Annales Rodenses
(1990)–Anoniem Annales Rodenses– Auteursrechtelijk beschermd
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Stark vergrößerter Ausschnitt der weiteren Umgebung des Klosters Rolduc, entnommen der Seutterus-Karte: ‘DUCATUS JULIACENSIS, CLIVIENSIS ET MONTENSIS...’. Seutter hat diese Karte um 1710 in seiner eigenen Werkstadt in Augsburg hergestellt. Der Ausschnitt hat viele Ortsnamen, die auch im Text der ‘Annales Rodenses’ vorkommen.
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einleitungDie ‘Annales Rodenses’ gehören als Gattung zu den erzählenden Texten, wie die Kompendien, Chroniken, Kirchengeschichte, Nationalgeschichten der germanischen Stämme, Gesta und Genealogien, die trotz verschiedener Intentionen, Gattungsmerkmalen, Sprachverwendung und Datierungsweisen gemeinsam haben, daß sie in der christlichen Antike wurzeln oder dem Weltbild bzw. der Praxis des Christentums entstammen. Die Annalen bestehen in aller Regel aus kurzen, trockenen Aufzeichnungen von Ereignissen in streng chronologischer Jahresfolge. Sie verdanken im christlichen Bereich ihren Ursprung der Berechnung des Osterdatums. Seit dem Konzil von Nicaea (325) muß Ostern am ersten Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond gefeiert werden. Die Formulare der Vorausberechnungen der Osterdaten (tabulae Pascales) wurden weitergereicht und fanden eine weite Verbreitung im fränkischen Bereich. Besonders in den Abteien hat man in die Leerräume zwischen den Zeilen oder am Rande neben der Jahreszahl hier und da Ereignisse des Jahres eingetragen, die aus der politischen Geschichte stammten, sich auf das Leben der religiösen Gemeinschaft oder auf meteorologische Erscheinungen bezogen. Seit dem 9. Jahrhundert kommen neben den Osterannalen die Jahresannalen auf. Die Annales Rodenses sind Jahresberichte, die die inneren Vorgänge der Abtei festhalten, aber auch wichtige Ereignisse, die überregional sind und einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Kloster nicht haben: Wahl-, Krönungs- und Sterbedaten von Königen, Kaisern und Päpsten; Auseinandersetzungen zwischen den Großen im Reich und in der Kirche werden erwähnt. (Von 1104 bis 1107 bezieht sich die Jahreszählung auf das Ankunftsjahr des Gründers, von 1108 bis 1152 auf das Geburtsjahr Christi mit der Inkarnationsformel ‘Anno dominicae incarnationis, 1153 bis 1156 ohne Formel, 1157 hat ‘Anno domini...). Das Werk ist nicht einheitlich, was den Umfang der Jahresergänzungen angeht. Der anonyme Verfasser der Schrift wendet seine Aufmerksamkeit der Reichspolitik zu und erwähnt Entwicklungen im kirchlichen Bereich und schaltet sich in Form von Berichten und Urteilen in die Reformentwicklungen ein. Den Gründer Klosterraths, Ailbert von Antoing, stattet er mit auffallend vielen und umfangreichen Erwähnungen aus, bedenkt ihn mit Beurteilungen, die ihn als Mensch und Priester, als Heiligen darstellen. Das erhärten noch die Wunderberichte. So ist der Anfang der Annalen - vom Autor als ‘narratio’ bezeichnet - und der Zeitraum von unbestimmt vor 1104 und von 1104 bis 1107 überwiegend dem Bericht über Ailberts Jugend (Herkunft), seinem Kanonikat, seinem Wirken als Priester, der Gründung Klosterraths und seinem Wirken dort gewidmet. Der Stil des Anfangs der A.R., 1104 bis 1108, ist der einer breit ausladenden Erzählung. Die Sprache ist einfach, die Wortwahl ist realitätsbezogen, an keiner Stelle übertrieben, bei der Beschreibung der Lage eines Ortes | |
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nüchtern und klar und vor allem genau. Im Mittelpunkt der Erzählung des unbekannten Verfassers steht Ailbert von Antoing, den er jedoch mit behutsamer Zurückhaltung vorstellt als einen jungen Adeligen, der offenbar hochbegabt ist und konsequent seinen Weg macht durch Schule und Studium, Kanoniker wird und schließlich Priester. Der Leser kann den Eindruck haben, daß er den Lebenslauf eines jungen Mannes liest, der in seiner Zeit ein besonderer Mensch ist, der sich mit seinen Talenten nicht in den Vordergrund drängt, sondern bei allem, was er vollbringt, die Gnadenwirkung Gottes hervorhebt. Man kann nicht umhin, Ailbert als charismatischen Menschen zu sehen, der, obschon er sich nicht in die vorderste Reihe stellt oder durch lautes Reden auf sich aufmerksam macht, der sogar die Öffentlichkeit meidet, wenn er das Gefühl hat, daß man ihn dahinein ziehen will, von den Menschen geachtet und geliebt wird. Es leuchtet ein, daß der Schreiber nicht