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Buchkunstsammlungen an Archivbibliotheken
Von Erich Schwanecke, Leipzig
Wenn in den folgenden Ausführungen die Einrichtung buchkünstlerischer Sammlungen als eine Aufgabe nationaler Archivbibliotheken betrachtet wird und für den Aufbau und die Organisation solcher Sammlungen, sogar auch für deren internationale Zusammenarbeit Anregungen gegeben werden, so wird es nicht unangebracht sein, den zur Verwirklichung solcher Vorschläge erforderlichen Aufwand durch eine kurze Darlegung des Wesens und der Bedeutung der Buchgestaltung zu rechtfertigen. Es wird sich erweisen, dass auch Buchgestaltung und Buchkunst als besondere Gebiete des formenschöpferischen, gestaltenden und künstlerischen Schaffens letzlich natürlichen Bedürfnissen des Menschen entspringen und der Förderung des Lebens dienen. Die Förderung und Entwicklung des buchgestalterischen und buchkünstlerischen Schaffens ist deshalb eine Angelegenheit von allgemeinem kulturellen Interesse, und die Werke der Buchkunst und Buchgestaltung sind es wohl wert, Gegenstand systematischer wissenschaftlicher Arbeit zu sein, insbesondere zur Darstellung der historischen Entwicklung. Daraus ergibt sich auch der Wert von Einrichtungen und organisatorischen Vorkehrungen, in diesem Falle von buchkünstlerischen Sammlungen an Archivbibliotheken, die dem wissenschaftlichen, künstlerischen und fachlichen Studium der Buchgestaltung und der Buchkunst dienen.
Von jeher hat die technische Form vieler vom Menschen erzeugter Dinge eine Ausbildung oder Bereicherung, eine ‘Gestaltung’, in dem Sinne erfahren, den der Begriff ‘Verschönerung’ andeutet. Der Gestaltung liegen offenbar psychische Wirkungen der Formen zugrunde. Nicht an alle Dinge stellt der Mensch den Anspruch, dass sie nicht nur zweckmassig oder brauchbar, sondern auch schön seien; es sind hauptsächlich solche, die als Bestandteile seiner Umwelt oder durch Gebrauch, Besitz oder andere Einordnung in den menschlichen Lebensbereich in nahe Beziehung zur menschlichen Persönlichkeit treten. Zu diesen Dingen gehört auch das Buch. Da schon aus den frühesten Zeiten der Menschheit viele Gegenstände eine Gestaltung aufweisen, liegt dieser offenbar ein natürliches Bedürfnis zugrunde, das instinktiv befriedigt wurde. Dass wir national, zeitlich und gesellschaftlich bestimmte Gestaltungsformen un- | |
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terscheiden können, gibt einen weiteren Hinweis auf den Sinn der Gestaltung. Augenscheinlich besteht ein Zusammenhang zwischen der Gestaltung und dem menschlichen Charakter, der ja ebenfalls national, zeitlich und gesellschaftlich verschiedene Prägungen zeigt. Sicher haben die Formen der natürlichen Umwelt einen Einfluss auf die Charakterbildung der verschiedenen Völker ausgeübt. Wie stark die Bindung der menschlichen Persönlichkeit an Formen ist, zeigt die Erfahrung, dass ein Mensch in einer fremden Umwelt unter deren Formen leiden kann, ja, dass wesensfremde Formen auf die Dauer seine psychische Existenz erschüttern können. Rein technischen Formen fehlt vielfach die Mannigfaltigkeit und Harmonie der Naturformen. Es ist deshalb anzunehmen, dass der Mensch durch eine Gestaltung die von ihm erzeugten oder geformten Dinge, deren Gestalt ihm bei ihrer Betrachtung oder beim Umgang mit
ihnen immer wieder ins Bewusstsein tritt, seinem eigenen Wesen anzugleichen versucht. Nun wird der Charakter des Menschen nicht nur durch die Formen seiner natürlichen Umwelt, sondern allgemein durch das individuelle und kollektive Erlebnis der beständigen Auseinandersetzung des subjektiven Seins mit der objektiven Wirklichkeit geprägt. Wir wollen das Gesamtergebnis dieser Einwirkungen auf die menschliche Persönlichkeit ‘Bewusstsein’ nennen. Gestaltung hat demnach den Sinn, Normen zu schaffen, die mit einem bestimmten Bewusstsein harmonieren; ihre Funktion besteht darin, durch dieses Zusammenstimmen ein seelisches Wohlbefinden zu erzeugen, das lebensfördernd wirkt. In diesen Sinne hat auch die Buchgestaltung eine das Leben fördernde Funktion.
Auch dann, wenn ein Einklang mit dem Bewusstsein besteht, wird eine Form nicht befriedigen, wenn sie dem Wesen des gestalteten Objektes nicht entspricht. Auf das Buch bezogen bedeutet dies, dass die Gestaltung dem Inhalt gemäss sein muss. Über die Forderung, dass die Buchgestaltung dem Inhalt nicht widersprechen soll, hinausgehend, kann man ihr sogar die Aufgabe stellen, Ausdruck des Inhalts zu sein, um dadurch die Aufnahmebereitschaft des Lesers für den Inhalt zu erhöhen. Diesem Ziel dient die Buchgestaltung besonders bei dichterischen Werken. Die Funktion, die wir der Gestaltung zuschrieben (der Buchgestaltung auch die, den Leser aufnahmebereit für den Inhalt zu stimmen), übt sie, dem Menschen unbewusst, aus, wenn er die gestalteten Dinge gebraucht oder in eine andere praktische Beziehung zu ihnen tritt. Der Mensch kann aber in den Gestaltungsformen, nunmehr bewussst, auch ein Formenerlebnis suchen und finden, ohne in eine praktische Beziehung
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zu den Dingen zu treten, das heisst, durch Betrachtung allein. Die Gestaltung von Dingen, die aus dem praktischen Leben ausgeschieden sind oder nicht in dasselbe eingefügt werden können, kann doch als reine Form einen Wert besitzen. Diesen Wert als Form an sich hat jede Gestaltung, speziell die Buchgestaltung, auch neben ihrer funktionellen Bedeutung. Auch ist die Form an sich nicht lediglich eine Betrachtungsweise, sondern stellt einen absoluten Wert dar.
