De Gemeenschap. Jaargang 1
(1925)– [tijdschrift] Gemeenschap, De– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermd
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JUNI 1925 NUMMER 6 DE GEMEENSCHAP MAANDSCHRIFT VOOR KATHOLIEKE RECONSTRUCTIE ONDER REDACTIE VAN JAN ENGELMAN HENDRIK KUITENBROUWER EN WILLEM MAAS | |
Das eingekreiste Europa
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die sie von der Europäischen Zivilisation übernommen haben. Die Asiaten und Neger und Amerikaner werden einst den erwürgenden Ring um Europa schliessen - Europa wird bereits eingekreist. Man glaubt heute vielfach noch im Ernst, dass man schwer rüsten müsse, um den Frieden zu garantieren. Allein nichts ist unlogischer als dieser Gedanke. Jeder, der rüstet, ist vielmehr mitschuld am nächsten Krieg. Darum lastet auf den europäischen Völkern und Staaten eine Riesenschuld. Im Zeitalter der Eisenbahnen, der Telegraphen und Kabel, des Radiofunks und der Flugzeuge, ist jeder Krieg, von welcher Seite immer er kommen mag, und aus welchen Titeln immer man ihn führen mag, von allen Seiten ein ungerechter, ungerecht deshalb, weil die Kulturvölker alle an den Kriegsverwicklungen schwer mitschuld sind und die zivilisiertesten Völker am meisten. Es ist daher eine ungeheure Heuchelei und eine impertinente Scheinheiligkeit, wenn man irgend ein einzelnes Volk, z.B. das deutsche Volk, für den Weltkrieg allein verantwortlich machen wollte. Wenn aber kein Volk bei Ausbruch eines Krieges sich als ungerecht angegriffen erklären darf, so sollten die Völker samt und sonders ihren zum Krieg hetzenden Führern, die natürlich bei Ausbruch eines Krieges stets am weitesten vom Schuss sich aufhalten, um ihr ‘kostbares’ Leben nicht zugefährden, rundweg die Waffenfolge verweigern, besonders dann, wenn sie sich Christen nennen. Denn Christus ist unbedingt Kriegsgegner. Wir könnten uns niemals vorstellen, wie Christus mit Handgranaten bewaffnet, Schützengräben erstürmt. Würde Christi Gebot ‘Du sollst nicht töten’ von jedermann befolgt, so wäre jeder Krieg von vorneherein erledigt, es würde niemandem einfallen Mordwerkzeuge in Massen herzustellen. Aber trotz des Christentums, das der einzig wirksame Schutzdamm gegen den Krieg ist und der Weg zum Völkerfrieden, waren und sind Kriege leider auch zwischen christlichen Völkern keine Seltenheit, ein Zeichen dass das Christentum der Tat die Völker niemals ganz ergriffen hat. Aber auch die Angehörigen jener Partei, die bei ihren Umzügen stets Tafeln mit sich führen, auf denen die Inschrift ‘Nie wieder Krieg!’ prangt, die ‘rote Internationale’ hat bis jetzt völlig versagt. Denn wenn es der Sozialdemokratie ernst wäre mit dem Wort ‘Nie wieder Krieg!’, dann müssten die sozialdemokratischen Arbeiter jede Arbeit in den Waffenfabriken der Welt und in den Schiffswerften sofort niederlegen, selbst auf die Gefahr hin, brotlos zu werden. Denn der Zweck heiligt nie ein schlechtes Mittel. Zu dieser ehrlichen Abrüstung wird es jedoch nur dann kommen, | |
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wenn alle Völker und Staaten, wenn in erster Linie die führenden Männer endlich einmal einsehen, dass sie ihre erste und heiligste Pflicht gegenüber ihren eigenen Untertanen gröblich verletzt haben. Das beweist der riesige Alkoholismus, der unheimliche Nikotinismus, die schauderhafte Unsittlichkeit in allen Formen, die unbändige Luxusgier, die grauenhafte Wohnungsnot und das traurige Wohnungselend, der infame Bodenwucher und die gemeine Bodenspekulation, das beweist das wirtschaftliche und moralische Elend ringsum. Um nun dieses moralische und wirtschaftliche Elend auf allen Linien zu heilen und die noch nicht davon Ergriffenen wirksam davor zu bewahren - das ist doch die erste und heiligste Pflicht der staatlichen und geistlichen Behörden gegenüber ihren Angehörigen - müssen alle Kräfte und alle materiellen Mittel in den Dienst der Bekämpfung dieses Elendes gestellt werden. Die Regierung ist dazu schwer in Gewissen verpflichtet, nach Mtth. 25, 31-46. Wenn