Het averechts handelen. De Geer in Lissabon. Naïef, wereldvreemd, eigengereid
(1997)–Jan Kuijk, Hugo Pos– Auteursrechtelijk beschermd
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Bijlage IIINicht als ‘Refugié’ sondem im Dienste habe ich das Land verlassen. Nachdem der Oberbefehlshaber mitgeteilt hatte, dass dauernder Widerstand ausgeschlossen sei, wurde es als Plicht der Regierung erachtet, sich nach dem Auslande zu begeben. Diese Pflicht habe ich erfüllt. ‘Cessante causa cessat effectus’. Wo mein Dienst aufgehört hat, kann auch mein Aufenthalt im Auslande aufhören. Darum wünsche ich ins Land zurückzukehren. Ich vertraue, dass die Deutsche Occupationsautorität hiermit einverstanden ist. Dieses Vertrauen beruht auf folgenden Gründen: 1.) Meine Absicht ist, mich jeder politischen oder kritischen Tätigkeit zu enthalten und nur als ruhiger Bürger zu leben. 2.) Schon in meiner Radio-Rede, am 20. Mai in holländischer Sprache in London gehalten, habe ich das schickliche Betragen im besetzten Gebiete wie folgt gekennzeichnet: ‘Die Pflicht der Verwaltung ist jetzt, im guten Verhältenis mit der deutschen Occupationsautorität dem Wohlsein der Bevölkerung nach Vermögen zu dienen. Die Bevölkerung ihrerseits hat die Pflicht, durch eine ruhige und ordentliche Haltung die normale Wirkung des Dienstes zu fördern und alles zurückzuweisen, was einen regelmässigen Gang des Lebens stören oder erschweren könnte. Die Regierung hofft, dass unsere Nation auch in dunkien Tagen wie diesen ihre Würde und Besonnenheit bewahren und sich dadurch die Achtung des Gegners erwerben wird.’ Wer so gesprochen hat in einem Augenblicke, im welchem an eine vorzeitige Rückkehr ins Land gewiss noch nicht gedacht werden konnte, wird auch in den Augen der Occupationsautoritat keine Gefahr für die Ordnung bilden können. 3.) Die Occupationsautorität had durch die korrekte Haltung, welche sie gegenüber der Bevölkerung angenommen hat, sicht bemüht nutzloses Leid zu vermeiden und die Atmosphäre so erträglich wie möglich zu machen. In dieser Linie liegt, einem amtlosen Bürger nicht zu versagen, in seinem Lande zu wohnen und an Freude und Leid seiner Volksgenossen teilzuhaben. 4.) Anti-deutsche Vorurteile haben mich niemals berührt. Wenn richtig sein möchte, was vor kurzem im Radio zu Hilversum gesagt worden) ist: ‘In unserem Lande ist seit Jahrzehnten eine fortdauernde, wohl oder nicht bedeckte, wohl oder nicht vom Auslande bezahlte, anti-deutsche Propaganda geführt worden. Viele Niederländern fällt es schwer, sich dem zu entziehen was ihnen mit dem Breilöffel eingegeben wird,’ dann kann gesagt werden, dass ich von dieser seit Jahrzehnten geführten Propaganda niemals | |
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das Opfer gewesen bin. Während des Weltkrieges 1914-1918 war ich, mit vielen meiner politischen Freunde, im Geiste pro-deutsch. Das Jahr des vorhergenden Rrieges - 1870 - ist mein Geburtsjahr. ‘Mit dem Breilöffel’ sinds mir dann anti-deutsche Gedanken so weinig beigebracht, dass ach meine Eltern damals pro-deutsch waren. Die deutsche Kultur und Wissenschaft haben oft mein Leben bereichert, und im deutschen Berglande habe ich seit Jahrzehnten einen grossen Teil meiner Ferien verbracht. Wie vorher schon gesagt, habe ich den Vorsatz, nach meiner Rückkehr in die Niederlande, mich während des Restes des Krieges von jeder politischen Tätigkeit zu enthalten. Als ein vergessener Bürger will ich leben, mich widmend der Lektüre und den Studium und vor allem meiner Gattin, welche in meinem vielleicht allzu beschäftigten Leben in diesen Punkte nicht verwöhnt worden ist. Mein beinahe 70-jähriges Alter wird diese Zurückgezogenheit nicht schwer machen. Neben meiner