daran gedacht haben kann, in dieser Form Annalen zu schreiben. Die Annales Rodenses sind größtenteils in Annalenform und der dazugehörenden Sprache geschrieben. Wenn aber Ailbert (z.B. 1111 und 1122) zur Sprache kommt, dann schreibt der Autor wieder, wie am Anfang seiner Schrift, in erzählender Form. Der Erzählstil gehört in dieser Form zur Hagiographie. In den A.R. begleitet der Autor Ailbert von der Geburt (Herkunft) bis zum Tod (1122). Man kann von einem guten Einfall sprechen, wenn der Autor die Jahresberichte eines weithin bekannten Klosters mit der Lebenserzählung des heiligmäßigen Gründers beginnt und durchwirkt: das Kloster und der Gründer gehören zusammen, ob man nun annimmt, daß das ‘erfolgreiche’ Kloster Ailberts Heiligkeit unterstreicht oder Ailbert zum Renommee des Klosters dient. Den an Umfang größten Teil der Schrift nehmen die Grundstücksübertragungen bzw., weitergefaßt, die Besitzübertragungen an das Kloster ein. Adelige, meistens aber Ministerialen, das sind Unfreie, die sich durch ihre besonderen Fähigkeiten in der Besitzverwaltung ihrer adeligen Herren verdient gemacht und dafür ein Dienstlehen mit Erblichkeit erhalten hatten. Im 12. Jahrhundert ist ihr Lebensstandard und ihre Lebensführung auf der Höhe der Ritterklasse. Die Übergabe eigenen Besitzes geschah am Altar für den Altar durch den Eigentümer selbst, für die unfreien Ministerialen durch den Dienstherrn. Die Formel lautet: traditione facta altari ab ipso comite, wenn ein unfreier Dienstmann seinen Besitz übertrug. In den A.R. sind bei Übertragung von Grundbesitz die Art der Nutzung und die Lage immer sehr sorgfältig beschrieben. Der Verfasser muß ein Liegenschaftsregister vor sich gehabt haben, in dem die Besitzübergaben nach den Jahren, in denen die Übereignungen vollzogen wurden, verzeichnet waren, ferner die Namen der Traditoren und die genaue Lage der Grundstücke. In den A.R. sind auch die Sterbetage der Übereigner mitgeteilt. In fast allen Fällen sind die Sterbetage in den Jahren der Übereignungen angegeben. Das ist vor allem deswegen zunächst | |
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merkwürdig, weil, wie gesagt, die annalistische Mitteilung der Übergabe und des Sterbetages zu ein und demselben Jahr erfolgt. Das wird erst verständlich, wenn man die Benutzung von Nekrologien annimmt, in denen die Namen der Verstorbenen, für die ein Gedenkgottesdienst/Jahrgedächtnis zu halten war, mit Monat und Tag ihres Todes verzeichnet waren. Das Todesjahr war darin nicht verzeichnet und auch anderswo nicht zu finden. Erst vom 13. Jahrhundert an wird, zunächst vereinzelt, auch das Todesjahr aufgezeichnet. Das verstärkt die Vermutung, daß der Verfasser keine Vorannalen benutzt hat, sondern sich auf Primärquellen stützen konnte, die als Vermögensverzeichnisse und Vormerkbücher wichtige Funktionen in der Klosterordnung hatten. ‘Im dritten Jahr nach seiner Ankunft’ (1107) sind die Tugenden Ailberts aufgeführt. In Verbindung mit der Erwähnung von Ailberts Enthaltsamkeit und Mäßigung im Trinken berichtet er das Wunder der Verwandlung von Wasser in Wein. Das Wunder geschieht, und wird da berichtet, im Jahre 1122. Der Ausgang 1107 ist die Gesundung Ailberts nach einer schweren Erkrankung, 1122 trinkt er den Wein, er und die Umstehenden erkennen das Wunder und preisen Gott, der denen Gutes tut, die ihn lieben. Danach stirbt Ailbert. (Eine Zeitspanne zwischen Trinken und Tod ist aus dem Text nicht erkennbar Nach der Preisung ist als nächstes der Tod berichtet). In beiden Fällen handelt es sich um dasselbe Wunder. Bei der ersten Erwähnung steht der aus Wasser verwandelte Wein in ursächlichem Zusammenhang mit Ailberts Gesundung, d.h. der Wein hat einen praktischen Zweck, ist das Heilmittel, das gesund macht - daß Ailbert gesundet, ist das nach dem Verwandlungswunder zweite oder Folgewunder. 1122 geschieht das Verwandlungswunder in der Sterbestunde Ailberts. Hier hat das Wunder keine Verbindung mit einem praktischen Zweck. Hier ist es ein Wunder Gottes rein um des Wunders willen, ein Zeichen dafür, daß sein Diener das Heil, dem er sein ganzes Leben entgegen gelebt hat, erreicht hat. Wir müssen uns vor Augen halten, daß der Autor der Annales Rodenses den Lesern und Hörern mitteilt, daß er aus seiner Glaubensgnade weiß, daß es sich beim Tode Ailberts um den Tod eines Heiligen handelt. Dieses Wissen belegt er mit dem auf das Weinwunder und die Preisung der Umstehenden folgenden Satz, der lateinisch heißt: ‘Et imminente ei resolutione corporis et animae. facta est ibi fragrantia ex suavissimo odore. replens et habitaculum. et corda lȩtificans astantium...’ (Zeichensetzung wie im Codex). Übersetzt: ‘Und als ihm die Lösung der Seele vom Körper bevorstand, kam dort ein Wohlgeruch von süßestem Duft auf, der das Zimmer erfüllte und die Herzen der Umstehenden froh machte...’. Der süße Geruch der Heiligkeit gehört in den Bereich der religiösen Symbolik. Mit anderen Inhalten von Heiligkeit ist diese Symbolik Bestandteil auch von vor- und außerchristlichen Religionen.Ga naar eind1) | |