Die Tendenz der organischen Natur, Formen hervorzubringen, tritt so stark hervor, dass man in der Form das eigentliche Wesen des Lebens sehen könnte. Die Formenproduktivität der organischen Natur ist auch im gestaltenden Schaffen des Menschen, auch in der Buchkunst wirksam. Tatsächlich ist auch in der Buchgestaltung die Form an sich, obwohl sie stets nur mit einer funktionellen Form verbunden existiert und durch die Beziehung zu einem bestimmten Bewusstsein und zum Inhalt mitbestimmt wurde, die eigentliche schöpferische Leistung des Künstlers und der von Funktion, Inhalt und Bewusstsein unabhängige, bleibende Wert der Gestaltung. Als Form an sich wird auch die Buchgestaltung zum Formenerlebnis und zum ästhetischen Genuss. Wenn die Gestaltung auch zur Wirkung beim ‘Gebrauch’ des Buches geschaffen wurde und ihr Wert keinesfalls losgelöst vom Inhalt und von ihrer Bedeutung für den Menschen beim Lesen des Buches beurteilt werden darf, so wendet sich das Interesse doch vielfach und unter verschiedenen Gesichtspunkten ausschliesslich oder vorwiegend der Form an sich zu. Aus diesem Interesse für die Form ist das schöne Buch zum Sammelgegenstand im privaten und öffentlichen Besitz geworden. Beim privaten Besitzer kann das Interesse für die schöne Form mit einer Wertschätzung des Inhalts zusammengehen; er erwirbt Literatur in schönen Ausgaben, lasst beim Lesen die Gestaltung auf sich wirken und erfreut sich zu anderer Zeit an der Gestaltung, ohne das Buch zu lesen. Dagegen wird der Sammler den theologischen, juristischen oder anderen wissenschaftlichen Inhalt von Frühdrucken im allgemeinen nicht lesen; sein Interesse gilt ausschliesslich der Schrift, der Typographie, der Illustration und der sonstigen künstlerischen Ausstattung solcher Bücher. Es ist eigenartig, dass die
Buchgestaltung beim Umgang des Menschen mit Büchern ihre eigentliche Funktion (nämlich bestimmte von der individuellen und kollektiven seelischen Veranlagung abhängige Formenbedürfnisse zu befriedigen) so richtig nur dann auszuüben scheint, wenn sich das Buch im persönlichen Besitz befindet
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oder sonstwie einer Persönlichkeit ‘zugehört’. Als Benutzer einer öffentlichen Bibliothek scheint der Mensch gegenüber den Formen in und an Büchern weitgehend unempfänglich und unempfindlich zu sein, solange sich sein Interesse auf den Inhalt richtet. Die Unmöglichkeit einer Wahl, die Sinnlosigkeit einer persönlichen Auseinandersetzung mit der Form eines Buches, das man nur entleiht, um von seinem Inhalt Kenntnis zu nehmen, mag eine hinreichende Erklärung dafür sein. In die Bestände einer öffentlichen Bibliothek eingereiht verliert ein Buch gewissermassen seine Gestalt. Es ist aber der Zweck dieses Aufsatzes, darauf hinzuweisen, dass gerade öffentliche Bibliotheken auch als Sammelstätten der Buchgestaltung eine besondere Bedeutung haben. Buchgestaltung als reine Form kann auch in öffentlichen Bibliotheken Bedeutung gewinnen, obwohl sie dort von den Lesern kaum beachtet wird.
Wie schon bemerkt, kann das Bedürfnis nach Formenerlebnissen, das Verlangen nach ästhetischem Genuss, die Buchgestaltung als Form an sich zum Gegenstand der Betrachtung machen, ohne dass das Buch gelesen wird. Das Verhältnis der Gestaltungsformen zum Bewusstsein und zum Inhalt ist dabei ohne Bedeutung, sofern nicht gerade dieses Verhältnis Gegenstand einer Untersuchung ist. In diesem Sinne hat auch die Gestaltung der im Besitz von Bibliotheken befindlichen Bücher schon immer Beachtung gefunden, indem besonders schöne Bücher, die vielfach auch bedeutende Geldwerte repräsentieren, zusammen mit Seltenheiten und anderen Kostbarkeiten in besonderen Abteilungen aufbewahrt und dauernd oder zeitweilig ausgestellt werden. (Es sei z. B. an die Ausstellungen künstlerisch gestalteter Handschriften und Drucke im Britischen Museum erinnert.) Auch museale Sammlungen hervorragender Werke der Buchgestaltung bieten die Gestaltungsformen an sich zur Betrachtung dar. Nicht nur das ästhetische Erlebnis, sondern auch wissenschaftliche Erkenntnisse und fachliche Belehrung können in der Betrachtung von Gestaltungsformen gesucht werden. Die Bücher, die in Bibliotheken oder musealen Sammlungen zur Betrachtung ihrer Gestaltung dargeboten werden, zeigen meistens ausserordentliche Leistungen der Buchkunst, die ja die stärksten ästhetischen Erlebnisse vermitteln. Für historische, fachliche ünd künstlerische Studien bieten Auslesen ausserordentlicher Leistungen allerdings ein zu beschränktes Material. Der Bereich der künstlerischen Buchgestaltung reicht weit über solche Auslesen hinaus. Die Gestaltung vieler unter normalen Bedingungen hergestellter Bücher ist keine geringere Leistung als diejenige der mit einem
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besonderem Aufwand hergestellten. Manche Buchinhalte (z.B. wissenschaftliche und Fachbücher) lassen auch nicht solche Gestaltungsformen zu, deren Betrachtung starke ästhetische Eindrücke vermittelt. Obwohl heute in buchkünstlerische Sammlungen auch ‘Gebrauchsbücher’ aufgenommen werden, eben weil auch deren Gestaltung eine künstlerische Leistung von hohem Rang sein kann, findet man sie doch kaum unter den Drucken, die in Bibliotheken als bedeutende Werke der Buchkunst herausgestellt werden. Bei der historischen Betrachtung der Buchkunst ist aber zu beachten, dass sich die Entwicklung oft zunächst in einzelnen Teilen oder Elementen der Gestaltung zeigt und in Büchern, deren Gesamtgestaltung durchaus nicht immer schon die Aufnahme des Buches in eine Auswahl hervorragender Werke der Buchkunst rechtfertigen würde. Der selbst auf dem Gebiete der Buchkunst Schaffende, dessen Interesse den verschiedenen Möglichkeiten der Gestaltung gilt, um durch ihr Studium seine eigenen gestalterischen Fähigkeiten zu entwickeln, wird in einer Auslese von Spitzenleistungen, die unter besonderen Bedingungen entstanden sind, viele Formen nicht finden, die in der allgemeinen Produktion (vielleicht sogar häufig) vorkommen und für deren Stil unter Umständen kennzeichnend sind. Das historische wie das fachliche Studium erfordern, um zu gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen und fruchtbaren praktischen Erfahrungen zu gelangen, ein weit reicheres Material, als es eine vorwiegend unter dem Gesichtspunkt einer eindrucksvollen ästhetischen Erscheinung getroffene Auswahl ausserordentlicher buchkünstlerischer Leistungen bietet.
