Zusammenfassung
Im Mittelalter war die Komputistik (Chronologie, Zeitrechnungskunde) immer ein wichtiges Fach, weil sie nötig war zum richtigen Errechnen des Ostertages und der davon abhängigen Festtage, was eine der Aufgaben des Priesters war. In der Einleitung wird die Entwicklung der wissenschaftlichen Chronologie skizziert, um den historischen Rahmen des hier herausgegebenen Textes zu geben. Auch wird besprochen, wie diese Wissenschaft von der Geistlichkeit in der Praxis des Alltags gehandhabt wurde.
In einem Kapitel über die spätmittelalterliche Lateinschule wird dargelegt, daß es vor allem diese Schulen waren, an denen die Geistlichen gebildet wurden, die die von der wissenschaflichen Chronologie gelieferte Theorie in der Praxis anzuwenden hatten. Es ist aber nur wenig bekannt über den tatsächlichen Unterricht an diesen Schulen, vor allem insoweit es die Fächer des Quadriviums betrifft.
Der hier herausgegebene Text ist ein Schulbuch, geschrieben um den schwierigen Gegenstand für den Unterricht faßlich darzustellen. Der Verfasser hat, wie aus mehreren Textstellen hervorgeht, in Kampen in 1436 (am Ende des Mittelalters, nicht lange ehe die Druckkunst diese Wissenschaft für die tägliche Praxis überflüssig machte) die Theorie aus den ihm zugänglichen Quellen zu einem handlichen Lehrbuch kompiliert und kommentiert. Er ist damit der einzige bekannte komputistische Autor der Niederlande.
Dieser Verfasser, Jacobus von Kampen (oder von Hattem), ist uns nur durch dieses Werk bekannt. Weiter weiß man von ihm nur, daß er in Paris studiert hat und später in Zwolle und Kampen Schulmeister war. Sein weiteres Leben liegt noch im Dunkel; es ist nicht unmöglich, daß seine Spuren im späteren 15. Jahrhundert in Deutschland zu finden sind.
Für sein Werk benutzte Jacobus hauptsächlich die damals gängigen Quellen: den Computus chirometralis des Johannes von Erfurt (um 1330), den Computus eccle- siasticus des Johannes von Sacrobosco (kurz nach 1200) und die Massa compoti des Alexander von Villadei (um 1200). Er fügt aber auch selbst Neues hinzu, um seinen Lehrlingen den Stoff möglichst klar darzubieten. Durch das Abzählen auswendig gelernter Merkverse auf den Fingergliedern, unterstützt von Kreisdiagrammen, sollen sie allerhand Daten kombinieren und die nötigen Berechnungen vollziehen.
Jacobus hat sein Werk, nach dem Beispiel des Computus chirometralis, in zwei Teile geteilt: der erste behandelt die angewandte Chronologie, der zweite mehr astronomische Gegenstände. Im ersten Teil behandelt er Sonnen- und Mond-