Annales Rodenses
(1990)–Anoniem Annales Rodenses– Auteursrechtelijk beschermd
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ailbertusEs lebten in der Grafschaft Flandern zwei Adlige, leibliche Brüder, im weltlichen Leben sehr berühmt und mächtig. Der eine von ihnen hieß Gerardus, der andere Rutgerus. Sie waren unstreitig unerschütterliche Hüter ihres väterlichen Gutes und der öffentlichen Verwaltung. Weil sehr schwere Anfeindungen aus führenden Kreisen des dortigen Landes gegen sie entstanden waren, begaben sie sich in den Schutz des Römischen Kaisers. Dieser setzte Gerardus in WasenberchGa naar margenoot* und Rutgerus in CliveGa naar margenoot* ein. Da beiden soviel Land zu Lehen übertragen worden war, wurden sie selbst und ihre Nachkommen aufgrund ihres reichen Besitzes zu den führenden Leuten dieses Gebietes. Nun erwuchs aus deren Adelsgeschlecht, das in ihrem Geburtsland geblieben war, ein bedeutender Mann namens Ammorricus. Er wohnte allerdings in einem kleineren Ort, der AnthoniumGa naar margenoot* heißt, unweit von der Bischofsstadt ThornacumGa naar margenoot*. Diese Stadt liegt an der Grenze des Herzogtums Brabant und der Grafschaft FlandernGa naar margenoot* an der XeldaGa naar margenoot*, auf ihrem nördlichen Ufer. Sie ist reich und ergiebig an allem, berühmt durch die Würde eines Bischofssitzes. Der vorerwähnte kleinere Ort aber liegt im Westen der Stadt, am südlichen Ufer des erwähnten Flusses, ungefähr in der Entfernung einer Meile. Dort hat, wie gesagt, der erwähnte Herr gewohnt. Er gehörte zum Adel, heiratete dementsprechend eine adlige Frau, zeugte mit ihr ihm sehr teure und nach dem Gesetz der Natur geliebte Kinder. Einen aber liebte er dennoch vor den anderen, als ob er dessen Glück vorausgeahnt hätte. Sein Name war Ailbertus; er war auch bei Menschen, die nicht zur Familie gehörten, vor allen anderen beliebt. Daher gab er mit gleichsam prophetischem Entschluß, den ihm liebsten Sohn nicht im Weltleben zu lassen, ihn der Kirche von Thornacum zum Studium der WissenschaftenGa naar margenoot* und zur Unterweisung im christlichen Glauben, damit er Kanonikus dieser Kirche werde und dort mit den übrigen, die Gott dem Herrn dienten, den Gehorsam im göttlichen Glauben erfülle. Diese Kirche ist durch den Bischofssitz von besonderem Rang und an Würde erhaben. Sie ragte auch damals unter anderen (Kirchengemeinden) durch gewissenhaften Gottesdienst heraus. Sobald die Zeit vorbei war, die der Erziehung durch die Rute des Lehrers vorbehalten ist, legte er vor Gott das Gelübde ab, daß er, wenn er auch die Jugendzeit hinter sich gebracht habe, der irdischen Welt mit Hilfe der Gnade des Heilands völlig entsagen werde. Und damit er nicht etwa unterdessen wegen irgendeiner Schwäche seines Jugendalters von dem heiligen Gelübde abweichen könne, das zu erfüllen er dem Herrn gelobt hatte, falls durch die Menge an Zeit ein Leerraum bliebe für übereilte Torheiten, begann er mit allem Eifer die Philosophen und die freien Künste zu studieren unter der Anleitung seines Lehrers, woraufhin er nach dem Durchlaufen der Schule zum Kanoniker der Kirche, an der er war, bestellt wurde, weil ein zweiter wie er dort, was das Vorwärtskommen im wissenschaft- | |
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lichen Studium betraf, sich nicht fandGa naar eind1). Nachdem er gemäß seinen Gelübden dieses Amt übernommen hatte, als könne er dadurch den Umständen entsprechend dem Herrn dienen, wurde er, obwohl der Grund dafür nicht sein Ehrgeiz war, sozusagen der erste Lehrer in allen freien Künsten, mit dem Glauben, daß er auch in der Ausübung des Lehrens die Hingebung an Gott erfüllen könne. Als er jedoch die Zeit der Studien dieser wissenschaftlichen Bildung abgeschlossenn hatte, erlangte er die Priesterwürde, wobei er sich in seinem Herzen die Mehrung der Tugenden zum Vorsatz machte, weil er in diesem Amt würdiger Gott und dem Herrn dienen könne. Er beschäftigte sich einzig und allein mit den geistlichen Lehren, zog seine Hand völlig zurück von jeglicher irdischen Behinderung. Seinen Leib unterwarf er sogleich fortgesetzten Fastenübungen, seine Gebete dehnte er aus in langen Nächten und verteilte Wohltaten reichlicher nach allen Seiten hin an Arme und Bedürftige. Da verbreitete sich das Gerücht von seinem