Beim Buch sind, im Gegensatz zu anderen künstlerisch gestalteten Erzeugnissen, für die systematische Erfassung eines für bestimmte Zwecke benötigten umfangreichen Materials unter Berücksichtigung der Gesamtproduktion einzigartige günstige Voraussetzungen gegeben. In den meisten Ländern wird die nationale Literatur in grosser Vollständigkeit in Nationalbibliotheken gesammelt. (Das gilt jedenfalls für die neueste Zeit, auf welche sich diese Betrachtungen beschränken sollen, etwa für unser Jahrhundert.) Diese Nationalbibliotheken oder andere Institute mit ähnlichen Aufgaben sind nicht nur Archive des nationalen Schrifttums, sondern zugleich auch der Buchgestaltung ihrer Länder. In ihren Beständen ist das Material zum wissenschaftlichen und fachlichen Studium der Buchgestaltung des betreffenden Landes in jeder benötigten Vollständigkeit enthalten. Die praktische Auswertung der Bestände nationaler Archivbibliotheken für das Studium der Buchgestaltung
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ist der Gegenstand der folgende Ausführungen. Bei den Überlegungen, welche die Zusammensetzung und den Umfang einer buchkünstlerischen Sammlung an einer Archivbibliothek betreffen, kann man von folgenden grundsätzlichen Feststellungen ausgehen:
1. | Die Buchgestaltung sei ausschliesslich wegen ihres Charakters einer künstlerischen Schöpfung und als Form an sich Gegenstand des Interesses und der Betrachtung, gleichviel unter welchem Gesichtspunkt. |
2. | Nur ein kleinerer Teil aller Bücher weist eine Gestaltung mit den Merkmalen einer künstlerischen Leistung (Schönheit, Einmaligkeit, ein bestimmter Grad von Vollkommenheit) auf. |
3. | Die Bücher in einer Bibliothek sind in erster Linie Literatur, und die Aufgabe einer Bibliothek ist und bleibt in erster Linie die einer Literatursammlung. Durch die Heranziehung von Büchern aus dem Bestand zum Zwecke des Studiums ihrer Gestaltung darf ihre Benutzung als Literatur nicht beeinträchtigt werden. |
Dass erheblich mehr als nur die mit besonderem Aufwand hergestellten und gestalteten Bücher in ihrer Gestaltung künstlerische Leistungen aufweisen, die in den Bereich des Interesses für die historische Entwicklung der Buchkunst reichen oder für das buchgestalterische Schaffen ausgewertet werden können, wurde bereits bemerkt. Die Zahl dieser Bücher liegt zwischen 1% und 3% der Gesamtproduktion. Es werden also sicher nicht mehr als 3% des Gesamtbestandes einer Bibliothek als Material für Studien der Gestaltung in Anspruch genommen. Es erhebt sich zunächst die Frage, in welcher Form die wegen ihrer Gestaltung interessanten Bücher der Bibliothek zum Studium ihrer Gestaltung bereitgehalten werden sollen, wobei einerseits allen diesem Zweck entsprechenden Erfordernissen Rechnung zu tragen ist, andererseits die Bibliothek in der Erfüllung ihrer eigentlichen Aufgaben nicht behindert werden darf. In vielen Bibliotheken werden hervorragende Werke der Buchkunst ihres Wertes und einer besonderen Pflege wegen und als Schaustücke aus dem allgemeinen Bestand herausgezogen und in besonderen Abteilungen aufbewahrt. Soll und kann man auch die viel zahlreicheren für wissenschaftliche und fachliche Studien der Gestaltung in Betracht kommenden Bücher aus dem allgemeinen Bestand herausnehmen und gesondert aufstellen oder genügt ihre Katalogisierung? Die Gestaltung eines oder einiger bestimmter Bücher interessiert seltener als die Gestaltung bestimmter Kategorien von Büchern oder als eine grössere Zahl von Beispielen für be- | |
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stimmte Qualitäten oder Formen der Gestaltung, für die Ausführung bestimmter Gestaltungsteile und -elemente, für die Anwendung bestimmter Gestaltungsmittel oder für technische Verfahren oder die Verwendung bestimmter Materialien. Schon wer sich einfach für schöne
Bücher interessiert, wünscht in der Regel eine mehr oder weniger grosse Zahl besichtigen zu können. Auch wird der Interessent für Fragen der Buchgestaltung und -herstellung seine Wünsche oft nicht sofort so präzisieren können, dass die in Betracht kommenden Bücher damit im einzelnen bezeichnet sind. Manche Wünsche können auch nur durch eine Durchsicht eines grösseren Bestandes erfüllt werden. Schliesslich ist es für die Nutzbarmachung einer Sammlung von grosser Bedeutung, dass die Personen, die sie verwalten, eine eingehende Kenntnis ihres Bestandes besitzen; Katalogisierung muss durch persönliche Sachkenntnis ergänzt werden. Diese kann aber nur durch eine dauernde und immer wiederholte Beschäftigung mit den Objekten erworben werden. Die Verwaltung, Erschliessung und Benutzung einer buchkünstlerischen Sammlung erfordern aus den genannten Gründen, dass zumindest ein wesentlicher Teil des Materials in unmittelbarer Nähe des Verwaltungs- und Benutzungsortes räumlich vereinigt, das bedeutet, unter Nachweis am Magazinstandort aus dem allgemeinen Bibliotheksbestand herausgezogen wird.
