Voortgang. Jaargang 22
(2004)– [tijdschrift] Voortgang– Auteursrechtelijk beschermd
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Jakov Bruces Übersetzung von William Sewels Nederduytsche spraakkonst ins Russische
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1. EinleitungIn dem vorliegenden Artikel werden die Entstehungsgeschichte der Übersetzung der Sewelschen Grammatik geschildert, die Abweichungen zum Original diskutiert, sowie versucht, die Frage nach den möglichen Quellen der von Bruce benutzten russischen grammatischen Terminologie zu beantworten. Die niederländische Grammatik von 1712 war eine der ersten Fremdsprachengrammatiken, die auf Russisch verfaßt wurden. Der Übersetzung der Grammatik Sewels wurde in der Forschungsliteratur allerdings wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Bisher fehlte eine detaillierte Untersuchung dieser Übersetzung. Man findet nur verstreute Erwähnungen die Übersetzung von Sewels Grammatik in den Artikeln von E.È. Babaeva und N.N. Zapol'skaja (1993), E.E. Birñakova (1980), H.H. van den Baar (1968), Ju.K. Jakimovi (1985), H. Keipert (1987, 1995). Jakov Vilimovi Bruce (1670-1735) wurde als Sohn des 1647 in russische Dienste getretenen schottischen Adligen William Bruce in Moskau geboren. Bruce war dem Zarenhof eng verbunden, hield ständig Verbindung zum Zaren Peter I. und wurde bereits 1700 zum Generalmajor der Artillerie ernannt. Er war ein vielseitig interessierter Gelehrter, mit dem auch G.W. Leibniz und L. Euler Briefe austauschten, und arbeitete als Naturwissenschaftler, Wissenschaftsorganisator und Übersetzer. | |||||||||||||||||||||||||||||
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2. Die Entstehung der russischen ÜbersetzungNicht nur zufällig beauftragte ihn Peter I (1672-1725) mit der Übersetzung der zweiten Auflage der Nederduytsche spraakkonst (Amsterdam 1712) und der Abfassung verschiedener Lexika. Peter I. benötigte eine niederländische Grammatik und entsprechende Wörterbücher für seine im Jahre 1717 bevorstehende Reise in die Niederlande. Die Niederlande, der damals reichste Staat Europas, war für Peter den Großen immer von besonderem Interesse. Sein erster Aufenthalt in den Niederlanden fand von 1697 bis 1698 statt, als er an der ‘Großen Gesandtschaft’ teilnahm, deren erklärtes Ziel es war, eine starke Koalition gegen die Türken zustande zu bringen. Auch Bruce begleitete Peter I. während dieser ersten Reise in die Niederlande.Ga naar eind1 Peter I. war der erste Zar, der von seinen Untertanen erwartete, dass sie Fremdsprachen erlernten und es teilweise durch eine direkte Order durchsetzte. Diesbezüglich schreibt Koch (2002: 93): Das Übersetzungswesen voranzubringen war Peter I. ein besonderes Anliegen, um das er sich persönlich kümmerte, da es ein schnell wirksames Mittel zur Verbreitung von Kenntnissen aller Wissenszweige war. Der Zar schuf Voraussetzungen für die Ausbildung qualifizierter Übersetzer, für die er die erste Fremdsprachenschule in Moskau einrichten ließ, mahnte stets zur Eile und überwachte persönlich die Korrektheit der Übersetzungen - insbesondere bei den Übersetzungen aus dem Niederländischen und Deutschen, den Sprachen, die er selber beherrschte. In den Jahren 1716 bis 1717 meldete Bruce regelmäßig dem Zaren, wie er in der Abfassung der Übersetzung fortschreite (cf. van den Baar 1968: 128). In einem Brief an den Zaren gibt er selbstkritisch zu, dass er nur über mangelhafte Kenntnisse des Niederländischen verfüge, die Übersetzung der Sewelschen Grammatik jedoch ein weitergehendes, tiefergehendes Wissen erfordere. Dennoch setze er seine ganze Kraft für die Arbeit ein, wobei er auch auf