Bijdragen en Mededelingen van het Historisch Genootschap. Deel 72
(1958)– [tijdschrift] Bijdragen en Mededeelingen van het Historisch Genootschap– Auteursrechtelijk beschermd
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Die früheren Habsburger in der Niederländischen GeschichteGa naar voetnoot1Mijnheer de Voorzitter, Dames en Heren,
In de huidige Algemene Vergadering van het vermaarde Historisch Genootschap hier te Utrecht een voordracht te mogen houden acht ik een bijzondere eer, en het is voor mij een eerste plicht, voor deze uitnodiging en de woorden van welkom mijn oprechte dank te betuigen.
Het thema, dat ik voor mijn uiteenzetting gekozen heb: ‘Die Stellung der früheren Habsburger in der niederländischen Geschichte’, is onderdeel van een ruimer onderzoek over de Habsburgers in de periode van 1477 tot 1556, waarmede ik sedert enige tijd bezig ben en waarover ik reeds voor enige maanden in het Utrechtse ‘Instituut voor Middeleeuwse Geschiedenis’ enige colleges heb mogen geven.
Als laatste leerling van de ‘Treitschke-Epigone’ Dietrich Schäfer, zoals Friedrich Meinecke hem eens genoemd heeft, kom ik wat mijn oorspronkelijke wetenschappelijke vorming aangaat uit een Noordduitse historische traditie, die zeer critisch tegenover de Habsburgers stond. De grotere waardering voor hun persoonlijkheid en werk dank ik voornamelijk aan het wetenschappelijke oeuvre van de vroegere Göttingsche historicus Karl Brandi, wiens biographie van Karel V in Brandis sterfjaar 1946 onder toezicht van een van uw al te vroeg overleden collega, N.B. Tenhaeff, in een Nederlandse vertaling verschenen is. Daarom hoop ik, dat mijn thema uw belangstelling zal mogen hebben, ook al is het tijdperk der Habsburgers misschien voor de Noordnederlandse historiographie geen bijzonder aantrekkelijke periode.
Ik moet U verzoeken, in mijn moedertaal te mogen spreken, omdat mijn kennis van Uw edele taal voor een voordracht in het Nederlands helaas te gebrekkig is.
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1.In der Ausstellung, die 1955 die Stadt Gent aus Anlass der 400. Wiederkehr von Karls V. Thronentsagung ihrem grossen Sohne widmeteGa naar voetnoot1, fanden sich neben einer Vielzahl pietätvoller Erinnerungsstücke, die eine rührige Ausstellungsleitung aus den niederländischen Erblanden des Kaisers und dem übrigen Europa zusammengetragen hatte, auch einige ausgesprochen kritische Zeugnisse. Unvermittelt nebeneinander traf man da das niederländische Volksbuch vom Kaiser Karl, die glorifizierenden Inschriften alter Triumphbögen und die eine ganz andere Sprache redenden Illustrationen zu Gents demütiger Unterwerfung unter den Kaiser 1540 sowie die alle Register des revolutionären Pathos ziehenden Verse aus den Tagen der Französischen Revolution, in denen Karl bescheinigt wird, dass er sein ganzes Leben hindurch in Blut gewatet sei, Recht und Gesetz der Völker mit Füssen trat und das Schafott verdient habe. Das Problem ‘Habsburg und die Niederlande’ hat die Geschichtsschreibung seit den Tagen Robertsons und Schillers, ja seit Pontus Heuterus beschäftigt. Jeder Verfasser einer belgischen oder niederländischen Geschichte, jeder die Epoche behandelnde deutsche oder spanische Historiker und wer immer sich mit den grösseren politischen Zusammenhängen des damaligen Europa befasst, stösst ja irgendwie darauf. Für seine Behandlung steht ein Quellenmaterial von einer Reichhaltigkeit und einem Rang zur Verfügung wie für wenig andere Geschichtsepochen. Dank dem Quellen- und Erläuterungsband von Brandis grosser KarlsbiographieGa naar voetnoot2 und der ausführlichen bibliographischen Übersicht am Schluss des IV. Bandes der ‘Algemene Geschiedenis der Nederlanden’Ga naar voetnoot3 sind Literatur und Hauptquellen in den grossen Zügen heute bequem zu überblicken. Indes sind trotz zahlreicher Teilveröffentlichungen selbst die wichtigsten dieser Quellen meist noch nicht annähernd vollständig herausgegeben oder auch nur die publizierten bereits voll ausgeschöpft, so dass der eigenen Quellenerschliessung noch fast überall bedeutender Spielraum bleibt. Das macht den Reiz, aber auch die Schwierigkeit jeden Ver- | |||||
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suchs einer neuen Gesamtwertung unseres Themas aus. Er wird die umfängliche bisherige Forschung verarbeiten und durch eigenes Quellenstudium ergänzen müssen, darüber hinaus aber auch den Satz zu beherzigen haben, ‘dass zwar der historische Forscher für die Zukunft arbeitet, dagegen der historische Darsteller aus der Epoche und für die Epoche’ schreibtGa naar voetnoot1. Denn der mit der Ablösung des Zeitalters einer allseitigen nationalen Differenzierung durch ein solches wachsender internationaler Verflechtung in Europa bewirkte Wandel der historischen Maßstäbe ist so fühlbar (ich glaube mit dieser Feststellung nicht nur spezifisch deutsche Erfahrungen zu verallgemeinern), dass man auch bei der Behandlung unseres Themas nicht um eine grundsätzliche Neudurchdenkung vieler früherer Urteile herumkommt. So wird es gerechtfertigt sein, den bereits so vielfach behandelten Stoff erneut aufzugreifen - und sei es zunächst auch nur im gedrängten Rahmen eines Vortrags. Die Persönlichkeiten, um die es uns geht, sind: Kaiser Maximilian I., sein Sohn Philipp der Schöne, sein Enkel und Nachfolger im Kaisertum Karl V. und ihre beiden habsburgischen Mitarbeiterinnen: Erzherzogin Margarete (‘von Oesterreich’), die bedeutende Repräsentantin der Renaissance in den Niederlanden, sowie ihre politisch nicht weniger fähige Nichte und Nachfolgerin im Statthalteramt, Maria von Ungarn. Unsere besondere Aufmerksamkeit gelte dabei der Einstellung der zeitgenössischen Niederländer zu ihnen und der Frage, wie die Habsburger selber ihr Verhältnis zu den Niederlanden sahen und wie es sich in ihren Selbstzeugnissen spiegelt - vor allem in den Staatsschriften, Testamenten, Reden und in ihrer Familienkorrespondenz, zumal den Tausenden von Briefen, die die genannten Habsburger untereinander wechselten, um die Politik in den einzelnen Teilen ihres weltweiten Besitzes zu koordinieren und wie sie sich namentlich im Haus-, Hof- und Staatsarchiv zu Wien, mit dem alten Brüsseler Archiv 1794 vor den Franzosen ausser Landes gebracht, zum erheblichen Teil noch heute unveröffentlicht finden. Es wäre - darin weiss ich mich mit anderen Kennern der Periode einig - eine vordringliche Aufgabe der historischen Forschung, für eine wirklich umfassende Veröffentlichung dieser für die gesamte europäische Geschichte des 16. Jhs. so unschätzbaren Quellen Sorge zu tragen. Vielleicht könnte die baldige vierhundertjährige Wieder- | |||||
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kehr von Karls V. Todestag den Anstoss geben, die Publikation erneut in Angriff zu nehmen, nachdem es Karl Brandi nicht mehr vergönnt war, sie in die Wege zu leiten. Wohl niemand bestreitet den genannten Habsburgern, von Unterschieden in der Persönlichkeitswertung abgesehen, den geschichtlichen Rang. Aber war ihr Wirken für die Niederlande, war es für Deutschland, für Spanien, für die damalige Welt im ganzen zum Guten oder zum Verhängnis? Das ist die Frage, und nicht wenige Historiker sind in allen Ländern geneigt gewesen und sind es noch, sie vorwiegend negativ zu beantworten. Namentlich in den Niederlanden kann das nicht überraschen. Wird doch das Urteil der späteren Generationen über eine Periode fast unvermeidlich von dem. Wissen um die nachfolgenden Geschehnisse mitbestimmt, und da ist ja kein Streit darüber möglich, dass das Haus Habsburg unter Philipp II. mit den elementarsten Lebensgesetzen des Landes in Konflikt geriet. Wie merkbar anders immer man heute auch diesen Habsburger menschlich beurteilen mag als etwa zur Zeit Schillers - dass er für die Niederlande ein Verhängnis war, bleibt davon unberührt; es bedarf darüber keiner langen Worte. Von dieser so evidenten Tatsache aus aber fiel, sobald erst einmal die Anfangsjahre des Aufstandes mit ihrer nicht immer ganz zweckfreien Idealisierung der Zeit Karls V. vorüber waren, je länger, je mehr ein Schatten auch auf die frühere Habsburgerzeit in den Niederlanden. Auch dass ihre Repräsentanten sämtlich die Prinzipien, soweit nicht einer primär dynastischen Politik, so doch einer universalistisch bestimmten politischen Gedankenwelt in besonders reiner Ausprägung vertraten, bildete in einem Zeitalter, in dem unser Geschichtsbild in Europa überall mehr oder weniger unter dem Leitgedanken der Nation und des Nationalstaats stand, gewiss keine sonderlich günstige Voraussetzung für eine wärmere Würdigung ihrer Leistungen. Ich verweise zum Beleg etwa auf die ausgesprochen kritische Grundeinstellung in Karl Baumgartens ‘Karl V.’ oder - um in den Niederlanden zu bleiben - auf die kühle Reserve bei Pirenne und Geyl (deren Beurteilung der habsburgischen Aussenpolitik in bemerkenswerter Weise übereinstimmt) und auf die gleiche Haltung in einer Vielzahl anderer Werke: in Hennes noch immer unentbehrlichem belgischen Standwerk über den KaiserGa naar voetnoot1, | |||||
