft und dem Gewerbe.
Man sieht das wechselvolle Spiel der wirtschaftlichen Kräfte: in Holland sind Schiffahrt und Handel, Verkehr in riesigem Masse, in Belgien Handel und Verkehr in minderen aber doch noch bedeutendem Masse und dazu gemeinsame wirtschaftliche Grundlage Bundesgenossen der behandelten Idee, und dazu kommt noch für beide ein weiteres.
Man darf nicht vergessen, dass ‘Handeln und bieten den Kaufmann macht.’ Es kommt nicht nur darauf an, was wir handeln, sondern auch, was wir bieten können. Es betrug
die Durchfuhr durch Holland |
9,000,000 t. |
die Durchfuhr durch Belgien |
2,465,000,000 Frcs. |
die Ausfuhr von Holland nach Deutschland |
790,000,000 Gulden |
die Ausfuhr von Holland nach Belgien |
451,000,000 Frcs. |
Man betrachte nun diese 4 grossartigen Positionen. Ganz bedeutende Anteile, die grosse Mehrheit davon, kann Deutschland bei entschiedenem Wollen entweder Holland oder Belgien oder den eigenen Seehäfen zuführen. Deutschland kann nach seinem Ermessen z. B. die 451 Millionen Franken an Holland oder die 790 Millionen Gulden an Belgien anbieten oder von beiden den Löwenanteil selbst behalten. Das ist der letzte und nicht der schlechteste Trumpf, den das Deutschs Reich besitzt; man braucht nicht alle Trümpfe auszuspielen, aber es ist gut, wenn man weiss, dass man deren einige hat.
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Meine sehr verehrten Herren! Ich bin am Ende meiner Untersuchungen. Dieselben sollen den Zweck haben, uns selbst aufzuklären über die gegebenen thatsächlichen Ver- | |
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hältnisse. Es liegt selbstverständlich nicht nur dem amtlichen Deutschland, sondern auch dem ausseramtlichen Deutschland, d.h. der Oeffentlichkeit, vollkommen fern, einen Zwang, irgend einen Druck nach der einen oder anderen Richtung auf unsere Nachbarn ausüben zu wollen. Wir haben lediglich auf Grund der von drüben herüberschallenden Stimmen Veranlassung genommen, uns selbst einmal über die mancherlei einschlägigen Fragen klar zu werden.
Wir haben geprüft, ob für uns ein Zollbündnis möglich ist. Wir geben durchaus unsern Nachbarn anheim, ihrerseits weiter zu prüfen, ob sie Grund haben, ein solches Bündnis zu erwünschen. Wir haben kein Belangen, mit besonderer Leidenschaft und Eifer die uns übermittelten Hoffnungen und Wünsche zu verfolgen. Wir Alldeutsche werden aber stets, folgend dem Zuge unseres Herzens und unseres Blutes, allen Wünschen, die seitens unserer niederdeutschen Stammesbrüder uns vorgetragen werden, ein freundliches und williges Ohr leihen, und wir werden stets versuchen, unsere eigenen Belangen mit den ihrigen nach Möglichkeit in Einklang zu setzen. Wie wir in der südafrikanischen Frage keine ‘Politik der Sentimentalität’ getrieben, sondern nur geurteilt haben aus der besten Ueberzeugung heraus, dass das Schicksal der Buren dem unsrigen aufs engste und für immer verknüpft ist, und dass mit dem Untergange der Burenstaaten auch unsere eigenen Kolonien dem zweifellosen Untergange geweiht sind, so werden wir auch in der Frage einer wirtschaftlichen Vereinigung zwischen uns, dem reichischen Hinterlande und dem niederländischen Vorderlande, uns nicht auf unklare, verschwommene Empfindungen stützen, sondern lediglich auf die praktischen, ziffermässig gegründeten Erwägungen der Möglichkeit, der Zweckmässigkeit.
