Acta Neerlandica 10
(2015)– [tijdschrift] Acta Neerlandica– Auteursrechtelijk beschermd
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Dávid Csorba
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AbstractThe ideas on history in Protestant Holland in 17-century had much more impact on ideology of Hungarian Peregrinants, than it was considered to be before, not only in ecclesiastical, but in secural area of research history also. It had to be emphasied that there was a turn at the beginning of the 17th century: beside the Barokk, the dominant art and cultural historcal viewpoint came up a general spiritual reform that had several label, and lived without determining its confession. There were in protestant (e.g. Nadere reformatie, Puritanism, Pietism, Herrnhutianism, Methodism) and in catholical denominations (e.g. Jansenism), but also in Jewish religion (e.g. hasidical misticism). In parallel with that phenomenon had changed theories on history. The Hungarian undergraduates had from 1622 in Franeker and in the other Universities in Holland studied, and perceived the alteration of world view. In that paper my scope was investigating the circumstances of that changing, and demonstrating the difficulty of the research. Keywords: research on 17th century, Hungarian Peregrinants in Holland, Calvinist Orthodoxy, history of piety, approaches on G. Voet
Mein Forschungsthema ist die sog. peregrinatio academica im 17. Jahrhundert und in Bezug auf die niederländisch-ungarischen Beziehungen. In der Zeit zwischen 1622 und 1715 studierten zahlreiche kalvinistische Studenten oder Kapläne aus Ungarn und Siebenbürgen an niederländischen Universitäten Geisteswissenschaften, Theologie oder Medizin. In | ||||||||||||||
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dieser Zeit entstanden hier mehrere Richtungen der Geschichtsinterpretation, die viel stärker auf die ungarische Kulturgeschichte eingewirkt hatten als bis jetzt angenommen. Dafür gibt es zahlreiche Gründe, auf die ich hier nicht eingehen kann. Auch die Forschungen über die niederländisch-ungarischen Beziehungen haben ein wesentlich kleineres Volumen als die Erschließung der Kontakte mit der englischen, deutschen oder französischen Kultur und diese Aussage ist noch mehr gültig für die Recherchen in Bezug auf das 17. Jahrhundert. Für die Untersuchungen zu der Kontaktgeschichte der oben genannten drei großen Kulturen sprechen auch politische, diplomatische und wirtschaftliche Argumente. Die kirchliche Wissenschaft des angehenden 20. Jahrhunderts zeigte eher für die neukalvinistischen holländischen Erneuerungen von Abraham Kuyper Interesse, vor allem in Bezug auf Kirchenpolitik und innere Mission. Es muss unbedingt betont werden, dass die Wende der postmodernen Ära, die Fluktuation der Auffassungen in den 1970er Jahren die Geisteswissenschaften und die für die geschichtliche Betrachtungsweise sensiblen Ideenkonstruktionen stark beeinflusst hat. Kulturgeschichtliche Konferenzen wurden veranstaltet, Essays, Aufsätze Monographien und neue Periodika wurden veröffentlicht, Institute wurden in Europa und auch in den USA eingerichtet um die Epoche des 17. Jahrhunderts zu erforschen (The Seventeenth Century; Pietismus und Neuzeit; Cahiers du 17e Siècle; Documentatieblad Nadere Reformatie; Odrodzenie i Reformacja w Polsce; Jednota, etc.). Bei unserem Thema ist es wichtig hervorzuheben, dass die Recherchen in Bezug auf dieses Zeitalter sogar in Holland in Schwung kamen, hauptsächlich im Rahmen der Kirchengeschichte.Ga naar eind1 Das Forschungsinteresse galt vorwiegend der Kontaktgeschichte, in erster Linie der Geschichte der Peregrination, man hat Forschungsprojekte angelegt, Tagungen organisiert und auch die Zahl der erschienenen Monographien ist bedeutend. Für die ungarische Forschung war ein besonderer Ertrag dieser Aktivitäten, dass in den Datensammlungen und in der sonstigen Forschungsliteratur wichtige Daten über die ungarischen Peregrinaten in Holland zum Vorschein kamen.Ga naar eind2 Wir verfügen über ausgezeichnete Forschungsergebnisse im Bereich der Übersetzungsliteratur, wo über die holländisch-ungarische Rezeption gute philologische und ideengeschichtliche Leistungen vorliegen.Ga naar eind3 Die Forschungen über die Geschichtsideen in dem protestantischen Holland des 17. Jahrhunderts wurden von gegenwärtigen holländischen WissenschaftlerInnen eingeleitet. Prominente Rolle spielt dabei der Historiker Eco O.G. Haitsma Mulier, Professor an der Universität Amsterdam, | ||||||||||||||
