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seure dieser Filme wollten nur eine unterhaltende Geschichte ganz glatt erzählen, und übersahen ganz die künstlerische Aufgabe des Films. Diese Filme waren im Grunde nur photographiertes Theater. Die Schauspieler bemühten sich mit primitiver Mimik Ihre Gefühle auszudrücken, dabei aber zu stark übertrieben und dadurch unwahrscheinlich. So enstand eine grobe Pantomime wobei von Filmkunst keine Redesein konnte. Im Gegensatz zu den theatralischen Prinzipien der alten Kinematographie, stellten wir eine neue Lösung hin, die zugleicherzeit die Richtung gab für unsere weitere Arbeit. Diese neue Lösung ist bis auf heute grundlegend geblieben für die Filmkunst in Sowjet Russland.
Sie ist Folgende: Grundlageder Kino-kunst ist die Montage. Ich nehme an, dass Sie wissen was Montage ist. Sie wissen dass hierunter zu verstehen ist eine strenge Konstruktion des gesammten Filmes aus kleinen Stücken; diese Konstruktion muss sehr genau und überdacht ausgeführt werden, so dass sowohl Rythmus und Gedanke beide verantwortet sind. Ebenso, wie aus verschiedenen Tönen der verschiedenen Instrumente ein Orchestersymphonie aufgebaut wird, ebenso wird aus den verschiedenen Bildchen der gesammte Film komponiert.
Wir sagten, dass die Wirkung von einzelnen Bildchen nicht abhängig ist von der Uberzeugung womit der Schauspieler irgendwo gut geweint oder gelächelt hat, sonder auch von den vorherigen und folgenden Bildstreifen.
Durch eine richtig konstruierte Reihenfolge kann man den Ausdrück des Schauspielers bis ins Zehnfache steigern, und umgekehrt kann man das schönste Spiel vernichten durch eine falsche Montage.
Ich erinnere mich noch in welcher Aufregung wir kamen als unser erstes Experiment gelang. Wir nahmen für dieses Experiment aus irgend einem Film einen Streifen mit dem Gesicht von Mosjoukine, der irgendwo hinschaut. Absichtlich wählten wir einen ruhigen gleichgültigen Ausdruck seines Gesichtes, und diesen Bildstreifen von Mosjoukines Gesicht haben wir dreimal mit andern Streifen zusammengeklebt. Das erste Mal war sofort nach dem Gesicht von Mosjoukine ein Streifen angeklebt mit einem Teller Suppe; für den Zuschauer war es, alsob Mosjoukine auf diesen Teller Suppe schaute. Im zweiten Fall haben wir als Objekt seiner Aufmerksamkeit einen Sarg, worin eine junge Frau liegt, angeklebt. Im dritten Fall, ein kleines Mädchen mit einem Teddybeer, welcher komische Bewegungen machte. Wir haben dann diese drei Streifen in einer Rolle zusammengeklebt und einem unvorbereiteten Publikum vorgeführt und das Resultat war überraschend. Sie waren darüber begeistert, wie fein der Artist spielte. Im ersten Fall sahen sie ein dumpfes, in Gedanken Vertiefftsein über dem Suppenteller. Im zweiten Fall bemerkten sie den Schmerz und den erschütterten Blick womit er auf die Tote sah. Im dritten Fall waren sie entzückt über das zarte Lächeln, womit er das spielende Kind anschaute. Aber in Wirklichkeit in allen drei Fällen war das Gesicht dasselbe. So mächtig ist die Wirkung der Montage.
Und das zweite Experiment ein andres Problem der Montage. Wir hatten jetzt eine kurze und einfache Szene aufgenommen. Der Inhalt war folgende: Zwei Menschen sehen einander auf der Strasse, treffen einander, der eine weist dem anderen auf etwas, beide schauen hin, sehen ein grosses weisses Haus mit einer breiten Treppe. Dann gingen die beide Menschen weiter und stiegen auf diese Treppe. Die ganze Szene war in kleinen kurzen Stücken aufgenommen. Diese Teile würden in den verschiedensten Gegenden von Moskou aufgenommen. Der eine Mensch verbeugte sich im östlichen Teil der Stadt, der andere antwortete ihm im westlichen Teil, und sie trafen einander im Zentrum; und das weisse Haus worauf die beiden schauten war das Parlament in Washington, das wir aus einem amerikanischen Film geschnitten hatten. Die Treppe auf welche die Menschen hinaufgingen, hatten wirgefunden bei der grossen Kathedral in Moskau. Als die einzelnen Stücke montiert waren bekamen die Zuschauer einen volkommenen Eindruck von Einheit von Ort und Handlung. Auf der Leinwand war alles vereint. Das weisse Haus in Washington war ganz in der Nähe vom Kremlin.
Dies alles ist für Sie nun keine Neuigkeit mehr, aber damals haben wirzum ersten Mal verstanden, dass die Filmkunst eine wirkliche neue selbst-ständige Kunst ist, dass sie nicht eine photographische Kamera ist, die nach sklavischer Art und Weise die Wirklichkeit abkopiert. Wir haben verstanden, dass im Film jede Realität, ein Mensch oder ein Ding, nur Rohmaterial ist, woraus durch Komposition erstein Kunstwerk geschaffen werden kann. Diese Arbeit der Komposition nennen wir die Montage.
Auf den Wegen der Entwicklung der Montage-Kunst sind wir schon weitergekommen. Es sind erschienen die Arbeiten von Wertof, die gezeigt haben welche grosse Rolle in der Montage der Rhytmus spielt. Das Aneinanderfügen der verschiedenen Stücken von verschiedener Länge, mal kürzer, schneller, aufregender, steigernd, dann wieder langsamer, länger, beruhigender, ist ausserordentlich wichtig für die Wirkung auf den Zuschauer. Schliesslich kam Eisenstein,