Volk und Regierung, wenn geistliche und weltliche Autoritäten in diesem Sinne arbeiten, dann bleibt keine Zeit mehr übrig und stehen keine Mittel und Arbeitskräfte mehr zur Verfügung für die Herstellung von Menschenmordwerkzeugen. Die Abrüstung wäre durch die soziale Fürsorge und Vorsorge im Sinne der Lehre Christi ganz automatisch erreicht und der Weg zur internationalen Verständigung, der Weg zum Weltfrieden wäre damit gegeben. Denn um diesen Kampf für ein menschenwürdiges Dasein im Sinne der Gesetze der Nationalökonomie und der absoluten Ethik wirksam zu führen, müssen die Völker international organisiert werden. An dem Tag an welchen die Völker und Staaten Europas das erkännten, wäre das einige Europa geschaffen, und der einigende Mittelpunkt wäre - Christus. Wir brauchen nicht nach dem Osten zu schielen um uns von dort einen Rabindranath Tagore, oder einen Gandi zu verschreiben oder von dort den Buddhismus oder sonst etwas als Heilmittel kommen zu lassen. Auch die materialistischen Methoden des Westens, den Amerikanismus müssen wir ablehnen, denn Christus genügt. Welch ein Segen müsste von einem so geeinigten christlichen Europa auf die anderen Weltteile ausstrahlen. Das Problem ‘Asien den Asiaten’ und das Problem ‘Afrika den Schwarzen’ und das Problem ‘Amerika den Amerikanern’, wäre damit gelöst. Denn Europa würde bei völlig christlicher Einstellung den Siedlungsgedanken auf Grundlage einer gerechten Bodenreform verwirklichen, und ein in seine Scholle wurzelndes Europa würde den Europäern genügen und die anderen Völker und Staaten der Welt würden in ihren wirtschaftlichen Interessen von Europa nichts mehr zu fürchten haben. Nur die Segnungen | |
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einer christlichen Kultur würden durch Europas Beispiel ins hellste Licht gerückt und so würde auch den anderen Völkern der Welt die Wege zur wirtschaftlichen und moralischen Sanierung gewiesen werden. Dadurch, dass jeder Staat zunächst eine genaue Volkshaushaltsrechnung aufstellt, wird er genau den wirtschaftlichen Konsum und die wirtschaftliche Produktionfeststellen können, und wird hiebei den ungeheuren unsozialen Konsum und die unsoziale Produktion als Wurzel der wirtschaftlichen und moralischen Unordnung und der Kriegsverwicklungen entdecken. Die Lösung des warenökonomischen Problems, das ist die Regelung von Konsum und Produktion und Handel nach den eisernen Gesetzen der Nationalökonomie und der christlichen Ethik, also im Sinne der Lehre Christi, besonders in Hinsicht auf Mtth. 25, 31-46, würde sofort als der organische, allein wirksame Weg zur Völkerverständigung und zum Weltfrieden erkannt werden. Demgemäss würde dann auch die Arbeit des Völkerbundes sich ganz anders gestalten. Wie das im einzelnen zu machen sei, zeige ich ausführlich in meinem vor kurzen erschienenen Buch ‘Das Wirtschaftsideal des Volks- und Staatshaushaltes’.Ga naar voetnoot*) Wenn, durch Europa angeregt, auch die anderen Völker der Welt diesen Weg gehen, so suchen sie alle wahrhaft, wie Christus es gebietet, das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit. Wo aber das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit zuerst gesucht wird, dort wird auch alles andere, was die Menschen zu einem menschenwürdiges Dasein benötigen, also vor allem auch der Friede, zugegeben werden. Darum: Europa, werde wieder christlich und deine Einkreisung ist vorüber. Du wirst den Ring, der sich um dich su schliessen beginnt, durch dein gewaltiges, moralisches Beispiel brechen, so wahr des Herren Wort in Ewigkeit währt. Ein in Christus und in seiner Scholle wurzelndes Europa kann nich überwunden werden. Wenn du aber weiter rüstest und den in den unfehlbaren Lehren des Christentums und in den einleuchtenden Grundsätzen der Nationalökonomie gegebenen und vorgezeichneten, von uns soeben skizzierten Weg nicht gehen willst, dann wirst du der Einkreisung nicht entrinnen.
Dr. JOHANN UDE, Universitätsprofessor, Graz. |
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