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der vor nicht langer Zeit mit dem Preis Jan Romein ausgezeichnet wurde. Unter seiner Leitung hat eine Forschungsgruppe die Bibliographie der Geschichtsschreiber, der politischen Denker und der Philosophen der Frühmoderne zusammengestellt, und anschließend hat man auch ein Repertorium der niederländischen Historiographie im 16-18. Jahrhundert herausgegeben.Ga naar eind4 Die heutigen Historiker, die sich mit der Vergangenheit des niederländischen Protestantismus beschäftigen, haben keine theologischen Studien absolviert, sind für keine kirchliche oder spirituelle Richtung engagiert, aber das bedeutet nicht, dass sie liberal sind. Die beliebtesten Forschungsthemen der holländischen Fachliteratur sind eng verbunden mit der geopolitischen Lage von Holland und dem kulturellen Phänomen des holländischen Staates. Methodisch gesehen zeigen sie ein breites Spektrum: Man findet hier eigenartigerweise Ideen-, Frömmigkeits-, Regional- und Mentalitätsgeschichte, aber gegenwärtig ist auch die Erforschung des Exils in der Frühneuzeit (z.B. über Flüchtlinge aus Religionsgründen, über ethnische Minoritäten) intensiv. Seit 20-25 Jahren erscheinen auch Stadtgeschichten (z.B. über Delft, Dordrecht, Emden, Gouda, Haarlem, Kampen, Leiden, Utrecht etc.) und beschäftigen sich mit der Kohabitation (co-existence) von kalvinistischen, katholischen oder eben libertinischen Gruppen.Ga naar eind5 Von den ideengeschichtlichen Forschungsgemeinschaften sollen unbedingt zwei Personen benannt werden: Jonathan I. Israel und Ronnie Pochia Hsia, die das holländische frühneuzeitliche Thema im Rahmen der internationalen ideengeschichtlichen Strömungen bearbeiten und durch diesen Kontext zur Erweiterung der Grenzen dieses Forschungsgebiets beitragen.Ga naar eind6 Die ideengeschichtlichen Monographien der neuen Generation der Historiker fokussieren auf die Fragen der protestantischen Toleranz und ihrer politischen Ausdrucksweise, aber das Forschungsinteresse gilt in erster Linie der Sprache und nicht der Kirchengeschichte. Auf diese Weise ist es weniger wichtig, die Opposition zwischen den protestantischen und den katholischen Mythen zu zeigen, viel akzentuierter ist die Darstellung der Ideen und ihrer referenziellen Kontexte. Auf dem heutigen Stand der Forschung zeichnet sich unter den Forschern von niederländischen Themen ein Generationswechsel ab. Die Fachleute, die die frühe Geschichte der Frömmigkeit in Holland erforschten, waren nicht Niederländer, sondern deutscher Muttersprache, ihre Herangehensweise war positivistisch und sie konzentrierten sich auf die Kirchengeschichte.Ga naar eind7 Nach der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, und hauptsächlich von den 70er Jahren an traten viele neue Forscher auf, unter | ||||||||||||||
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ihnen waren aber nur in geringer Zahl europäische, holländische Theologen. Die Mentalität- und kulturgeschichtlichen Forschungen an den Universitäten Vrije Universiteit in Amsterdam und an der Universität Leiden (Dutch Centre for Religious Literature) werden nicht nur von namhaften einheimischen Forschern (z.B. W. Frijhoff, E.O.G. Haitsma Mulier, J. Pollmann),Ga naar eind8 sondern auch von berühmten amerikanischen Professoren (z.B. J.R. Beeke [Michigan], R.P. Hsia [Pennsylvania], J. Israel [Princeton], B. Kaplan [Iowa], C. Kooi [Louisiana], C.H. Parker [Saint Louis]) betrieben. Diese, zusammen mit den Forschern der Kirchengeschichte können mit größerer Effizienz wirken. Die neuen historiographischen Schulen sind aus der kirchlichen, sondern aus säkularen Sphäre entstanden und - wie es scheint - sie können die neue Richtung der Forschungen bestimmen, einerseits wegen ihrer großen Zahl, anderseits wegen der methodischen Vielfalt und der breiten Kommunikationsmöglichkeiten, über die sie verfügen.
