Horae Belgicae
(1968)–A.H. Hoffmann von Fallersleben– Auteursrechtelijk beschermdSpielleute.Die provenzalischen Spielleute heissen joglars. Ihr Hauptgeschäft bestand in Ausübung der Tonkunst; sie machten selbstständige Musik, oder, wie es häufig geschah, unterstützten unkundige Hofdichter mit Gesang und Spiel, trugen auch wol die Lieder vornchmer Troubadours vor; nebenbei trieben sie auch allerlei Gaukeleien und Possen: tanzten auf dem Seile, sprangen durch Reife, machten Kunststücke aller Art. Die Instrumente, deren sie sich am gewöhnlichsten bedienten, waren die Viole (ähnlich unserer Geige), Harfe und Cither; s. die Abbildungen dreier Spielleute mit diesen Instrumenten aus der Pariser Hs. 7225 in Diez, Die Poesie der Troubadours S. 41, woraus das Vorhergehende und Nachfolgende entlehut ist. Sie spielten auch noch andere Instrumente. Guiraut von Calanson verlangt, ein tüchtiger Spielmann müsse verstchen: Trommel, Castagnetten, | |
[pagina 191]
| |
Symphonie, Mandore, Monochord, Rote mit 17 Saiten, Geige, Psalterion, Sackpfeife, Leier, Pauke:
Taborciar c tauleiar
e far la semfonia brugir...
e sitolar e mandurcar...
manicorda una corda
e sedra, c' om vol ben auzir,
sonetz nota, e faitz la rota
a xvij. cordas garnir.
sapchas arpar e ben temprar
la gigua e'l sons esclarzir.
joglar leri del salteri
faras x. cordas estrangir.
ix. esturmens si be'ls aprens
ben poiras fol esferezir;
et estivas ab votz pivas
e las lyras fai retentir,
e del temple per issemple
fai totz los caseavels ordir.
Auch noch andere Instrumente waren im Gebrauch. So gedenkt Bertrant von Born der Trompeten, Hörner und Posaunen der Spielleute (trompas, cornes, grailles). Die altfranzösischen Menestrels (ministelli von ministerium, im Mittellatein Handwerk, Kunst) sind ganz gleich den provenzalischen Jongleurs, wie sie auch in älterer Zeit, z. B. im Roman von Brut um 1155, und später noch hinundwieder heissen; sie waren Spielleute, Possenreisser, Taschenspieler und Liebesboten in Einer Person (s. Diez S. 243). Die Instrumente, deren sie sich bedienten, hat Guillaume de Machault, ein Dichter des 14. Jahrh., am vollständigsten aufgezählt: mais qui véist après mangier
venir menestreux sans dangier,
pignez et mis en pure corps.
là furent meints divers acors,
car je vis là tout en un cerne:
| |
[pagina 192]
| |
viole, ruhebe, guiterne,
l'enmorache, le micamon,
citole et le psaltérion,
harpes, tabours, trompes, nacaires,
orgues, cornes plus de dix paires,
cornemuses, flajos et chevrettes,
douceines, simbales, clochettes,
tymbre, la flauste brehaingne
et le grand cornet d'Allemaingne,
flajos de saus, fistule, pipe,
muse d'Aussay, trompe petite,
buisines, èles, monocorde
où il n'a qu'une seule corde,
et muse de blet, tout ensamble;
et certainement il me samble
qu'oncques mais tele mélodie
ne fut oncques véue ne oye,
car chascuns d'cus selonc l'acort
de son instrument sans descort
viole, guiterne, citole,
harpe, trompe, corne, flajole,
pipe, souffle, muse, naquaire,
taboure, et quanque on puet faire,
de dois, de pennes et de l'archet,
ois et vis en ce parchet
- aus dem Gedichte: le tems pastour, in Roquefort, poésie franç. 105. 106, und daraus wiederholt in Hist. litt. de la France XVI, 274. 275. Roquefort hat S. 107-131 alle diese vielerlei Instrumente ausführlich zu erklären versucht, und fügt am Schlusse noch die Namen mehrerer anderen hinzu, nämlich chalumeau, araine, chifonie, chorum, clairon, estive, frestel, gigue, glais, graile, lyre, luth, loure, moinel, orloges, rote, simphans, triblère, tube, tympans. - Den Namen Menestrels führten aber nicht allein die Spielleute, sondern oft auch die erzählenden Dichter, die eigentlich Erzähler | |
[pagina 193]
| |
und Fabler (compteours et fableours.) hiessen; s. Diez, Die Poesie der Troub. 243. 244.
Die Kunstfertigkeit der provenzalischen und französischen Spielleute ging mitsamt ihrem Namen in die Niederlande über und die niederländischen menestrele und gokelaers des 14. und 15. Jahrh. erscheinen ziemlich gleich den Joglars und Menestrels sie sangen und machten Musik, Gaukeleien und Kunststücke aller Art an den Höfen der Fürsten und Edellente und bei allerlei feierlichen Gelegenheiten, bei geistlichen Processionen (v. Hasselt's Arnh. ondheden IV, 71.), bei Turnieren und Hofgelagen. Sie begleiteten auch das Heer in die Schlacht und bliesen zum Kampfe: Helu 5686. doen dat saghén die minstrere
dat die baniere ondersanc,
doen lieten si hare gheclanc
ende haer blasen metten bosinen.
Auch wurden sie zu häuslichen Festen hinzugezogen, die man selten ohne Spiel, Tanz und Gesang zu begehen pflegte. Bei diesen Gelegenheiten aber musste bald ihrem zudringlichen Wesen und ihren gewiss oft unverschämten Forderungen gesteuert werden: in der Hochzeitkeure von Ypern 1294 finden sich in dieser Beziehung folgende Bestimmungen (Warnkönig, Flandrische Staats - und Rechtsgesch. I, 1. Urkunden S. 182 ff.): §. 3. Et nus ne puet mangier as nueches ne hommes, ne femme, ne vallet ne meschine, ne menestreus, ne menestreile, sil ne paient leur escot ensi dit est sour x. lb. - §. 8. Item. Nus menestreus ne vienge plus avant faisant se menestraudie devant noeches ke al atrie sour lx. sols. - §. 19.... Et li menestreus ou li menestreile ki plus i venroit mangier ou boivre servit a. xx. s. - Maerlant versteht aber unter menestrele meist immer diejenigen, welche Schwänke und Romane (truffen ende boerden, favelen ende saghen) dichten und hersagen. Drum sagt er, wie er von König Artus spricht (Spieghel hist. II. Paertie 6. boec, Hs. Bl. 153. a.): | |
[pagina 194]
| |
ende al es van hem achterbleven
boerden vele die sijn bescreven
van menestrelen, van goliaerden,
die favelen visieren begaerden.