die Hilfe von Muttersprachlern zurückgreife (Pekarskij 1862: 298). Ein Herr Hamilton, Übersetzer in der Admiralität, diente Bruce zusätzlich als Helfer (Pekarskij 1862: 301). Bruce stand vor einer nicht einfachen Aufgabe. Die Rossijskaja grammatika (1757) von Michail Lomonosov (1711-1765) war noch nicht erschienen und ihr wird das entscheidende Verdienst an der Systematisierung der grammatischen Begriffe und in der Folge der sie bezeichneten Termini zugeschrieben. Die aus der kirchenslavischen Grammatiktradition überlieferte Terminologie wird von Lomonosov mit dem grammatischen System des Russischen in Übereinstimmung gebracht. Anfang des 18. Jahrhunderts, d.h. vor der Veröffentlichung von Lomonosovs Grammatik, erscheinen nur sehr wenige und nicht sehr verbreitete auf | |||||||||||||||||||||||||||||
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russisch (kirchenslavisch) verfaßte Grammatiken, ‘deren terminologische Systeme nach Umfang und Differenziertheit der Rossijskaja grammatika kaum nachstehen, vielleicht sogar in mancher Hinsicht überlegen sind’ (Keipert 1987: 235). Die meisten davon wurden aber erst nach Erscheinen der Bruceschen Übersetztung gedruckt. Es ist nicht auszuschließen, dass Lomonosov ebenfalls russische Fremdsprachengrammatiken benutzt hat. Faulhaber (1990: 19) bemerkt hierzu: Terminologiegeschichtliche Untersuchungen beschränken sich bislang auf das System der grammatischen Begriffe der russischen Sprache, anstatt die grammatische Terminologie im Russischen, d.h. die in russischer Sprache vorliegenden grammatischen Fachwörter insgesamt zu berücksichtigen. In Russland gab es zu diesem Zeitpunkt keine in sich geschlossene Literatursprache. In Bruces Übersetzung wird sowohl die russische, als auch die kirchenslavische Sprache behandelt. Babaeva und Zapol'skaja weisen darauf hin, dass die Metasprache von Bruces Übersetzung in einer vereinfachten, eher dem Russischen nahen Form gebraucht werde, weil die Grammatik auf einen breiteren Leserkreis abzielte. In einigen Fällen wird auch die holländische Terminologie, aufgrund ihrer Autorität, beibehalten (cf. Babaeva & Zapol'skaja 1993: 203). | |||||||||||||||||||||||||||||
3. Der allgemeine Vergleich zwischen Sewels Grammatik und deren Übersetzung. Der Hintergrund für die AuslassungenDie 714 Seiten umfassende Übersetzung von Bruce (1717a) besteht aus den folgenden Kapitelnen, deren Titel dort ins Russische übersetzt wurden, hier aber, wie bei Sewel, auf Niederländisch angeführt werden:
In Brucescher Übersetzung fehlen Sewels Widmung ‘Den Grootachtbaaren Heere Mr. Gerrit Hooft’, ‘Voorrede aan den Leezer’, ‘Van de Maatklank (Prosodia)’, ‘Van de Veranderinge en Verschikkinge Der Reede’ und Psalmen, so unter anderem auch die von Sewel aus den Werken von Melis Smoke gewählten Beispiele unterschiedlicher Modi (Sewel 1712: 288). Manchmal fehlen bei Bruce die jeweiligen Übersetzungen, z.B. bei der Behandlung der Genera | |||||||||||||||||||||||||||||
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(Bruce 1717a: 168-194), der Adjektive (Bruce 1717a: 396-397), der Bildung der Modi (Bruce 1717a: 538-540), der Wortfolge (Bruce 1717a: 650-651), der Figuren (Bruce 1717a: 682-690; teilweise 691-714). Zahlreiche Auslassungen kann man durch die praktische Orientierung der Übersetzung erklären (Bruce 1717a: 540-542). Bruce nahm u.a. Sewels Hinweis auf denberühmten Mathematik und Ingenieur Simon Stevin (1548-1620)Ga naar eind2 nur verkürzt auf. ‘De geleerde Simon Stevin, één van de opbouwers onzer taale’, schrieb, dass die niederländischen Stammwörter einsilbig seien: Achter deeze Lyst [van over de zevenhonderd Duytsche werkwoorden] heeft