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Und jetzt müssen wir zurückfragen, was der Wunsch des sterbenden Ailbertus bedeutet, ‘ihm einen Trank aus einem Brunnen zu bringen, um den Durst mit dem kühlen und frischen Wasser zu stillen’. Kurz vor seinem Kreuzestod spricht Christus: ‘Mich dürstet’Ga naar margenoot* Sehr wahrscheinlich bringt der Autor mit dem Wunsch des Ailbertus nach Wasser, um den Durst zu stillen, zum Ausdruck, daß der Heilige in der Stunde seines Todes sein Leben in der ‘imitatio Christi’ vollendet. Der Verfasser hat mit Sicherheit dem Klosterrather Konvent angehört. Das zeigt seine genaue Kenntnis von den Vorgängen, die sich im Kloster abgespielt haben und die das Klosterleben von außen beeinflußt haben. Der Streit zwischen Ailbert und Embrico (1109), 1111 lehnt Richer die Abtsweihe ab wegen Simonie, läßt sich nach dem Tode des Obbert 1119 weihen, Schwierigkeiten mit Giselbert, Bertolph und Borno, den Klostervorstehern nach Richer, Unzufriedenheit mit dem Propst Friedrich, der sich 1132 dem Romzug Kaiser Lothars anschließt, Herimannus, der Sohn des Embrico strebt mit allen Mitteln die Propst- oder Abtsweihe an (1128 und 1129), Borno aus Springiersbach, der in Rode die consuetudines wie in seinem Heimatkloster einführen will, verläßt nach einem Papstvotum das Kloster 1127, wird 1134 zurückgeholt. Bei den hier aufgezählten Vorfällen bzw. Episoden handelt es sich um in den Annalen ausführlich niedergeschriebene Streitfälle, die vom Verfasser ohne Emotion vorgetragen werden in der Form eines Berichts, ohne Parteinahme. Lediglich beim Tod einiger im Klosterleben hervorgetretener Persönlichkeiten bringt er eine Art Nachruf, in dem er seine Einstellung und Wertschätzung dadurch zum Ausdruck bringt, daß er Erfolge mit Allerweltstugenden begründet und die Zahl der Tugenden klein hält. Er läßt allerdings die Leser (Hörer) nicht im Unklaren darüber, daß in der Klostergemeinde immer wieder innere Spannungen auftreten, trotz Gemeinsamkeit im Glauben und in den Grundsätzen des klösterlichen Zusammenlebens, sogar bei Brüdern, die das Ziel des gemeinsamen Lebens, Arbeitens, Betens im ununterbrochenen Streben nach dem Heil erkannt haben. Ein treffendes Beispiel berichtet er zum Jahre 1132. Nach dem Essen behauptet ein Presbyter, es könne keiner, der nicht das Glaubensbekenntnis bis aufs Wort kenne, gerettet werden, worauf der Prior sagte: ‘Wenn jemand rein an Gott glaubt, auch wenn er die Worte des Glaubensbekenntnisses nicht weiß, darf er nicht verurteilt werden’. Darauf entsteht ein heftiger Wortstreit, der dazu führt, daß der Prior den Ort (Burnen) auf immer verläßt. Der Schreiber bedient sich hier eines in der Hagiographie häufigen Stilmittels, der Typologie, in der wirksamsten Form, der Schwarz-Weißmalerei, bei der der von ihm eingenommene Standpunkt in umso deutlicherer Richtigkeit sich darstellt. Wir können annehmen, daß dieser Streit nicht wirklich stattgefunden hat, sondern beispielhaft Streitereien mit konträren Standpunkten verurteilen soll. Wir müssen uns heute fragen, was die Menschen vor mehr als acht- | |
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hundert Jahren dazu gebracht hat, Kompendien, Chroniken, Kirchengeschichten, germanische Stammesgeschichten, Annalen zu schreiben. Ruhmessucht? Die Schreiber sind sehr selten bekannt; Reichtum? Der Gedanke der Kommerzialisierung war noch nicht geboren. Die Schreiber in den eben einzeln aufgeführten Gattungen hatten ein Grundmotiv, die Wahrheit des christlichen Glaubens zu beweisen, indem sie in der Geschichte die Wirkung der göttlichen Vorsehung auf ihren berichteten Ablauf hervorhoben. Wenn wir oben individualistische Triebfedern wie Ruhm und Reichtum verworfen haben, dann tritt uns in den Schriften der Zeit von der Mitte des elften bis weit ins 12. Jahrhundert hinein ein religiöser und kirchlicher Eifer entgegen, der nur verstanden werden kann