Er scheidet streng die clerke und menestrele (Spieghel hist. III, 91): dit en sijn niet clerke, maer menestrele
und vergleicht diese in seinem Bestiaris (s. die ganze Stelle in unseren Altd. Blättern I, 210. 211) mit dem Vogel Garrulus und glaubt, dass unter ihnen so viele heilig sind als man schwarze Schwäne finde: Garrulus die dinct mi vele
bedieden some menestrele,
die altoos sijn onghestade
ende callende vroe ende spade
velc boerden, vele loghen
ende conterfeten, dien si moghen,
bede ridders ende papen,
porters, vrouwen ende cnapen.
Vgl. auch Wapene Martijn 30. Strophe. Doch wenn auch die menestrele hinundwieder sich in das Gebiet der clerken, sprekersGa naar voetnoot*) und herauden wagten, so war doch ihr Hauptgeschäft Musik und Gesang und für solche Kunstleistungen ist gewiss auch nur verabreicht, was in alten Rechnungsbuchern als Ausgabe an die ministreels, magistreels, meystreels, mistreels gebucht wurde. Auch Maerlant selbst folgt diesem gewiss damals allgemeineren Sprachgebrauche: menestreel für Spielmann, er sagt im Sp. hist. II, 325 vom Kaiser Gajus: in dansen, in sanghe ende in spele
was hi gherne ende te vele,
| |
[pagina 195]
| |
ende so was hi in dier ghebare
oft een menestreel ware.
Die gewöhnlichen musikalischen Instrumente der Spielleute in den Niederlanden waren wol Geige und Harfe, doch wurden gewiss viele andere und die meisten der in Nordfrankreich üblichen ebenfalls gespielt, wenigstens waren sie bekannt. Ich will mich hier bloss auf die Dichter der älteren Zeit beschränken. Unser Dichter erwähnt schon viele (Seite 2): selc hoort gherne melodien
van orghelen, van fluten, van souterien,
in herpen, in vedelen, in rebebien,
in acaren, in luten ende in ghiternen.
Noch mehrere kommen vor in dem merkwürdigen Bruchstücke vom Trojanischen Kriege (Nieuwe werken van de maatschappij der nederl. Letterk. te Leiden I, 1. bl. 239) - es ist dort die Rede von einem wunderbaren Bilde: gheent beelde hadde ene crone
van goude ghemaect scone
met robinen van ghenen lichte
dat verclaert al sijn ansichte.
dat toghet menich snaerspel.
noint ne conste David so wel
herpen dat het ict gheleec
die note die dat beelde streec:
ghighen, herpen, sinphonien,
pleien, vedelen, armonien,
salterien, sunbees, tympanon,
monocorden, chore, licion,
twaelf instrumente van musike
lude gheeft beelde subtelike:
cume es der inglen sanc so scone,
noch luut daer hem die neghen trone
mede merghen onderlinghe
ne dochte niet so soete dinghe.
| |
[pagina 196]
| |
Hiezu noch folgende Stellen: Floris 3869. Jaer waren speelmannen vergadert vele
met menegher manieren van snaerspele:
vedelen, ghighen, herpen, roten
met soeten gheclanke ende met soeten noten.
Lodewijc van Velthem (Spieghel hist. bl.98): alle daghe, neghen daghe uut
was in die stat tmeeste gheluut
van trompen, vedelen ende tambusen,
sitolen, herpen: in allen husen
van der stat was sonderlinghe spel.
Reinaert (Willems 3494): men danste den hofdans bi manieren
met trompen ende met scalmeien.
Nun Einiges zur Erläuterung. acaren (29), Pauken, rom. nacaires, naquaires etc. Roquefort, Gloss. II, 223. 224. mlat. nacaria Adel. Gloss. IV, 796. armonie, wahrscheinlich ein Saiteninstrument, vgl. Hawkins, Hist. of Mus. II, 284. In einer alten Erzählung: les deux ménétriers (bei le Grand, Fabliaux I, 304), sagt der eine Minstrel: Ge sui juglere de viele;
ge sai de muse et de frestele,
et de harpe et de chiphonie,
de la gigue, del armonie,
et el salteire et en la rote.
ehoor, mlat. chorus, erklärt Joh. Gerson (er lebte zu Anf. des 15. Jahrh.) also (opp. III, 627): Chorus vocatur a nonnullis vulgaribus instrumentum quoddam instar trabis oblongum et vacuum, chordas habens grossiores multo plus quam cithara, duas aut tres, quae baculis erutis percussae varie variant rudem sonum - also ein Hackebrett mit zwei oder drei Saiten. flute (27), rom. sluste vom lat. fistula, Flöte. | |
[pagina 197]
| |
ghighe, mhd. gîge, ital. giga (Dante parad. 14, 118), Stock-geige. Roquef. erklärt das rom. gige, gigue gewiss ganz unrichtig durch sorte d'instrument à vent. Wie hier in der Stelle aus Floris vedelen und ghighen zusammen stehen, so auch im Lucidaire: et vieles et giges (Roquef. poésie franç. 112.). Jedenfalls war gighe ein Saiteninstrument oder snaerspel, wozu es auch Diederic van Assenede zählte. ghiterne (29), rom. guiterne, guinterne, Gitarre, deren es früher schon verschiedene Arten gab sowol in Betreff der Anzahl der Saiten als ihrer Stimmung. herpe (28), harpe, rom. harpe, mhd. harpfe, vom 10 - 15. Jahrh. eins der beliebtesten Instrumente, Roquef. poésie franç. 114-116. licion, mlat. licina, lichina, ein Blasinstrument von schmetterndem Klange wie eine Trompete, s. Adel. Gloss. IV, 406 voce Licina. Matth. Westmonast.: Tunc Rollandi cantu inchoato, vexillis erectis et evolutis, tubis cum licinis perstrepentibus. lute (29), mhd. lûte, rom. luth, mlat. lutana, lutina, Laute. monocorde, rom. auch mouscorde, monoschorde, mlat. monochordum, mhd. trumschît, ein uraltes sehr einfaches Instrument, es war nur mit Einer Saite bespannt, s. die Abbildungen in Gerbert de cantu et musica sacra II. Tab. 26, 1 und 2 und Tab. 34, 23. orghel (27), uralt, schon seit dem 8. Jahrh. im Abendlande, s. Gerbert das. II, 140 und eine Abbildung aus dem 13. Jahrh. auf Tab. 27. Im 12-14. Jahrh. gab es eine Art kleiner tragbarer Orgeln, sie wurden um den Leib befestigt, der Spielmann zog mit der Linken den Blasebalg und spielte mit der Rechten, s. Roquef. poésie franç. 120, vgl. Roman de la Rose 21292, und diese kleinen Tragorgeln, die mehr zu weltlicher Ergötzung dienten, sind auch wol hier (27) gemeint. pleie. Ackersdijck glaubt, es sei so viel wie rote, und das pleien in Stoke (III, 372), welches Huyd. nicht recht zu erklären wusste, weiter nichts als spelen op de pleie: | |
[pagina 198]
| |
dat die te voren ghinghen sereien,
si ghinghen nu singhen ende pleien,
entie te voren songhen hoghe,
de liepen de tranen nu int oghe.