Frau, welche in Mai in Holland zurückgeblieben ist, wüide auch ihre hochbetagte Mutter, die eine Deutschgeborene ist, duich meine Rückkehr ins Land glücklich gemacht werdenGa naar eind1. Obgleich also meine politischen Zukunftwünsche keine praktische Bedeutung mehr haben werden, meine ich doch, in dieser Privatnotiz zur völligen Unterrichtung des Occupationsautoritäten darüber nicht ganz schweigen zu müssen. Es ist selbstverständlich, dass ich als warmer Vaterlandsfreund, welches auch das Ende des Krieges sein möchte, vor allem mich sehne nach einer Wiederherstellung der Unabhängigkeit unseres Landes. Daneben aber trage ich im Herzen den feurigen Wunsch, dass dieser unheilvolle Krieg nicht ohne gute Früchte bleiben wird. Die Geschichte lehrt mich, dass auch aus dem Leiden, welches über die Menschen kommt, nach Gottes Fügung oft ein reicher Segen aufblüht. Zuweilen wird dieser erst gesehen unter einer folgenden Generation, manchmal auch wird er schon erfahren von denselben, welche den Schmerz ertragen haben. Wenn dieser Krieg ein neues Europa bringt, in welchem weniger politische Reibungsursachen gefunden werden, eine breitere und stärkere wirtschaftliche Zusammenstimmung gültig ist, weniger gefragt wird nach dem was scheinbar und zeitlich die Völker trennt als nach dem was wesentlich und dauerhaft ihrem gemeinschaftlichen Wohlstand dienen kann, dann werden die Tränen dieser Zeit nicht vergebens vergossen sein. Die erste Bedingung dafür wird sein ein engeres und ehrlicheres - dat heisst weniger selstsüchtiges - Band zwischen den Nationen als es in vergangener Zeit ist erreicht | |
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werden können. Was ich in der seit 1933 in Deutschland geführten Politik stets gewürdigt habe, is die Wegschaffung der ‘Kleinstaaterie’ im Reiche, eine Reformation, auf die auch frühere Regierungen schon gesonnen hatten, die jedoch damals keinen Fortschritt gemacht hat. Als Modell für eine Verbindung freier Staaten kann diese Reformation selstverständlich nicht gelten. Doch wenn der Geist, der aus ihr spricht, der Geist von schicklicher Zusammenfügung und von Preisgabe beschränkter und veralteter Absonderung, in unserem Kontinent durchbricht, dann wird auf manchem Gebiete, politisch, wirtschaftlich, sozial und finanziell, eine gemeinsame Zweckstellung und eine geordnete Arbeitsverteilung möglich werden, welche, neben Abwendung von zuküftiger Kriegsgefahr, eine Erhöhung des allgemeinen Wohlstandes und eine neue steigende Linie für Europa bringt. Ein zu grosses Wort wäre es, zu sprechen von den ‘Vereinigten Staaten von Europa’ als von einem in sichtbarer Zukunft zu erreichenden Ideal. Aber schon die Bildung einer supranationalen Rechtsgemeinschaft von bescheidenerem Vorsatz, deren Aufgabe beschränkt wäre auf die dringendsten Sachen und Angelegenheiten Europäischer Gemeinnützigkeit, würde eine friedliche Entwicklung dieses Kontinents in hohem Masse fördern. Zu den Problemen, welche in diesem Zeichen für eine internationale Anordnung sich bieten sollten, würden wahrscheinlich zuerst gehören die Bewaffnungsfrage, die Zollpolitik, die Sozial-Gezetzgebung und das Münzwesen. Letzteres aus der Ueberlegung, dass durch gesunde und stabile Valutaverhältnisse die Zugänglichkeit der Rohstoffen erhöht werden sollte. Wenn der jetzt wütende Vernichtungskrieg über kurz Platz machen könnte einem in jenem Geiste unternommenenj Versuch zu gründlichter Ordnung Europas, dann würde ein Seufzer der Erleichterung durch die Menschheit gehen und würden wir wahrscheinlich denjenigen, welche nach uns kommen, die Welt etwas bessert hinterlassen als wir sie gefunden haben. |
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