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in der der Statthalterin Margarete gewidmeten Quellenveröffentlichung des einstigen nordniederländischen Reichsarchivars Van den Bergh, den Darstellungen der flämischen Historiker Fredericq, Fris usf. ‘Karls Ziele’ - so formuliert Lamprechts Leipziger Kollege Erich Brandenburg - ‘waren nicht nur unvereinbar unter sich, sondern auch unverträglich mit den Lebensinteressen der Völker, über die der Kaiser gebot und mit deren Hilfe er sie erreichen wollte. Was ging die Neapolitaner oder Niederländer die Unterwerfung der deutschen Fürsten oder die Eroberung Mailands an? Was die Ausdehnung des habsburgischen Besitzes?’Ga naar voetnoot1. Und ganz entsprechend lesen wir neuerdings in der ‘Algemene Geschiedenis’: ‘de keizer, totaal in beslag genomen door zijn wereldpolitiek, zou meer en meer een vreemdeling worden in onze gewesten... In het verzet tegen de buitenlandse politiek van Karel, die regelrecht tegen de belangen der Nederlanden indruiste, vormde zich... een gemeenschapsbesef, dat sich onder Filips II resoluut tegen de vorst keerde... De opstand tegen Filips II worteld reeds diep in de regering van Karel V, alle weinig wetenschappelijke legende, die sich rond de figuur van den keizer gevormd heeft, ten spijt’Ga naar voetnoot2. Ich bin (wofür ich auf meine früheren Untersuchungen über das Verhältnis von Volk, Staat und Nation in den Niederlanden und meine Stellungnahmen zu Pirenne, Geyl und der ‘Geschiedenis van Vlaanderen’ verweisen darf)Ga naar voetnoot3 gewiss weit davon entfernt, den Anteil der bodenständigen Kräfte an der politischen Willensbildung und dem politischen Geschehen in den Niederlanden zu übersehen. Namentlich in allen grossen Krisenmomenten der niederländischen Vergangenheit traten diese Kräfte bedeutsam in Erscheinung - von der Entstehung des Begriffes Dietsch zu Ausgang der Frankenzeit über die Sporenschlacht und den Niederländischen Aufstand bis zum Verzet des letzten Krieges. Doch liegt ihre Stärke im allgemeinen mehr in der Abwehr von als wesensfremd empfundenen äusseren Eingriffen und in der treuen Bewahrung des Überkommenen als in sou- | |||||
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veräner politischer Gestaltung. Lag doch die politische Führung nicht erst seit den Tagen der Burgunder und Habsburger, sondern schon seit dem Auftreten der Häuser Elsass und Dampierre, Baiern und Luxemburg immer wieder in der Hand von von Haus aus landfremden und auch geistig-kulturell nicht ohne weiteres als niederländisch anzusprechenden Geschlechtern. Ihrer Politik waren durch die Lage der Niederlande auf der Grenze entgegengesetzter europäischer Machtbereiche und durch wirtschaftliche Notwendigkeiten wie die Abhängigkeit der flämischen Textilindustrie von der englischen Wolle zwar bis zu einem gewissen Grade die Wege vorgeschrieben, und die früh erstarkenden Stände sorgten dafür, dass sie solchen Imponderabilien gebührend Rechnung trug. Doch ist die jeweilige Gesamtpolitik nichtsdestoweniger erst das Ergebnis des Zusammenwirkens der beiden Kräftegruppen, und man erhielte ein höchst unvollkommenes Bild, wollte man nur die eine der Komponenten berücksichtigen. Ganz allgemein ist die landschaftlich oder national ausgerichtete Geschichtsbetrachtung in der Gefahr, den Anteil der ausser- und überlandschaftlichen und nicht-nationalen Kräfte am Geschehen zu unterschätzen, wenn nicht überhaupt zu übersehen und damit in eine Simplifizierung zu verfallen, die das Verständnis der Vergangenheit an einem entscheidenden Punkte beeinträchtigt. So ist auch bei der Behandlung der Habsburger bis auf Karl V. nicht alles auf den bequemen Generalnenner einer unwissenschaftlichen Legende zu bringen, was zu einer positiveren Beurteilung des habsburgischen Wollens und Wirkens kommt. Ich denke allgemeingeschichtlich etwa an die Würdigung der habsburgischen Ideenwelt bei Ranke, Rassow und den österreichischen Historikern bis hin zu Wandruszkas neuestem Abriss der Geschichte des Hauses HabsburgGa naar voetnoot1 oder, im niederländischen Bereich, an die differenzierteren Darstellungen eines van der Essen oder der ‘Geschiedenis van Vlaanderen’, an Fruins positiveres Urteil vom nationalstaatlichen Standpunkt, an die liebevoll-einfühlenden Monographien einzelner Herrscherpersönlichkeiten von Juste über Kuyperberg bis zu Ghislaine de Boom, an die vertiefte Bewertung des Verhältnisses zwischen den Habsburgern und ihren Provinzstatthaltern, zu der P. Rosenfelds Veröffentlichungen aus den Brüsseler Archiven den | |||||
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Zugang eröffnet habenGa naar voetnoot1, an Hugenholtz's vorsichtige Korrekturen an dem soeben gekennzeichneten national-niederländischen Geschichtsbild und schliesslich, aus tiefer Einsicht in die Persönlichkeiten und die staatsbildenden Kräfte der Zeit erwachsen, an die Forschungen und Darstellungen eines Huizinga und BrandiGa naar voetnoot2. | |||||
2.Versuchen wir bei dieser Lage der Forschung unter tunlichster Vermeidung gleicherweise des summarischen Verdikts wie der summarischen Rettung die Stellung der genannten Habsburger zu den niederländischen Erblanden zu umreissen! Dass ein Zug der Spannung durch das beiderseitige Verhältnis hindurchläuft - wer wollte es verkennen? Von Maximilians Gefangensetzung in Brügge 1488 über den vorübergehenden Sturz Margaretes durch Chièvres 1515 bis zum Genter Aufstand von 1539/40 liegt diese Seite der Beziehungen vor jedermanns Augen. Nur ist es gefährlich, diese Erscheinungen allzu schnell auf | |||||
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nationale Ursachen zurückzuführen. Gibt es doch in jenem Zeitalter des werdenden Verwaltungsstaats neuerer Prägung auch einen davon wesenhaft zu unterscheidenden Antagonismus zwischen Fürst und Ständen, zumal in den Niederlanden mit ihrer früh und kräftig entwickelten ständischen TraditionGa naar voetnoot1. Vor allem aber gilt es, neben den Spannungen zwischen den Habsburgern und ihren niederländischen Erblanden auch die positive Seite der Beziehungen nach Gebühr zu würdigen. Auch diese positive Linie des beiderseitigen Verhältnisses läuft von den Wonderlijke Oorloghen van den doorluchtigen Hoochgheborenen Prince, Keyser MaximiliaenGa naar voetnoot2 nach 1477, über die der Bericht noch 1577 neu aufgelegt werden konnte, über Maximilians Wiederbeauftragung mit der Vormundschaft nach dem Tode Philipps des Schönen 1506 bis zu der allgemeinen tiefen Erschütterung bei Karls V. Thronentsagung 1555. Man muss also von Anfang an die Spannungen und die positive Seite im habsburgisch-niederländischen Verhältnis zugleich sehen. Ebensowenig aber darf man das ganze Geschehen von vornherein auf die Katastrophe des niederländischen Aufstandes hin ausrichten. Die 8 Jahrzehnte von 1477 bis 1555 sind eine der grossen Epochen nicht nur der europäischen Geschichte, sondern unzweifelhaft auch der niederländischen Vergangenheit und haben deshalb Anspruch auf eine selbständige, nur ihnen selber entnommene Wertung. Zudem sind sie in sich durchaus differenziert. Deshalb muss auch unsere Darstellung chronologisch von Generation zu Generation fortschreiten. Da scheint zunächst unter Maximilian die Sachlage denkbar einfach zu liegen. Unter ihm war - wie oft hat man es uns nicht dargestellt! - beiderseits die Fremdheit das letzte Wort. Als mutins, traîtres, menteurs bezeichnet Maximilian in einem Brief an seine Tochter Margarete 1509 einmal die niederländischen StändeGa naar voetnoot3. Und diese Feindschaft - meint man - sei natürlich; denn seine neue Erwerbung sei dem Kaiser ja nur ein willkommenes Mittel für seine österreichischen Ziele gewesen: ‘L'Etat bourguignon’, so formuliert Pirenne, ‘n'était pour lui qu'une dépendance d'Autriche’Ga naar voetnoot4. Schnell und gründlich verflogen waren also seit den 80er Jahren jene begeisterten | |||||
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Anfangserwartungen, in denen die Niederlande Maximilian wie den Retter im Märchen und mit Ehrenbögen und Aufschriften wie Gloriosissime princeps, defende nos, ne pereamus begrüsst hatten. Ich will diese Gegensätze nicht verharmlosen. Aber war der Gegensatz schon bei Maximilian wirklich das Einzige, was übrigblieb? Vor etwa 2 Jahrzehnten hat der Wiener Historiker Alfons Dopsch in einem in den Niederlanden zu wenig beachteten Beitrag zur Srbik-Festschrift ‘die Weststaatspolitik der Habsburger im Werden ihres Grossreiches 1477-1526’ umrissen und dabei, neuestens von seinem Landsmann Wandruszka nachdrücklich bestätigt, gezeigt, dass es schon bei Maximilian den von Pirenne angenommenen Gegensatz zwischen burgundisch-niederländischen und habsburgisch-österreichischen Zielen in dieser Form und Schärfe gar nicht gabGa naar voetnoot1. Es ist eine unzulässige Rückprojizierung der Verhältnisse des 17. und 18. Jhs. in das 15. und 16., wenn man schon bei dem frühen habsburgischen Großstaat vornehmlich an den Osten denkt. Als dieser habsburgische Staat 1477 geschaffen wurde - durch die burgundische Heirat nämlich! -, da wurde in ihm alsbald die Westpolitik, mit Dopsch zu sprechen, ‘lange Zeit führend, ja entscheidend’. Sie aber war burgundischer Provenienz. Und auch geistig-kulturell wurzelte das Haus Habsburg gleich mit Maximilian in der burgundischen Welt ein. Zeugen dafür sind die burgundischen Namen der Kinder und Enkel Maximilians, ist die Wandlung des Hauses Österreich zur Maison d'Autriche, zum Hause Österreich-Burgund, ja zum Hause Burgund schlechthin und sein von nun an französischer Briefwechsel mit Tochter und Enkel, auch das Flämische lernte er, Molinet zufolge, mühelos beherrschen. Weit in der Minderzahl bleiben demgegenüber in den Niederlanden die Zeugnisse für die deutsche Muttersprache des Kaisers - ich erwähne etwa Maximilians bekannte deutsche Devise Halt Maß in allen Dingen auf der sogenannten Wiege Karls V. aus der Brüsseler Hofhaltung und ebenso auf den von Erzherzogin Margarete 1511 zur Verherrlichung ihres Hauses gestifteten Glasfenstern in der Chorapsis von Ste. Waudru in Mons - im letzteren Falle bereits verbunden mit der französischen | |||||