als Neumissionierung angesichts einer stärker werdenden Weltorientierung in kirchlichen Kreisen (Simonie, Priesterehe) und weitgehenden Verlustes des Schutzverständnisses auf Seiten des Staates, repräsentiert durch den Kaiser und die Reichsfürsten. Die Hagiographie ist zur kirchlichen Geschichtsschreibung zu rechnen, doch nicht in der Form der nüchtern sachlichen Darstellung, sondern dem Ziel der Erbauung des religiösen Lebens angepaßt. Sie fördert die Nachahmung, vermittelt Mut und Trost. Im 12. Jahrhundert erhält sie die Aufgabe, in der kirchlichen und religiösen Verwirrung Signale zu geben und mit diesen den Weg durchs christliche Leben zu weisen. Das Denk- und Weltmodell der Christen hat im 11. und 12. Jahrhundert eine bedeutsame Änderung erfahren. In Jahrhunderten vorher war der Schutz der Kirche durch die ostfränkischen, später deutschen Könige/Kaiser die Hauptaufgabe ihrer Regierung gewesen. Nach Abschluß der Missionierung im Frankenreich verwandelte sich die Schutzfunktion der Existenz der Kirche in eine Art Unterstützungsaufgabe, die die Förderung der Verkündigung des Wortes Gottes beinhaltete, aber auch die Errichtung von Sakralbauten, Kirchen auf Reichsgebiet, auf dem Lande und in den Städten, Klosteranlagen. Daran waren auch Territorialherren, Verwalter von Reichsgütern beteiligt. Die Stifter stellten das Land zur Verfügung, halfen mit bei der Errichtung der Sakralbauten, fügten umfangreiche Güter zur Sicherung des Lebensunterhalts der Kleriker oder der Klostergemeinden hinzu und setzten die Kleriker bzw. die Klostervorsteher nach eigenem Ermessen ein. In der Zeit bis Anfang des 11. Jahrh. waren die Zuständigkeiten des Papstes und die des Kaisers grundverschieden, jedoch entweder nach Vereinbarung oder aufgrund historischer Entwicklung so einander zugeordnet, daß die Erfüllung der Pflichten dem einen wie dem anderen gegenüber zur Erfüllung der Christenpflicht gehörte. Soweit ist das Verfahren in Ordnung, aber dazu kommen als Ansprüche, die beim König bleiben, die Gastung (Aufnahme- und Unterhaltspflicht bei Besuch des Königs), Heerfolge und wirtschaftliche Leistungen. Die Reformpäpste sind gegen dieses Verfahren der Laieninvestitur. Seit Otto I. hat | |
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die Verwendung hoher kirchlicher Würdenträger in der Reichsverwaltung den Terminus ‘Reichskirchensystem’. Dieser Terminus hat bis zum Beginn des 11. Jahrhunderts seinen positiven Sinn verloren und ist zum Ausdruck geworden für die kontroverse Einstellung zum Führungs- und Entscheidungsanspruch des weltlichen Reiches, dessen Angehörige ausnahmslos Christen sind. Hier ist die empfindlichste Reibungsfläche, und am Problem der Laieninvestitur entzündet sich der Investiturstreit, der eigentlich nur ein Teil des Prinzipienstreites ist, in dem es um die Suprematie der Kirche geht. Dieser Streit erhält eine besondere Dimension dadurch, daß die Öffentlichkeit von beiden Parteien hineingezogen wird. So schreibt Heinrich IV. am 24. Januar 1076 an die Römer, worin er diese zur Feindschaft gegen den Mönch Hildebrand (Gregor VII.) aufruft. Von der Synode von Worms schreibenGa naar margenoot* 26 Erzbischöfe und Bischöfe an ihren Bruder Hildebrand. ‘... du... hast die Flamme der Zwietracht, die du in der römischen Kirche durch bittere Parteiung entzündet hast, durch alle Kirchen Italiens, Deutschlands, Frankreichs und Spaniens in deinem rasenden Wahnsinn entfacht.’ Gregor schreibt am 3. September 1076 an die Deutschen über Heinrich IV. Er fordert sie auf, die schlechten Ratgeber Heinrichs zu entfernen. Diese ‘...nicht erröteten, ihren Herrn mit dem eigenen Aussatz anzustecken, ihn zu mehreren Untaten verführten und ihn endlich dazu reizten, die heilige Kirche zu spalten und so in den Zorn Gottes und des heiligen Petrus zu stürzen’. Aus der Fülle von Briefen, Synodalbeschlüssen, Runderlassen, Erklärungen usw. mag dieses Wenige genügen. Aber auch daraus kann man darauf schließen, daß die Christen in allergrößte Verunsicherung geraten waren, daß viele von ihnen nach einem völlig neuen Weltverständnis suchten. Zwei Stellen in den A.R. zeigen indirekt etwa 30 Jahre nach dem offenen Streit, daß viele Christen immer noch auf der Suche nach dem rechten christlichen Weltbild sind. 1. in Tournai: ...(Ailberts christliches Verhalten spricht sich in der Bevölkerung herum) ...‘daß er wahrhaft ein Diener Gottes sei, da er mit so großer Selbstzüchtigung und in einer so religiösen Haltung Gott diene; denn in diesen Tagen hielt man es für selten und lobenswert, daß einer aus eigenem Willen rein und gottergeben schien’. 