Wahrscheinlich hängt pleie mit dem mlat. plaga zusammen, was sich wenigstens als musicalischer Kunstausdruck für gewisse Tonverhältnisse nachweisen lässt, s. Adel. Gloss. I, 492 voce Autentus. rebebie (28), rom. rebebe, rubebe, rebesbe, rebelle, rubelle, reberbe, rebec, mlat. rebeca, eine Art Geige, s. Roquef. Gloss. II, 440. poésie franç. 108 - 110. Dass es ein Streichinstrument war, erhellt aus Aimericus de Peyrato Abbas Moisacensis in vita Caroli M.: quidam rebecam arcuabant
muliebrem vocem consingentes,
s. Adel. Gloss. I, 623. voce Baudosa, vgl. auch Joh. Gerson bei Gerbert II, 154. rote, rom. rote, mhd. rotte (Schmeller, baier. Wb. III, 170), ahd. rotta, Leier, ein uraltes deutsches Saiteninstrument, Grimm Gr. III, 468. Sie war wie die alte lîra nach Notker's Abhdl. über die Musik (v.d. Hagen's Denkm. 25) mit 7 Saiten bezogen. Notker zu Ps. 91, 2: ‘Psalterium, rota, ist genus organi, ein slahta orginsangis so also seitspil ist, daz ruoret man mit handen.’ Am Schlusse der Sanctgaller Hs. von Notker's Psalmen steht folgende merkwürdige Notiz (bei Schilter p. 270): Sciendum est quod antiquum psalterium instrumentum dechachordum utique erat, in hac videlicet deltae literae figura multipliciter mystica. Sed postquam illud symphoniaci et ludicratores ut quidam ait ad suum opus traxerant, formam utique cius et figuram commoditati suae habilem fecerant et plures chordas annectentes et nomine barbarico rottam appellantes mysticam illam trinitatis formam transmutando. - Das lat. lyra wird im Ahd. oft durch rodda, rotta glossiert, z. B. Gloss. Gerb. 101. Jun. 315. | |
[pagina 199]
| |
scalmei, mhd. schalmîe, schalemîn, rom. chalumel, chalumeau, Schalmei, s. darüber Nicolai in der Berlin. Monatschr. XVII, 129-139. sinphonie, mlat. symphonia. Joh. Gerson (opp. III, 627): Symphoniam putant aliqui viellam vel rebecam, quae minor est. At vero rectius existimatur esse musicum tale instrumentum quale sibi vindicaverunt specialiter ipsi caeci. Haec sonum reddit, dum una manu revolvitur rota parvula thure linita, et per alteram applicatur ei cum certis clavibus chordula nervorum, prout in cithara, ubi pro diversitate tractuum rotae, varietas harmoniae dulcis amoenaque resultat - also eine Leier. sitole, rom. citole, citolle, ein sanfttönendes Saiteninstrument. Pet au Vilain um 1248: que le roi de France à celle erre
enveloppa si de paroles
plus douces que sons de citoles,
s. Roquef. poésie franç. 110. souterie (27), rom. salterie, psalterium, eine Cither mit 10 Saiten. Auctor Mamotrecti ad I. Paralip. cap. 17: Psalterium dicitur canora cythara decem chordarum coaptata, quae cum plectro percutitur. Vgl..Gerbert II, 153. sunbees, mhd. sumber (Schmeller, baier. Wb. III, 250), rom. tymbre (Roquef. poésie franç. 126), Trommel, Pauke. tambuus, wol gleichbedeutend mit tamboer, tamborijn, rom. tabour, tabor, tabur. trompe, so auch rom., mhd. trumbe, trumme, eine Art langer Trompeten. tympanon, Trommel. Roquef. poésie franç. 116. vedel, mhd. videle, ahd. fidula, rom. viole, viele, mlat. vitula, vidula, viella, viela, viola, unsere heutige Geige, violon. Das heutige frz. vièle, Leier, hiess früher rote. | |
[pagina 200]
| |
Wie in Bezug auf die musicalischen Instrumente die niederländischen Spielleute mit den französischen verwandt erscheinen, so sind sie es auch in noch anderer Beziehung. In derselben Zeit als Innungen und Zünfte aller Art in den Städten entstanden, suchten auch die Spielleute zu wechselseitiger Unterstützung in ihrem Gewerbe und zur Sicherung ihres Verdienstes sich zu verbinden. Zu Paris traten mehrere zu diesem Zweeke wahrscheinlich schon zu Ende des 13. Jahrh. zusammen, im J. 1321 (nach Depping, Réglemens sur les arts et métiers de Paris, réd. au 13. siècle p. LXXIX.) gab es bereits ein besonderes Statut des menestreus et jugleurs, worin auf ein früheres Bezug genommen wird, und seit dieser Zeit entstanden zu Paris immer wieder neue Verbindungen dieser Art, wenn die alten sich aufgelöst hatten; noch im J. 1401 erliess Karl VI. ein Bestätigungspatent für die Menestrels, joueurs des instrumens tant hauts comme bas, s. Forkel, Gesch. der Musik II, 750. Auch in den Niederlanden muss dies musicalische Zunftwesen bald Nachahmung gefunden haben. Die ministrele vereinten sich zu einer besonderen Gesellschaft, traten in die Dienste der Städte und Fürsten und nannten sich seitdem nach ihren Hauptinstrumenten pipers, trumpeners u.s.w. Im J. 1383 werden pipers der Stadt Arnheim erwähnt, 1386 des Herzogs von Geldern, 1420 der Stadt Dordrecht und 1383 trumpeners desselben Herzogs, s. van Hasselt's Arnhemsche oudheden IV, 73. 74. Wie viel an Jahrgehalt und Kleidern die Stadt Leiden ihren pipers und trompers im J. 1419 und 1420 gab, ist in einem Rechnungsbuche genau angegeben, s. Verhandelingen van de maatsch. der nederl. Letterk. te Leiden I, 217. 421. So sinden, wir auch frühzeitig in Deutschland die Spielleute ebenfalls ansässig und zünftig und meist im Dienste der Städte und Fürsten (s. Forkel II, 751), und die Stadtpfeifer und Stadttrompeter sind noch heute nicht ausgestorben. | |
Sprecher.Die sprekers waren Reimsprecher, die durch Hersagen gereimter Erzählungen, Sittensprüche und Lobreden an den Höfen | |
[pagina 201]
| |