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Losung: qui vouldra je le veilGa naar voetnoot1. Wie sehr auch in Maximilians von den Niederlanden schwer empfundener und in der neueren Historiographie immer wieder gerügter antifranzösischer Politik Burgundererbe steckt, wird uns bezeugt durch die Wendung, mit der er selber 1513 dem jungen Karl V. von seinen Siegen über die Franzosen berichtet: François anchiens et aincores naturelz ennemis de nostre maison de BourgogneGa naar voetnoot2. Die dem deutschen Volke von den Habsburgern überkommene deutschfranzösische Erbfeindschaft unseligen Andenkens bezeichnet hier Maximilian also als burgundisches Erbe - ganz wie es Haller und Huizinga zu Beginn der 30er Jahre ihrerseits dargelegt habenGa naar voetnoot3. Auch das grosse Maximiliansgrabmal in der Innsbrucker Hofkirche, bereits 1502, also 17 Jahre vor des Kaisers Tode begonnen und zu einer Zeit, in der er, fern den Niederlanden, dort keinerlei Funktion ausübte, fortgeführt, ist ein plastisches Zeugnis von Maximilians burgundischem Bewusstsein. Im Lichte dieser Tatsachen erscheinen auch seine missglückten Versuche, den Vlies-Orden zu einem burgundischösterreichischen zu erweitern und ein burgundisch-österreichisches Königreich zu schaffen, weniger eindeutig als Ausdruck eines rein österreichischen Imperialismus als man wohl gemeint hatGa naar voetnoot4. Über Philipp den Schönen muss ich mich im Rahmen dieses Vortrags kurz fassen. Dass er von der Bevölkerung der Niederlande als prince naturel und Vertreter der eigensten Interessen des Landes bei seinem Regierungsantritt wärmstens begrüsst wurde, ist allbekannt, und auch der ihm durch Olivier de la Marche gegebene Beiname croit-conseil rühmt sein kluges Eingehen auf den Rat seiner niederländischen UmgebungGa naar voetnoot5. | |||||
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Seine stete Friedenspolitik gegenüber Frankreich, für die er zeitweise sogar Maximilian zu gewinnen wusste, entsprach ganz den niederländischen Wünschen. Umso auffälliger ist dann freilich, dass Philipp sich - und zwar, wenn ich recht sehe, ohne irgendeinen Einspruch seiner niederländischen Räte - den von Maximilian schon seit Jahren verfolgten spanischen HeiratsplanGa naar voetnoot1 zu eigen machte und das ihm dann unvermutet zufallende spanische Erbe mit aller Selbstverständlichkeit antrat. Seine Behandlung in der modernen Geschichtschreibung ist merkwürdig unausgeglichen und unbefriedigend, und ich habe nicht den Eindruck, dass die eigentliche Mitte seines Wesens und seiner Politik darin bereits ganz erfasst ist. War, was hier nur als Zickzackkurs und letztlich ziemlich unglückliche Mischung von wohlverstandener niederländischer Realpolitik und ungezügeltem dynastischen Universalismus à la Habsburg erscheint, es in gleichem Maße auch für die Zeitgenossen? Wir werden auf diese Frage zurückkommen müssen. Wenden wir uns zunächst zu Philipps Schwester Margarete, die nach des Bruders unzeitigem Tode 1506 im Einverständnis mit den Ständen die Statthalterschaft übertragen erhielt und sie - mit mehrjähriger Unterbrechung nach Karls V. Mündigerklärung Anfang 1515 - bis zu ihrem Tode November 1530 weiterführte. Wir können hier nicht sprechen von dem Vielen und Wesentlichen, womit sie zur Mehrung des niederländischen Kulturbesitzes beigetragen hat, auch nicht von der Seelengrösse, gemischt mit Stolz auf das von ihr Erreichte, in jenem zu den klassischen Schreiben der Weltliteratur gehörenden Abschiedsbrief, den sie wenige Stunden vor ihrem Tode am 30. November 1530 an den kaiserlichen Neffen richtete, sondern konzentrieren uns wieder ganz auf das Verhältnis zu den Niederlanden. Zum Ausgangspunkt diene uns wiederum das scharf umrissene Urteil Pirennes, dessen Fortwirkung bis in die jüngsten Veröffentlichungen hinein zu spüren ist: ‘Pour les Belges’, so sagt er, ‘elle était et elle resta toujours une étrangère... Les provinces bourguignonnes ne l'intéressèrent... que par l'utilité qu'en pouvait retirer la dynastie. Elle les gouverna bien parce qu'elle était intelligente et travailleuse, mais elle les gouverna sans sympathie... une entente durable ne pouvait s'établir entre le nationalisme de Chièvres et la politique dynastique de | |||||
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Marguerite... Plus bourguignonne encore qu'autrichienne’, sei sie, obwohl geistig und kulturell in Frankreich beheimatet, die Seele aller Kriege gegen Frankreich gewesen und damit eben doch eine Fremde, Habsburgerin oder Burgunderin, ohne letztes Gefühl für die elementaren Bedürfnisse der ihr anvertrauten LandeGa naar voetnoot1. Aber Pirennes Urteil blieb nicht unwidersprochen, und bemerkenswerterweise erhob den grundsätzlichsten Widerspruch eine Historikerin, die sich am eingehendsten mit der Person und dem Lebenswerk Margaretes befasst hatte: die getreue, unlängst leider verstorbene Verwalterin ihres so reichen literarisch-kulturellen Nachlasses in der Kgl. Bibliothek zu Brüssel, Ghislaine de BoomGa naar voetnoot2. Einen gewissen Mangel an Wärme in Margaretes Beziehungen zum niederländischen Hochadel leugnet auch sie nicht, doch sei er mehr die unvermeidliche Folge ihrer Neigung zur Kabinettspolitik, die sie mit den tüchtigsten Regenten des Zeitalters teilte. Im übrigen aber ersetzt sie Pirennes aut-aut durchgängig durch ein et-et: Margaretes Wirken war nach ihr nicht dynastisch und daher unnational, sondern eine ‘oeuvre dynastique et nationale’, und es war durchseelt von einem ‘instinct national qui portait Marguerite à considèrer le berceau de sa race (d.h. die burgundischen Niederlande) comme le but, et non pas l'instrument de sa politique’. Deshalb habe es schliesslich auch zu einer echten Aussöhnung zwischen ihrer eigenen und der durch Chièvres repräsentierten Adelspolitik kommen könnenGa naar voetnoot3. Gilt Pirennes Bemerkung in seinem liebenswürdigen Vorwort zu Ghislaine de Booms Margaretebuch, dass die Herzogin ‘ait séduit presque tous ceux qui se sont occupés d'elle’ auch für dessen Verfasserin selbst, liess sie sich blenden und sah der grosse belgische Historiker hier vielleicht doch schärfer? Hören wir dazu Margarete selbst in ihren auch politisch so aufschlussreichen letzten Willensäusserungen: Vous laisse vos pays de pardecha, so schrieb sie Karl V. von ihrem Sterbebette, que durant vostre absence n'ay seullement gardez, comme les me laissastes a votre partement, mais grandement augmentez; et vous rendz le gouvernement diceulx, auquel me cuyde estre loyaillement acquittée, et tellement que j'en espere remuneration | |||||
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diuine, contentement de vous, monseigneur, et gré de vos subgectz vous recommandant singulièrement la paix, et por especial auec les roix de France et DangleterreGa naar voetnoot1. Zwei Tage vorher hatte Margarete in einem Kodizill zu ihrem Testament als letzten Wunsch ihres Lebens an den Kaiser die Bitte gerichtet, um der Erhaltung des Namens Burgund willen vouloir garder et retenir en ses mains... unis et joints lesdits pays de pardeça et ladite comté de Bourgogne, perpétuellement et à toujours, sans en faire aucune séparation ni divisionGa naar voetnoot2. Einheit des Landes, Frieden und Wohl der Untertanen sind also Motive, die in diesen beiden letzten Willensäusserungen der Erzherzogin sehr vernehmlich anklingen. Kein Zweifel, Margarete war eine leidenschaftliche Burgunderin, bis zum letzten Atemzuge auf das Fortleben ihres Hauses und seine Grösse bedacht - aber das Interesse ihres Hauses und das des von ihm regierten burgundisch-niederländischen Staatswesens sowie das Wohl seiner Bewohner waren für ihr Gefühl keine Gegensätze, sondern nicht von einander zu trennen. So hatte sie es während ihrer ganzen Regentschaft gehalten (wobei es nichts zur Sache tut, dass ihre bei Karls Mündigerklärung mit einem eklatanten Misserfolg endende Politik während der Jahre 1509-15 keine glückliche war), und es war die grosse Genugtuung ihrer letzten Lebensjahre, dass derselbe Karl, dessen erste politische Handlung nach der Emanzipation 1515 unter dem Einfluss von Chièvres ihre vorübergehende Kaltstellung gewesen war, ihr 1528 aufgrund ihrer wirksamen Wahrnehmung seiner geldrischen Interessen bei den Vorverhandlungen zum Damenfrieden in Cambrai die von rückhaltlosen Vertrauen erfüllten Sätze schrieb: Je scay qu'il n'est besoing vous prier ny solliciter d'ainsi faire; car l'entendz bien et suis tout experimenté, que non seullement dans cest affaire, mais tous autres qui touchent notre seruice et le bien de mesdicts pays de pardelà vous l'auez austant à cueur que moy mesme et aussi remetz la chose à vous, selon la parfaicte confiance que bien savez je vous pourte, pour en ce faire et ordonner comme par bon conseil verrez pour le mieulx au bien de moy et de mesdicts paysGa naar voetnoot3. Das führt uns zu Karl V. selber. Seine Anfänge stehen, wie gesagt, im Zeichen der niederländischen Adelsreaktion gegen | |||||
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Margarete, ähnlich wie die Philipps d. Schönen gegen Maximilian. Dass er zu Beginn seiner Regierung ganz als burgundischer Edelmann und auch politisch als Exponent bodenständiger Kräfte zu gelten hat - darüber ist sich die Forschung einig. Aber wie steht es um alles Spätere? Den Antritt des spanischen Erbes, die deutsche Krone, jene unablässigen Kämpfe mit Frankreich, die Universalmonarchie als höchstes Ziel? Ist hier nicht wieder das unheilvolle Abgleiten aus einer weise sich begrenzenden niederländischen Realpolitik in einen zügellosen, spezifisch habsburgischen Universalismus mit Händen zu greifen und das vorhin zitierte Verdikt nur allzu berechtigt? Es liegt mir fern, die sich aus Karls V. Universalpolitik für das Schicksal der in seinem Reiche zusammengeschlossenen Länder und Völker ergebende Problematik zu übersehen oder leicht zu nehmen. Aber dieser Universalismus darf, wie immer man ihn beurteilt und mag er auch bei Karl seine vollkommenste damalige Ausprägung erhalten haben, sofern überhaupt Fehlleistung, nicht als einzig von Habsburg verschuldete Fehlleistung angesehen werden. Denn nicht genug, dass auch die übrigen grossen europäischen Fürstenhäuser der Zeit, die Valois und Tudors, ein Ferdinand v. Aragon und selbst deutsche Reichsfürsten wie die Wittelsbacher oder im Kampf um Geldern sogar Kleve im Prinzip eine kaum weniger weitgespannte dynastische Politik trieben oder doch zu treiben suchten, war auch diese Politik bei den Habsburgern zum guten Teil genuines Burgundererbe. Die Wurzel dazu liegt nicht erst bei Karl d. Kühnen, auf den die am niederländischen Nationsgedanken orientierte Forschung gar zu gern der Sünden Menge häuft, sondern bereits bei Philipp d. Guten, dem conditor Belgii des Justus Lipsius, unter dem sich bereits die zukunftsträchtigen Verbindungen zu Friedrich III. und nach der iberischen Halbinsel hinüber knüpften (Karl. d. Kühne wählte sich seine portugiesische Mutter wohl kaum selber!), ja, schon bei Philipp d. Kühnen und Johann ohne Furcht, in deren Auseinandersetzung mit ihren orléanistischen Vettern von Anfang an das Problem Italien eine nicht unwichtige Rolle spielte, wie neuerdings die Bonner Habilitationsschrift des Luxemburger Historikers Jean Schoos über den Machtkampf zwischen Burgund und Orléans wieder deutlich gemacht hatGa naar voetnoot1. Wie intensiv bereits die bur- | |||||