guten Ruf überall im Volk, und alle begannen ihn mit Lobesworten zu rühmen, daß er wahrhaftig ein Diener Gottes sei, da er mit so großer Selbstzüchtigung und einer so gottergebenen Haltung Gott diene; denn in diesen Tagen hielt man es für selten und lobenswert, daß einer aus eigenem Willen rein und gottesfürchtig erschien. Als der Priester das gehört hatte, daß er nämlich mit grundlosem Beifall vom Volk gerühmt werde, versuchte er heimlich aus dem Lande wegzugehen, ohne einen Mitwisser, in der Hoffnung, weiterhin das Gelübde zu erfüllen, das er als junger Mann dem Herrn gelobt hatte. Aber er wurde von seinen Freunden eingefangen und zurückgebracht. Und damit er sie nicht verlasse, wurde er durch Schwurverpflichtung gebundenGa naar eind2). Daß dies natürlich mit dem Willen Gottes geschehen ist, zeigt sein späteres Verhalten; denn sofort verteilte er sein Vermögen und seine Besitztümer an die Bedürftigen und Armen, sich selbst quälte er mit noch härteren Fastenübungen und verharrte in langdauernden nächtlichen Gebeten, und schließlich erbaute er dort eine Kirche unter opfervollem Beitrag eigener Arbeit. Doch wurde dem Diener des Herrn, während er dies weiter betrieb, häufig in Visionen die Lage des Platzes hier gezeigt, der heute durch das Kloster Rode geschmückt ist. Die ebenerwähnte Kirche aber, die vom Priester errichtet worden ist, liegt bei Thornacum, im westlichen Gebiet der Stadt auf einem Hügel, vom Ort nicht weit entfernt. Eine Reihe von Jahren nach ihrer Errichtung ist sie, als sich dort Brüder nach der kanonischen Regel zusammengefunden hatten, für sie zur Ordenskirche geworden. Als sie schließlich dort auf dem engen Hügel wegen ihrer großen Zahl nicht bleiben konnten, weil es für sie schwierig war, alle notwendigen Dinge über die steile Anhöhe heranzuschaffen, errichteten sie in der Ebene ein Kloster, das zwischen dem Hügel und der Stadt in einem Wiesengelände liegt, und das aufgrund seiner Lage In PratoGa naar margenoot* genannt ist, nachdem vorher Brüder ordiniert worden waren, die auch dort den Gottesdienst feiern sollten. | |
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Die Brüder dieses Klosters leben nach derselben Weise und tragen die gleiche Tracht wie diese hier in Rode, und das ist eine schwarze Soutane, ein Überwurf und die darunter getragene MönchskutteGa naar eind3). Als die vorgenannte Kirche, die der Priester errichtet hatte, vollendet und zur Besorgung der Gottesverehrung geweiht war, ging er aus seinem Geburtsland weg auf geradem Wege nach Osten. Mit ihm gingen zwei leibliche Brüder, der eine hieß Thyemo, der andere Walgerus; mit diesen war er selbst der dritte. Und der Herr billigte es, der sie lenkte, weil sein Priester ein gläubiger und berufener Verehrer der Heiligen Dreifaltigkeit war. Sie machten sich auf den Weg. Nicht weit von der Stadt begannen sie miteinander wechselseitig ihre Ansichten beizusteuern, wohin sie denn besser ihre Schritte lenken sollten, da sie sich im Unklaren waren über den nicht vorgeplanten Weg. Da wurde dem Priester die Eingebung zuteil, zwischen RenumGa naar margenoot* und MosamGa naar margenoot* unbestelltes Land zu suchen, wo sie mit ihrer eigenen Hände Arbeit Gott eifrig dienen könnten, als ob ihm dieses auch damals der Herr enthüllt habe, von dem ihm vor kurzem - wie man glaubte - in seinem Geburtsland die Lage der Kirche Rode sooft gezeigt worden ist, die sich bekannterweise zwischen RenumGa naar margenoot* und MosamGa naar margenoot* befindet. Sie gingen an der Stadt TrajectumGa naar margenoot* vorbei und zogen überall im Gebiet von RipuarienGa naar margenoot* umher, ohne Glück für ihre Suche, weil sie nirgendwo einen Platz fanden, wo der Priester bleiben wollte, als hätte Gott bestimmt, ihn in das Gebiet von Rode zu bringen, mochte es ihm auch noch so unbekannt sein. Außerdem waren der Priester und seine Brüder von Geschlecht Blutsverwandte des Grafen Gerardus von GelrenGa naar margenoot* des Goswin von HemesberchGa naar margenoot* des Grafen Heinrich von KrikenbachGa naar margenoot* Ga naar margenoot* des Grafen Theodoricus von ClyveGa naar margenoot* die zugleich auch mit diesen in dieser Zeit gelebt haben, wie feststeht. Diese waren nämlich die Urenkel der zwei Brüder aus Flandern, womit diese DarstellungGa naar