2. in Rode: ‘Das ringsum wohnende Volk hatte gerüchtweise erfahren, daß ein Diener Gottes, der ein wahrer Lehrer der Seelen sei, hierher gekommen sei und bleiben wolle zum Dienst für den Herrn. Man begann wetteifernd zu ihm hinzuströmen, besonders die Gottesfürchtigen, und Lehren der Erlösung von ihm zu vernehmen’. Den Verdacht der Formelhaftigkeit kann man gerade in einer Schrift, die stark hagiographisch geprägt ist, nicht von der Hand weisen, doch die zwei hier zum Ausdruck kommenden Wirkungen, die vom Verhalten Ailberts ausgehen, sind in der gleichzeitigen erzählenden christlichen Literatur nicht - soweit erkennbar - wiederzufinden. Verweisen wollen | |
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wir auf ‘...zu ihm hinzuströmen’ und - direkt daran angeschlossen - ‘besonders die Gottesfürchtigen, und Lehren der Erlösung von ihm zu vernehmen’. Diese Aussagen des Autors müssen auffallen, wenn sie bezogen sind auf ein Kerngebiet längst christianisierter Bevölkerung, bei der es nicht darauf ankommt, Defizite der Missionierung aufzufüllen, sondern von der in bedeutender Zahl Christen die durch den Prinzipienstreit entstandenen Verwirrungen des Glaubens und damit des Lebens ‘heilen’ lassen wollten. Es ist unvorstellbar, bis in welche Tiefe der Seele die Menschen, Laien und Priester, vom Streit der höchsten Autoritäten getroffen waren. Ein Zeitgenosse, der ‘Sächsische Annalist’ schreibt aus Anlaß der Königswahl Lothars III. 1125: ‘...und welches (Schisma) die Geister vieler Leute von beiden Ständen, von der Geistlichkeit und vom Volke, durch einen gewissen Nebel des Irrtums verfinstert hatte,...’. Der Prinzipienstreit hatte bei den gläubigen Christen zu einer großen Verunsicherung geführt und diese zu einem tiefgreifenden Wandel des Weltverständnisses, bei vielen auch zu einer Veränderung des äußeren Lebens geführt. Die Zahl der Klosterneugründungen (bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts in Westeuropa zweihundert) zeigt den Umfang der Bewegung der Abkehr vom Weltleben. Besonders die Weltkleriker tun in großer Zahl den Schritt in die strenge Zucht des Klosterlebens. Auch die Masse der im Weltleben Verbleibenden gestalten ihr Christenleben nach neuen Werten. Die Glaubenssicherheit, die auf die nach ihrem Glauben von Gott eingesetzten Bezugspersonen Kaiser und Papst beruhte, war weg. Bisher gehörten der Dienst im Leben und der Dienst im Glauben ohne Naht zusammen, jetzt riß an dieser Stelle die Verbindung. Der Christ mußte sich, in eine fremde Welt hinausgestoßen, an Werten orientieren, die sich aus der Schrift, dem Leben Christi und der Apostel und der Fixierung Gottes, der den Menschen dieser Welt das Heil verkündet hatte und verkündete, durch die Glaubensgnade erkennen ließen. Von den inneren und äußeren Vorgängen dieser Zeit, vor allem aber von den Bemühungen, als ‘religiosus’, d.h. unter Ordensgelübde zu leben, nicht zu trennen ist das Ereignis des Jahres 1104, als Ailbert von Antoing in der Nähe der Burg von Herzogenrath in einer von ihm selbst und zwei leiblichen Brüdern erbauten Kapelle aus Holz die erste Heilige Messe feiert und den Platz für den Gottesdienst weiht. Das Gelände hatte Graf Adelbert von Saffenberg zur Verfügung gestellt, zunächst formlos als Erlaubnis, in dem ihm gehörenden Gebiet einen Platz zu suchen, der für Ailberts Vorhaben geeignet sei. Dieser war von Tournai aus ostwärts gewandert. Dort hatte er an der Stiftskirche St. Martin die Schule besucht, die Wissenschaften studiert, war dort Kanoniker und hatte die Priesterweihe erhalten. In jungen Jahren hat er ein Gelübde abgelegt, und die Entschlossenheit dieses zu erfüllen, hat ihn niemals verlassen. Die Bindungen, die er sich mit diesem Gelübde auf- | |