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gundische Politik auch die Mittelmeerländer in den Kreis ihrer Interessen miteinbezogen hatte, zeigt der sich auf eindringende Spezialforschungen Calmettes gründende Abschnitt der ‘Histoire Générale’ über die BurgunderGa naar voetnoot1. Neben den bekannten burgundischen Kreuzzugsbestrebungen steht das Eingreifen in Italien (etwa im Kampfe Pisas gegen Florenz), in Spanien (etwa im Streite Aragons gegen Barcelona und in Katalonien), in Portugal usf. Was den habsburgischen Universalismus am stärksten von den entsprechenden Bestrebungen in Frankreich, England usw. unterscheidet und mit der Grund für seine so abweichenden Auswirkungen ist: sein Mangel an einer räumlich und national einheitlichen Ausgangsbasis, ist im Ansatz wiederum burgundisches Erbe. Gewiss, die Kaiseridee in der Karl durch seinen piemontesischen Grosskanzler Gattinara (einen Burgunder also!) nahegebrachten Form überwölbte das Burgundische seit 1519 und erfüllte es mit einem neuen, spezifischen Sinngehalt - aber auch hier gilt es wiederum zu beachten, dass bereits die Burgunderherzöge die Richtung auf den Erwerb der Kaiserkrone eingeschlagen hatten. Schon Philipps des Guten Kanzlei und Hofchronisten kultivierten, wie Huizinga sich ausdrückt, ‘eine Haltung, die man nicht anders als imperialistisch nennen kann’Ga naar voetnoot2. Aber nicht nur die Begründer des burgundischen Staatswesens selber, sondern sogar die sich angeblich so weise auf die nächsten niederländischen Interessen beschränkenden niederländischen Zeitgenossen der Habsburger befinden sich in | |||||
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der Einschätzung der dynastischen Verbindung ihrer habsburgischen Herrscher mit dem Reich und mit Spanien in ganz der gleichen Verdammnis wie ihre Herren! Ein schwerwiegender Einwand gegen die Auffassung vom niederländischen Hochadel als dem Herold des modernen Nationalismus! Pirenne weiss ihm nur dadurch zu begegnen, dass er die niederländische Aristokratie wider ihr besseres Wissen durch die Verlockungen von Karriere, Macht und Ruhm für die dynastisch-universalen habsburgischen Ziele gewonnen werden lässtGa naar voetnoot1. Aber, zum mindesten, wenn er das zum Hauptmotiv ihres Handelns macht, tut er ihnen ohne Zweifel Unrecht. Kein anderer als der verständnisvolle Deuter der Chièvres'schen Politik, Andreas Walther, hat in ideengeschichtlich wohlfundierten Darlegungen, die man über der ‘Rettung’ seines Helden viel zu wenig beachtet hat, die dynastische Universalpolitik als das zur Politik des Ausgleichs mit Frankreich unmittelbar hinzugehörende Pendant gedeutet und psychologisch verständlich gemacht. ‘In der Generation der Chièvres, Sempy, Roeulx, Fiennes, Berghes, Gattinara - so führt er aus - lebte noch als Kindheitserinnerung das unerhörte Aufsteigen des burgundischen Staates unter Philipp d. Guten, und ihr Mannesalter hatte jahrzehntelang den Niedergang unter unaufhörlichen Schlägen von Schicksal und Schuld gesehen. Nun aber sollte all das Bittere und Beschämende ausgelöscht werden durch eine ungeheure Erhebung. Ihr Herzog sollte Herr aller spanischen Königreiche und sollte Kaiser werden... Man bemerke, wie stark in allen wirren politischen Verhandlungen und Verträgen während der ersten Jahrzehnte des 16. Jhs. ein Ideal durchklingt: der Universalfriede, die Universalliga... Jetzt aber gab Gott dem Hause Burgund die Herrschaft über die halbe Welt. Jetzt würde es den grossen Frieden sichern können, wenn nur mit Frankreich eine aufrichtige Einigung gelinge... Dass diese universalen Träume in schärfsten Widerstreit treten würden zu den burgundisch-nationalen Strebungen..., blieb dem Blick verborgen. Denn nichts anderes als eine Erhebung des Hauses Burgund sah man in dem allen’Ga naar voetnoot2. Und nicht nur der Adel und das burgundische Beamtentum empfanden so. Die flandrischen Stände entsandten auf die Nachricht von Karls Wahl zum römischen König eine Glück- | |||||
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wunschgesandschaft nach Barcelona, und die Staaten von Brabant beschlossen eine ausserordentliche Beihilfe von 100 000 PfundGa naar voetnoot1. Wiederum wird man die die gesamte Bevölkerung erfassende freudige Genugtuung nicht einfach als die Reaktion der urteilslosen Masse auf die Einstellung ihrer Führerschicht abtun dürfen. Die gleiche Hoffnung auf peys, vrede ende neeringhe, die wir in den zeitgenössichen Chroniken finden, begegnet uns auch bei - dem übrigens mit Gattinara befreundeten - Erasmus. Auch in seinen Schriften verschwindet nun vorübergehend - das hat Huizinga nachgewiesen - die gewohnte Klage über die Schlechtigkeit der Zeiten und tritt, wie schon einmal 1504 beim Erwerb der spanischen Krone durch Philipp d. Schönen, an ihre Stelle die erwartungsfrohe Hoffnung auf den Anbruch eines goldenen Zeitalters ewigen Friedens, obwohl er sich darüber im klaren war, dass das Glück der Dynastie mit dem der Völker durchaus nicht identisch sein müsseGa naar voetnoot2. Noch bei Gelegenheit seiner Thronentsagung im Oktober 1555 hat Karl darauf hingewiesen - und es besteht doch wohl kein Grund, die subjektive Aufrichtigkeit seiner Versicherung in Zweifel zu ziehen - dass er die deutsche Krone nicht aus blosser Ländergier, sondern zum Besten seiner Erbländer und namentlich der Niederlande erworben habe: Lors qu'il sollicita l'élection de l'Empire - so fasst der Augenzeugenbericht Karls Worte zu diesem Punkt zusammen -, tat er es nicht pour ambition d'avoir plus de seigneurie, mais pour le bien de plusieurs des ses royaulmes et pays, et principallement de ceulx de pardeça - also für seine NiederlandeGa naar voetnoot3. Burgundischer Nationalismus - um mich dieses von Pirenne aufgebrachten Sprachgebrauchs einmal zu bedienen - und burgundisch-habsburgischer Universalismus waren also für die damaligen Menschen noch keine einander ausschliessenden | |||||
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Gegensätze. Und sie waren es folglich ebensowenig für das habsburgische Fürstenhaus. Auch als der Gedanke der Universalmonarchie bestimmende Macht über Karl V. gewonnen hatte, blieb dieser der burgundischen Tradition seines Hauses und seinen niederländischen Erblanden in ganz besonderer Weise verbunden. ‘In Karl ersteht noch einmal der vollendete Vertreter des burgundischen Prinzips mit seinen altertümlichen Idealen und seinem schweren Geist’ kann Huizinga deshalb mit vollem Recht sagenGa naar voetnoot1, und auch Brandis Persönlichkeitsdeutung kommt zu einem verwandten Ergebnis: Karls Ehrbegriff, dynastische Gesinnung und auch seine altkirchliche Religiosität, kurz die wesentlichsten Grundlagen seiner geistigen und sittlichen Überzeugungen, wurzeln in der geistig-politischen Tradition seiner ErblandeGa naar voetnoot2. Das blieb auch für Karls ferneres politisches Verhältnis zu den Niederlanden nicht ohne Bedeutung. Wo nur irgend niederländische Interessen im Spiele waren, behandelte er sie mit bewusster Pfleglichkeit. Auch für das Verständnis seiner grossen europäischen Politik ist die offene oder geheime Rücksichtnahme auf Burgund und die Niederlande wiederholt der eigentliche Schlüssel zum Verständnis - so für das Scheitern eines echten Ausgleichs mit Franz I. nach dessen Gefangennahme bei Pavia. ‘Der Kaiser blickte starr auf seine Forderung Burgund... und schien alles andere kaum zu beachten’ - so zieht Brandi zutreffend die Quintessenz seines uns aus der politischen Korrespondenz und seinen Instruktionen bis in alle Einzelheiten bekannten damaligen VerhaltensGa naar voetnoot3. Es ging Karl dabei nicht etwa nur um die Grablege seiner Familie, sondern zugleich um die Sicherheit seiner gesamten burgundischen Erblande. In der Botschaft über die Verteidigung der Niederlande, die er 1528 von Burgos aus an Erzherzogin Margarete und König Ferdinand übermitteln liess, werden die umfassendsten Sicherheitsmassnahmen für die Niederlande verlangt, car pour la naturelle amour que nous leurs pourtons sur tous aultres, ne vouldrions qu'il y fust aulcune chose espargnéeGa naar voetnoot4. All das vermögen auch Karls moderne Kritiker nicht zu be- | |||||
