Pädagogische Schriften
(1894)–Joannes Murmellius– Auteursrecht onbekendVorrede.
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Speisen dem Magen. Wenn sie indes in der Wissenschaft schon einige Fortschritte gemacht hätten, dann wären ihnen gewissermaszen kräftigere und reichhaltigere Speisen zu reichen, auf dasz sie nicht nur Milch und Fleisch kosteten, sondern auch Sehnen und Knochen benagen könnten. Johannes Murmellius aus Roermund, welcher unter den Lehrern der humanistischen Wissenschaften nicht die letzte Stelle einnimmt, der da berufen ist, eine Zierde der schönen Wissenschaften und der lernenden Jugend ein Helfer zu sein, hat diesem ungemein feinsinnigen Satze seine Zustimmung nicht versagt und dieses ebenso brauchbare, wie schöne Werkchen verfaszt, dem er die passende Aufschrift: ‘Pappa’ gegeben. Hiermit möchte er den Knaben und allen, die im Sprachstudium noch unerfahren sind, eine einfache, unverfälschte, richtige und dem thatsächlichen Sprachgebrauch des Lateinischen entsprechende Belehrung über die Wörter bieten, durch welche die einzelnen Dinge, soweit es thunlich ist, gemäsz ihrer Benennung im Lateinischen und nach Begriffsreihen geordnet erklärt werden; er möchte damit gewissermaszen, wie der Apostel sagt, Milch den Knaben darbieten, er möchte ihnen damit eine Vorübung zum Erlangen des Schmuckes der römischen Beredsamkeit darbieten, die da wie Honig so lieblich ist. Zuerst nun sollen die Jünglinge, welche gleichsam mit Milchspeisen passend ernährt und gewissermaszen mit Naschwerk gefüttert worden sind, barbarische und unlateinische Wörter verachten lernen. Solche Wörter werden durch gewisse läppische Wörterbücher verbreitet, die da selten in einer ‘lateinischen Küche’ zubereitet worden sind. Dasz aber Anfänger im Lateinischen mit ihrem empfänglichen Sinne vor solchen Büchern gleichsam wie vor Schirling zu bewahren sind, weisz jeder, ausgenommen ein Schwachsinniger. Denn gerade die Erfahrungen, die wir in einem Alter sammeln, woselbst wir an Erfahrungen arm sind, haften um so unzerstörbarer in uns. Dies geht so weit, dasz man solchen, die von früh auf entweder an der Hand des Catholicon Ga naar voetnoot1 oder bei irgend einem andern Dunstmacher niedrigster Art sich Fehlerhaftes zu eigen gemacht haben, mit geringerer Mühe des Fell über die Ohren ziehen als sie dazu | |
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bestimmen könnte, ihren ausländischen und fremdartigen Faseleien, welche im römischen Reiche zu keiner Zeit Geltung gefunden haben würden, den Laufpasz zu geben, wie man zu sagen pflegt. So viel fehlt noch daran, dasz diejenigen, welche auf anderm Gebieten dank ihrer vielseitigen Bildung nicht Unbedeutendes leisten, nicht mit zäher Hartnäckigkeit dabei verharren wollten, diese Seuche im Schutz zu nehmen. Alles, was seinem Wesen untreu wird - um mich der hochweisen Worte des dreimal groszen Erasmus, dieser Zierde der Wissenschaft, zu bedienen -, entartet und wird weit schlechter, als wenn sein Wesen von vornherein mit schlechten Eigenschaften behaftet gewesen wäre. Du arglos glückliche Jugend, die du dich um die lateinische Sprache bemühst! Du bist deinem Lehrer Murmellius zu groszem Danke verpflichtet; er läszt sich deine Fortschritte in den Sprachen eifrigst angelegen sein; ihm ist es Tag und Nacht ein Gegenstand der Sorge und der Überlegung, was er für deinen Gebrauch als zweckdienlich erachten soll. Viele seiner von Gelehrsamkeit zeugenden Schriften bekunden dies, insonderheit aber dieses herrliche Büchlein, das da in sorgfältiger Auslege mannigfache Bezeichnungen für vielerlei Dinge, zierliche und feine Redensarten in nicht geringer Anzahl gewissermaszen als Musterbeispiele der lateinischen Sprache, Sittenlehren und allerlei Sprichwörter nebst deutscher Übersetzung darbietet. Dieses Werkchen, welches jüngst dank unserer Bemühung um mehr als elfhundert edle und allgemein gebräuchliche Wörter vermehrt und mit einigen andern nicht verächtlichen Zugaben ausgestattet worden ist, übergebe ich mit ausdrücklichen Worten dir, du studierende Jugend, die du bei deinen reichen Anlagen unserer Liebe gewisz bist. Lies dasselbe, lies es immer wieder, lies es mit Ausdauer von Anfang bis zu Ende: Du wirst deine Freude daran haben. Lebe in Gesundheit und wende deine Gedanken dem Sopher, der Deiner in Liebe gedenkt, in wechselseitiger Liebe stetig zu!
Freiburg, am 5. August, im Jahre des Herrn 1517. |
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