margenoot* begonnen hat, aus deren selben Geschlecht erwiesenermaßen unsere drei Brüder hervorgegangen sind. Obwohl also von diesen Männern der Priester und seine Brüder Blutsverwandte waren, wollte er trotzdem den Gang zu ihnen nicht gehen, als wolle er Unterstützung erbitten, weil er auf Gott allein die Hoffnung seiner Wanderschaft setzte. In diesen Tagen betrat seine Burg Rode Graf Adelbertus, genannt von SaphenberghGa naar margenoot*, als wenn er durch den Wink Gottes dort dem Priester begegnen sollte, was bald darauf der Erfolg der Begegnung bestätigte. Dieser Graf war seiner Geburt nach Adliger, schon fortgeschritten im Alter. Neben seinen sehr vielen Besitztümern hatte er auch volleigenes BesitzrechtGa naar margenoot* an der Pfarre von Rode hier. Die Gattin des Grafen hieß Mathildis, von großer Verehrung für Christus, wie man sagte. Sie hatte ihrem schon greisen Mann entsprechend seinem Alter nur einen einzigen Sohn geboren mit Namen Adolphus, von beiden mehr geliebt als Gold und Topas, weil er ihr alleiniger Erbe war. Der Priester aber wanderte unterdessen in der Nähe der Burg Rode, ging | |
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zum Grafen hinein, erklärte ihm den Grund seiner Wanderschaft und verband dies mit seiner demütigen Bitte. Der Graf erlaubte ihm, überall in seinem Gebiet einen Platz zu suchen; er wolle ihm, wenn er einen für sein Unternehmen geeigneten finde, gern seine Zustimmung geben. Man durchforschte nun überall die Gehölze nahe bei den Tälern und den Bächen, ob sich aus diesen beiden eine geeignetere Wohnmöglichkeit und Lage ergebe. Dabei betrat er eine Ebene, deren Aussehen er wiedererkannte, - daß er sie, als er noch in Flandern war, in zahlreichen Visionen gesehen hatte. Es war eine Stelle, außenherum geschlossen mit Bäumen umgeben, in der Mitte blühend von Gräsern und auf beiden Seiten bewässert durch eine Fülle von Quellen, als wäre die Lage vom Herrn vorgesehen und bereitet worden für seine Diener. Er ging ein Stückchen weiter, wo sich jetzt die Krypta und die Sakristei befinden, streckte seine Hände in die Höhe, ließ seine Knie auf die Erde hinab und ließ sich mit dem ganzen Körper zu Boden sinken unter demütigen Dankgebeten zu Gott dafür, daß ihm durch göttliche Fügung gerade dieser Platz dereinst in Visionen häufig vorhergezeigt worden sei. Während dem - so bezeugten eindrucksvoll seine Brüder Thyemo und Walgerus, die er bis dahin auf seiner Wanderung als Gefährten hatte - haben sie auch deutlich ein Geläute wie den Klang von Glocken gehört, das genau an dieser Stelle unter der Erde widerhallte. Dieses Vorzeichen tat nämlich ganz offensichtlich kund, daß diese Stelle für den Dienst an Gott zu erheben sei. Sie prüften ringsumher genau die Beschaffenheit des Geländes, daß hier genügend Holz vorhanden, ein Wasserlauf in der Nähe, die Entfernung zu Bausteinen nicht beschwerlich und überall Pflugland in der Nähe war, und zeigte dem Grafen an, daß er einen passenden Platz zum Ansiedeln gefunden habe, wenn er nur durch seine Freigebigkeit die Billigung erhalten könne. Aber weil der Platz nahe bei der Burg liege, und weil Lärm von Burgen für Klöster bedenklich sei, wollte der Graf ihn von dieser Stelle fernhalten, damit er in größerer Ruhe leben könne. Er selbst zog es jedoch vor, hier zu bleiben. Da übergab er ihm das Gelände, es für den Gottesdienst in Eigentum zu nehmen, und er wies ihm das ganze Land, das zwischen zwei Quellen und den von ihnen ausgehenden Bächen begrenzt wird, zu, er wies ihm das Ganze vom westlich gelegenen Weg bis zu dem im Osten verlaufenden Fluß anGa naar margenoot*, und zwar alles, was an Wald, Wiesen und Äckern vorhanden war. Denn mehr hatte er hier ringsum nicht, das ohne Besitzer war, was er ihm damals hätte geben können. Er selbst (der Priester) begehrte nicht viel zu besitzen, weil er sich Armut im Leben vorgenommen hatte. Als ihm die Grenzen bezeichnet wurden, erreichte er, daß ihm auch noch das Land, das zwischen dem Tal des Burgdorfes und dem Verlauf eines kleinen Baches liegt, vom Fluß im Osten bis zur Mitte des Waldes wegen des Platzes für eine Mühle zugewiesen wurdeGa naar margenoot* Daraufhin errichtete er wenig später die Mühle in diesem Gebiet am Ufer des Flusses. |
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