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streiten, sind aber der Meinung, der damals bereits vor der Tür stehende Damenfriede von Cambrai bedeute ‘het einde van de Bourgondische traditie in Karels geest’Ga naar voetnoot1. Dieser Friede war Margaretes letztes grosses Werk. Seit ihrem Tode ist Karls niederländische Politik nicht zu trennen von der der Nachfolgerin Margaretes im niederländischen Regiment: Maria von Ungarn. Von den drei Habsburgerinnen, die das Statthalteramt bis zum niederländischen Aufstand bekleidet haben, ist sie zwar nicht die meistbehandelte, aber gewiss nicht die unbedeutendste. Sie war eine problematische, Margarete teils verwandte, teils aber recht unähnliche Natur: eine virago im anerkennenden Sinne der Renaissance, unermüdlich tätig, Diplomatin in kaum geringerem Grade als die Tante, auch sie von dem Gedanken an die Grösse ihres Hauses durchdrungen und dem Bruder unbedingt ergeben, auch sie aus weiblichem Instinkt und Einsicht in die niederländischen Notwendigkeiten stets zum Frieden geneigt, aber darum nicht weniger kriegsbereit und von unbeugsamer Entschlossenheit, wo sie höheren politischen Erfordernissen folgen zu müssen meinte, all das freilich im Unterschied zu Margarete mit einem - gewiss nicht nur vorgetäuschten - Zug der Unsicherheit gegenüber der eigenen Leistung und einer Sehnsucht, sich der ihr übertragenen Macht wieder zu entäussern, die zu ihrer nach aussen gezeigten Festigkeit und Herbheit in merkwürdigem Kontrast steht. Über ihr Wirken und die sie dabei bewegenden Motive sind wir vor allem aus ihrer umfangreichen politischen Korrespondenz und namentlich den zahlreichen, nicht selten eigenhändigen Briefen unterrichtet, die sie im Verlauf ihrer 25-jährigen Regierungstätigkeit mit ihrem kaiserlichen Bruder und mit Ferdinand, mit ihrem Neffen Philipp, mit Karls Ministern und ihren niederländischen Mitarbeitern gewechselt hat. Bisher, ausser soweit sie in den bekannten Auswahlen von Lanz und anderen Platz gefunden haben, soviel ich sehe, in der niederländischen Historiographie verhältnismässig wenig benutzt, führen die Familienbriefe doch noch tiefer in das allerpersönlichste Denken dieser Habsburgerin ein als ihre übrige politische Korrespondenz und was uns sonst an unter ihrem Namen gebenden Zeugnissen aus ihrer Registratur in Brüssel und Wien erhalten istGa naar voetnoot2. | |||||
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So wenig wie vorher Margarete konnte sich Maria, auch wenn sie es gewollt hätte, auf eine begrenzt niederländische Aufgabe zurückziehen. Denn die Fäden der grossen habsburgischen Politik liefen zum guten Teil über Brüssel, insbesondere sooft der Kaiser in Spanien festgehalten wurde, und Maria musste wie nur je Margarete im Dienste Maximilians an dieser Politik teilnehmen und tat es auch mit ganzer Hingabe, wo immer es für sie um Grundanliegen ihres Hauses und der Christenheit ging (beides war für sie ähnlich wie für Karl beinahe gleichbedeutend)Ga naar voetnoot1. Aber auch bei ihr ist es gänzlich ungerechtfertigt, so leichthin von einer Aufopferung oder auch nur Hintanstellung von Lebensnotwendigkeiten und Interessen der ihr anvertrauten Lande gegenüber den Zielen der habsburgischen Weltpolitik zu sprechen. Schon Theodor Juste hat sie in diesem Punkte völlig richtig beurteilt, und ebensowenig konnte sich neuerdings ihre nordniederländische Biographin diesem Eindruck entziehenGa naar voetnoot2. Wenn die Niederlande aus dem immer erbitterter werdenden weltpolitischen Ringen der 30er bis 50er Jahre nicht nur ohne Einbussen, sondern weiter gefestigt und durch die diesmal endgültige Gewinnung Gelderns auch nach Osten hin als ein wohlabgerundetes, in sich verteidigungsfähiges Ganze hervorgingen, wenn wenige Jahre später das politisch-militärische Verhältnis zum Reich in einem für die Niederlande denkbar vorteilhaften Sinne geregelt werden konnte, wenn Handel und Wandel auch in der Zeit der schwersten Konflikte nicht zum Erliegen kamen, so ist das weitgehend auch ihr Verdienst - natürlich in stetem Zusammenwirken mit ihren niederlän- | |||||
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dischen Beratern aus dem Conseil Privé, dem Conseil d'Etat, dem Conseil des Finances, den Statthaltern der Provinzen usw., deren sie noch in ihren Abschiedsworten am 25. Oktober 1555 in Brüssel mit Wärme gedenktGa naar voetnoot1. Ein Höhepunkt dieses Wirkens war das fünfjährige diplomatische und zuletzt offen militärische Ringen um das seit 70 Jahren umkämpfte geldrische Erbe; ‘nie war sie grösser als in diesen Jahren’ meint Brandi sogarGa naar voetnoot2. Ununterbrochen eilten in den entscheidenden letzten Wochen, als die Lage in der Heimat zum Zerreissen angespannt war und die militärische Auseinandersetzung auf die Entscheidung zuging, die Kuriere mit vertraulichen, manchmal nur für den Bruder oder die Schwester persönlich bestimmten Botschaften hin und her, und vollends, als es die beste Form für einen dauerhaften Frieden zu finden galt, tat der Kaiser nichts ohne Marias Rat und persönliche Begutachtung. Auf den Schultern der beiden habsburgischen Geschwister ruhte damals die Zukunft der Niederlande, und ihre Handlungen waren bestimmt von dem Wissen darumGa naar voetnoot3. Nicht weniger unmittelbar spiegelt sich die spezifisch niederländische Ausrichtung von Marias gesamter Politik während des grossen habsburgisch-französischen Ringens um Lothringen und das mittlere Moselgebiet 1552 - Vorgänge, auf die ich demnächst ausführlicher zurückzukommen gedenke. Es musste dem Kaiser nach dem damaligen Verluste von Metz darum zu tun sein, sich Triers als rückwärtigen Stützpunktes für seinen Gegenstoss gegen den französischen König Heinrich II. zu versichern. Das war ein unabweisbares strategisches Bedürfnis für die bevorstehende militärische Auseinandersetzung mit ihm. Maria aber wollte mehr: Sie erstrebte, in engem Zusammenspiel mit ihren niederländischen Räten auch hier, wie aus ihrer gesamten damaligen Korrespondenz hervorgeht, eine nicht nur auf den Augenblick abgestellte Einfügung des wichtigen Moselplatzes in den militärischen Abwehrgürtel | |||||
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der habsburgischen Niederlande. Den Ansatzpunkt dafür sollten alte luxemburgische Schutzrechte über die Stadt bilden. Mit allen Mitteln weiblicher Überredungskunst hat Maria damals auch den Kaiser dafür zu gewinnen gesucht. Es war ihr aber nicht nur um das Staatswesen, sondern auch um seine Menschen zu tun. Ce que la reine vous demande n'est point pour elle, mais pour vous, afin de vous garder et défendre et conserver vos libertés et franchises, et ne vous laisser réduire, vous, vos femmes et enfants, en perpétuelle servitude war z.B. die Begründung, mit der sie 1543 an die Stände herantrat, und diese versagten sich ihr nichtGa naar voetnoot1. Auch für Marie ging es gewiss nicht ab ohne mancherlei ernste Spannungen (von dem Sonderfall Gent ganz abgesehen) - aber man wird nicht leicht einen Regenten finden, der im ganzen doch gutwillig höhere Leistungen von seinen Ständen zu erhalten vermocht hätte. Sie dankte es mit Mässigung, wenn ich recht sehe, entgegen anderen, Meinungen doch auch in Konflikten. Bei dem bekannten Genter Strafgericht Karls V.z.B. war sie diejenige, die Fürbitte für die Stadt einlegte und in Karl drang, de faire ung pardon général à tous les manans et habitans de sa belle ville de Gand, en l'honneur et mémoire de sa nativité qu'il avait reçue en icelle, worauf der Kaiser einzulenken begannGa naar voetnoot2. War das lediglich ein zwischen den beiden Geschwistern abgekartetes Spiel zur nochmaligen Demütigung der Genter und zur Neubefestigung der erschütterten Autorität Marias in Gent, wie man diesen, ja vorher sicher überlegten Akt wohl gedeutet hat? Das ist möglich, aber keineswegs sicher. Ich möchte darin eher einen Reflex früherer interner Auseinandersetzungen zwischen Karl und Maria erblicken. Nach meinem Gefühl würde das zu Marias Gesamtpolitik besser passen als die andere Deutung. Denn Maria war nicht von jener Gefühlskälte gegenüber dem ihr anvertrauten Lande, die man ihr zuweilen zuschreibt. Den jungen Philipp II. ermahnte sie bei seinem ersten Erscheinen in den Niederlanden 1549, wenn er die Liebe seiner niederländischen Völker gewinnen wollte, sich ihnen anzugleichen und nicht länger ausschliesslich Spanier zu bleibenGa naar voetnoot3. Fühlte sie | |||||
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instinktiv, dass aus Philipps mangelnder Fähigkeit dazu eine entscheidende Gefahr für die Zukunft ihres Hauses in den Niederlanden erwachsen konnte? 5 Jahre später wies sie in Worten, die man wohl als ihr politisches Testament bezeichnet hat und die jedenfalls für die Grundsätze ihrer Regierungsführung ebenso kennzeichnend sind wie 24 Jahre zuvor Erzherzogin Margaretes letztes Schreiben für diejenigen Margaretes, den Neffen noch einmal eindringlich auf seine Herrscherpflichten gegenüber den Niederlanden hin: Es ist sicher - so begründet sie ihr erneutes Drängen auf finanzielle Unterstützung der Niederlande und unverzügliches Erscheinen dort -, dass Eure Mühen nicht kleiner, sondern grösser werden; denn Ihr werdet ebensoviel damit zu tun haben, das Gewonnene zu halten als noch mehr zu gewinnen. Aber gute Fürsten wissen, dass es ihre Pflicht ist, unablässig für ihre Untertanen zu arbeiten, und der Besitz grosser Reiche legt auch grosse Verpflichtungen auf, und ich vertraue zu Gott, dass er Euch mit genügenden Gaben ausgestattet hat und Euch Gnade dazu geben wird, Euch dieser Aufgabe zu Eurem eigenen Ansehen und zur Ehre Eurer Reiche zu entledigenGa naar voetnoot1. Wer das 25-jährige, sich im Dienst verzehrende Regiment Marias in den Niederlanden überblickt, wird auch aus ihren demütig-stolzen Abschiedsworten im Grossen Palais zu Brüssel weniger die Betonung des eigenen Ungenügens für die grosse Aufgabe als das Bekenntnis der grenzenlosen Hingabe an sie heraushören. Wenn sie, so sagte sie damals, dem Kaiser und den Niederlanden nicht noch besser gedient habe comme j'eusse bien désirée, que ce n'a pas été à faulte de bonne volunté, car sy la qualité, scavoir et souffisance eussent correspondu à la volunté, fidelité, amour et affection, avecq laquelle je me suys employé, je me tiens sure, qu'il n'y eult prince mieulx servy, ny pays mieulx gouverné que eussiez estez, puisque j'ay employé en icelluy service fidellement et avecq toute l'amour et affection | |||||