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Die Geschichtsauffassung des protestantischen Holland im 17. Jahrhundert übte eine wesentlich größere Wirkung auf ungarische Peregrinanten, als es vorher im Rahmen der kirchlichen oder in der säkularen Fachliteratur angenommen wurde. Im 17. Jahrhundert waren für die in Holland lebenden ausländischen Studenten die Vielfalt der Kirchenrichtungen (z.B. Orthodoxe / Fundamentale, Puritane, Non-conformisten, Methodisten, Quäkeren, oder die Anhänger von Coccejus, Menasseh ben Israel, Labadie, Braun etc.), die verschiedenen philosophischen Strömungen (z.B. René Descartes, Blaise Pascal, Hugo de Groot, Thomas Hobbes, Benedict Spinoza, Pierre Gassendi, Arnold Geulinckx etc.) oder zahlreiche andere universale oder spirituelle Ansichten (z.B. Johann Heinrich Alstedt, Johannes Amos Comenius, Robert Fludd, Dionysius Spranckhuysen etc.) ausschlaggebend. Die ungarischen Studenten, die an den Universitäten an Disputationen teilnahmen, haben diese geistigen und spirituellen Strömungen kennengelernt, nicht nur in den Vorlesungen und Seminaren, sondern evtl. sogar auch auf Marktplätzen und bei ihren holländischen Gastgebern. Häufig zitiert man heute einen einschlägigen Brief von J.B. Stouppe, dem katholischen Regenten von Utrecht an Louis XIV., der die Niederlande als das Zentrum der Toleranz bezeichnete, weil dort zahllose Konfessionen und Minoritäten ungestört nebeneinander leben konnten.Ga naar eind9 Es kann aber sein, dass diese Situation der Vielfalt aus dem Blickwinkel | ||||||||||||||
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der ungarischen Studenten gesehen anders aussah: Ein ungarischer Professor des reformierten Kollegiums zu Sárospatak, János Pósaházi (1628-1686) interpretierte nämlich diesen Zustand am Ende des 17. Jahrhunderts wie folgt: ‘Haec lues & omnia innovandi cacoethes ante aliquot annos coepit in Belgio (de quo jam pridem vatem egit supra laudatus Melancthon: Vae Belgio ab horrendo sangvinis balneo; & petulantia ingeniorum!)’.Ga naar eind10 Der polemische Spruch des orthodoxen Professors enthält implizite die - hundert Jahre ältere - Ansicht Melanchthons, wonach dieses Holland (unter dem Namen ‘Belgien’) das Zentrum von abscheulichen Ketzereien sei... Die in Holland kennengelernten geistigen Strömungen und Weltanschauungen, die am meisten auf die ungarischen kalvinistischen Studenten wirkten, waren diejenigen, die mit ihren in Ungarn herausgebildeten Vorstellungen über die Geschichte im Einklang waren oder diese bestätigt haben. Es ist leicht einzusehen, dass die Darstellung und die Analyse der in Holland entwickelten Geschichtsauffassungen bzw. ihrer ungarischen Rezeption einer monographischen Schilderung bedürfen. Erstens sollte man die frühneuzeitliche, von der Philosophie der Renaissance geprägte Geschichtsschreibung analysieren, und parallel dazu die Veränderungen der Konzeptionen der Ekklesiologie. Es wäre notwendig, wichtige Ansichten wie die über die Periodizität der Geschichte (z.B. in der Historiographie des Faches chronologia sacra), oder die Ansichten der sog. milden Eschatologie und Apokalypse (Thesen darüber, wie Gott in der Geschichte wirkt oder über die Freiheit des Individuums) unter die Lupe zu nehmen. Man müsste die unterschiedlichen Gattungen wie Disputationen (in Philosophie, Theologie, Geschichte), Predigten und Traktate diesbezüglich untersuchen, bzw. im Ramen des Buch- und Druck, Kirchen- und Ideen-, und hauptsächlich in Kulturgeschichte. In Holland der frühen Neuzeit beschäftigte man sich mit der Erforschung der Weltgeschichte, allerdings im protestantischen Rahmen.Ga naar eind11 Deswegen möchte ich an dieser Stelle die in Holland vorhandene Vielfältigkeit in der Herangehensweise an das Thema betonen, indem ich - im Kontext der ungarischen Rezeption - die theologischen, philosophischen und separatistischen Richtungen des 17. Jahrhunderts in Holland vorstelle, die für die ungarische protestantische Kulturgeschichte relevant waren. Im ungarischen Wortschatz des 17. Jahrhunderts oder z.B. in den Widmungen der ungarischen Bücher im 17. Jahrhundert war die Bevölkerung von Holland als ‘belgisch’ bezeichnet, und dies war auch die Selbstinterpretation der protestantischen Gemeinschaft in Holland. Im 17. Jahrhun- | ||||||||||||||