Von grundsätzlicher Bedeutung ist der Umfang der den allgemeinen Beständen entnommenen Sondersammlung. Er ist von vornherein begrenzt durch die Zahl der überhaupt in Betracht kommenden Bücher (diese war mit höchstens 3% angenommen). Zu weiteren Beschränkungen des Umfangs führen folgende Erwägungen: der Zweck jeder Benutzung soll möglichst ökonomisch, d.h. mit einer möglichst kleinen Zahl von Objekten erreicht werden; in einzelnen Benutzungsfällen, zu systematischen Erschliessungsarbeiten oder zur Erwerbung einer eingehenden Bestandskenntnis durch das Verwaltungspersonal muss eine Durchsicht des ganzen Bestandes oder grösserer Teile deselben praktisch durchführbar sein, der Gesamtbestand muss übersehbar bleiben; der für Verwaltung und Pflege der Sammlung erforderliche Arbeitsaufwand ist möglichst klein zu halten; die laufende Vermehrung der Sammlung führt schon in wenigen Jahrzehnten zu einem nicht zu unterschätzenden Raumbedarf; die Objekte der buchkünstlerischen Sammlung sind zwar der Benutzung als Literatur nicht entzogen, doch bedeutet jeder Sonderstandort eine gewisse Komplikation des Ausleihevorgangs.
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Bei der Auswahl für eine buchkünstlerische Sondersammlung muss man also bestrebt sein, den Bestand möglich klein zu halten. Andererseits muss die Sammlung innerhalb gewisser Grenzen zuverlässig alles enthalten, was an Material zu den einzelnen Gegenständen des wissenschaftlichen und fachlichen Studiums der Buchgestaltung in den Beständen der Bibliothek vorhanden ist, etwa Arbeiten aller bedeutenderen Illustratoren oder Anwendungsbeispiele für alle in der Zeit, auf die sich die Sammlung erstreckt, in Büchern verwendeten Schriften. Insbesondere muss die Sammlung ein richtiges Bild der historischen Entwicklung der Buchgestaltung vermitteln. Aus den Forderungen einer bestimmten Vollständigkeit einerseits und einer Beschränkung auf das Wesentlichste andererseits wird sich für die buchkünstlerische Sammung ein Umfang von etwa 1,5% des Bibliotheksbestandes in den in Betracht kommenden Schrifttumskategorien ergeben.
Der Benutzungsbetrieb der Bibliothek wird durch die gesonderte Aufstellung von Büchern in diesem Ausmass kaum berührt; denn auch für den verhältnismässig kleinen Bestand der buchkünstlerischen Sammlung trifft noch zu, was für den Gesamtbestand einer Archivbibliothek gilt: die meisten Bücher werden nie gelesen, ein kleiner Teil selten und nur verhältnismässig wenige öfters; zudem nimmt die Benutzungshäufigkeit mit zunehmendem Alter der Bücher rasch ab.
Die notwendige Beschränkung auf das Wesentlichste hat jedoch zur Folge, dass die buchkünstlerische Sondersammlung für manche Benutzungszwecke nicht genug Material enthält. Die Bedeutung einer Buchkunstsammlung an einer Archivbibliothek sollte aber doch gerade in der Vollständigkeit des zur Verfügung stehenden Materials (immer natürlich in gewissen Grenzen) liegen. Diesem Anspruch kann, ohne dass der Bestand der Sondersammlung zu gross wird, dadurch Rechnung getragen werden, dass weniger bedeutendes Material in der buchkünstlerischen Sammlung nur nachgewiesen wird, aber im Magazin verbleibt und im Bedarfsfall herangeholt wird.
Die Ausstellung von Büchern in Vitrinen kann nur eine beschränkte Anschauung von der Gestaltung vermitteln, denn das Buch hat ja die Eigenschaft, seine Gestaltung nicht an einer einzigen Oberfläche zu zeigen. Bei der Ausstellung in Vitrinen wird weder die Ganzheit der Gestaltung noch die Gesamtheit ihrer Teile sichtbar, also gerade das nicht, was bei wissenschaftlichen und fachlichen Studien besonders interessiert. Für wissenschaftliche und fachliche
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Studien ist die offene Vorlage des Materials der zweckentsprechende Weg. Trotzdem sollen aber auch die besonderen Wirkungsmöglichkeiten der Ausstellung in Vitrinen, soweit es die Raumverhältnisse irgend gestatten, ausgenutzt werden. Der grösste Vorteil der Auslage in Vitrinen liegt in der bequemen Besichtigungsmöglichkeit und in der Überblickbarkeit einer grösseren Zahl von Objekten. Beschränkt man seine Ansprüche auf das, was in Vitrinen zu zeigen möglich ist, so kann auch eine Schausammlung unter Glas durch eine gute Auswahl und geschickte Anordnung (vor allem mit wechselndem Ausstellungsmaterial) wertvolle Einsichten und Kenntnisse vermitteln. Besonders für die ästhetische Betrachtung von Werken der Buchkunst, wobei es ja nicht auf bestimmte Objekte und auf Vollständigkeit ankommt und zu der ja auch die buchkünstlerische Sammlung einer Archivbibliothek Gelegenheit bieten soll, ist eine Ausstellung in Vitrinen eine geeignete Form der Darbietung.
