Eneide
(1964)–Hendrik van Veldeke– Auteursrechtelijk beschermd
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VorwortDas ‘Veldekeproblem’ ist kein Problem. Veldekes Sprache wurde zum Problem durch den Mangel an Einsicht in den Aufbau der rheinisch-niederländischen Sprachlandschaften Köln-Limburg-Brabant-Flandern, der Landschaften an Maas und Rhein gegenüber den Landschaften an der Schelde. Eine tiefe Scheide liegt zwischen Flandern-Brabant im Westen und Limburg-Köln im Osten. Das wurde deutlich seit den Studien Zur Geschichte des Niederfränkischen in Limburg von Th. Frings und J. van Ginneken, Zs. fd. Mdaa. 14 (1919), 97-208, und befestigt durch Arbeiten zum älteren und jüngeren Limburgisch, die unten S. LXXX f. wie auch schon in der Einleitung zu Veldeke XIIGa naar voetnoot1 verzeichnet sind. Hervorzuheben sind die Aufsätze von A. Stevens, I.L. Pauwels und L. Morren.Ga naar voetnoot2 Unsere Einsicht ist knapp zusammengefaßt in Veldeke IGa naar voetnoot3 S. 72ff. Sprachliche Einsichten werden durch die Volkskunde gestützt. Limburg - overgangsland, sagt der Volkskundler Jozef Weyns.Ga naar voetnoot4 Land ohne Grenzen nennt der Lütticher Historiker Jean Lejeune das geschichtliche und kulturelle Dreieck Aachen-Lüttich-Maastricht an der Südnord-Achse der Maas und an der Ostwest-Achse Köln-Boulogne über Maastricht, Tongeren, Bavay, Doornik.Ga naar voetnoot5 Unselige Politik hat die Lande um die Maas auf drei Länder verteilt. Aber an Maas und Niederrhein sind alte gemeinsame Sprache und Lebensformen auch heute noch nicht erloschen. Gründlichere Kenntnis des Altlimburgischen, als sie Behaghel zu Gebote stand, forderten schon Lichtenstein und Franck 1883.Ga naar voetnoot6 Vom rechten Wege ab führte C. von Kraus, Heinrich von Veldeke und die mittelhochdeutsche Dichtersprache, 1899; er fußte auf einem falschen Begriff des Niederländischen, bestimmt durch die Grenzen des Wiener Kongresses. Die erste Berichtigung durch Franck, Anz. fdA. 26 (1900), 104-119, blieb unbeachtet. Wir prüften und berichtigten Kraus in Veldeke XII, Heinrich von Veldeke zwischen Schelde und Rhein, 1949. Veldeke dichtete in der Sprache seiner maasländisch-limburgischen Heimat. ‘Niederländisches’, das er gemieden haben soll, war ihm unbekannt; es ist im Westen, an der Schelde, nicht aber im Osten, an der Maas, beheimatet. Die vom | |
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Hochdeutschen abweichenden Lautungen im Reim decken sich auf Grund alter Verwandtschaft in allem Wesentlichen mit den Reimlautungen der Rheinländer. Die von van DamGa naar voetnoot7 betonte Bindung Veldekes an die rheinische Literatur, an ihre Sprache und ihren Stil, so an Alexander und Eilhart, ruht in einem alten natürlichen Kulturverbande, der die Landschaften an Maas und Rhein umschloß. Köln-Limburg steht zwischen Mittelniederländisch und Mittelhochdeutsch. Einen maasländisch-limburgischen Grundstock der Eneide, der in allen Handschriften durchschlägt, hat G. Schieb erwiesen. Der Grundstock der Eneide nahm so wenig Rücksicht auf das Thüringisch-Oberfränkische wie der Servatius, er ruht vielmehr in sich, verbunden mit den Rheinlanden. So konnten auch vereinzelte rheinische Lauterscheinungen wie durch: burch in den Servatius wie in die Eneide Eingang finden. Zwischen der Sprache des Servatius und der Eneide gibt es keinen grundsätzlichen Unterschied. Daß Veldeke unter diesen Umständen auf die andrängende Lautverschiebung der Rheinlande Rücksicht nahm, ist ganz natürlich. Er meidet also stat auf bat ‘besser’ und reimt z. B. stat auf bat ‘bat’ und bat ‘besser’ auf nat ‘naß’. Der Grundstock maasländisch-limburgischer Reimbindungen zieht sich auch durch den thüringischen Schluß. Thüringisch-Hochdeutsches tritt selten dazu, z. B. sach: sprach. Die gesamte Eneideüberlieferung stammt nicht aus einer thüringischen Bearbeitung, sondern aus hochdeutschen Umschriften. Alle Handschriften haben Mühe, sich mit dem alten maasländischrheinischen Grundbestand abzufinden. Wir haben für Abdruck der Gothaer Handschrift als Leithandschrift entschieden. Auch H wäre in Frage gekommen. Am besten hätte die verschollene Handschrift E getaugt. Wir haben die Handschriften nur in Photokopien benutzt. Einsicht der Originale war nicht möglich. Daher sind die Beschreibungen auf das Nötigste und für die Aufgabe Fruchtbare beschränkt. Der Nachdruck liegt auf der Beschreibung der Sprache. Die Last der kritisch-technischen Bearbeitung trug Gabriele Schieb. Sie hat die Einleitung verfaßt. Ohne sie wäre diese Ausgabe nicht zustande gekommen. Ein Dank gilt der hingebenden Arbeit von Frau Maria Penndorf, die das Druckmanuskript mit nie versagender Sorgfalt hergestellt hat, und den Helfern bei den Korrekturen Günter Kramer, Elisabeth Mager, Franzjosef Pensel, Marianne Schröder. Veldeke begleitet mich seit meiner Lehrzeit im Seminar Friedrich Vogts, als er versuchte den Wortlaut der Lieder zurückzugewinnen. Der Grundstock der Sprache Veldekes war auch die Sprache meiner Mutter, meine Muttersprache. Hochdeutsch hab ich nicht ohne Mühe gelernt. Das mag der Erneuerung der Werke Veldekes zugute gekommen sein. Wir sind gewiß, daß unsere Ausgabe den Wert einer guten maasländisch-limburgischen Handschrift hat, so wie sie die Geschlechter an Maas und Niederrhein, in Loon und Kleve gelesen haben mögen.
Leipzig, im November 1963 Theodor Frings. |
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