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dert kam es zu Veränderungen in der Geschichte von Holland: Die Sieben Vereinten Provinzen und die von den Habsburgen regierten flämischen Regionen trennten sich, aber dieses Ereignis machte sich in der Bezeichnung des Landes noch lange nicht bemerkbar. In Bezug auf die protestantischen Gebiete wird die Zeit 1572-1702 in der holländischen Fachliteratur als gouden eeuw, als das goldene Zeitalter bezeichnet Diese Periode, das sog. lange 17. Jahrhundert (1598-1714) ist durch intellektuelle Leistungen wie das Lebenswerk von Galilei, Newton, Descartes oder Spinoza gekennzeichnet, in der Fachliteratur wird dieses Zeitalter auch mit den Begriffen Konfessionalisation, Barock oder Frühneuzeit / Prämoderne charakterisiert. Es war auch für die ungarischen Studenten in Holland nicht einfach sich in den holländischen philosophischen und theologischen Strömungen auszukennen - genauso kompliziert ist es auch für heutige Forscher, sich in der Menge von wechselnden Weltanschauungen in einer geschichtlich kurzen Periode zu orientieren. Die Republik Niederlande war im behandelten Zeitalter ab ovo das Land der Flüchtlinge: hier lebten unter anderem französische Hugenotten (Samuel Maresius in Groningen; Claude Saumaise in Leiden), der englische Dissenter (William Ames in Franeker), polnische Protestanten (Johannes Maccovius und Nicolaus Arnoldus in Franeker), deutsche Pietisten (Johannes Coccejus in Franeker und Leiden, Friedrich Adolf Lampe in Utrecht), und auch portugiesische Juden (Menasseh ben Israel und Benedictus Spinoza in Amsterdam), und noch viele Vertreter verschiedener religiöser und säkularer Ideensysteme. Vom Beginn des 17. Jahrhunderts an soll man nicht nur über die Kunst und Kultur des Barocks nicht nur über die geistliche Erneuerung im Katholizismus reden, sondern auch über die protestantische Erneuerung durch den Pietismus. Die Formen der religiösen Erneuerung sind vielfältig: es konnte sowohl in integrierenden als auch in separierenden Gemeinden vorkommen. Dieses Phänomen ist ohne konfessionelle Bestimmtheit: es kommt in protestantischem (z.B. Nadere reformatie, Puritanismus, Pietismus, Herrnhutianer, Methodismus), katholischem (z.B. Jansenismus), oder sogar in jüdischem Kontext (z.B. hasidische Mystik) vor. Im Allgemeinen ist in diesen Bewegungen an die Stelle von Rationalität eine auf seelische Empfindungen und personales Gotteserlebnis konzentrierende Frömmigkeit getreten.Ga naar eind12 Die Selbstbezeichnungen der Frömmigkeit sind interkonfessionell (z.B. pietas, piétè, devotio, divinity, Frommheit, frumkeyt, vroomheid) und die Bewegungen selbst gehen über territoriale, religiöse und sprachliche Grenzen hinaus. An die Stelle der kirchlichen Organisation, Dogmas und Rationalität trat der Anspruch auf individuelle | ||||||||||||||
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Frömmigkeit. Diese interkonfessionellen Tendenzen hat die Fachliteratur ‘neuere oder zweite Reformation’ genannt.Ga naar eind13 Die hier beschriebene mentalitätsgeschichtliche Wende ist zwar mit gewissen Phasenverschiebungen in jeder kontinentalen Kultur erschienen: in England am Ende des 16. Jahrhunderts unter dem Namen der Non-conformisten (William Perkins),Ga naar eind14 im deutschsprachigen Raum und in Holland an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert (Johannes Arndt und Willem Teellinck),Ga naar eind15 und in Mitteleuropa in der Literatur der als Puritanismus bezeichneten Bewegung von 1640-50 an.Ga naar eind16 In den Niederlanden hatten die Katholiken an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert noch namhafte Mehrzahl. Die verschiedenen calvinistischen Reformprogramme, die von dem holländischen Kirchenhistoriker Professor Op 't Hof als reformierter Pietismus bezeichnet wurden, sind in raschem Tempo aufeinander gefolgt (von Gisbertus Voetius über Jodocus van Lodensteyn bis Herman Witsius), und auch eine Art Abspaltung in Sekten zeichnete sich ab z.B. nach der Tätigkeit von Jean de Labadie.Ga naar eind17 Die Ideen der cartesianischen Denker und der coccejanischen Theologen haben schon die höheren Schichten der Gesellschaft erreicht. Französische Einflüsse machten sich in der praktischen Theologie (Samuel Maresius, Jean de Labadie, Pierre Jurieu) und in den wissenschaftlichen Forschungen (René Descartes, Pierre Gassendi) bemerkbar, der deutsche Pietismus (Johannes Coccejus, Friedrich A. Lampe) beeinflusste die damals noch puritanischen Elemente der individuellen Frömmigkeit.Ga naar eind18 Die geistig-spirituelle Gärung war in den Niederlanden sehr intensiv: Eine große Anzahl von spirituellen Werken wurde in kurzer Zeit herausgegeben. Zuerst sind Übersetzungen aus dem Französischen erschienen (z.B. Werke von Jean Taffin, dem Hofprediger von Wilhelm I. von Oranien), dann Werke des englischen Puritanismus und parallel dazu Arbeiten auch anderen Kulturen gekommen (statistisch gesehen sind von 1598 an 1800 englische, 250 deutsche und 200 französische Übersetzungen entstanden).Ga naar eind19 Der holländische Freiheitskampf, die Konfessionalisierungsbestrebungen und die separatistischen Strömungen haben das Akzeptieren der Reformen verhindert. Die bedeutendste holländische Frömmigkeitsbewegung, die sog. Nadere reformatie hat angeregt, die religiösen Sitten zu überprüfen, Kirchenzucht zu üben. Diese Bewegung fokussierte auf Fragen des theokratischen biblischen Modells der Regierung, auf die neue christliche Auffassung des Sabbats und dessen würdiges Begehen. Dieses Modell setzte die puritanische, vorpietistische Tradition fort. Unter den | ||||||||||||||
