Buchstabenverformungen seit der Renaissance
Früher, als es noch keine photographische Reproduktion gab, waren der Holzschnitt und der Kupferstich die hauptsächlichsten Reproduktionsarten für eine Druckwiedergabe von Bild und Schriftzeichnung. Nicht immer waren die entwerfenden Künstler ihre eigenen Holzschneider oder Kupferstecher. Es bildeten sich allmählich geübte Handwerker heraus, welche diese Aufgaben übernahmen, die Formschneider und Kupferstecher. Dass sich durch solch eine Arbeitsteilung oftmals grosse Unterschiede zwischen der Originalzeichnung und der Druckwiedergabe ergeben mussten, war natürlich. Es bedurfte einer engen Zusammenarbeit zwischen Künstler und Handwerker, wie sie beispielsweise bei Hans Holbein und Lützelburger und bei Peter Paul Rubens und Cornelius Galle bestand. Denn es galt nicht allein die Zeichnung des Künstlers wiederzugeben, sondern darüber hinaus musste oftmals der Stecher auch mit dem Formgesetz und Aufbau der Buchstaben vertraut sein. Dies traf jedoch nicht immer zu.
Wie Holbein im 16. Jahrhundert für Froben, so schuf Rubens eine Reihe von Titelblättern für Balthasar Moretus, der die Plantinsche Druckerei nach Plantins Tod 1589 übernahm. Die von Galle gestochenen Titel zeigen sorgfältig ausgeführte Antiquaschriften im Charakter der Renaissance-Antiqua: schräge O-Achse und kräftige E-Querstriche. Es liegt die Vermutung nahe, dass er nicht nach gezeichneten Schriftvorlagen arbeitete, sondern Abzüge von Typen als Vorbild für den Stich nahm.
Wenn wir das gewaltige Lebenswerk von Albrecht Dürer betrachten, so ist es undenkbar, dass Dürer selbst die ganzen Kupferstiche und Holzschnitte neben seinen zahlreichen Gemälden und Zeichnungen ausgeführt hat. Dass Albrecht Dürer bei seinen Kupferstichen und Holzschnitten Gehilfen beschäftigte, erklärt die teilweise unvollkommene Wiedergabe von Buchstaben, denn ein Meister wie Dürer, der in seinen Arbeiten die subtilsten Details herausarbeitete, sollte gerade der Schrift weniger Sorgfalt gewidmet haben? Albrecht Dürer hat sich nicht nur oberflächlich den Buchstabenformen gewidmet, dafür zeugt allein seine Arbeit über die Konstruktion der Antiquabuchstaben aus dem Jahre 1525. Auf vielen seiner Gemälde hat Dürer die Schrift in die Komposi-