der Fürsten und reicher Edelleute die Gesellschaft zu ergötzen pflegten. Sie führten wie die Spielleute meist ein unstetes Leben. Erst in später Zeit erscheinen sie oft im Solde der Fürsten und Vornehmen: darum heisst es denn auch ausdrücklick in einer Rechnung vom J. 1395 von zwei Sprechern, dass sie ohne Dienst-herren waren (twe sprekers die ghene heren en hadden, v. Wyn Avondst. I, 339). Das älteste urkundliche Beispiel von Besoldung ist vom J. 1337. Graf Willem IV. von Holland und Hennegau hefahl dem Bailjuw von Kennemerland und Friesland, jährlich an Willem van Delft den dichter ein Paar gefütterter Kleider und fünf Pfund holl. auszuzahlen; s. die Urkunde in Byvoegsels op Wagenaar IV. st. bl. 82. - Graf Albrecht von Baiern († 1404) und sein Sohn Willem VI. unterhielten an ihrem Hofe, wie es scheint, keine besoldeten Sprecher; wenn sich einer vor ihnen hören liess, so wurde er jedesmal besonders beschenkt. In den Rechnungsbüchern aus ihrer Regierungszeit sind unter der Rubrik: Pipers ende herauden, die einzelnen Geschenke, die für dergleichen Kunstleistungen verabreicht wurden, angegeben. Dem Herz. Albrecht wird 1391 een schilt (fac. 3 schell. 9 den.) in Rechnung gebracht für meester Willem den dichter und kurze Zeit danach zwei Gulden für meester Jan den dichter, s. van Wyn I, 333. dichter und spreker war wol ganz gleichbedeutend, dichter vielleicht ehrender; darum heisst es denn auch in den herzogl. geldrischen Rechnungen vom J. 1388: Item meester Willem den spreker aldaer ghegheven ij. gl., und nachher: meester Willem den dichter ende spreker tot Leiden ghegheven iij. gl., s. van Hasselt, Geld. Maaltijden 210. Wer dieser öfter vorkommende Willem wahrscheinlich war, ergiebt sich aus dem Folgenden. Im J. 1398 erhielt meester Willem van Hildegaertsberghe die spreker die voor minen here alrehande ghedichten gheseit hadde, zwei Henneg. Kronen te verdrinken und im J. 1400, weil er voor minen here ghesproken hadde, acht Gulden. Vielleicht ist dieser Willem derselbe Sprecher, der im J. 1399 voor minen here een sproke | |
[pagina 202]
| |
sprac van den vriescher reise und dafür eine alte Hennegausche Krone bekam, s. van Wyn I, 340. 341. - Die sprekers waren Leute von natürlichen Anlagen und mancherlei Kenntnissen, die in einfachen Reimen über viele Dinge, gewiss auch oft aus dem Stegreife, sich auszusprechen verstanden; an feiner Weltbildung, an wahrhaft poetischer Auffassung und Darstellung und an allem was man damals unter Gelehrsamkeit begrisf, fehlte es ihnen oft gänzlich. Wir können uns von ihrer Poesie einen ganz guten Begriff machen aus den Werken des eben genannten Willem v. H. (Horae belg. I, 88 - 90): in seinen sproken ist uns wahrscheinlich zugleich das Beste erhalten was die sprekers je leisteten. Unter sproken verstand man überhaupt kleine Erzählungen, besonders solche die belehrenden und erbaulichen Inhalts waren, dann aber auch Sittensprüche, und eben darum nennt Maerlant in seinem Spieghel hist. (vgl. van Wyn I, 339. Anm. a.) die spruchartigen Auszüge aus den griech. und röm. Schriftstellern, die er übersetzt mittheilt, sproken oder bloemen. Dergleichen sproken waren von kleinem Umfange und durften es auch wegen ihrer Bestimmung, der eigentlichen Kurzweil, nur sein. Durch dies Hauptgeschäft, dies sproken spreken sowie durch ihre persönliche Stellung in der Gesellschaft, unterscheiden sich die sprekers von den segghers und clerken. Die sprekers verstanden gewiss auch noch hinundwieder eine andere Kunst, welche jenen fremd war, die Wappenkunde. Hierauf führt mich die Ueberschrift: Pipers ende herauden, unter welcher sie in jenen alten Rechnungs büchern immer mitvorkommen; sie waren also, wie Suchenwirt (VII, 11) dergleichen Leute nennt, chnappen von den wappen, die von den wappen tichtens pslegen. - Aus allem diesem ergiebt sich eine auffallende Aehnlichkeit der sprekers mit den deutschen Sprechern (vgl. Oberlin Gloss. 1542 und Schmeller baier. Wb. III, 588) und Spruchdichtern des 14. Jahrh. (Teichner, Suchenwirt, Suchensinne; solche deutsche Sprecher waren auch die sich 1390 vor Albrecht hören liessen: einer aus Westphalen und zwei aus Heidelberg, die alle sprekers heis- | |
[pagina 203]
| |
sen, van Wyn I, 339), - und wie diese allmählig vor den nachherigen zünftigen Meistersängern verschwanden, so sehen wir auch in den Niederlanden mit dem Aufkommen der zunftartigen rederijkers, die sonst mit den Meistersängern nichts gemein haben, die sprekers verschwinden, und man verstand unter sprekers und sproocsprekers später nur die eigentlichen rederijkers, s.z. B. die Rechnungen der Stadt Middelburg vom J. 1450 und 1469 (Lambrechtsen bl. 138). - Schliesslich muss ich noch bemerken, dass Rein. 4255 die sprekers die haer tonghe verhuren, schwerlich auf die hier erwähnten Spruchsprecher bezogen werden kann; es ist dort die Rede von scout, schepen, rechters, und wird also wol soviel bedeuten wie das deutsche sprecher bei Haltaus: Schiedsmann. | |
Dichter.Die Dichter scheiden sich in zweierlei Arten, in clerke, die eigentlichen gelehrten Poeten, und in segghers, Sagenoder Aventürendichter. Die aus Nordfrankreich herübergekommenen Romane sowie die bereits in lateinischen Gedichten vorhandenen fremden oder durch mündliche Ueberlieferung fortge-pslanzten einheimischen Sagen hiessen saghen. Maerlant in der Alexandreis (Hor. belg. I, 48): goede jeesten ende saghen, im Sp. hist. van bere Wislan die saghe, s. Mone's Uebers. 35, im Sp. hist. II, 173: dapostelen daden tekine groot, miraeclen sule dat dies ghenoot noit wart ghehoort in ghene saghe; ferner im Sp. hist. valsche saghen (Hor. belg. I, 49), gheveinsde saghe (Hor. belg. I, 28); und die Dichter die solche diehteten, nannten sich und hiessen segghers. Im 442. Verse des merkwürdigen Bruchstücks vom Troj. Kriege (Nieuwe werken van de maatsch. der nederl. Letterk. te Leiden I, 1, 201 - 286) heisst es: dat seit Daris diet romans bescreef.