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niederländischen Protestanten war in dieser Zeit zweifelsohne der aus England zurückgekehrte Willem Teellinck von größter Wirkung. Ihm sind die spirituelle Erweckung der seelischen Tugenden und auch die Herausabe von übersetzten Traktaten zu verdanken. In Holland, das kulturell gesehen an der Grenze zwischen Puritanismus und Pietismus lag, kam damals - genauso wie in der heutigen Wissenschaft - die Frage auf, wie, unter welchen Umständen es zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Europa zu den geistlich-spirituellen Umwandlungen kam und welche Rolle dabei die holländische Nadere reformatie spielte. Schon diese kurze Zusammenfassung deutet an, dass den Niederlanden in diesen Umwandlungen und in der Herausbildung der geistlichen Vielfalt eine Vermittlerrolle zukam. Parallel zu der religiösen Erneuerung verwandelte sich in Holland auch die Interpretation der Geschichte. Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) war das wichtigste Ereignis Europas, er hat auch das Verhältnis von Protestanten und Katholiken verändert, weil die theologisch-religiöse Sicht für beide Partner ausschlaggebend war, selbst wenn der Krieg auch durch politische Argumente und wirtschaftliche Interessen geleitet wurde. Die Richtigkeit des Begriffs ‘Religionskrieg’ wird heute oft bezweifelt, aber die Zeitgenossen haben die Kriegsereignisse als den letzten, apokalyptischen Kampf betrachtet.Ga naar eind20 Es ist nicht nebensächlich für die Beurteilung des Standpunktes Hollands, dass Friedrich V., Kurfürst von der Pfalz und König von Böhmen, nach der Schlacht bei Bíla Hora (1620) als Flüchtling nach Den Haag gekommen und sich dort mit seinem Hof angesiedelt hat. Die Zerstörung des Sitzes des ‘Winterkönigs’, der Stadt und der Universität Heidelberg durch das katholische Söldnerheer General Tilly 1622 brachte für die ungarischen Peregrinanten eine existentielle und geschichtsphilosophische Wende mit sich. Das ehemalige universitäre Zentrum der ost-mitteleuropäischen kalvinistischen Studenten (Heidelberg) verschob sich in die Niederlande (vor allem nach Franeker), was den guten Beziehungen zwischen David Pareus, Albert Szenci Molnár und den Professoren zu Franeker zu verdanken war. Die Studenten, die die Welt bisher nach den geschichtsphilosophischen Paradigmen Melanchthons, dann beeinflusst durch die irenischen Ideen von Pareus betrachtet hatten, sollten nun mit der Spaltung der konfessionellen Welt und ihrem dichotomen System konfrontiert werden. Die kirchliche Reden wurden wieder apologetisch ausgerichtet und es kam wieder zu einer Stärkung der Ansichten, welche die Vorstellungen vom einzig wahren Glauben in geschichtliche Epochen einordneten. Die Geschichtskonzeption und der starke Antikatholizismus der zeitgenössi- | ||||||||||||||
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schen Disputationen von Franeker waren eine Folge des ersten Konzils von Trient, das die katholische Propaganda aktiviert hatte, und des europäischen Glaubenskrieges (z.B. der sog. Bellarminus enervatus, publiziert von Ames in Franeker 1625-26, von dessen Disputationen etwa 60% von ungarischen Studenten stammten).Ga naar eind21 Die Weltsicht der meisten Professoren von Franeker war andererseits durch ihre eigene Vertreibung geprägt (Ames war ein Exulant aus England, Maresius aus Frankreich, Maccovius aus Schlesien, Coccejus aus Deutschland), und diese Prägung wirkte sich auf ihr theologisches Weltbild und die von ihnen geübte Frömmigkeit aus. Viele Studenten aus Ungarn studierten an den Universitäten in Franeker, Leiden und Utrecht, wo sie diesen Ideen im Rahmen der offiziellen protestantischen Orthodoxie begegneten. Aber auch viele nicht orthodoxe Theologen waren in den Niederlanden erreichbar. Am Beginn des großen 30-jährigen Krieges wurde die allgemeine europäische protestantische Synode in Dordrecht veranstaltet (1618-19), an der die englische, die französische (allerdings nur nominell), die deutsche, die deutsch-schweizerische, die holländische Kirche und auch die Stadt Genf repräsentiert waren, deren Beschlüsse später aber auch von der ungarischen, polnischen und weiteren Kirchen anerkannt wurden.Ga naar eind22 Der strenge Kalvinismus veröffentlichte die Fünf Punkte, die gegen die Thesen des Professors zu Leiden Jacob Arminius (1560-1609) zur Doktrin der Gnade gerichtet waren; und dies beeinflusste auch die Veröffentlichung der neuesten Bibelübersetzung, der Belgischen Bibel (1622). Trotzdem aber gewannen die sog. Arminianistisch-remonstrantischen Vorstellungen, welche eine katholisch-protestantische Ökumene anstrebten, an Terrain: ab 1634 gab es in Amsterdam bereits eine Lehre in diesem Sinn. Das für das Zeitalter typische theologische Profil wurde vom französischen Hugenotten