Bei der Auswahl des Materials für eine buchkünstlerische Sammlung aus dem Bestand der Bibliothek sind all Druckwerke zu erfassen, die hinsichtlich der Gestaltung und technischen Herstellung für wissenschaftliche oder praktische Studien interessant sind, und zwar sind sie in dem Umfang aus dem allgemeinen Bestand herauszuziehen, wie es die Benutzungsbedürfnisse der buchkünstlerischen Sammlung erfordern, aber auf jeden Fall mit Beschränkung auf das Notwendigste. Ergänzendes Material, das in besonderen Fällen benötigt werden könnte, wird nur katalogisiert; seine Menge wird nur einen Bruchteil der Menge der in die Sondersammlung eingestellten Bücher ausmachen. Die Auswahl erfolgt zweckmässig laufend im Zusammenhang mit der Bearbeitung des Zugangs der Bibliothek, so dass Neuerscheinungen möglichst bald auch in der buchkünstlerischen Sondersammlung zur Verfügung stehen. Die Zusammensetzung der Sammlung sei noch einmal genauer beschrieben: sie soll die hervorragendsten künstlerischen und technischen Leistungen auf dem Gebiet der Buchgestaltung und -herstellung enthalten, und zwar unter Berücksichtigung der für die einzelnen Buchkategorien (etwa bibliophile Bücher, normale Belletristik, Schulbücher) gegebenen Herstellungsbedingungen; sie soll in sinnvoller Vollständigkeit die Möglichkeiten der Gestaltung zeigen und Beispiele für die technischen Verfahren und die Verwendung der verschiedenen Materialien enthalten; aufzunehmen sind auch die Bücher, die in Teilen ihrer Gestaltung (z.B. in der Illustration) hervorragende Leistungen zeigen, auch wenn ihre Gesamtgestaltung
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keine ausserordentliche Qualität besitzt; die Sammlung soll ferner Anwendungsbeispiele für alle in dem Zeitraum, auf den sie sich erstreckt, in Büchern verwendeten Druckschriften enthalten. Die Auswahl hervorragender und beachtenswerter künstlerischer und technischer Leistungen wird zugleich die wesentlichen Arbeiten aller Illustratoren und anderer Buchkünstler von Bedeutung und der leistungsfähigsten Druckereien einschliessen. Schliesslich soll die Sammlung ein zutreffendes Bild der Entwicklung der Buchgestaltung und der Buchherstellung vermitteln. Nach denselben Gesichtspunkten wird das in der Sammlung selbst gegenwärtige Material durch Nachweise von Büchern, die im Magazin verbleiben, erweitert. Leitender Gesichtspunkt bei der Auswahl für die buchkünstlerische Sammlung bleibt immer, dass die Gestaltung nur soweit interessiert und Gegenstand der Sammlung ist, als ihre Form den Rang einer künstlerischen Schöpfung beanspruchen kann.
Die auch zur Buchkunst gehörende künstlerische Gestaltung von Schutzumschlägen soll in der buchkünstlerischen Sammlung einer Archivbibliothek ebenfalls Berücksichtigung finden. Ein grosser Teil der Umschläge, die beachtenswerte künstlerische Leistungen darstellen, gehört zu Büchern, die für die Sammlung ohne Bedeutung sind. Es wäre unzweckmässig, die Sammlung mit Büchern zu belasten, an denen nur der Schutzumschlag interessant ist. Man wird deshalb eine besondere Schutzumschlagsammlung anlegen, in die (schon der besseren Erhaltung wegen) auch die in Betracht kommenden Umschläge von Büchern der buchkünstlerischen Sammlung eingereiht werden. Die Ordnung der Schutzumschläge erfolgt zweckmässig nach den Standnummern der Bücher (damit zu jeden Buch auch der Umschlag sofort zu finden ist); ein Register nach Künstlern erfüllt naheliegende Wünsche; weitere Register können etwa typographische oder schriftgraphische Umschläge nachweisen.
Eine buchkünstlerische Sammlung, die wissenschaftlichen und praktischen Zwecken dienen soll, erhält ihren vollen Wert erst durch die Erschliessung ihres Bestandes. Die Erschliessung ist umso wichtiger, je grösser die Sammlung ist, und eine buchkünstlerische Sammlung, die nach den angegebenen Grundsätzen in einer Archivbibliothek eingerichtet wird, wird schon nach einigen Jahrzehnten einen beträchtlichen Umfang erreichen. Durch die Aufstellung kann der Bestand nur sehr begrenzt erschlossen werden; denn die Aufstellung kann nur nach einem einzigen Gesichtspunkt erfolgen, während die meisten Bücher in mehrfacher Hinsicht in- | |
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teressant sein können, aber im allgemeinen nur in einem Exemplar vorhanden sind. Das schliesst aber nicht aus, dass auch die Aufstellung schon als Mittel zur Erschliessung der Sammlung benutzt wird. Von allen Ordnungsmöglichkeiten ist die chronologische Aufstellung wohl die nützlichste. Sie hält für historische Studien, die oft die Durchsicht des ganzen Bestandes oder grösserer Teile desselben erfordern, das Material schon in der erwünschten Ordnung bereit, so dass kein zeitraubendes und die ganze Ordnung des Bestandes umstossendes Zusammentragen nötig ist, das überdies nur mit Hilfe eines besonderen chronologischen Katalogs möglich wäre. Ist der Bibliotheksbestand nach einem jährlich neu beginnenden numerus currens aufgestellt, so kann die Bibliothekssignatur als Standortsbezeichnung der buchkünstlerischen Sondersammlung verwendet werden. Nur die Bücher, deren Bibliothekssignatur nicht das Erscheinungsjahr oder das darauf folgende enthält, sind noch unter ihrem Erscheinungsjahr zu katalogisieren, damit alle in einem bestimmten Zeitraum erschienenen Bücher ohne weiteres auffindbar sind.
Die weitere Erschliessung erfolgt durch Kataloge, in denen jedes in natura einmal vorhandene Objekt beliebig oft vervielfältigt werden kann. Die Katalogisierung muss grundsätzlich von den Bedürfnissen der Benutzer ausgehen. Auch im Laufe mehrerer Jahre werden nur verhältnismässig wenige Benutzungswünsche tatsächlich vorkommen; es wäre aber nicht richtig, würde man der Erschliessung nur die erfahrungsgemäss öfters vorkommenden Wünsche von Benutzern zugrundelegen. Der Wert der Erschliessung einer Sammlung liegt in ihrer Benutzungsbereitschaft auch für seltene, vielleicht nur einmalige Benutzungsfälle. Die Erfahrung muss durch die Voraussicht praktisch möglicher Wünsche der Benutzer ergänzt werden.