hoort hier voort daert seger liet
ende hi van der jeesten schiet
| |
[pagina 204]
| |
und bei Maerlant, Sp. hist. I, 110: (Beiläusig bemerke ich, dass weder in dem daert seger liet noch in dem seghere diere god gaf maectere sint toe der Name eines Dichters, wie Mone, Uebersicht 81 will, liegen kann; jenes heisst: daer het de seggher liet, und dieses: segghere die daer god gaf maecten [also Mehrzahl] daer sint toe.) Der Name war alt und wurde im 14. Jahrh. zuweilen auch den sprekern gegeben, s. Beispiele aus alten gräfl. Rechnungen von 1347. 1364. 1365 in de Jonge, Hoeksche en Kabeljaauwsche twisten 24. Ein solcher seggher war auch Jacop van Maerlant in seiner Jugend gewesen; er hatte vor dem Jahre 1270 nach dem Lat. des Waltherus de Castellione die Alexandreis und wahrscheinlich nach dem Romanischen des Benoît de Sainte-More den Trojanischen Krieg gedichtet. Später aber, nachdem ihm das Geschichtlich-Wahre, das Belehrende und Erbauliche nur als echte und einzige Poesie erschien, verachtete und hasste er jede andere Richtung in der Poesie, so dass er im Sp. hist. selbst seinem eigenen Werke vorwirft, es sei nicht frei von Lügen (Hor. belg. I, 28): alse u die boec hier na ontbint,
daer ghi vraije jeeste in vint,
die ic dichte hier te voren
also alse mense vint in auctoren;
mer daer sijn favelen toe ghesleghen
dier ic hier niet en wille pleghen.
und in der Rijmb. sogar Gott bittet, er möge ihm vergeben, dass er sich mit Lügen (jenen Jugendgedichten) verunreiniget habe: vergheve dat ic mi besmet
hebbe in loghenliken dinghen.
| |
[pagina 205]
| |
Sein Hass gegen Dichtungen dieser Art zeigt sich in allen seinen späteren Schriften; er ging darin so weit, dass er ein eigenes Capittel (das 29.) dem 1. Buche der IV. Partie seines Sp. hist. einverleibte unter der Ueberschrift: tSchelden teghen die boerders. Alle Dichtungen der Sagendichter sind ihm Geschwätz, Possen und Lügenwerk; er sagt, dass sie die Geschichte morden mit schönen Reimen und schöner Sprache: hier moet ic den boerders antwoorden,
die vraije ystorien vermoorden
met sconen rime, met scoonre tale.
Auch die favelen, Thiersagen finden vor ihm keine Gnade: Reinaert gilt ihm nicht mehr als Artuur, beide sind ihm nur boerden (Rijmb. Hor. belg. I, 21), und saghe, favele, favelie, boerde, truffe, faloerde, loghen, alle diese Worte gebraucht er beliebig, wenn er die Werke der segghers, boerders oder menestrele - (worunter er gewöhnlich nur die boerders versteht, s. vorher; darum heisst es auch am Schlusse jenes Capittels: hier laet ict, want het es te vele
dat schelden uptie menestrele) -
als albernes, dummes Zeug, Lug und Trug bezeichnen will. Solche Ansicht mochte auch bei Maerlants gleichgesinnten dichtenden Zeitgenossen vorherrschen und wurde durch seine späteren Verehrer und Anhänger festgehalten. Wenn ein Dichter dieser Art von irgend etwas Wahrem oder urkundlich Begründetem sprach, so fügte er noch ein sonder saghe hinzu (was übrigens bei Maerlant oft weiter nichts ist als eins von seinen vielen beliebten Flickwörtern, z. B. Sp. hist. I, 259. III, 80): Stoke III, Vers 1597: ende bleef doot al sonder saghe;
oder ein sonder favele: Stoke I, Vers 12. 13: in Latine, in vraier orconde,
sonder favele, sonder lieghen.
Diese Betheuerung der Wahrheit, sonder saghe, wird auch noch auf andere Weise gegeben: | |
[pagina 206]
| |
Der Vorredner zu Jan van Helu (Willems bl. 334): dat en sijn saghen no drome;
und in der Historien bloeme: dat no truffe no saghe en es.
Das Wort saghe, besonders in der Redensart sonder saghe, muss schon sehr srüh in der Bedeutung: unwahre Erzählung, Lüge, ziemlich gäng und gebe gewesen sein; es findet sich bereits im Reinaert 1086, Elegast 452 (Hor. belg. IV, 58) und Lantsl. ende Sandr. 833. Eben darum ging denn das alte saghe in seiner ursprünglichen Bedeutung allmählich verloren und die saghendichters nannten sich später wie die clerke, dichters und ihre Dichtungen aventure, jeeste, oder auch wol historie: Floris 1. 2:
Nu hoort na mi, ic sal beghinnen
ene aventure tellen van minnen.
85:
daer ic af telle daventure.
246:
daer ghi daventure af selt horen.
Reinaert 31:
dese aventure van Reinaerde.
Ferguut 9:
bedi als ic hebbe horen saghen
ende davonturen ondervraghen.
Walewein 1:
Van den coninc Arture
es bleven meneghe avonture.