Samuel Maresius, (1599-1673) vertreten, der sein ganzes Leben im Namen theologische Kontroversen verbrachte. Er kämpfte in seinen scharfen Pamphleten gegen die Katholiken, die Lutheraner, die Arminianer (Arminius und Socini), aber auch gegen seine protestantischen Kollegen (Gisbertus Voetius [Utrecht], Jacob Alting [Groningen], Johannes Coccejus [Leiden]), und natürlich auch gegen René Descartes. Die Begriffe der Sekte und der Häresie waren (und sind auch heute noch) umstritten und zahlreiche religiöse Gemeinden lebten jenseits der reinen Welt der Universitäten, aber in deren physischer Nähe. Die protestantischen Sekten stammten aus verschiedenen Kulturen und Sprachen (z.B. Anabaptisten, Methodisten, Brownisten, Independents, Quäker, Menno- | ||||||||||||||
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niten etc.). Die orthodox ausgebildeten ungarischen Studenten suchten manchmal solche Gemeinden auf, wie Pál Debreceni Ember, der Verfasser der ersten ungarischen protestantischen Kirchengeschichte, der in Amsterdam mit seinen Freunden an Gottesdiensten der Quäker teilnahm, obwohl er sie ‘benommene Häretiker’ nannte, weil sie ‘sunt ii putidissimoe Anabaptistarum reliquioe’.Ga naar eind23 Dieses Interesse aber war ziemlich rar, weil es in allen Konfessionen die Regel war, sich nicht mit den Häretikern zu unterhalten, außer mit dem Ziel der Missionierung. Nach 1640 waren diese Universitäten nicht mehr Zentren der konfessionellen Homogenität: Die Konservativen (unter der Führung von Voetius) und die Liberalen (unter der Führung von Coccejus) trugen 30 Jahren lang erbitterte exegetische Kämpfe auf den Kathedern der Universitäten und in der Öffentlichkeit der Presse aus. Sie stritten über die Freiheit des Menschen, die Umstände der praxis pietatis oder den Willen Gottes in der Geschichte. Die coccejanische Exegese arbeitete ein typologisches System aus, das seine tägliche Applikation ermöglichte, da es darauf hinauslief, dass jedes bedeutendere geschichtliche Ereignis sein Vorbild in der Bibel habe. Die zwei Gruppen hatten auch verschiedene politische Anschauungen: während erstere (die voetianische) den Absolutismus befürwortete, stand letztere (die coccejanische) dem Demokratiemodell des berühmten niederländischen Philosophen Justus Lipsius nahe. Die theologischen und politischen Streitigkeiten endeten, als der Statthalter Wilhelm von Oranje III. die ärgerliche Lage mit einem Kompromiss beendete, indem er beiden Strömungen je einen Lehrstuhl zusprach, der einen den biblisch-dogmatischen und der anderen den für praktische Theologie.Ga naar eind24 Bei der Beurteilung der Heftigkeit des Glaubensstreits und des Weltbildes von Ames oder Maresius müssen wir die Tatsache berücksichtigen, dass sich damals das bis dahin tausend Jahre lang einheitliche Weltbild sowohl auf physikalischer als auch auf metaphysischer Ebene auflöste. Diesen Faktor veranschaulicht ein Exempel einer Predigt von Mihály Tofeus, des Bischofs in Transsylvanien, am Ende des 17. Jahrhunderts: ‘Mind az eget, mind a' földet el-akarja venni, ez az istentelen világ az Istentűl: Az eget a' Philosophusok, a' földet e' világi hatalmasságok’ [Sowohl den Himmel als auch die Erde will diese gottlose Welt Gott wegnehmen: den Himmel die Philosophen, die Erde die diesseitigen Mächtigen] und dann zählt er auf: ‘Copernicus, Galilaeus, Hobbes, Gassendus, Carthesius’.Ga naar eind25 Im katholischen Teil Europas hat Pierre Gassendi (1592-1655), der Mathematikprofessor am College Royale in Paris, Werke von | ||||||||||||||
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Kopernikus und Tycho Brahe veröffentlichen lassen, zugleich fand in Italien (1634) der Prozess gegen Galilei statt. Selbst im so freisinnigen Holland wagte es Descartes lange nicht, seine methodologischen Überlegungen zu veröffentlichen. Es ist kein Zufall, dass der französische Philosoph immer auf Wanderschaft war: 1628-1649 lebte er mit Unterbrechungen in Holland, wechselte aber seinen Wohnsitz in neun Städten mindestens vierundzwanzigmal. Seine Bücher wurden in Utrecht und Leiden von orthodoxen Kreisen verurteilt und schließlich verbrannt. Die zwei Seiten der geistigen Auseinandersetzung zeigt deutlich die Tatsache, dass auf der einen Seite berühmte Theologen und Philosophen (z.B. Hobbes, Gassendi, Schotanus) Kommentare zu der zweiten Ausgabe von Discours de la Methode (1641) verfassten, in welchen sie oft die originale Thesen kritisierten, aber in ihrer Argumentation die Forschung als Dienerin der Theologie (ancilla teologiae) darstellten. Auf der anderen Seite begann schon früh das Balancieren zwischen Theologie und Philosophie, wie es bei Arnold Geulincz/Geulinckx (1624-1669), der vom Katholiken zum Protestanten wurde, und seinem Okkasionalismus erkennbar ist. Im Vergleich dazu scheint es ein sehr mutiger Akt gewesen zu sein, als der protestantisch-orthodoxe Mihály Szathmárnémethi (1638-1689) sich in Franeker im Mai 1664 einen Kolligatum-Band von Gassendi kaufte. 