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possible et tout le scavoir, qu'il a pleu à Dieu me donner; j'ay exhibé tout ce qu'y a esté en la personneGa naar voetnoot1. Wenden wir uns wieder zu Karl V. zurück! Indem wir Marias Wirken verfolgten, beleuchteten wir indirekt bereits des Kaisers Verhältnis zu den Erblanden in den späteren Jahren. Nirgends wiederum ist es so unmittelbar zu verfolgen wie in dem steten brieflichen Zwiegespräch der beiden habsburgischen Geschwister. Karl betrachtete Maria, wie er 1540 den Ständen erklärte, als sein anderes Selbst. Das war mehr als Phrase. Immer geht der Kaiser in den Briefen auf Marias Anregungen mit besonderer Aufmerksamkeit ein - auch wenn er nach Beratung mit seinen Ministern 1533 ihren burgundischen Eifer einmal zügelt, als sie in der von Erzbischof Christoph v. Bremen angebotenen Erwerbung der weltlichen Herrschaft des Erzstiftes Bremen die Möglichkeit für den Bruder erblickt, (de) paruenir à ses royaulmes de pardeça (oder wenn er zu Beginn des Schmalkaldischen Krieges Marias aus ihrem niederländischen Blickwinkel heraus verständliche Neigung zurückweist, noch vor der Hauptentscheidung im Konflikt die Abrechnung am Erzbischof von Köln und dem Bischof von Münster zu vollziehenGa naar voetnoot2. Aber auch bei Karl ist der Gedanke an ein grosses nordwesteuropäisches Königreich mit den Niederlanden als Kern keineswegsGa naar voetnoot3 mit Margaretes Tode erloschen, sondern noch lange Jahre hindurch zu verfolgenGa naar voetnoot4. Sogleich nach den ersten entscheidenden Erfolgen im Donaufeldzug meldete sich auch bei ihm das Interesse für den seinen Erblanden vorgelagerten deutschen Nordwesten mit bemerkenswerter Stärke, und die politische Landkarte hätte hier vielleicht noch erhebliche Veränderungen erfahren, wäre Karl nicht nach der schweren Niederlage von Drakenburg zu der Überzeugung gekommen, dass hier eine für seine Erblande tragbare Gleichgewichtslinie bereits erreicht sei. Das Projekt des Nordwest-Königreiches verschwindet nun, aber ein Zeugnis für das nach wie vor ungeminderte Interesse des Kaisers an seinen Erblanden ist die Aushandlung - fast möchte man sagen: die Oktroyierung - des Burgundischen Vertrages mit dem Reiche 1548. Er sollte, wie sich nach der | |||||
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Veröffentlichung der umfangreichen Wiener VoraktenGa naar voetnoot1 heute mit voller Bestimmtheit sagen lässt, nichts anderes sein als die Krönung der jahrzehntelangen Bemühungen um die Sicherung der Erblande gegen jeden Angriff von aussen und die Festigung ihrer inneren Einheit durch den Zusammenschluss aller Einzelterritorien ohne Rücksicht auf die alte Reichsgrenze im einheitlichen Burgundischen Kreise. Für das Verhältnis der Niederlande zum Reich bedeutete die Augsburger Transaktion aus Gründen, die Robert Feenstra 1952 überzeugend dargelegt hat und die u.a. in der Haltung der Nordostprovinzen begründet sind, zwar keine formelle Entlassung aus dem Reichsverband, wie das zuletzt in der ‘Algemenen Geschiedenis’ unter Berufung auf Felix Rachfahl zu lesen steht, aber ebensowenig freilich eine über die bestehende Schwebelage hinausgehende neue staatlich-politische BindungGa naar voetnoot2. Für die militärische Anlehnung ans Reich aber war ganz wie ein paar Jahre zuvor beim Lothringischen Vertrag noch immer ausschlaggebend die Rücksicht auf die von den Burgundern ererbte Gegnerschaft zu Frankreich. In einem Brief an seine Nichte Christine von Dänemark bestätigt das uns Karl 1551 für den Lothringer Vertrag ausdrücklich. Procurée auec si grand travail et à mure et très prudente délibération, et en bonne partie pour éviter la servitude de France - so charakterisiert der Kaiser selber das VertragswerkGa naar voetnoot3. Den Schlußstein in dem niederländischen Einigungswerk stellte dann ein Jahr darauf bekanntlich die pragmatische Sanktion über die Gleichheit der Erbfolge in allen niederburgundischen Gebieten dar; sie war für den Kaiser wie die Einlösung der ihm von Margarete hinterlassenen Verpflichtung zur einheitlichen Erhaltung der Erblande für alle ZukunftGa naar voetnoot4. Kurz fassen möchte ich mich gegenüber Karls Innenpolitik. Dass sie in der Belastung seiner niederländischen Untertanen | |||||
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wiederholt bis an die Grenze des Zumutbaren ging, ist unbestreitbar. Der Genter Aufstand war dafür in gewisser Hinsicht das deutlichste, aber gewiss nicht das einzige Anzeichen. Aber auch damals entsprang längst nicht jede innerpolitische Schwierigkeit dem geheimen oder offenen Gegensatz gegen die universale Zielsetzung der kaiserlichen Politik; mindestens ebensosehr waren sie Folge des konsequenten habsburgischen Strebens nach Vergrösserung der politischen Zentralgewalt. Und auf welcher Seite in solchen Konflikten das grössere geschichtliche Recht lag, ist zum mindesten nicht von vornherein ausgemacht. Ein Beispiel bietet das niederländische Deich- und Wassergenossenschaftswesen, bei dem die damalige habsburgische Verwaltung auch gegen Widerstände konsequent die übergeordneten Verbände förderte. Ihr zur Zeit genauester Kenner, Fockema Andreae, bezeichnet die Regierung Karls V. und selbst Philipps II. gerade deshalb als ‘een der vruchtbaarste tijdperken van waterschapsbestuur’ und stellt fest, ‘dat ondanks latente of openlijke conflicten de gevolgde lijn ook nu vrij algemeen maatschappelijk werd aanvaard’Ga naar voetnoot1. Kein anderer als Pirenne ist ferner der Meinung, dass in dem Konflikt zwischen der habsburgischen Zentralregierung und der Stadt Gent, in der der Stadt nicht selten auch heute noch einseitig die Rolle des Anwalts der nationalen Interessen zugeschrieben wird, Karl V. das allein zukunftsweisende Prinzip vertratGa naar voetnoot2. Trotz seiner abstossenden Härte beim Strafgericht über Gent war ihm auch die Rücksicht auf die Empfindungen seiner niederländischen Untertanen keineswegs fremd. Il n'y a peuple au monde, sprach er einmal aus, qui, conduit paternellement, soit plus souple à se soumettre aux volontés de son prince... quoiqu'il n'y ait peuple qui haisse plus la servitude, car il est opiniâtre à résister à la force et facile à la douceur. Zu dieser verständnisvollen Führung rechnete Karl, ganz wie seine Schwester Maria, die Vergabung der entscheidenden Posten in Regierung und Verwaltung nur an Niederländer, parce gue les subjets amoient mieux être gouvernés desdits naturels gue d'autres qui ne pouvoient être si bien informés des caractères, moeurs et conditions d'iceux que gens élevés audit pays et affec- | |||||
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tionnés au bien et repos de leur patrieGa naar voetnoot1. Spricht hier nur der kalt berechnende, im Grunde nirgends mehr beheimatete Weltmonarch oder nicht doch noch allezeit der Burgunderspross? Lässt man Karls Erklärungen und persönliche Abschiedsworte bei seiner Abdankung 1555 im Zusammenhang auf sich wirkenGa naar voetnoot2, so kann die Antwort auf diese Frage m.E. nicht zweifelhaft sein. Im Verein mit der Tatsache, dass Karl sich gerade in Brüssel der Herrschaft über seine Reiche entäusserte, spricht für die Fortdauer seiner besonderen inneren Verbundenheit mit den Niederlanden die ganze Art, wie er von seinen sy bon subgects, denen seine unveränderte paternelle affection gelte, Abschied nahm; in einer letzten Ermahnung zur Einigkeit beschrieb er dort seine Erbländer als ein durch die zentrale Rechtsordnung zusammengehaltenes und in gegenseitiger Solidarität der Glieder aufeinander angewiesenes corps misticque de la républiqueGa naar voetnoot3. Die starke Gefühlsbewegung, die ihn beim Sprechen übermannte und sich zugleich aller seiner Zuhörer bemächtigte, zeugt dafür, dass dem Kaiser seine Worte aus dem Herzen kamen. Man verzeichnet sein Wesen, wenn man ihn zu einem seinen Erblanden schliesslich völlig entfremdeten Spanier macht. Das war erst Philipp II. | |||||
3.Ich belasse es bei diesen Andeutungen, die ich noch einmal vertiefen zu können hoffe, und wende mich abschliessend noch einmal unserer Hauptfrage zu nach dem grundsätzlichen Verhältnis zwischen niederländisch-burgundischer Einstellung und habsburgischem Universalismus sowie der Bedeutung beider Kräfte für die niederländische Geschichte. Wir sahen: Für die | |||||
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niederländischen Zeitgenossen stand ihre Vereinbarkeit, so vielfältig sie im konkreten Fall gegen das Hineingezogenwerden in die ewigen Welthändel aufbegehrten, prinzipiell noch nicht in Frage; zu einander grundsätzlich ausschliessenden Gegensätzen wurden sie erst für den modernen Historiker. Im Unterschied dazu suchte ich Ihnen zu zeigen, wie sehr beide Kräfte gleichzeitig und ohne offenen Bruch bei allen Habsburgern bis hin zu Karl V. sowohl das politische Denken als auch das praktische Handeln bestimmten. Wäre es anders gewesen, hätte sich das damalige Zeitalter dem geschichtlichen Bewusstsein namentlich der südlichen Niederlande schwerlich so tief und nachhaltig eingeprägt wie das der Fall ist. Man wird darüberhinaus fragen müssen, ob dem vom nationalstaatlichen Denken so ausschliesslich negativ beurteilten Universalismus bei all den unverkennbaren Gefährdungen, die er für die Niederlande mit sich gebracht hat, nicht doch zugleich eine ausgesprochen positive und fördernde Bedeutung für die Ausbildung einer einheitlichen niederländischen Welt und Staatlichkeit zugeschrieben werden muss. Weder der sogenannte burgundische Nationalismus der Adelsopposition - Hugenholtz hat seine Abstempelung als Nationalismus bereits mit Recht in Zweifel gezogenGa naar voetnoot1 - noch gar der durchaus rückwärtsgewandte städtische Partikularismus Gentscher Observanz, der noch 1539/40 nicht vor dem Appell an den französischen König zurückschreckte, wären für sich allein je im Stande gewesen, die 1477 noch so rudimentäre, äusserlich und innerlich unfertige Welt der Niederlande zu dem Grade von Einheit fortzubilden, die sie 1555 bei Karls V. Thronentsagung erreicht hatte. Noch immer war damals nächst den zentralen Institutionen, deren Ausbau sich die Habsburger genau so haben angelegen sein lassen wie vorher die BurgunderherzögeGa naar voetnoot1 das Fürstenhaus die am stärksten verbindende Kraft und erst ganz langsam erhielt der Einheitsbegriff der pays de par deça, durch die habsburgische Kanzlei eifrig gepflegt, einen volleren KlangGa naar voetnoot2. Ohne die so unpopuläre Bereitschaft, den dynastischen Anspruch auf Geldern - ‘geen natuurlijk, maar een formeel, afgetroggeld recht’ nannte es Gosses!Ga naar voetnoot3 - bis zur letzten Entscheidung durchzufechten, wäre eine für die Herausbildung eines selbständigen niederländischen Staatswesens mögliche | |||||