Zur Erschliessung einer buchkünstlerischen Sammlung ist die Einrichtung der nachstehend genannten und beschriebenen Kataloge und Karteien zu empfehlen.
Ein alphabetischer Verfasser- bzw. Titelkatalog, der über das Vorhandensein und den Standort der mit Verfasser und Titel bekannten Bücher Auskunft gibt, ist fast selbstverständlich. Er weist auf die Gestaltung Bezug nehmend, die vorhandenen Ausgaben eines Werkes nach, deren verschiedene Gestaltung und Ausstattung (insbesondere Illustration) interessieren könnte.
Ein Standortkatalog, der von der Standortsbezeichnung auf Verfasser und Titel führt, ist für die Verwaltung der Sammlung von
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Nutzen. Er bildet die Grundlage für die Bestandsrevision und verweist auf Sonderstandorte.
Die weitere Katalogisierung kann davon ausgehen, dass einmal Personen und Betriebe als Gestalter, Hersteller oder Verlage von Interesse sein können, zum anderen Formen und Qualitäten der Druckerzeugnisse. Der erstgenannten Interessenrichtung entspricht eine Katalogisierung nach den als Illustratoren, Typographen, Schriftgraphiker, Entwerfer des ornamentalen Schmucks oder des Einbandes oder als Photographen an der Gestaltung beteiligten Personen (‘Künstlerkatalog’), nach Druckereien und Reproduktionsanstalten (‘Druckerkatalog’), nach Buchbindewerkstätten (‘Buchbinderkatalog’) und nach Verlagen (‘Verlegerkatalog’). Im Künstlerkatalog wird dann unter dem Namen eines Künstlers sein buchkünstlerisches Gesamtschaffen, soweit es in der Sammlung vertreten ist, nachweisbar sein. Dem Interesse für einzelne Gestaltungsgebiete wie Illustration, Typographie oder Einbandgestaltung in Verbindung mit den darin schöpferisch tätigen Personen kann durch Register der Illustratoren, Typographen, Schreibkünstler, Photographen, Einbandentwerfer usw. entsprochen werden. Gibt man auf den Karten dieser Register auch die Standortsbezeichnungen der Bücher an, bei deren Gestaltung oder Ausstattung der Künstler z.B. als Illustrator mitgewirkt hat, so erleichtert dies das Heraussuchen dieser Bücher. Eine Unterteilung der Register nach der Schaffenszeit kann historischen Gesichtspunkten Rechnung tragen (etwa bei Beschränkung des Interesses auf die Gegenwart). Die Katalogisierung nach Druckereien und anderen graphischen Betrieben und die nach Verlagen bedarf keiner näheren Erläuterung; höchstens sei empfohlen, auf den Karten des ‘Druckerkatalogs’ auch die in den einzelnen Büchern verwendeten Schriften anzugeben, was über den Schriftenbesitz der Druckereien eine gewisse Auskunft
gibt. Im ‘Buchbinderkatalog’ kann man handwerkliche und industrielle Betriebe unterscheiden.
Mit Hilfe der bisher genannten Kataloge kann nur ein kleiner Teil der praktisch vorkommenden und möglichen Benutzungswünsche erfüllt werden. Das historische Studium spezialisiert sich unter Umständen auf einzelne Teile, Mittel, Elemente oder Verfahren der Gestaltung und Herstellung, etwa auf das Titelblatt, auf Initialen, auf den Holzschnitt als Technik der Illustration, auf die Typographie oder auf eine bestimmte Reproduktionstechnik; ebenso interessieren sich Buchkünstler, Buchdrucker oder Hersteller im Zusammenhang mit ihrer Arbeit etwa speziell für die Typographie
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technisch-wissenschaftlicher Bücher, für bestimmte Druckschriften, für mehrfarbigen Tiefdruck, für einfarbige nicht-schwarze Bebilderung, für die Gestaltung des Vorsatzpapiers oder für die Stellung des Satzspiegels. Allgemeinere Interessen können etwa den ‘Schönsten Büchern’ eines Landes aus dem Jahre 1954, den hervorragendsten Werken der Buchkunst, die in der Sammlung vorhanden sind, oder Kinderbilderbüchern gelten. Ein Katalog, der den Bestand nach solchen Gesichtspunkten erschliesst, weist also unter Qualitäts-, Form- und technischen Begriffen die Bücher nach, die bestimmte Eigenschaften besitzen, hervorragende Leistungen sind oder verschiedene Möglichkeiten der Gestaltung zeigen. Je nach dem Begriff kann die Zahl der darunter nachgewiesenen Bücher bestimmt sein und umfasst dann alle in der Sammlung vorhandenen unter diesen Begriff fallenden Bücher, oder es werden Beispiele nachgewiesen, deren Zahl von dem vorhandenen Material und den Benutzungsbedürfnissen abhängt. Der Verfasser hat das Material einer grossen buchkünstlerischen Sammlung unter rund 300 Begriffen verzeichnet. Die Praxis hat den Wert einer solchen Erschliessung bestätigt, indem mit Hilfe des Katalogs selbst zu so speziellen Fragen wie Druck von Federzeichnungen in grauen und blauen Farbtönen, Satz von Fussnoten oder Satz systematischer Kapitelnumerierung alle in der Sammlung verfügbaren Beispiele sofort vorgelegt werden konnten. Es würde zu weit führen, alle in dem erwähnten ‘Systematischen Katalog’ enthaltenen Ordnungsbegriffe aufzuzählen; nur um das Wesen dieser Katalogisierung zu verdeutlichen, sollen noch einige genannt werden:
Hervorragende Leistungen der Buchgestaltung |
Landkarten |
Die technische Form des Buches |
Faksimile von Musikautographen |
Wasserzeichen |
Monotype-Satz |
Offsetdruck des Textes |
Satz in fetter Schrift |
Versalsatz |
Marginalien |
Register und Inhaltsverzeichnis |
Seitenzahl |
Schriftfarbe |
Graphische Initialen mit Illustration |
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Zeilenfüller |
Graphische Pflanzenbilder |
Mehrfarbige Original-Radierung |
Bebilderung in reproduziertem Holzschnitt |
Farbe der Bebilderung: schwarz mit 1 Farbe |