Oghier 1:
Men leset menich avonture
van den edelen coninc Arture.
Troj. oorl. (ed. Blomm.) 5:
maer diet romans maecte ende bescreef
hi vergat, in weet hoet bleef,
een deel der bester aventuren.
Lanceloot 8:
hier voren hebbie u verplecht
van vele scoonre avonturen;
maer wildi voort int lesen duren,
ghi sult hier horen scone die jeesten
bede van vrouwen ende van feesten,
van ridderscape grote daet,
van selsienheden menich baraet.
| |
[pagina 207]
| |
Walewein a. E.:
hine was (Penninc) niet wel bedocht,
hine hadde jeeste ten ende brocht.
Elegast 1:
Een vraie historie ende al waer
mach ic u tellen, hoorter naer.
Malaghijs:
Beghinnen willic in godes name
een historie uten walschen.
Wie sich in Nordfrankreich die Dichter der grösseren Romane Meister und Gelehrte nannten (maistres, clercs, s. Hor. belg. I, 23. Diez, Poesie der Troub. 142) und sich von allen übrigen Dichtern schieden, so sehen wir dagegen in den Niederlanden, dass sich den Titel: Gelehrte oder Dichter (clerke, dichters) nur jene Poeten beilegten, welche Latein verstanden (darum auch clergic leren nur so viel heisst als Latijn leren, vgl. Huyd. op Stoke II, 550), in der Bibel d.h. der Vulgata bewandert waren und denen man gelehrte Kenntnisse aller Art zutraute, besonders Kenntniss der Geschichte: Maerl. Rijmb. die clerke sijn ende historien kinnen. Ihre Gedichte sind aber nicht, wie die der franz. clercs, grössere Romane, zu deren Abfassung allerdings eine gewisse Gelehrsamkeit erforderlich war, sondern nur biblische, ascetische, didactische und historische Reimwerke, also Poesien ganz ernster Art, die nur insofern ergötzen sollen als sie wirklich den Menschen erbauen und belchren. Darum trennt auch Maerlant die clerke von den menestrelen (s. vorher): dit en sijn niet clerke, maer menestrele,
und Jan de Decker überhaunt von den Laien, Lekensp. III, 19. 1-3: om dat leke van allen saken
rime ende dicht willen maken
ghelijc clerken dat wonder es -
Ein solcher clerc war J.v. Maerlant; seine Ansicht von Poesie und seine poetischen Tendenzen sind hinlänglich bekannt. Er galt für den grössten Dichter, Lekensp. (Hor. belg. I, 26): want hi es thooft wildijt weten
van allen dietschen poeten,
| |
[pagina 208]
| |
oder, wie Decker ihn an einer andern Stelle nennt die vader der dietscher dichter.
Kein Wunder also, dass man aus ihm wieder sür die Theorie den Begriff eines wahren Dichters ableitete. Jan de Decker (er starb 1351, s. die neuen Untersuchungen über ihn von Willems in seinem Belg. Museum I, 340-343) hat in einem eigenen Abschnitte, dem 17. Capittel des III. Baches seines Lekenspieghels, den er 1326-30 schrieb, entwickelt: hoe dichteren dichten selen ende wat si hantieren selen. Nach seiner Ansicht gehören drei Dinge zu einem ordentlichen Dichter: er muss ein Grammaticus, muss wahrhaft und ehrsam sein: drie pointen horen toe
elken dichtre, ic segghe u hoe:
hi moet sijn een gramarijn,
warachtich moet hi ooc sijn
eersaem van levene mede:
so mach hi houden dichters sede.
Wer also die Grammatik nicht versteht: die des niet en weet, sijts ghewes
dat hi gheen goet dichtere en es
noch dichtere mach sijn,
es hi walsc, dietse of latijn.
Er soll wahrhaft sein, zuerst in Betreff aller geschichtlichen Ereignisse - also es nicht machen wie die logheneren die valsche materien viseren und Lügen in die Geschichte, z. B. von Karl d.G. gebracht hätten. Fabeln aber wie die von Aesopus und Avianus lässt er gelten, so auch den Reinaert, weil es darin nur auf Belehrung abgesehen sei: ende meneghe ander rime
alse van Reinaerde ende Isegrime,
Brunen den bere ende den das.
dat dese dinc vonden was
was al om lere ende wijsheit;
habe doch auch Christus selbst in Parabeln gesprochen. Doch mochten ihm die Worte Maerlants (Hor. belg. I, 21) einfallen: | |
[pagina 209]
| |
no Reinaerts no Artuurs boerden
und er sügt gleich hinzu: men mach ooc, dat ghi wel wet,
een boerdekijn vertrecken met,
al eist dat nie en gheschiede.
daer omme lachen die liede
op dat en es niemens lachter.
nochtan so bleeft bet achter,
want wi van allen idelen woorden
ten oordele selen antwoorden.
dus en sal men lieghen niet
in historien wats gheschiet.
Der Dichter soll zweitens wahrhaft sein in Betreff der Bibel, des Lebens der Heiligen und aller Satzungen der Kirche: ende van wat ter heilegher kerken hoort. Endlich soll er eersacm, tugendhaft sein: hets den lerare lelic sere
dat hi selve niet en hanteert
doocht die hi enen anderen leert.
Man sollte es kaum glauben, dass Jan de Decker, der im Ganzen so unpoetisch über die Poesie spricht, doch noch zuletzt in Begeisterung geräth: Nu wil ic u segghen ter vaerde,
welc dichters sijn van aerde.
selc es die dicht van minnen
om dat hi wille sijn lief ghewinnen.
selc dicht ooc openbare
om dat hi gheerne namecont ware.
selc dicht ooc om gheniet.
maer dit dichten en es niet
van naturen gheboren in,
want si dichten om ghewin
sonder der naturen beheet.
een rechte dichtere, god weet,
al waer hi in enen woude,
| |
[pagina 210]
| |
daer hi nemmermeer en soude
van dichtene hebben danc,
nochtan soude hi harde onlanc
sonder dichten daer gheduren,
want het hoort tsiere naturen,
hine mocht laten al wilde hi.
dichten moet uut herten vri
comen ende uut claren sinne,
daer god behoude inne
elken dichtre die waerheit mint!
hier met es dit dicht gheint.
