gangen, seit dies für ganz Deutschland tief beschämende Wort gesprochen worden ist, und wie schr haben sich seitdem die Verhältnisse geändert! Nicht nur dem Umfange nach ist mit der Errichtung des Reichs und einer deutschen Flotte der Handel Hamburgs ein ganz anderer geworden; er ist es auch der Art und Bedeutung nach. Früher war Hamburg in der Hauptsache nur das Thor, durch welches das Ausland seine Waren bei uns einführte; heute ist Hamburg der Ausfuhrhafen für die Erzeugnisse des deutschen Gewerbeflcisses, der deutschen Industrie geworden, und damit hat sein Handel, der also jetzt mit der Volkswirtschaft des gesamten Binnenlandes in engster Verbindung steht, einen gans anderen Anspruch auf den Schutz durch eine starke Reichsflotte wie früher, da dieser Handel wesentlich den Fremden zu gute kam......
Wenn man nun mit dem Hinweis auf solche Dinge eine starke deutsche Flotte verlangt, dann heisst es gleich: ‘Eine Flotte so stark wie die englische, können wir doch niemals haben!’ Ganz recht, aber die verlangt auch niemand. Was wir verlangen, ist eine Flotte, so stark, dass England es sich zweimal überlegt, einen Krieg mit uns so ohne weiteres vom Zaune zu brechen, ein Flotte, stark genug, um uns für einen solchen Fall für andere Mächte bündnisfähig zu machen. Eine derartige Eventualität gebe für Russland die beste Gelegenheit, seine Rechnung mit England in Asien zu begleichen, aber Russland wird ein Bündnis mit uns nur schliessen, wenn wir zur See stark genug sind, um Elbe und Weser einigermassen offen zu halten und den Engländern die Ostsee streitig zu machen. Was wir jetzt errungen haben, war das aller-notwendigste. Jetzt aber ertönt immer lauter der Ruf nach einer stärkeren Seewehr, und drei Dinge sind es, auf deren Grund dies berechtigte Verlangen erwachsen ist: die veränderte politische Lage, die fortschreitende Ausdehnung unseres Kolonialbesitzes und der Aufschwung unserer Industrie, unseres Handels, das, was die ständige Steigerung unserer Seeinteressen zu nennen ist. Darum schleunigste Erreichung dessen, was nach der angenommenen Vorlage bis 1904 vorhanden sein soll! Dann aber gilt es, die Flotte weiter zu verstärken, wie dies nach unserer wirtschaftlichen und kolonialen Entwicklung, nach der politischen Lage erforderlich ist.’
Der Vortrag Dr. Lehrs fand stürmischen, nicht endenwollenden Beifall, und freudig wurde folgende Entschliessung angenommen:
‘Der Alldeutsche Verband befürwortet im Hinblick auf die politischen Ereignisse der letzten Monate zunächst eine beschleunigte Durchführung des Flottengesetzes von 1898. Der Alldeutsche Verein gibt aber weiter der Hofinung Ausdruck, dass seitens der Reichsregierung in nicht allzu ferner Zeit dem Reichstage eine neue, auf die Schaffung einer den unausgesetzt steigenden Seeinteressen des Reiches entsprechenden Flotte gerichtete Vorlage zugehen werde und erklärt es für eine seiner wichtigsten Aufgaben, in allen Volkskreisen die Ueberzeugung von der Notwendigkeit einer solchen Flotte zu verbreiten.’
Den Beschluss der Vorträge machte der Bericht des Herrn Dr. Reismann-Grone über ‘Die deutschen Reichshäfen und dass Zollbündnis mit den Niederlanden’, den wir in dieser Nummer vollständig mitteilen.
Ohne weitere Erörterung bekundete der Verbandstag seine Stellung zu der aktuellsten Frage des Tages, zum drohenden Kriege Englands gegen Transvaal durch folgende begeistert angenommene Entschliessung:
‘Der Alldeutsche Verband spricht seine unveränderte Sympathie für die Buren im Transvaal aus und hofft auf den Sieg ihrer gerechten Sache.’
Um ½3 Uhr wurde die Tagung mit einem Heil auf Deutschlands Zukunft geschlossen.