Annales Rodenses
(1990)–Anoniem Annales Rodenses– Auteursrechtelijk beschermd
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1111Im Jahre der Fleischwerdung des Herrn 1111 hat der Priester Ailbertus, von dem dieser Platz hier für den Dienst an Gott geweiht worden ist, die Wohngemeinschaft mit den Brüdern des Klosters verlassen und ist weggegangen, obwohl er ein leuchtendes Vorbild der Nächstenliebe war; denn er sah ein, daß zwischen ihm und Bruder Embrico niemals Bruderliebe herrschen könne, und er wollte diesem, der soviele Besitztümer der Kirche eingebracht hatte, nicht zur Last fallen oder Ursache der Zwietracht sein. Er ging weg nach Gallien, ohne zu wissen, wohin ihn der Herr führen würde, als sei er durch himmlische Führung seiner Bestimmung gemäß auf dem rechten Wege. Wegen seiner Abwesenheit ist das Kloster sogleich erniedrigt worden und abgesunken und durch die so einschneidende unselige Entwicklung der Dinge so befleckt worden, daß es danach in vielen Jahren nicht durch irgendeinen Ausbau des Kirchengebäudes vermehrt oder erhöht worden ist. Alle nämlich, die vorher das Kloster hochgeachtet hatten entweder in der Form der freigebigen Zuweisung von Schenkungen oder, indem sie den materiellen Dingen noch Ratschlag hinzufügten, oder indem sie Trost für ihre Seelen suchten, zogen sich alsbald bei willkommener Gelegenheit zurück, weil sie sich in dem Verlangen ihrer Hoffnung getäuscht sahen, da der Tröster in jeder Not verloren war. Er selbst aber hatte sich eilig auf den Weg der Trennung gemacht unter dem Geleit allein der göttlichen Gnade, wobei er fest daran glaubte, dahin zu gelangen, wohin (zu kommen) jenem (Gott) gefalle und er es vermöge, und kam in ein großes Waldgebiet in Gallien, das den Namen TiracheGa naar margenoot* hat. Dort wurde ihm vom Herrn des Landes ein Waldstück von 1000 Schritt an jeder Seite freigegeben, und er begann Bäume zu fällen, das Land zu bebauen, ein Kloster zu gründen an einem Ort, der in der feinen Sprache Clarus Fons heißt, in der Volkssprache aber ClarefontanusGa naar eind1), wo jetzt in weißer Ordenstracht ein MönchsordenGa naar margenoot* Gott dient. Sein Bruder Tiemo ist übrigens hier im Kloster Rode gestorben und begraben worden, als der Monat Mai seinen dritten Tag hatteGa naar margenoot*. Der Priester also erreichte einen neuen Ort und begann notgedrungen ein neues Bauwerk zu errichten und sich neuen Mühen zu unterziehen, wobei er die Hilfe von nur zwei Dienern, mit denen er selbst der dritte war, in Anspruch nahm. Er war ein gläubiger Verehrer der Heiligen Dreifaltigkeit und wollte offenbar wie ein Eremit in der Einsamkeit leben, ausgenommen, daß er durch himmlischen Trost - wenn wir das Recht haben, das zu glauben - bisweilen ermutigt und gestärkt würde. Daher hat Gott durch ihn mehrere Wunder an diesem Ort und in dieser Gegend gewirkt, wie wir durch den Bericht irgendwelcher Leute erfahren haben, die aber hauptsächlich wegen der Strecke der dazwischenliegenden Entfernung nicht zu unserer genaueren Kenntnis gelangt sind; denn sie sind dort nicht durch schriftliche Aufzeichnungen festgehalten worden, da ein Schreiber | |
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nicht vorhanden war. Solange er aber an diesem Ort verweilte gemäß seinem dereinst zuerst abgelegten Gelübde seiner Lebensweise, ist sein Werk an jenem Ort durch sein Wachsen in den Tugenden in seiner Hand gediehen, wobei ihm bei allem, was er unternahm, Gott, der Herr des Himmels und der Erde, zur Seite stand. Der Ort liegt im Bistum LugdunumGa naar margenoot*, nicht weit vom ÜbergangGa naar margenoot*, etwa elf Meilen von der Stadt Lugdunum. Da aber die Brüder unseres Klosters ihren Hirten und geliebten Priester verloren hatten, der unter dem so offenbaren Zwang, keinen Grund für Zwietracht herbeizuführen, von hier weggegangen war, wie man erkannte, und da sie sahen, daß es ihnen am Fortgang der Dinge fehle und sie von der gewohnten Lebensweise abglitten und die Glieder ohne die Lenkung des Hauptes nichts bewirkten, ordneten sie Sendboten ab zum Land BawariaGa naar margenoot*, zum Kloster nach der kanonischen Regel, das ReidenbuchGa naar eind2) heißt; und sie erwählten sich von dort einen Oberen mit Namen RicherusGa naar eind3), der sowohl in der wissenschaftlichen Bildung sehr berühmt war als auch von frühester Jugend geprägt war vom Klosterleben nach der kanonischen Regel. Aber da er dem Angebot der Abgesandten nicht zustimmen wollte und anwortete, er wolle nicht fortgehen, wandten sie sich an den Erzbischof Conrad von SalzburgGa naar eind4) (cod.: ‘Salceburgensis Ecclesiae’), in dessen Amtsbereich das Kloster Reidenbuch lag. Als er die Darstellung der Boten vernommen hatte, schickte er jenen hierher kraft seiner bischöflichen Gewalt. In diesem Kloster befand sich eine nach der Ordensregel lebende Kanonikergemeinschaft, und es herrschte Lebens- und Glaubensgemeinschaft; aber sie ernährten sich nach der Sitte der Vorfahren mit dem Verzehr von Fleisch, weswegen die Gewohnheit dieser Ernährungsweise von Richerus an dieser Kirche eingeführt worden ist. Richerus also übernahm das Amt von Obbertus, dem Bischof des Bistums Lüttich, und er war der allererste in diesem Kloster im Amt des Vorstehers; aber er war nicht damit einverstanden, von jenem zum Abt geweiht zu werden, weil er (Obbertus) bekannt dafür war, kirchliche Ämter gegen Geld zu verleihen. Im gleichen Jahr brach KönigGa naar eind5) Heinrich nach Rom auf, um sich vom Papst PascalisGa naar margenoot* zum Kaiser krönen zu lassen. Aber weil er beschuldigt wurde, daß er die kirchlichen Ämter, ohne daß es sein Recht war, nach seinem Belieben verteile und er den Pfalzgrafen Sigefridus grundlos in Gefangenschaft halte, werde er ihn deswegen auf gar keinen Fall krönen, es sei denn, er verzichte auf das der Kirche zustehende VorrechtGa naar margenoot* und er lasse den Pfalzgrafen aus der Gefangenschaft frei. Da griff man zu den Waffen, es kam zum Kampf, der Papst wurde besiegt, er (Heinrich) wurde zum Kaiser gekrönt, nachdem man sich versöhnt hatte. Der Papst wollte dem König und dem Königtum alle Königsrechte überlassen, wie auch der König der Kirche die Kirchenrechte überlassen solle. Doch das | |
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Abkommen hatte nicht die Wirkung, daß nicht beide sich gegenseitig beschuldigten, Schranken des Althergebrachten einzureißen. |
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