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Vorerinnerungen.
Nach meiner Rückkunft aus Suriname ermunterten mich verschiedene meiner Freunde und Bekannten, die während meines dasigen Aufenthaltes gemachten Bemerkungen, die Nation, bey welcher ich als Missionair angestellt war, und auch das Land überhaupt betreffend, zu Papier zu bringen, und dem Druck zu überlassen.
Ersteres geschahe zwar in den ersten Jahren nach meiner Rückkunft; die weitere Ausarbeitung aber verschob ich aus
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Mangel an Zeit und anderer Ursachen wegen, mit dem Gedanken, daß es eine Arbeit für mich bleiben sollte, wenn ich zu andern Geschäften nicht mehr zu brauchen wäre. Weil aber darüber nun schon mehr als 20 Jahre verstrichen sind, und ich wahrscheinlich, wenn ich zu meiner gegenwärtigen Arbeit mit der Feder nicht mehr brauchbar seyn sollte, auch nicht im Stande seyn möchte, mein Concept vollends auszuarbeiten: so habe mich endlich entschlossen, es schon jeztt allmählig zu thun, um es nach dem Gutfinden erwähnter Freunde dem Druck zu überlassen.
In den Jahren vor meiner Reise nach Suriname war es noch nicht so gewöhnlich, das Publikum mit Beschreibungen fremder Länder, und der Reisen dahin, zu beschenken; wenigstens waren mir damals noch wenige zu Gesichte gekommen, zumal meine Umstände es auch nicht erlaubten, mich mit vieler Lektüre einzulassen. Es fehlte mir daher auch der Reiz, auf meiner Reise und Aufenthalt in Suriname Bemerkungen zu sammlen, die einmal zu einer Reisebeschreibung hätten dienen können; denn wenn dieses, son- | |
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derlich in den ersten Jahren, da einem alles Neue mehr auffällt, geschehen wäre: so würde ich von meinem beynah zwölfjährigen Aufenthalt in Suriname ein mehreres liefern können. Nun habe mich aber blos eines kurzen Tagebuchs bedienen müssen, um mir das Vergangene wieder ins Gedächtniß zurück zu rufen. Indessen hoffe doch, daß dem Leser das Wenige, was ich von den indianischen Nationen in Suriname, und den angränzenden Ländern, ihrer Lebensart, Sprachen, dem Missionsgeschäfte unter ihnen und von der Naturgeschichte des Landes sagen kann, nicht ganz uninteressant seyn werde, weil, so viel ich weiß, durch andere Reisende dem Publiko davon noch wenig mitgetheilt worden ist.
Obwohl dieses Land an sonderbaren Gewächsen und Thieren sehr reich ist: so habe ich mich doch nur auf die nützlichsten, und die sich in unserer Nähe befanden, einschränken müssen, weil meine Beschäftigungen, wie man aus meinen Erzählungen sehen wird, mir wenig Zeit übrig liessen, Wanderungen und Reisen, blos zur Erweiterung meiner Kenntnisse
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in dem Stück, vorzunehmen; und Indianer für Bezahlung auszuschicken, um dergleichen Natur-Seltenheiten aufzusuchen und uns zu bringen, erlaubten uns die eingeschränkten Vermögensumstände der Mission nicht.
Wenn ich nun auch gleich bedauren muß, daß ich manchem Leser mit meinen Nachrichten von Suriname nicht hinlängliche Genüge leisten werde: so kann doch vielleicht diese meine Arbeit dazu dienen, die gegenwärtigen Missionarien, oder diejenigen, welche sich noch in der Folge zu dem seligen Geschäfte, das Evangelium den Heiden zu verkündigen, brauchen lassen, aufzumuntern, ihre Bemerkungen sorgfältiger aufzuzeichnen, welche dann, wenn sie auch selbst keinen Gebrauch davon machen, doch andern dienen können, gründliche Nachrichten von den Nationen bekannt zu machen, bey denen unsere Brüder als Missionarien angestellt sind.
Denn es ist nicht zu leugnen, daß unsere Missionarien bisher in dem Stück etwas zu gleichgültig gewesen sind, da sie in manchen Gegenden der Welt, wohin
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andere Leute nicht leicht kommen, oder nur auf kurze Zeit hinreisen, sich lang aufhalten, und oft gute Gelegenheit haben, das Land und die Einwohner kennen zu lernen.