Die clerke gewannen mehr und mehr die Oberhand, ihre Gedichte wurden am meisten gelesen und, was für jene Zeit noch mehr sagen will, am meisten abgeschrieben; sie galten bis zum Ende des 14. Jahrh. sür Muster und fanden häufige Nachahmer; und so wurde, nachdem die Romane und alle ähnlichen Dichtungen in Verachtung und Vergessenheit gerathen waren, jene ernste und trockene Reimerei herbeigeführt, die endlich in den Kammern der Rederijkers des 15. und 16. Jahrh. zu ihrer höchsten Blüthe gelangte, zu einer Blüthe die aber weder glänzte noch duftete. | |
Bederijkers.Die Kammern der Rederijkers sind oft ein Gegenstand gelehrter Forschung gewesen. Die umfassendste Abhandlung darüber ist die von Willem Kops: Schets eener geschiedenis der Rederijkeren in den Werken van de maatsch. der nederl. Letterk. te Leiden II. deel (1774. 4.) bl. 212-251. Hieraus und aus van Wyn, Avondst. I, 299. 346-354. hat Jac. Grimm (Ueber den altdeutschen Meistergesang 156-160) die Ergebnisse zusammengestellt und das Verhältniss der R. zu den deutschen Meistersängern darzuthun gesucht. Recherches historiques sur les chambres de Rhétoriques des Pays-Bas par G.J. Gerard liegen handschriftlich in der kön. Bibliothek im Haag. In neuerer Zeit ist | |
[pagina 211]
| |
dann noch Mancherlei über die Kammern einzelner Städte erschienen, z. B. über Antwerpen: Geschiedkundige aenteekening aengaende de S. Lucas Gilde en de Rederijkkamers, gezegt van den Olyf - tak, de Violieren en de Goudbloem, door Joseph van Eertborn. Antw. (1806) 8. kenne ich nur aus Mone's Uebersicht 13. - P. Visschers, een woord over de Rhetorykkamers in Willems, Belg. Museum I, 137-146 und des letzteren chronologische lyst van oorkonden, de kamers van Rhetorica te Antwerpen betreffende das. I, 147-171; über Dixmude: Ch. Robaeys in den Nederduitsche Letteroefeningen (Gent 1834) bl. 116-123; über Löwen von Serrure daselbst bl. 240-263; über Middelburg: N.C. Lambrechtsen van Ritthem in den Verhandelingen van de maatsch. der nederl. Letterk. te Leiden III. deel 1. st. bl. 117-175. Der Gegenstand ist zwar immer noch nicht erschöpft; ich glaube jedoch nicht, dass sich neue Zeugnisse auffinden werden, wodurch das was wir bis jetzt über Ursprung, Einrichtung und Bestrebungen der Kammern der R. wissen, wesentliche Aenderung erleidet. In Frankreich oder vielmehr in Paris, denn das ist in der Regel Frankreich, gab es zu Ende des 14. Jahrh. Gesellschaften, welche sich und das Volk durch dramatische Darstellungen zu ergötzen strebten. Wie diese Gesellschaften: les clercs de la Basoche, la confrairie de la passion, les enfans sans souci, beschaffen waren, lernen wir aus ihren Versassungen, die noch unter Karl VI. bestätigt wurden, und aus ihren mancherlei Bestrebungen, und wir lernen zugleich, dass eine so grosse Uebereinstimmung zwischen ihnen und den Kammern der R. stattfindet, dass uns diese nur als eine Nachahmung jener Gesellschaften erscheinen können. Wann aber eine solche Nachahmung stattfand, ward bis jetzt noch nicht ermittelt. Ganz aus der Luft gegriffen ist das Bestchen einer Rederijkkammer zu Diest im J. 1302; ja ich glaube sogar, es fehlt durchaus an urkundlichen Beweisen, dass Kammern im späteren Sinne des Worts bereits 1394 zu Dixmuden, 1400 zu Antwerpen (die Violieren) | |
[pagina 212]
| |
und 1427 zu Kortrijk bestanden haben. Um's Jahr 1430 lassen sich aber wol schon Kammern sicher nachweisen. Die poetischen Bestrebungen der Kammern der R. beschränkten sich in der frühesten Zeit und das ganze 15. Jahrh. hindurch lediglich auf das Aufführen von Schauspielen ernsten und heitern Inhalts. Jene hiessen moralisatien, spelen van sinne (Mone's Uebers. 354 sf.), sinnespelen, die anderen esbattementen, battementen, cluchten, auch wol cluiten, sotte cluiten. Jede Kammer hatte ihren besonderen Namen und ihr besonderes blasoen, Wappen nebst Sinnspruch. Die Mitglieder selbst nannten sich anfangs retrosyn, rhetoryker und im 16. und 17. Jahrh. rederijker. Sie schieden sich in camerbroeders und hoofden, die letzteren waren die eigentlichen Beamten und hiessen nach ihren Würden und Dienstleistungen keiser, prins, factor, deken, vinder; später gab es auch einen fiscael und einen vaendrager. Sie hielten ihre bestimmten Zusammenkünfte. Ihre poetischen Wettkämpfe (intreden) und sonstigen Aufzüge wurden mit vieler Förmlichkeit und grossem Gepränge begangen, besonders die sogenannten landjuweelen, die man in den Städten hielt, minder glänzend waren die auf dem Lande angestellten, die haechspelen und dorpspelen. Silberne Schalen und Kannen pslegten früher der Siegespreis zu sein. An die Stelle der Schauspiele traten später die refereinen (Mone's Uebers. 26. 253-257) und andere Dichtarten, meist didactischen Inhalts. Noch jetzt bestehen in Belgien mehrere Kammern der R., welche poetische Preisfragen aufgeben und Wettstreite halten, auch wol Schauspiele aufführen. Ich selbst sah eines Tages zu Gent die dortigen Fonteinisten zu einem poetischen Wettkampfe ziehen, in sestlichem Gepränge, voran eine grosse Musikbande, dann Fahnenträger, bunte Trommelschläger, und hinterdrein die Rederijker. Es war Nachmittag und der Wettstreit dauerte bis um Mitternacht zwei Uhr - ein merkwürdiger Eifer! der aber weiter nichts bedeutet. Dieselben Leute, die hier zur Ehre und Beförderung ihrer Muttersprache kämpfen, | |
[pagina 213]
| |
schämen sich einige Stunden später, in anständiger Gesellschaft vlaemsch zu sprechen. | |
Trinken.30: selc gheet drinken in tavernen al den dach metten ghesellen.