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Grenze gegenüber Nordwestdeutschland ebensowenig zu erreichen gewesen. Die so merkwürdig zwischen der Erhaltung des Friedens und der Bereitschaft zum Kriege schwankende Politik der beiden Statthalterinnen war nicht nur ein Ausdruck der Unvereinbarkeit zwischen niederländischem Sonderinteresse und habsburgischem Universalismus - vielleicht war sie das bis zu einem gewissen Grade auch -, sondern suchte auf diese Weise (man denke an die Geldernfrage) zwei einander widerstreitenden niederländischen Notwendigkeiten gerecht zu werden. Es geht m.E. nicht an, einerseits die positiven Wirkungen der habsburgischen Politik für die politische Fortbildung der niederländischen Welt dankend zu quittieren und die eenmaking der Nederlanden mit Befriedigung zu verzeichnen, zugleich aber die aussenpolitischen Wege dazu ausschliesslich negativ zu beurteilen, wie das seit Henne zum Teil Usus ist. Damit wird man dem komplexen Charakter des Geschehens nicht gerecht. Die damalige habsburgische Politik gab es und konnte es nur geben als ein Ganzes mit zugleich burgundisch-niederländischen und burgundisch-habsburgisch-universalen Zügen und Wirkungen. Jede nachträgliche Scheidung der Kräfte ist gelehrte Abstraktion. Oder glaubt man denn, dass nur von dem Dienst unmittelbar in und unmittelbar für die Niederlande fördernde Wirkungen auf das Verbundenheitsbewusstsein der Niederländer ausgegangen wären? Für dieses Zusammengehörigkeitsgefühl war es völlig gleichgültig, ob es in den Niederlanden oder im Dienst für den Kaiser in Deutschland, Spanien, Italien oder im Türkenkampf erwachsen war. Den so viel berufenen burgundischniederländischen Nationalisten stehen Typen wie des Kaisers Oberbefehlshaber der Niederlandetruppen, Maximilian Egmont, gegenüber, von dem der Abt von Brantôme die berühmte Szene berichtet, wie der alte Veteran beim Herannahen seines Todes seine prunkendste Waffenrüstung anlegte, Offiziere, Freunde und Gesinde im Festsaal seines Palastes noch einmal um sich versammelte und ein letztes Mal auf die Gesundheit seines Kaisers trank. Und fit la plus belle mort de laquelle on ouyst jamais parler au monde, meint der französische ErzählerGa naar voetnoot1. Egmont starb, wie er gelebt hatte. Aus seinem im Haus-, Hofund Staatsarchiv zu Wien befindlichen Briefwechsel mit Karl V. und Maria v. Ungarn aus den Tagen des Schmalkaldischen Krieges gewinnt man den Eindruck unbedingtester und, bei | |||||
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aller Eifersucht gegenüber Alba, doch erheblich selbstloserer Hingabe an die kaiserliche Sache als bei den gleichzeitigen norddeutschen Parteigängern des Kaisers, den Wrisberg, Spedt, Christoph v. Oldenburg usw. mit ihrem z.T. schamlosen GlücksrittertumGa naar voetnoot1. Egmont war kein Sonderfall. Auch seine adligen Zeitgenossen standen, wie Rosenfeld hervorhebt, ohne Ausnahme und ohne auch nur ein einziges Beispiel des Abfalls, der noch unter Karl dem Kühnen eine so grosse Rolle gespielt hatte, zu ihrem Kaiser. Die Epoche der früheren Habsburger was das goldene Zeitalter des niederländischen Hochadels. Bis in sein Alter bewahrte Karl V. eine Vorliebe für die Gefährten seiner Jugend. Gemäss unserer Themenstellung galt unser Hauptaugenmerk den habsburgischen Herrschern und ihren habsburgischen Mitarbeiterinnen. Es wäre eine besondere Aufgabe, etwa für die beiden Statthalterinnen zu untersuchen, wieweit hinter ihren Handlungen jeweils der Wunsch und Wille des Hochadels stand. Namentlich bei Maria v. Ungarn herrschte zwischen ihnen trotz der autokratischen Neigung der Statthalterin eine letzte Übereinstimmung. Hochadel und Herrscherhaus waren damals gemeinsam die tragenden Pfeiler des niederländischen Staatswesens. Infolgedessen waren für den Hochadel Treue zum Herrscherhaus und zur werdenden niederländischen Nation noch keine Gegensätze, sondern zwei Seiten derselben Sache: Je ne suis nay à aultre chose en ce monde rief eines Tages Charles de Brimeu, der nachmalige Statthalter von Luxemburg, aus, sinon pour obéir et faire très humble service à Sa Majesté, und ganz entsprechend schrieb Charles de Lannoy, Statthalter v. Tournai und späterer Vizekönig von Neapel, an Karl: Sire, le plus grand désir qu'ai en ce monde est de me trouver vers Vostre Majesté pour les choses de vostre service; car en ce monde n'ai autre passionGa naar voetnoot2. Von der gleichen Ergebenheit war das niederländische gelehrte Beamtentum, für das ich als Prototyp nur den Friesen Viglius van Zwichem nenneGa naar voetnoot3, | |||||
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waren die zumeist dem einheimischen Adel entnommenen Bischöfe auf den unter habsburgischer Kontrolle stehenden Bischofsstühlen u.a.m. Der zähe Widerstand der Brabanter Prälaten war ständischer Natur. Hätte der Kaiser ohne diese unbedingte Hingabe so vieler niederländischer Adliger und Beamter an seine Sache seine weltumspannende Politik überhaupt so erfolgreich führen können? Ich glaube nicht. Bis weit in die Zeit des Aufstands hinein vermochte Habsburg von dem politischen Kapital, das es sich unter Karl V. in diesen Kreisen angesammelt hatte, zu zehren. In einer solchen Atmosphäre konnte sogar noch der alte geldrische Haudegen Martin van Rossem zu einem loyalen Diener des Kaisers werdenGa naar voetnoot1. Wie allgemein die universale Kaiseridee, verbunden mit Anhänglichkeit an das habsburgische Herrscherhaus, auch im Lande selbst mit Einschluss der Städte Fuss fasste, zeigt die Vielzahl der kaiserlichen Standbilder und Embleme an den öffentlichen Gebäuden. Antwerpen schmückte seine Stadttore mit den Säulen des Herkules, umwunden von Karls stolzer Devise plus oultre, und dem kaiserlichen Doppeladler; der berühmte Renaissancekamin im Schöffensaal des ‘Freien von Brügge’ kündet von dem Sieg von Pavia; in Lille kennen wir eine Vielzahl entsprechender Embleme seit den ersten Tagen Maximilians, und ähnlich war es in zahlreichen niederländischen Städten. Sie sind nicht alle Zeugnisse einer Habsburgerverehrung der Bevölkerung - das gilt vor allem für die Kaiserfenster in den Kirchen wie der St. Jakobskirche im Haag oder der Johanniskirche in Gouda - aber dass diese Habsburgererinnerungen der Niederlande in vielen Fällen auch auf die Bevölkerung zurückgehen, steht doch ausser ZweifelGa naar voetnoot2. Die Wirkung, die von der universalen Machtstellung des habsburgischen Herrscherhauses auf das niederländische Bewusstsein der Zeit ausging, scheint mir, ohne dass ich sie sonst | |||||
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in Parallele setzen will, in manchem vergleichbar der positiven Wirkung, die einmal auf der Höhe des Mittelalters von der mittelalterlichen Kaiseridee auf das innere Zusammenfinden der deutschen Stämme und auf das Hineinwachsen Ostdeutschlands in die deutsche Gemeinschaft ausgegangen war. Auch hier hat sich gegenüber den zu ausschliesslich der Idee des Nationalstaats verhafteten kleindeutschen Kritikern, die anstelle der auf Italien gerichteten mittelalterlichen Kaiserpolitik allein die Ostpolitik eines Heinrich d. Löwen gelten lassen wollten und nur ihr eine aufbauende Bedeutung für die deutsche Geschichte zuerkannten, längst die Erkenntnis durchgesetzt, welche fördernden Wirkungen auch die universalen Kräfte für das Erwachsen eines alle deutschen Stämme umfassenden Bewusstseins gehabt habenGa naar voetnoot1. Ein jedes grosse gemeinsame Erlebnis verbindet eben. Dazu gehört in den Niederlanden - unbeschadet aller Spannungen im einzelnen - ganz ohne Zweifel die gemeinsame Zugehörigkeit zum habsburgischen Imperium mit seinen weltweiten Zielen und Aufgaben. Das gilt jedenfalls für die Zeit der früheren Habsburger, als die Niederlande noch, wie ich zu zeigen suchte, mit zur tragenden Mitte dieses Imperiums gehörten. Erst als sie unter Philipp II. diese Stellung verloren, wurde der Bruch unvermeidlich und war zugleich ein genügend fester innerer Zusammenhang der Teile erwachsen, um eine gemeinsame Erhebung gegen Habsburg mit einem selbständigen niederländischen Staatswesen wenigstens für den nördlichen Teil des Landes als Ergebnis möglich zu machen. Insoweit die Zeit der früheren Habsburger bereits gewisse Keime des späteren Konflikts zwischen Land und Herrscherhaus erkennen lässt, gehört sie gewiss bereits zur Vorgeschichte des Aufstandes. Aber ihrem eigentlichen Wesen nach war sie bei all ihrem Universalismus noch nicht Fremdherrschaft, sondern Fortsetzung und Krönung der ja auch nicht der inneren Spannungen und Konflikte ermangelnden Burgunderzeit, gleich der sie für die Herausbildung der politischen Einheit der Niederlande schlechthin mit grundlegend gewesen ist.