Es würde vielleicht in der Absicht nicht ohne Nutzen seyn, wenn man diejenigen Punkte, worauf ein Missionair, das Land, Einwohner, Gewächse, Thiere u.s.w. betreffend, aufmerksam zu seyn und es beyläufig aufzuzeichnen hätte, - in einem kurzen Aufsatz denselben mitgäbe. Dieses würde ihre Aufmerksamkeit auf dergleichen Dinge mehr rege machen, und sie, unbeschadet ihres eigentlichen Berufs, manches brauchbare sammlen können.
Bey meinen Erzählungen habe ich eigentlich nur zum Objekt, meinen Aufenthalt in Suriname und die Lage und Beschäftigungen eines Missionarii dem Leser darzulegen, und kann mich daher auf eine umständliche Geschichte dieser Mission nicht einlassen, zumal in Cranzens Brüderhistorie, und Rislers Erzählungen aus der alten und neuen Geschichte der Brüder-Kirche, von dem Entstehen und Fortgang
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derselben, ziemlich ausführliche Nachrichten zu finden sind und darinn nachgelesen werden können.
Weil aber doch Lesern, die erwähnte Schriften nicht besitzen, mit einer kurzen Nachricht von dieser Mission gedient seyn könnte: so will nur die Hauptumstände derselben kürzlich anführen.
Schon im Jahr 1735 reisten die ersten Brüder, mit Genehmigung der surinamschen Societät in Holland, dahin ab, um von dem Zustand des Landes, und sonderlich der dortigen Heiden, nähere Nachricht einzuziehen. 1736 wurden sie in Holland von einigen angesehenen Personen, weltlichen und geistlichen Standes, ermuntert, unter andern Orten auch nach Berbice Missionarien zu senden; es wurden daher 1738 die Brüder Johann Güttner und Ludw. Christian Dehne nach Berbice gesandt, um auf eine Mission unter den dortigen Indianern anzutragen. In der Folge wurden ihnen mehrere nachgeschickt, und sie bauten sich endlich in Pilgerhut an.
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Die Brüder liessen sichs sehr angelegen seyn, die Sprache der Indianer zu erlernen, und kamen endlich so weit, daß sie einige Stücke aus der Lebens- und Leidensgeschichte Jesu in die arawackische Sprache übersetzen konnten.
Diese lasen sie den Indianern bey ihren fleissigen Besuchen in ihren in den Büschen zerstreuten Häusern ofte vor; und es bestätigte auch hier die Erfahrung, welche unsre Brüder schon in Grönland gemacht hatten, und wovon auch neuerlich die englischen Missionarien in Ostindien, laut der Elberfeldischen Nachrichten, die erfreulichsten Beweise gehabt haben - daß nichts so kräftig auf die Herzen, auch der wildesten Menschen, wirkt, als die simple Erzählung der Lebens- und Leidensgeschichte Jesu.
Unsre Brüder hatten daher die Freude, daß die Indianer ihnen von einem Hause ins andere nachfolgten, um diese Geschichte öfters zu hören, eine Erweckung unter ihnen entstund, mehrere sich endlich im Jahr 1747 entschlossen, zu ihnen nach Pilgerhut zu ziehen, sich bey ih- | |
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nen anzubauen, und daß schon im Anfang 1748 die erste Person von ihnen getauft werden konnte.
Gegens Ende 1748 wurde Theoph. Schumann, ein ehemaliger Lehrer in Klosterbergen, aus Europa dahin gesandt. Er fand schon 40 getaufte Indianer. Er lernte bald ihre Sprache, verfertigte eine Grammatik und Wörterbuch, wodurch seinen Nachfolgern die Erlernung der Sprache sehr erleichtert wurde. In den folgenden Jahren bis zum Anfang des Jahres 1755 vermehrte sich die Zahl der bey den Brüdern wohnenden getauften und ungetauften Indianer bis auf 400 Personen.