20 Jahre nach dem Ablauf des Streites konnte ein ungarischer Peregriner sich ein solches ‘häretisches’ Buch auf dem Markt kaufen und nach Hause bringen.Ga naar eind26 Es muss aber betont werden, dass dieses Beispiel nur den Erwerb, nicht das Publizieren betrifft. Der Debrecener Professor Márton Szilágyi Tönkő (1642-1700) lehrte sein zeitgemäßes cartesianisches philosophisches Manuskript, konnte es aber erst viele Jahre später und mit großen Mühen in Heidelberg veröffentlichen.Ga naar eind27 Der Debrecener Pál Ember (1660-1710) publizierte sein Predigt-Buch Szent Siklus (Heiliger Schekel) in Klausenburg im Jahre 1700, in dem er zahlreiche physikalische und geschichtstheologische Thesen diskutierte, aber im Falle von cartesianischen Vorstellungen weder die Namen der Denker noch den des französischen Philosophen nannte. Demgegenüber führte er in seinen Manuskripten Descartes oftmals als ‘Nobilis Philosophus’ an.Ga naar eind28 Dies zeigt, dass die modernen wissenschaftlichen Forschungen und Weltanschauungen im 17. Jahrhundert auch in Ungarn bekannt waren und am Ende des Jahrhunderts nicht nur als Teil der polemischen Theologie, sondern als weltliches Wissensgut zugänglich waren, obwohl noch ohne Nennung der Namen der Autoren. | ||||||||||||||
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Dementsprechend war es nicht opportun sich der Freundschaft eines gefährlichen Denkers zu rühmen, deshalb statteten nur wenige ungarische Predigerkandidaten dem Remonstranten Arminius in Leiden und Hugo de Groot in Rotterdam (1583-1645) ihren Besuch ab, oder dem aus der jüdischen Gemeinde verstoßenen Philosophen, dem anonymen Autor des Tractatus Theologico-Politicus, Baruch Spinoza in Den Haag und in Leiden, dessen Vermieter noch dazu Mennoniten waren. Der ehemalige Lehrer von Spinoza war der respektable jüdische Rabbi in Amsterdam, Menasseh ben Israël (1604-1657), der die neue hebräische Bibel herausgab (Amsterdam, 1635). In seinem Fall gibt es zwei Inskriptionen aus den Jahren 1653-54, eingetragen von zwei ungarischen Peregrinern, die aus Transsylvanien stammten und Unitarier waren und dem Rabbi in seinem Haus ihre Aufwartung machten, namentlich István Pauli und Benedek Árkosi.Ga naar eind29 In politischer Hinsicht war wesentlich gefährlicher der Bishof der Böhmischen Brüder, Jan Amos Komensky (Comenius), den an seinem Lebensabend in Amsterdam auch ungarische Studenten besuchten.Ga naar eind30 Mihály Szatmárnémeti, der spätere Dechant von Klausenburg, besucht mit zwei Begleitern den bejahrten Wissenschaftler am 8. September 1667 und sie beförderten in seinem Auftrag Briefe und Bücher mit väterlichen Ratschlägen und Anweisungen (unter anderem für Mihály Tofeus und István Czeglédi) nach Ungarn und Transsylvanien.Ga naar eind31 Zu diesem Zeitpunkt im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts ist die erste Generation der streitenden holländischen Theologen nicht mehr am Leben und die mit dem 30-jährigen Krieg verbundene metaphysische Krisenstimmung ist abgeklungen. Die symbolisch mit dem Namen Descartes verbundene Auffassung ist in die bis dahin als unverrückbar erscheinenden theologischen Ansichten eingebaut worden, was sich auch positiv auf die Geschichtstheologie ausgewirkt hat. Unter den holländischen Professoren hat Hermann Witsius (1636-1708), der an den Universitäten Utrecht und Leiden lehrte, eine Synthese der voetianischen und der coccejanischen Ansichten geschaffen. Auf dem Gebiet der Philosophie und der Naturphilosophie taten dies in ähnlicher Weise z.B. der namhafte Kirchenhistoriker Fridericus Spanhemius d.Ä. (1632-1701) und der Theologe Christopher Wittich (1625-1687) in Leiden sowie der prophetische Theologe Campegius Vitringa d.Ä. (1659-1722) in Franeker. Die Attitüde der ungarischen protestantischen Studenten in Bezug auf Abgrenzung vom bzw. Annahme des anderen (Nicht-Protestanten, Orthodoxe, säkulare Philosophen, Rabbiner etc.) hat in diesem langen Jahrhundert fortlaufend gewechselt: ab 1638 mussten die heimgekehrten Studen- | ||||||||||||||
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ten einen Eid ablegen, um zu gewährleisten, dass sie keine Neuerungen nicht nur der theologischen Ansichten, sondern auch der Riten aus dem Ausland mitgebracht haben. Das Frontierbewusstsein der kalvinistischen Gemeinde war ab den 1630er Jahren fest mit der kalvinistischen Identität verbunden und es verstärkte sich weiter, als ab den 1670er Jahren die katholische Gegenreformation erstarkte.Ga naar eind32 Vom Standpunkt der Beziehungsgeschichte des ungarischen Kalvinismus aus war es ein bedeutender Augenblick, als die Galeerensklaven befreit wurden, ein Ereignis, das die kalvinistische Vorstellung vom in der Geschichte tätigen Gott stärkte. Der holländische Protestantismus half diesen Predigern nicht nur mit bedeutenden finanziellen