Ist mein Vortrag nun doch zu einer Apologie der früheren Habsburger und ihrer Rolle in der niederländischen Geschichte geworden? Vielleicht hat der eine oder andere von Ihnen diesen | |||||
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Eindruck. Ich kann demgegenüber nur bemerken, dass ich
Deshalb werden Sie mich, wie ich hoffen möchte, auch von dem Vorwurf freisprechen, nur einen neuen Beitrag zu jener wenig wissenschaftlichen Legende geliefert zu haben, von der in meinen Ausführungen einmal die Rede warGa naar voetnoot1. Die Geschichte ist in der Regel ungleich weniger zielstrebig und ist vor allem vielschichtiger als sie der rückschauenden Betrachtung gern erscheint. Dieses am Beispiel der früheren Habsburger und ihrer zum Teil unstreitig positiven Bedeutung für die niederländische Entwicklung darzulegen, war mein Ziel.
Ik heb gezegd.
Nadat prof. Petri zijn rede beëindigd heeft, geeft de voorzitter gelegenheid tot discussie. De heer G. van het Reve (ps. Gerard Vanter) merkt hierbij op, dat de gebeurtenissen in de Vlaamse steden en met name te Gent onder de regering van Karel V aantonen, dat het eenheidsbesef der Nederlanden vanuit de burgerijen gegroeid is. Prof. Petri wil dit element geenszins ontkennen. Toch is hij van mening, dat de nadruk niet alleen dient gelegd te worden op de burgerij, en vooral niet op de Gentse burgerij, wiens politiek ideaal toch sterk retrospectief was en voornamelijk het behoud der oude privileges beoogde. Gent is er in 1539/40, net als onder Maximiliaan, niet voor teruggedeinsd om de band met de Franse koning weer aan te knopen, wat in wezen strijdig was met het eenheidsbesef der Nederlanden. Maar de Nederlandse gewestelijke en generale Staten waren zeker een rem op het streven der Habsburgers om een zuiver dynastieke ‘Universalpolitik’ te voeren, en dit geldt evenzeer voor de meestal uit de Nederlandse adel stammende raden in het Habsburgse bestuur der Nederlanden. Niettemin is spr. van mening - en dàt aan te tonen was het voornaamste doel van zijn uiteenzetting -, dat ook de | |||||
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veelgesmade ‘Universalpolitik’ der Habsburgers voor het verwezenlijken van de eenheid der 17 Nederlanden even essentiëel is geweest als die van hun voorgangers, de Bourgondiërs. Voorts onderstreept spr. nogmaals 1) de volstrekte onmogelijkheid om de Habsburgse politiek ten opzichte van de Nederlanden in een zuiver Nederlandse (en daarom nuttige) en een universele (en daarom per se afkeurenswaardige) te scheiden; 2) het feit, dat ook Karel V en zijn medewerksters, ook al voerden zij een universele politiek, innerlijk aan de Nederlanden verbonden bleven en naast hun universele doeleinden de Nederlandse belangen wensten te bevorderen. Prof. Post vraagt naar het gebruik van belastinggelden voor dynastieke doeleinden en naar de rol, die de godsdienstpolitiek heeft gespeeld. Prof. Petri antwoordt, dat de door de Nederlandse gewesten opgebrachte belastingen voor een groot gedeelte voor de algemene belangen der Habsburgse politiek gebruikt zijn. De verhandelingen met de Staten zitten vol klachten over de financiële druk, die daardoor in de Nederlanden veroorzaakt werd. Alle Habsburgse oorlogen werden gedeeltelijk met Nederlands geld gevoerd. Omdat in elke Europese oorlog ook de Nederlanden bedreigd waren, was een zuivere splitsing trouwens in financiëel opzicht evenmin als in politiek opzicht mogelijk. De religieuze politiek van Karel V vormt een moeilijk probleem. Getuige b.v. de onuitgegeven stukken van de correspondentie met Maria van Hongarije in 1546, berustende in het Haus-, Hof- und Staatsarchiv te Wenen, geloofde hij oprecht in opdracht van God te handelen bij zijn optreden tegen de Schmalkaldische bond. Anderzijds laat zijn houding tegenover de Brabantse prelaten en zijn streven om zoveel mogelijk zelf de inquisitie in handen te nemen, zien, dat hij ook de nieuwe tijd van het absolutisme van de staat voorbereidt. Spr. meent, dat het niet geheel juist is, in Karel V zozeer de laatste Middeleeuwse keizer te zien, zoals b.v. Rassow doet. Prof. van Winter stelt de vraag, of Karel V de eenheid bewust of zijns ondanks bevorderd heeft. Hij wijst daarbij op de voorgeschiedenis van het verdrag van Augsburg en de vorming van de Bourgondische kreits. In zijn jonge jaren stelde de imperiale politiek aan Karel V zware eisen. Zijn zuster en Margaretha brengen hem tot een ander inzicht. In dit verband is van belang de instructie, die Maria aan Viglius voor de onderhandelingen heeft meegegeven. Deze bevat het programma voor | |||||
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een verdrag, zoals later gesloten is. Met het Duitse rijk hebben de Nederlanden niets te maken! Het historisch onderzoek had Viglius anders geleerd. Er is een rapport van hem bewaard, waarin hij voor elk van de gewesten de band met het rijk aantoont en waarin hij concludeert, dat de sluiting van een verdrag daarom zeer noodzakelijk is. Te Augsburg ontkent Viglius deze band echter! Holland vermaant hij het verdrag te aanvaarden, anders zal hij laten zien hoe de situatie in feite ligt. De drijvende krachten voor het eenheidsstreven hebben, dus betoogt spr., minder bij Karel V dan in de Nederlanden gelegen. Prof. Petri: De vraag, in hoeverre de bevordering van de eenheid der Nederlanden door de Nederlandse Habsburgers aan henzelf en niet in meerdere mate aan hun Nederlandse raden toe te schrijven is, is hoogst belangrijk. Spr. heeft reeds aangetoond, dat hij de invloed der Nederlandse raden in dit opzicht niet over het hoofd ziet. In de kwestie of de Nederlanden tot de financiering van het ‘Reichsregiment’ en later tot de ‘Anschläge’ van het rijk moesten bijdragen, komt de door de Nederlandse raden uitgeoefende druk in de acten duidelijk tot uiting. Maar afgezien van het geschil over de financiële steun aan het ‘Reichsregiment’, waartoe Karel V zich door zijn ‘Wahlkapitulation’ verplicht voelde, - de Nederlandse raden konden er altijd op rekenen dat hun wensen betreffende de Nederlanden bij Karel V, Margaretha en Maria een willig oor zouden vinden. Hoe sterk Bourgondisch Karel V voelde in de jaren 1522-24, toen het geschil over het ‘Reichsregiment’ ontstond, is algemeen bekend. En ook de ons door de Weense bronnenpublicatie over de Bourgondische kreits zo goed bekende wordingsgeschiedenis van het verdrag van Augsburg van 1548 laat er volgens spr. geen ogenblik twijfel over bestaan, dat voor de Habsburgse vorsten evenals voor hun Nederlandse raden de belangen der Nederlanden voorrang hadden boven alle andere overwegingen. De reden is, dat Karel V zich minder lid van het Oostenrijkse dan van het Bourgondische Huis voelde; de belangen van het laatstgenoemde te dienen was voor hem een zaak van eer en sentiment. Hoe sterk hij die band heeft gevoeld blijkt uit de wens in zijn eerste testament om naast de Bourgondische hertogen begraven te worden. Prof. Brandt sluit de discussie met een woord van dank aan de spreker en meent dat deze met de discussie wel tevreden zal kunnen zijn. | |||||
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De vergadering wordt hierop geschorst. Na de hervatting te 2 uur geeft de Voorzitter het woord aan Mejuffrouw Dr. J.K. Oudendijk, die op zich heeft genomen te spreken over: Een episode uit het begin van onze ‘Tien jaren’. |
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