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erlegt hat, kennen wir nicht. Die Armut war mit Sicherheit Bestandteil des Gelübdes, er hatte in Tournai alles, was er besaß, an die Armen und Bedürftigen verteilt. Mehrfach ist erwähnt, daß er nach dem Vorbild Christi und seiner Apostel leben wolle. Der letzte Satz des Jahresberichts zu 1107 lautet: ‘Es ist sicher, daß sie es nicht verstandenGa naar eind1), das Klostergut anzulegen und das Kloster auszuweisen für das Zusammenleben einer großen Menge an einer einzigen Stelle. Daher ist dieser Bau bis heute unbequem für die Bewohner und für die Ordensleute unangemessen.’ In vielerlei Hinsicht schwierig ist die Aussage des Autors über sein apostolisches Leben; er habe es nach der Mönchsregel des Kirchenvaters Augustinus befolgt und dabei immer das Gesetz des Gemeinschaftslebens nach der Norm des apostolischen Zusammenkommens beachtet. Lateinisch: ...ad norman Apostolici Coetus. Apostolisch heißt seit dem 2./3. Jh. ‘apostelähnlich’, zunächst als Bezeichnung des asketischen Lebens in Besitz- und Ehelosigkeit. Erst später tritt im Adjektiv ‘apostolisch’ das Moment des seelsorgerisch-aktiven Lebens im Unterschied zur reinen Kontemplation in den Vordergrund. Coetus kann die Bedeutung haben wie conventus (Versammlung), synodus, concilium, contio Rats-, Volksversammlung. Als vorsichtige Vermutung könnte man ein Konzept Ailberts annehmen, das sich orientiert an dem Monasterium der frühchristlichen Zeit (monasterium = Einsiedlerzelle, vom 4. Jh. an Bezeichnung für eine Gruppe von Einsiedlerzellen, die gemeinsam mit einer Schutzmauer umgeben werden; es kommt im fränkischen Bereich bis zum 12. Jh. auch monasterium canonicorum vor für Kleriker, die ein gemeinsames Leben führen). Die Hinwendung Ailberts zur frühchristlichen Zeit, sein Leben in der Nachfolge Christi und der Apostel ist mehrfach erwähnt, ferner kann ein Satz, den der Autor Ailbert in indirekter Rede sagen läßt, Aufschluß geben über sein Konzept. ‘Mehr, pflegte er zu sagen, sei es Gott genehm gewesen, die Bedürftigen zu trösten und sich ihrer anzunehmen..., als Bauten von Häusern zu errichten, die, da sie dem Altern ausgesetzt seien, zugrunde gehen würden, wohingegen die Seelen, nach dem Bilde Gottes geformt, unsterblich seien und immer lebendig (Zu 1107).’ Zusammengefaßt strebt Ailbert für sich persönlich die Heiligung an. Dafür unterwirft er sich harter Askese, betet in den Nächten, arbeitet hart mit seinen eigenen Händen. Dazu kommt bei ihm die sehr engagierte Sorge um das leibliche und vor allem das geistliche Wohl seiner Nächsten. Es ist anzunehmen, daß Embrico nicht nur in der Frage der Aussiedlung der Schwestern sich gegen Ailbert gestellt hat, sondern, wie der Weggang Ailberts im Jahre 1111 zeigt, daß es andere Differenzen gab, die sein Dableiben vermutlich vom Grundsatz her unmöglich machten. Aufschluß erhalten wir 1109. Dort sind die gegensätzlichen Auffassungen knapp gegeneinander gestellt: Ailbert gibt an Bittsteller, was er hat, Embrico sucht alles zu behalten, für den Bau (des Klosters) festzuhalten. | |
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1104 läßt der Autor Ailbertus den oben (S. 18) zitierten Satz sagen, daß die Sorge um die Seelen Vorrang habe vor Häuserbauten. Das kann nicht so einfach hingesagt sein, sondern steht in engem Zusammenhang mit der Konfrontation 1109, und der Grundgegensatz in der Sache Klosterbau wäre mit dem doppelten Hinweis auf Ailberts Einstellung durch den Autor verstärkt. 1124 strebt Herimannus, der Sohn Embricos nach dem Amt des Klostervorstehers. Der Schreiber der Annalen weist auf die große Macht des Herimannus hin, aufgrund des großen Besitzes, den seine Eltern dem Kloster eingebracht haben. Auf den Besitz wird noch einmal hingewiesen im Jahre 1129, anläßlich Herimannus' Tod. Der Besitz ist der Grund für die Aufnahme seines Namens in das Anniversarium. Aus all dem kann man zu dem Schluß kommen, daß der Autor das Verhältnis Ailberts und Embricos typologisch ‘gestaltet’. Die Darstellung dieses Verhältnisses ist nicht aufdringlich deutlich, doch die Leser der damaligen Zeit hatten die Sensibilität, daß sie den einen, Ailbert, als in seinem ganzen Verhalten heiligmäßig verstanden. Er war durch Entäußerung seines ganzen Besitzes arm, aber er gab, was er hatte, den Bedürftigen. Embrico war sehr reich, hatte durch das, was er dem Kloster zur Verfügung gestellt hatte, eine Sonderstellung im Kloster, hatte offenbar, wenn auch nirgendwo erwähnt, Verfügungsrecht über den eingebrachten Besitz im Rahmen seiner Stellung als Frater. Aber es ging ihm um den ‘Bau’, nicht um die ‘Seelen’. Ailbert hatte in Embrico in seiner Fürsorge für die Armen und Bedürftigen und für die Seelen - sie nach dem Bilde Gottes zu formen - den Gegentypus, der dazu da war, dem, der nach dem apostolischen Leben das Heil für sich und seine Mitmenschen erstrebte, deutliche Konturen zu geben. Die A.R. geben keinen Satz Ailberts in direkter Rede wieder. Vor dem Weihejahr 1108 müssen aber gründliche Gespräche zwischen Graf Adelbert und Ailbert stattgefunden haben, in denen der Priester sein Vorhaben vorgestellt hat. Die Übergabe des Grundstückes ist sehr wahrscheinlich mündlich und formlos erfolgt, wenn auch der Ausdruck für ‘er übergab’ (tradidit) der juristischen Formsprache angehört. Das wird erhärtet durch die wie beiläufig von Ailbert geäußerte Bitte, der Graf solle ihm noch ein zusätzliches Stück Land für die Errichtung einer Mühle überlassen. Die förmliche Übereignung erfolgte am 13. Dezember 1108 mit der erforderlichen Anwesenheit von Zeugen und dem Übergabesatz: ‘Zum PrivilegGa naar margenoot* Gott dem Herrn und der Heiligen immerwährenden Jungfrau Maria und dem heiligen Erzengel Gabriel.’ Die Vogtei wird so geregelt, daß der Obere Verhandlungs- und Verfügungsrecht hat über das Gut, die Besitzungen und das Gesinde. Die Weihe wird durch Bischof Obbert von Lüttich vorgenommen, und die ‘libertas’ wird von ihm kraft seiner Autorität und seines Bannrechts mit Urkunde und Siegel bestätigt und damit die Exemption vollzogen. Damit ist Klosterrath mit seinen Besitztümern dem Recht des Grundherrn entzogen, aber auch keiner anderen Instanz übertragen als Gott dem Herrn usw. Auch das Eingriffsrecht des Bischofs von | |
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Lüttich ist weitgehend eingeschränkt. Durch die vage Umschreibung der Abtsweihe mit einer Art Hinweis, daß die Fratres bei freier Abtswahl das Salböl von ihm, dem Bischof von Lüttich erhalten könnten, ist diese Weihe eine Kannbestimmung. Richer aus Rottenbuch läßt sich erst nach dem Tod Obberts zum Abt weihen (1119), Giselbert wird geweiht (1122), bei Bertolph erfolgt nicht einmal die praesentatio (1123), Borno aus Springiersbach wird vorgestellt, aber nicht geweiht (1124), Friedrich wird vorgestellt, aber nicht Abt, Borno wird erneut Vorsteher und zum Abt geweiht (1134), Johannes, aus dem eigenen Konvent gewählt, wird nicht Abt (1137), Erpo wird Abt (1141). Klosterrath, ausgestattet mit dem Recht der uneingeschränkten Verfügungsgewalt über seine Besitzungen, frei gegenüber kirchlichen Instanzen durch freie Abtswahl und aufgrund der übrigen vom Lütticher Bischof bei der Einweihung ausgesprochenen Privilegien, aber auch frei in Fragen der Regelung des gemeinsamen Lebens der Brüder in leiblicher und geistiger Hinsicht, ist der ‘Bau’ Ailberts. Für Gregor VII. war die Formel: Im Reichskirchensystem Vorrang des Priesterlich-Sakralen, in erster Linie eine politische Formel, da die Konsequenzen aus der Binde- und Lösegewalt ins Weltliche hineingetragen werden (Absetzung von Kaisern, Eidlösung von Untertanen). Man kann diesen Schluß ziehen aus dem Verhalten und der Einstellung wichtiger Kirchenfüursten, wie Konrad I., EB. von Salzburg, der sich 1112 von Heinrich V. trennte und floh, wie EB Albalbert von Mainz (1110 bis 1137) und EB Friedrich I. von Köln (1100 bis 1131). Diese drei großen Kirchenfürsten standen in irgendwelchen Verbindungen zu Klosterrath, und sie sind wohl gemeint, wenn in den A.R. zum Jahre 1141 davon die Rede ist’..., und daher wurde die tägliche Ordnung und die der klösterlichen Regel entsprechende Disziplin so geziemend von allen beachtet, daß das Kloster selbst und seine Bewohner es verdienten, geehrt und auch von Fürsten geliebt zu werden’. Konrad I., EB von Salzburg, befand sich fast zehn Jahre lang auf der Flucht vor Heinrich V., als er, 1121 nach Salzburg zurückgekehrt, sofort den Klosterrather Abt Richer, den er nach hier geschickt hatte, ‘dringend bat, ihm mit Rat zu helfen bei einer so großen Schwierigkeit’. Es kann als sicher gelten, daß es sich bei dieser Hilfe nicht oder nur in einer Alibifunktion um Hilfe bei der Einführung der consuetudines handelt, sondern um die Sonderform der ‘libertas’, die Klosterrath besaß. Die consuetudines eines CanAug-Stifts hätte er auch nebenan in Rottenbuch erfahren können, vielleicht mit einigen, von vielen als erheblich angesehenen, Unterschieden. Rottenbuch orientierte sich an der gemäßigteren Regel des Augustinus, dem Praeceptum (ordo antiquus), Klosterrath pflegte den Ordo monasterii, die strengere Regel des Augustinus (ordo novus). Der ordo novus verlangte Arbeit mit eigenen Händen, sehr strenges Fasten, Schweigen und ausgedehntere Nachtoffizien. Klosterrath war im Besitz der weitestgehenden ‘libertas ecclesiae’, was theologisch bedeutet, | |