Zuwendungen, sondern auch mit organisatorischer Intelligenz, wovon die Öffentlichkeit aus zahlreichen Büchern erfuhr (vor allem aus den historischen Publikationen der Kirchengeschichtler Leydekker und Horn).Ga naar eind33 Diese in zahlreichen Sprachen und Ausgaben erschienenen neuzeitlichen ‘Märtyrerakten’ dienten der Selbstlegitimation der Fiktion der protestantischen Geschichtsauffassung. Die Erinnerung an Leiden und Befreiung lebte in den langen Jahren der ‘stillen Gegenreformation’ in Ungarn in Bezug auf die Kirche und nicht auf die Personen weiter.Ga naar eind34 Das Ende dieses Zeitalters wird jedenfalls markiert vom Erscheinen der Kirchengeschichte von Pál Ember, die mit Hilfe von Daniel Ernst Jablonski, dem Enkel von Comenius, redigiert von Friedrich Adolf Lampe, Theologieprofessor in Utrecht und später in Bremen, publiziert worden ist. Dadurch fand die ungarische kalvinistische Kirchengeschichte, zwar verspätet, fragmentarisch und in durchkonstruierter Weise Eingang ins Gesichtsbewusstsein des kalvinistischen Europas.Ga naar eind35 Die schon in den Predigten von Pál Ember zu beobachtende feine Unterscheidung geschichtlicher Thesen (rabbinische Schulen, zeitgenössische niederländische Polemiken, protestantische Richtungen) findet sich Mitte des 18. Jahrhunderts bei anderen ungarischen Predigern (z.B. Dienes Hermányi oder Péter Nádudvari) in der Form wieder, dass sie die verschiedenen Strömungen und ihre Vertreter beim Namen nennen, aber nicht mehr polemisch, sondern exegetisch verhandeln. Dies ist nicht nur der Persönlichkeit der Prediger zu verdanken, sondern auch dem veränderten Kontext: Mitte des 18. Jahrhunderts ging die Zeit zu Ende, da die kalvinistischen Prediger noch als quasi politische Akteure auf der Bühne der Geschichte ihr Wort ergreifen konnten. Die theologischen und exegetischen Debatten vergangener Epochen wurden bis zum Beginn der Aufklärung beigelegt und verloren so auch ihre Bedeutung. | ||||||||||||||
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Die Schwierigkeit des von mir hier angesprochenen Themas möchte ich am Schluss an einer einzigen Erscheinung noch einmal deutlich machen: der Beurteilung von Voetius. Der Theologe und Prediger von Utrecht hat manche Disputationen, Polemiken und kirchlichen Reden hinterlassen. So ist es relativ leicht, seine literarische Welt zu erschließen, vor allem weil in den letzten 40 Jahren die Predigten des holländischen Reformators durch Bibliographien und Lexika erschlossen wurden, die unter der Leitung der Vertreter der strikten reformierten Orthodoxie Willem J. op 't Hof und Fred A. Lieburg entstanden sind.Ga naar eind36 Die von ihnen vertretene Nadere reformatie genannte protestantische konfessionelle Strömung unterscheidet sich von den geistigen Gruppierungen, die mit den Richtungen und namhaften Personen (z.B. zu Voetius, Coccejus, Labadie etc.) der Debatten des 17. Jahrhunderts in Verbindung gebracht werden. Die oben erwähnten Wissenschaftler sind Prediger, Theologen, Historiker, die ab den 1970-er Jahren nach Anerkennung ihrer konfessionellen Identität und Repräsentation der Vergangenheit in der Forschung der Zeit streben.Ga naar eind37 Sie haben schon die Geschichte der Begriffsveränderungen der holländischen pietistischen Richtungen (z.B. Hervormden, Nadere reformatie, Preciesen etc.) geschrieben und auch deren Historiographie erarbeitet und dabei die Lebenswerke von Gisbert Voetius, Theodor á Brakel und Willem Teellinck nicht im Kontext der politischen oder theologischen Debatten, sondern im Zusammenhang ihrer Wirkung auf die praxis pietatis hervorgehoben.Ga naar eind38 Auch wenn wir nur die Rolle der protestantischen Orthodoxie (nach ihrem eigenen Wortgebrauch die historische Hervormde Kirche) in der heutigen Geschichtsschreibung untersuchen, fällt auf, dass die verschiedenen protestantischen konfessionell-theologischen Gruppen ein sehr schillerndes Bild des bedeutendsten Theologen des 17. Jahrhunderts, des Utrechter Professors Gisbert Voetius und seiner politischen Rolle zeichnen. Es wurde schon oftmals debattiert, ob er ein Erneuerer und Reformer der protestantische Theologie in der Frühmoderne gewesen sei oder ein großer Scholastiker, eventuell der Moralphilosoph der strikten Orthodoxie oder aber ein Reformdenker der Toleranz.Ga naar eind39 Wer dann noch scharfe Grenzen ziehen möchte zwischen Schulen und Anschauungen der Geschichtsauffassung des 17. Jahrhunderts, der muss zunächst seine eigene Position in diesem Kontext klären, sowohl in Bezug auf die protestantische Tradition als auch auf die Forschungsmethoden. Das bedarf freilich grundle- | ||||||||||||||
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gender geschichtsphilosophischer, methodologischer und konfessioneller Klarsicht. | ||||||||||||||
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Bibliografie
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