Nach gewissenhafter und ruhiger Prüfung gibt der geschäftsführende Ausschuss sein Urteil dahin ab, dass er die Zweckmässigkeit und Durchführbarkeit dieses Planes bejaht. Seine Durchführung liegt nicht uns ob, sondern den verant- | |
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wortlichen Lenkern der Politik hüben und drüben. Wir unsererseits werden unsere Aufgabe darin suchen, abzuwarten, welche Vorschläge uns von jenseits der schwarz-weiss-roten Grenzpfähle gemacht werden, Vorschläge, welche aus dem Niederländischen Volke hervorgehen, unseren Deutschen Volksgenossen zur Kentnis zu bringen und zu beraten. Wir sehen aber hierin schon ein glückverheissendes Zeichen und eine Anerkennung Alldeutscher Gedanken, wenn in einem uns so nahe stehenden Bruderstamme schon die Sympathien sich zu unseren Gunsten umwenden und wenn Gedanken ausgesprochen werden dürfen, die vor 30, ja vor 10 Jahren auszusprechen noch undenkbar gewesen wäre.
Wir wissen aber nicht, welches Schicksal diesen Gedanken beschieden sein wird. Das grosse Deutsche Reich ist in sich stark genug, seine eigenen Schicksale selbstherrlich zu bestimmen. Wenn wir für die heute erörterten Pläne das Vorgehen unseren Stammesverwandten an den Mündungen der Maas, des Rheines und der Scheide zuschieben müssen und ruhig warten können, welche Wünsche man drüben äussert, so haben wir jedoch das Recht, unbeschadet um das, was kommt oder nicht kommt, den weiteren Ausbau des Deutschen Reiches zu vollenden, d.h. durch eine natürliche Verkehrspolitik den nationalen Handel zu heben. Wir haben das Recht, dahin zu streben, dass der Handel so weit wie möglich über die Deutschen Reichshäfen gelenkt und die Erzeugnisse der Deutschen Arbeit bis zu ihrer Ablieferung jenseits des grossen Wassers in Deutschen Händen verbleiben. Wie verschiedenartig man auch über die Eingabe der Preussischen Elbhäfen betr. den Mittellandkanal denken mag, man wird ihnen beistimmen, wenn sie wünschen, dass ‘dem Rhein eine Deutsche Mündung gegeben werde, damit die traurige Thatsache, dass unser grösster Deutscher Strom im Auslande mündet, in ihren Folgen möglichst abgeschwächt wird.’ ‘Der Rhein’, so heisst es da, ‘trägt mit seinem mächtigen Verkehr zu Deutschlands Seemacht und Seehandel so gut
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wie nichts bei, während er fremdländische Häfen auf ihre Höhe gebracht hat. Denn was wären Rotterdam, Antwerpen und Amsterdam, wenn nicht der Rhein in den Niederlanden mündete, und wie viel bedeutender wäre andererseits unser Seehandel und unsere Handelsflotte, wenn der Rhein seine Mündung in unserer Nordsee hätte.’
Das sind unbeschadet aller freundschaftlichen Empfindung gegen unsere Nachbarn beherzigenswerte Worte für uns Reichische. Mit welchen Mitteln diese Stärkung des nationalen Handels erreicht wird, kann an sich gleieh sein. Mit dem Kanal Dortmund-Emshafen hat man den Anfang gemacht. Nach meiner und vieler meiner Ereunde Ansicht wird auch weiterhin das Kanalnetz zur Hilfe genommen werden müssen. Ob Kanaltarife oder Eisenbahntarife die Waffe bilden werden, ob auf Kanalschiffen oder Eisenbahnfahrzeugen die Waaren geschoben werden, das alles ist gleieh, aber dass die Deutschen Güter in Deutsche Häfen einlaufen und dort von Deutschen Seeschiffen übernommen werden, das ist das Ziel, dessen Erreichung ehrlichen Strebens wert ist und auch von jedem billig denkenden Nachbar, deren viele rund um das Deutsche gesetzt sind, ohne Verwunderung und ohne Feindschaft betrachtet werden wird. Ünd wenn diese Deutschen Häfen, d.h. wenigstens wirtschaftlich Deutschen Häfen nicbt Antwerpen und Rotterdam heissen können, müssen sie Emden, Bremen, Hamburg heissen.
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