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daß diese Partikularkirche, da sie die universale Kirche repräsentiert, in ihrer ‘libertas ecclesiae’ eine große Erhabenheit erhält (vergl. G. Tellenbach, LThK 6, 1018). Rottenbuch dagegen, seit 1073 durch Herzog Welf I. für regulierte Kanoniker ausgebaut, dann 1090 dem Papst übereignet, 1092 den Eingriffen der Zwischeninstanzen der Kirche entzogen durch Verleihung der ‘libertas Romana’, wobei sich die Welfen die Vogtei vorbehielten. Konrad von Salzburg hat 1122 zusammen mit Gerhoh von Reichersberg die Augustinerregel am Domstift, in St. Zeno-Reichenhall, Gurk, Högelwörth, Herrenwörth, Au, Gars, Baumburg, Berchtesgaden und Suben eingeführt. Alle diese Klöster wurden in die ‘libertas Salisburgensis’ eingebracht, sie waren erzbischöfliche Eigenklöster. Übrigens lehnte Konrad das Wormser Konkordat ab. Ein gleicher Vorgang spielt sich im Erzbistum Mainz ab unter Erzbischof Adalbert I. (1110-1137), der die Politik der erzbischöflichen Eigenklöster, die ab etwa 1070 von den Mainzer Erzbischöfen betrieben wurde, zu dem Abschluß der libertas Moguntina führte, die sich vor die Libertas Romana schob und es ermöglichte, den klösterlichen Rechtsstand ohne päpstliche und königliche Privilegierung zu sichern. Bei den Versuchen Bertolphs und Bornos aus dem CanReg-Kloster Springiersbach bei Koblenz (1123/24 und 1124-27 bzw. 1134-37) geht es äußerlich darum, daß Borno (1126) anfängt, ‘darüber nachzudenken, ob er vielleicht die Einrichtungen und Bräuche der Kirche seiner Profeß auf diese, d.h. die von Rode, übertragen könne, damit sie im Umgang mit den (äußeren) Dingen des Klosterlebens und den Kirchengesängen, einig handelnd, einig denkend, eins sein sollten. Aber weil er versuchte, die Regeln jener Kirche... in dieser einzuführen... antworteten die Älteren... sie könnten nicht und dürften nicht, indem sie es sozusagen wagten, vom richtigen Weg abzugehen, die Beachtung ihrer ProfeßGa naar margenoot* aufgeben und auch nicht ohne Grund die Regeln einer anderen Kirche für sich in Anspruch nehmen’. Nimmt man noch die Bemerkung zum Jahre 1123 aus Anlaß der Wahl Bertolphs aus Springiersbach hinzu: ‘elegerunt sibi bertolphum in sprencerbacensi cenobio, ubi etiam tunc similis florebat religio’ (Sie erwählten sich Bertolph im Kloster Springiersbach, wo damals auch ein ähnliches Klosterleben herrschte.), dann kann man ‘ähnlich’ nur unterstreichen, muß es allerdings mit dem Zusatz ‘jedoch unvereinbar’ versehen. Das kann dann nicht an der ‘religio’ liegen, sondern es muß zusammenhängen mit der ‘libertas’ Klosterraths und der von Springiersbach. Dieses Kanonikerstift ist ‘beatae Mariae virgini’ geweiht. Stifterin ist die Witwe eines Ministerialen mit Namen Ruker in Diensten des rheinischen Pfalzgrafen. Da sie Erbin des Dienstlandes des Pfalzgrafen war, mußte sie diesen um Zustimmung bitten, um ihr Witwengut dem Hochstift Trier übertragen zu können. | |
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Die 1107 erstellte Urkunde erlaubte freie Wahl des Abtes, der dem Erzbischof von Trier präsentiert werden mußte zur Bestätigung und Weihe. Erster Klostervorsteher wurde Richard, der Sohn Benignas, der verwitweten Stifterin des Klosterlandes an das Trierer Hochstift. Anfangs war er Propst, von 1129/30 an nannte er sich Abt. Richard brachte bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts einen großen Klosterverband zustande, überwiegend an Mosel und Rhein. Papst Innocenz II. schrieb diesem 1139 in einem Privileg die Abhaltung eines jährlichen Generalkapitels vor. Die Ablehnung der Springiersbacher consuetudines ist verständlich, weil die Profeß der Klosterrather Kanoniker unter anderen Bedingungen geleistet worden war: Klosterrath ist in keiner Weise ein Eigenkloster, Springiersbach das des Erzbischofs von Trier; Klosterrath scheint prinzipiell Tochtergründungen abzulehnen, ebenso prinzipiell den Anschluß an einen Klosterverband, der - wie seit 1119 bei den Zisterziensern durch die Charta Caritatis bekannt - über das Generalkapitel die Belange des Gesamtverbandes zu beraten und zu regeln hatte. Die Älteren lehnen Bornos Begründung (einig handelnd. einig denkend, eins sein) ebenso ab wie seinen Antrag, die Einrichtungen und Bräuche Springiersbachs zu übernehmen. Sie haben sicher ihr Gelübte vor Ailbert abgelegt, dessen Grundeinstellung starke eremitische Züge hat. Als Borno sich durchzusetzen scheint, verlassen vier Presbyter Klosterrath und gehen nach Publémont. Von dort schicken sie zwei zum Papst nach Rom, der sich gegen Borno entscheidet. Darauf verläßt Borno Klosterrath.
Dr. F. Heidbüchel |
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