Schwarze Autotypie auf farbigem Grund |
Technische Zeichnungen |
Bibel-Illustration |
Farbiges Papier |
Bücher in reproduzierter geschriebener Schrift |
Dramen mit Illustration |
Normaler Prosasatz mit typographischem Schmuck |
Kinderbücher |
Firmenfestschriften |
Anfangseiten |
Photobildbücher |
Mathematische Bücher |
Typographische Titelblätter |
Graphischer Buchschmuck |
Einbandmaterial |
Gestaltung des Vorsatzpapiers. |
Die genannten Ordnungsbegriffe sind zum Teil Unterabteilungen umfassenderer Gruppen, z. B. Satzverfahren, Druckverfahren, Schriftformen, Initialen, einzelne Gegenstände der Bebilderung, Herstellungsverfahren der Bebilderung, Originaltechnik der Bebilderung, Bildfarbe, Reproduktionsverfahren, einzelne Gegenstände der Illustration, Papierfarbe und -struktur, Bedruckstoffe, graphische Bücher (d.h. nicht in Typendruck hergestellte), Gestaltung von Dramen, Gestaltung von normalen Prosatexten, Titelblattgestaltung, Buchschmuck. Die Ordnungsbegriffe werden zweckmässig systematisch geordnet, etwa von umfassenden Begriffen wie Qualität, technische Herstellung, Gesamtgestaltung, Gestaltung einzelner Buchteile, Gestaltungsmittel ausgehend. Ein alphabetisches Register der Ordnungsbegriffe mit Verweisungen von übergeordneten Begriffen und gebräuchlichen gleichbedeutenden Bezeichnungen erleichtert das Auffinden der Gruppen, in denen das gewünschte Material enthalten ist.
Eine besondere Stellung nimmt unter den Gestaltungselementen die Schrift ein. Sie ist das in jedem Buch enthaltene und dessen Gesamtgestalt wesentlich bestimmende Element und ihre Form
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eins der elementaren Mittel der Gestaltung. Die Anzahl der Formen der Druckschrift ist trotz ihrer ausserordentlichen Höhe dennoch beschränkt; jede Form der Druckschrift kann (als Folge der Vervielfältigung durch den Guss und anders als die Formen der Handschrift, bei denen es nur praktische Gleichheit im Sinne einer nicht mehr als Verschiedenheit zu betrachtenden Ähnlichkeit gibt) in mehreren, wenn nicht sogar vielen (wiederum durch Wiederholung des Abdrucks vervielfältigten) Büchern wiederkehren. Auch unter den Druckschriften gibt es welche, die praktisch kaum zu unterscheiden sind; fast alle Schriften des 20. Jahrhunderts können aber bestimmt und zum grössten Teil mit einem Namen bezeichnet werden. Die Bedeutung der Schriftform für die ästhetische Gestalt des Buches begründet ein besonderes Interesse für die Schrift. Die vorher erwähnten Eigenschaften machen die Schrift zu einem eindeutig angebbaren Kennzeichen eines Buches; die Bezeichnung der Schriften mit Namen ermöglicht eine einfache Katalogisierung des Sammlungsbestandes nach den in einem Buch verwendeten (oft mehreren) Schriften. Er ist zweckmässig, nicht von vornherein nur ausgewählte Beispiele für die Verwendung der einzelnen Schriften, etwa in verschiedenen Graden und Satzformen, nachzuweisen, sondern jedes Buch auch unter der Schrift zu katalogisieren, da nicht alle Gesichtspunkte, unter denen die Verwendung bestimmter Schriften einmal interessieren könnte, vorauszusehen sind. Auch auf die Häufigkeit der Verwendung der verschiedenen Schriften lassen sich aus der Katalogisierung des ganzen Bestandes nach den verwendeten Schriften Schlüsse ziehen. Wegen seines Umfanges wird der ‘Drucktypenkatalog’, obwohl er sich in den ‘Systematischen Katalog’ eingliedern lässt, zweckmässig
als besonderer Katalog geführt. Gibt man auf seinen Karten auch die Druckerei an, so kann man damit Druckereien nachweisen, welche die Schrift besitzen. Mit dem Drucktypenkatalog kann man weitere, nicht an den Bestand gebundene Auskunftsmittel verbinden. Eine buchkünstlerische Sammlung soll ja auch eine Informationsstelle über Fragen der Buchgestaltung und Buchherstellung sein und wird z.B. auch eine Fachbibliothek, vielleicht auch eine Schriftprobensammlung anlegen und andere Informationsmittel bieten. Schon die erwähnten Register zum Künstlerkatalog, die Illustratoren, Typographen und auf anderen Sondergebieten Schaffende nachweisen, sind Auskunftsmittel, die auch ohne Inanspruchnahme des Bestandes benutzt werden können. Der Verfasser hat einen Drucktypenkatalog so ausgestaltet, dass vor den unter einem Schrift- | |
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namen eingeordneten Titelkarten eine Photokopie eine Probe der Schrift zeigt, wodurch eine erste Vorstellung vom Charakter der Schrift vermittelt wird; darauf folgt noch eine ‘Datenkarte’ mit Angabe der Giesserei bzw. der Setzmaschinenfabrik, des Künstlers, der die Schrift entworfen hat, oder anderen Ursprungsangaben und der Jahre, in denen die verschiedenen Schnitte der Schrift herausgebracht wurden. Ausserdem wurden noch Karteien der Schriften nach Entstehungsjahren, Giessereien und Formen (‘Schriftformenkartei’) und schliesslich eine Kartei der Schriftschöpfer mit Angabe der von ihnen geschaffenen Schriften und deren Entstehungsjahren angelegt. In der Kartei nach Giessereien sind die Schriften innerhalb der Giesserei nach Entstehungsjahren geordnet. Die ‘Schriftformenkartei’ besteht aus Photokopien von Proben der Schriften; sie ist zunächst nach den gebräuchlichen Formbegriffen wie Antiqua, Unziale, Grotesk, Gotisch, Fraktur usw. geordnet und in diesen Gruppen nach der prinzipiellen