Die Trinklust haben die Niederländer mit allen deutschen Völkern gemein. Es gab alle Jahrhunderte hindurch, zumal in Flandern und Brabant im Volke manchen man die gherne dranc, wie er in einem alten Gedichte der Hulth. Hs. (s. Mone's Uebers. 137) geschildert wird: Dits van den man die harde gherne
tilic was in de taverne,
ende langhe duurde ende hoghe dranc
alse hem die tijt waërt te lanc,
der gewiss ernstlich meinte was ihm der Dichter am Schlusse in den Mund legt: ic hadde liever te schedene van minen wive
dan drinkhuus tonberene te minen live.
Wer die heutigen Belgier gesehen hat, wie sie in und vor den Bierhäusern festsitzen, glaubt sich in die Zeiten unserer sotternien versetzt: alles wie sonst, dasselbe Bier, dieselbe Lust dazu, nur die Häuser und das Geld haben ihren Namen (estaminets, francs, centimes) und die Menschen meist ihre Sprache verändert. Auch noch heute gehen wie damals die Weiber mitunter zu Biere, und die alte Brüsseler Ordonn. vom J. 1342 (in Willems, Belg. Museum I, 251), wenn man sie je heutiges Tages erneuen könnte, würde gewiss manchmal übertreten werden; sie verbietet bei 20 Schilling Strafe und bei Verlust des Oberkleides dat en gheen wijf in taverne niet drinken en sal gaen. Viele Sitten und Gebräuche hat man von den Franzosen angenommen, im Trinken ist man deutsch geblieben; diesen Zug uralter Stammesverwandtschaft bezeugen alle Jahrhunderte hindurch | |
[pagina 214]
| |
fremde und einheimische Schriftsteller - ich beschränke mich nur auf das 16. Jahrh. Meyeri slandricarum rerum (1531) T. IX: Cervisiam ubique largiter potant, partim domesticam, partim ex Hollandia, Germania, Anglia advectam. Ebrietatem (proh dolor) leve ducunt vitium. Gladiis praesertim agrestes hastisque instructi, ad cauponas commeant, rixantur nonnunquam inter pocula ac caedes invicem faciunt. L. Guieciardini, Descrittione di tutti i paesi bassi (ed. 1581) p. 43: Hanno poi per la maggior' parte quel' vitio del ber' troppo, di che essi prendono estremo diletto, et pero sovente di di et di notte beono tanto, che oltre ad altri gravi disordini, che ne nascono, fa loro in molti modi gravissimo danno al corpo cet. et loro medesimi il conoscono, lo confessano, et se ne riprendono, non ostante cio per la cattiva consuetudine non se ne sanno o non se ne possono astenere. Zum Trinken gab es viele Anlässe und Gelegenheiten auch ausser den gewöhnlichen Festtagen und Kirmessen. Zur Unterhaltung, besonders aber zum Trinken waren z. B. auch die sogenannten labbaien, quanselbier, spinningen, splijtingen, swingelingen (vgl. die deutschen Spinnstuben und Swengelköste) bestimmt, Zusammenkünfte junger Gesellen und Mädchen in den Wirthshäusern, welche oftmals und noch 1697 und 1700 durch die geistlichen Behörden verboten wurden, s. Willems, Belg. Museum I, 316-318. Vielleicht hatten auch die Gilden ihre eigenen Trinkgelage, doch sinde ich kein Wort was auf etwas den deutschen Trinkstuben Aehnliches (Wilda, Das Gildenwesen im Mittelalter 209, vgl. Schmeller, baier. Wb. I, 495) führte. Dieser wichtige Gegenstand der Sittengeschichte verdiente wol einmal umfassend und gründlich dargestellt zu werden. Ein auch in Deutschland bekanntes Buch: Nederlands displegtigheden door K. van Alkemade en P. van der Schelling 1-3. deel. Rotterd. 1732-35. 8., ist ein nüchternes moralisches Geschwätz, worin manches über Trinken und Trunkenheit bei allen Völkern der Welt zusammengerafft ist, auf die Niederlande aber am wenigsten Bezug genommen wird. | |
[pagina 215]
| |
32. somtijts drinken si op die belle, nach Willems: zuweilen trinken sie dass sie für statkint, pro prodigo erklärt werden müssen; Kil. iemanden bellen .i. statkint maken, prodigentiae condemnare. Dies geschieht nämlich, ich glaube noch, durch einen Gerichtsdiener, der in den Strassen mit einer Glocke läutet und dann das gerichtliche Erkenntniss über den Prodigus kundthut. An die drabclocke oder achterste clocke ist hier wol nicht zu denken? Wenn diese läutete, durften die Gastwirthe kein Getränk mehr verabreichen (Brüss. Ordonn. von 1342. 1348): so war es auch in den deutschen und ital. Städten im Mittelalter, s. Hüllmann, Städtewesen IV, 16. 17. Diese Glocke hiess deshalb gewöhnlich die Trinkglocke, auch wol in südlichen Ländern die Wein-, in nördlichen die Bierglocke. | |
Narren.15. selc houden sotte daer si met folen, einige halten Narren, mit denen sie Narrenspossen treiben. Auch die Niederlande liefern gewiss Beiträge in Menge zu einer Geschichte der Narren und des Narrenwesens. Diese merkwürdige Seite des Mittelalters ist bis jetzt immer noch zu wenig beachtet; was wir darüber haben, beschränkt sich so ziemlich auf die beiden Werke Flögel's: Geschichte der Hofnarren. Liegnitz 1789. 8. und Geschichte des Groteskekomischen. das. 1788. 8. In beiden sind die Niederlande beinahe ganz leer ausgegangen, und doch hat Flögel für seine Zeit und nach seinen geringen Hülfsmitteln viel geleistet. - Auch hier hatten die Fürsten und reichen Edellcute ihre Narren, s. Beispiele aus dem 14. und 15. Jahrh. in van Hasselt's Geld. maalt. 213. 215. 218, ja sogar die Städte, wenigstens zu Anfange des 16. Jahrh., unterhielten Narren, denen sie ein Jahrgehalt und Kleidung gaben, s. Matthaeus de nobil. 1134 und v. Hasselt, Geld. maalt. 228. Die niederländischen Narren kommen unter verschiedenen Benennun- | |
[pagina 216]
| |
gen vor: ghec, sot, narre, polle, dwaes, door, sottebol, guich, dwaep, dweep und heissen in Bezug auf das Possenreissen auch wol boetser, boetsenmaker, beuseler, guite, beiteler, buiteler, faterer, scharluin, scherluin, schobbe, schuiver, schruive, schudde, manche dieser letzten Benennungen gehören zwar nach Kiliaen nur einzelnen Gegenden an. |
|