Weil die Missionarien von Seiten der Regierung, welche verlangte, daß sie, wie andere europäische Einwohner, Waffen tragen und sich zum Exerciren mit denselben einstellen sollten, ingleichen, daß die bey ihnen wohnenden Indianer für die Kolonie, fischen sollten, wobey allerley Unordnungen unter den Indianern vorkamen, mancherley Unangenehmes zu erfahren hatten: so dachten sie darauf, im Surinam- | |
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schen Gouvernement Missionsplätze anzulegen, und erhielten auch von der Regierung in Paramaribo dazu die nöthige Erlaubniß. Im Jahr 1757 geschahe dieses an der Corentyn, an dem Bach Kuiwi und an dem Flusse Saramaka. Ersterer Platz wurde Ephraim und letzterer Saron genannt. Nach Saron zogen von Berbice mehrere Indianer; und dieser Missionsplatz hat unter mancherley Abwechselungen bis 1779 bestanden. In Pilgerhut in der Kolonie Berbice verminderten sich seit 1755 die Indianer merklich, denn weil daz zu Cossabïpflanzungen brauchbare und in der Nähe befindliche Land durch die große Anzahl der Indianer alle wurde, mußten sie es weiter suchen, und fingen an, sich zu zerstreuen. Hierzu kam eine in der Kolonie ausgebrochene ansteckende Krankheit, woran viele Europäer, Neger und Indianer starben. Dieses veranlaßte, daß viele Indianer von Pilgerhut wegzogen. Endlich wurde 1763 durch die unter den Negern entstandene allgemeine Rebellion dieser Missionsplatz ganz zerstört. Denn die europäischen Brüder und auch die Indianer mußten vor den Negern
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flüchten, und diese plünderten und verbrannten ihre Wohnungen.
Aus Furcht vor den Negern wurde auch der Missionsplatz Ephraim an der Corentyn verlassen, weil die Neger von Berbice aus fehr leicht dahin hätten kommen können. Nach Dämpfung der Rebellion aber errichtete man an der Corentyn an einem bequemeren Orte einen neuen Missionsplatz, und nannte ihn Hoop oder die Hoffnung. Daselbst besteht auch noch gegenwärtig die einzige Mission unter der arawackischen Nation.
Zum Leitfaden meiner Erzählungen in Briefen an einen Freund wähle ich die Methode eines Tagebuchs, wobey ich Gelegenheit haben werde, die Lebensart, Obliegenheiten und Beschäftigungen eines Missionarii den Lesern umständlicher darzulegen, als es in einer Geschichte der Mission ins Ganze geschehen kann, und hoffe, daß man mich in der Rücksicht entschuldigen wird, wenn manchmal geringscheinende Umstände vorkommen, die aber dazu dienen, sich die Lage eines Missionarii deutlicher vorzustellen.
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Um die Geschichte meines Aufenthaltes in Suriname nicht zu oft zu unterbrechen, habe dieselbe in den zehn ersten Briefen vorausgehen lassen, und was ich noch von den Produkten des Landes, den Einwohnern u.s.w: mit Zuverlässigkeit sagen kann, in den nachfolgenden Briefen zusammen zu nehmen gesucht.
Weil es einem und dem andern einfallen könnte, von dem Verfasser dieser Blätter einige Kenntniß zu haben: so will nur kürzlich hier beyfügen, daß ich in Liefland auf dem Pastorat Urbs Anno 1740 geboren worden, wo mein sel. Vater, aus Erfurt, seit 1732 als Prediger in großem Segen stand. Derselbe war schon in Jena mit der Brüdergemeine bekannt worden, und gehörte zu den 102 Studenten, welche sich im Jahr 1728 mit derselben verbanden, wie aus dem VIIten Stück der Büdingschen Sammlungen zu ersehen ist. Schon in meinem zehnten Jahre ging er aus der Zeit, und ich wurde, wie meine übrigen Geschwister, zur Erziehung in die Brüdergemeine nach Deutschland geschickt. Diese genoß ich in ihren Anstalten in der Oberlausitz und Seminario zu Barby.
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Da mein sel. Vater schon in meiner zarten Jugend den Trieb, den Heiden das Evangelium zu verkündigen, in mir rege gemacht, und die Anforderungen dazu, während meines vierjährigen Dienstes als Lehrer in den Erziehungsanstalten der Brüderunität, in meinem Gemüth und Herzen sich oft erneuerten: so erbot ich mich zu diesem Dienste, und erhielt im Jahr 1768 den Antrag, als Missionair nach Suriname zu gehen.
Nun habe nur noch diese meine Arbeit der geneigten Aufnahme und Unterstützung des Publikums zu empfehlen.
Herrnhut, den 21. July 1807.
C. Quandt.
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