Ähnlichkeit der Form. Die Schriftformenkartei gewährt einen Überblick über alle Schriften mit bestimmten Formmerkmalen und führt von der einzelnen Schrift auf alle anderen in beliebigem Grade ähnlichen. Das Anwachsen des Bestandes (man muss mit 10 000 bis 25 000 Objekten rechnen) hat in den Katalogen eine Häufung der Nachweise an bestimmten Stellen zur Folge, wodurch die praktische Benutz-barkeit der Kataloge in Frage gestellt wird. In einer Sammlung von rund 17 000 Büchern weisen die Kataloge für einzelne Druckereien oder einzelne Schriften über 400 Beispiele nach; auch an Beispielen für Titelblätter oder für Gedichtbücher können sich mit der Zeit mehr zusammenfinden, als der Benutzer im allgemeinen zu sehen wünscht. Es hat ebensowenig Sinn, aus solchen Beispielmengen einige herauszugreifen, wie es im Normalfall unmöglich oder zwecklos ist, das gesamte Material vorzulegen. Sobald an einer Stelle eines Katalogs die Menge der Nachweise praktisch zu erwartende Wünsche der Benutzer erheblich übersteigt, muss das Material gesichtet und in kleinere Gruppen aufgeteilt werden, die mit einer engsten Auswahl des Wichtigsten beginnend eine schrittweise Erweiterung der Zahl der Beispiele gemäss den Bedürfnissen der Benutzer ermöglichen. Bei jedem Umfang sollte die Auswahl in ihren Grenzen von einer gewissen Vollständigkeit sein und alle Momente, die an den Objekten interessieren könnten, gleichmässig berücksichtigen. So soll also z.B. eine engste Auswahl von Titelblättern nicht nur die schönsten enthalten, die vielleicht sehr ähnliche Formen zeigen, sondern auch möglichst verschiedene Formen.
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Will man die unter einem Ordnungsbegriff, z.B. einer Druckerei oder einer Schrifttype, stehenden Titelnachweise bei der Bildung von Auswahlen verschiedenen Umfangs in ihrer ursprünglichen Ordnung geschlossen beisammen lassen, so kann man die Auswahlen auf besonderen Karten dem gesamten Titelmaterial voranstellen; in vielen Fällen genügt es, die ausgewählten Bücher durch ihre Signaturen zu bezeichnen. Die Auswahl erfolgt nach individuellen Gesichtspunkten für die einzelnen Fälle. So kann man bei der Auswahl von Anwendungsbeispielen für eine Schrift im Drucktypenkatalog alle Grade und Schnitte, die verschiedenen Satzformen sowie auch die Erzeugnisse der verschiedenen Giessereien berücksichtigen; aus den Arbeiten einer Druckerei wird man qualitativ hervorragende und charakteristische auswählen; bei anderen Auswahlen werden vielleicht auch historische, stilistische oder technische Gesichtspunkte bestimmend sein.
Dass in allen Katalogen auch Magazinbestand der Bibliothek nachgewiesen werden kann, der in besonderen Fällen den Sammlungsbestand ergänzt oder erweitert, sei an dieser Stelle nochmals erwähnt. Es ist zweckmässig, Bücher, die im Magazin stehen, durch eine besondere Farbe der Katalogkarten zu kennzeichnen.
Auf technische und Verwaltungsfragen soll hier nicht eingegangen werden. Nur auf die Notwendigkeit geeigneter Benutzungsräume sei hingewiesen. Es muss Gelegenheit geboten werden, ein umfangreiches Material (u. U. 100-200 Objekte) anzusehen und zum Teil auch auszubreiten. Ausserdem ist daran zu denken, dass nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Gruppen bis zu 20 Personen die Sammlung zu Studienzwecken aufsuchen können und bei der gemeinsamen Betrachtung von Büchern auch Gespräche führen wollen.
In den vorstehenden Ausführungen wurde dargelegt, wie nationale Archivbibliotheken auf Grund der Vollständigkeit ihrer Bestände auch in einer buchkünstlerischen Sammlung die Vollständigkeit bieten können, die für ein systematisches historisches, künstlerisches oder fachliches Studium der Buchgestaltung erforderlich ist, eine Vollständigkeit die eine selbständige Buchkunstsammlung nicht erreichen kann. Die Vollständigkeit (oder Reichhaltigkeit) der buchkünstlerischen Sammlung kann sich natürlich nur auf die nationale Buchkunst eines Landes beziehen. Da aber gerade die Buchkunst neben ihren nationalen Charakter auch eine grosse Internationalität besitzt und das Interesse für Buchkunst sich vielfach nicht auf die des eigenen Landes beschränkt, liegt der Wunsch nach einer
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Erweiterung einer nationalen Sammlung zu einer internationalen nahe. Die Sammlung ausländischer Bücher muss sich im allgemeinen auf charakteristische und hervorragende Leistungen beschränken. Aber auch in diesen engeren Grenzen ist ein planmässiger Aufbau der Sammlung mit dem Ziel einer gewissen Vollständigkeit erstrebenswert. Eine Auslese des Besten und Wichtigsten kann aber nicht auf Grund einer gelegentlich erworbenen Kenntnis eines mehr oder weniger umfangreichen Materials, dessen Zusammensetzung dem Zufall überlassen ist, sondern nur auf Grund der Kenntnis der Gesamtproduktion der anderen Länder getroffen werden. Ein Überblick über die Gesamtproduktion kann aber nur an einer Stätte gewonnen werden, wo sie zusammenläuft, und das ist die nationale Archivbibliothek eines Landes. Die nationalen Archivbibliotheken können deshalb durch internationale Zusammenarbeit der an ihnen bestehenden Buchkunstsammlungen zum Aufbau internationaler Buchkunstsammlungen in anderen Ländern beitragen, indem sie aus ihren nationalen Sammlungen, laufend die Bücher auswählen, welche die eigene Buchkunst in den internationalen Sammlungen andere Länder repräsentieren können. Listen dieser Bücher werden für die ausländische Buchkunstsammlungen die Grundlage für eine optimale und zugleich ökonomische Auswahl sein.
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