de gemelde schryver nóg een veel groter gevoegd van eenlédige Naamwoorden; welke verzameling tót een bewys kan dienen, dat de byvoeging van de Letter e achter de woorden Baan, biecht, blaas, brug [...] niet oorsprongklyk, maar van een laater uytvindsel is [...] (Sewel 1712: 292-293). Aufgrund solcher Auslassungen fehlen bei Bruce Sewels Erwähnungen des einflußreichsten Grammatikers des 18. Jahrhunderts, Arnold Moonen (1644-1711), der Grammatiker Gerardus Joannes Vossius (1577-1649), Christiaan van Heule (erste Hälfte des 17. Jahrhunderts) und Anonymus Batavus (Adriaen Verwer), (ca. 1655-1717), von Hendrick Laurensz Spiegel (1549-1612). Daneben wird aber Spiegels Twe-spraack vande Nederduitsche Letterkunst (1584) genannt (Sewel 1712/Bruce 1717a: 4/7). Es werden auch mehrmals die Schriftsteller Joost van den Vondel (1587-1679) (Sewel 1712/Bruce 1717a: 8/14, 25/44, 27/48, 99/181) und Pieter Cornelisz. Hooft, (1581-1647) (Sewel 1712/Bruce 1717a: 27/48, 84/152/99/181, 209/357, 294/543, 350/658) erwähnt. Mit der Erwähnung obiger Gelehrter spricht Bruce in seiner Übersetzung zugleich die zeitgenössische Diskussion um die niederländische Schriftsprache zu Beginn des 18. Jahrhunderts an. Bekanntlich findet sich ein Einfluss des brabantischen Dialekts in den Werken J. van den Vondels, die Sprachbetrachtung von P.C. Hooft ist aber mehr dem Friesischen (Te Winkel 1891: 641) verbunden. Bruce übersetzt diejenigen Seiten, auf denen über den Einfluss des flandrischen oder des brabantischen Dialekts auf die niederländische Schriftsprache (Sewel 1712/Bruce 1717a: 7-9/12, 14), oder über den Unterschied zwischen dem Friesischen und dem Niederländischen, bezüglich der Aussprache etwas ausgesagt wird (Sewel 1712/Bruce 1717a: 41/73), nur gekürzt. Aus dem bei Sewel als Anlage zu dem Abschnitt über das Genus vorhandene ‘Lyste van de geslachten veelen Naamwoorden’ macht Bruce ein holländisch-russisches Lexikon, das in der Übersetzung der Grammatik als ‘Rospis' rodam mnogix imjan’ bezeichnet wird, sowie ein russisch-holländisches Lexikon.Ga naar eind3 Diese Lexika wurden in separaten Ausgaben früher als die eigentliche Grammatik, die im November 1717 erschien, veröffentlicht.Ga naar eind4 Das erste Lexicon wurde unter dem Titel Brjus J.V. Leksikon gollandsko-russkij (Bruce 1717c) am 1. Mai 1717 gedruckt, das zweite erschien unter dem Titel Brjus J.V. Kniga leksikon | |||||||||||||||||||||||||||||
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ili Sobranie re ej po Alfavitu s Rossijskogo na Gollandskij (Bruce 1717b) am 1. April 1717 (Birñakova 1980: 24-25; Jakimovi 1985: 43). Die Lexika enthalten aber nur wenige linguistische Fachwörter, obwohl als Ausgangspunkt das grammatische Lehrbuch vorgesehen war. Es gab wahrscheinlich wenig Interesse an einer genuinen Sprachwissenschaft, während andere Wissenschaften und verschiedene Tätigkeitsbereiche sehr häufig vertreten sind (hierzu ausführlicher Jakimovi 1985: 44 ff.). Bei seiner Übersetzung benutzte Bruce als Nachschlagewerk für linguistische Termini die in Amsterdam veröffentlichte, für die Erziehung der russischen Schuljugend gedachte Latein-Grammatik von Elias Kopijewitz (1700), die von J.E. Glück für die Moskauer Schule angeschafft worden war. In dieser Grammatik war der Text zweispaltig in lateinischer und russischer (kirchenslavischer) Übersetzung angeordnet. H. Keipert zeigt, dass zehn von elf Konjunktionstermini in der von Bruce übersetzten Grammatik (Bruce 1717a: 599-603) mit denen bei Kopijewitz (1700: 365) übereinstimmen (Keipert 1987: 255). Unser Vergleich zeigt auch, dass zehn von dreizehn Interjektionstermini in den oben genannten Grammatiken identisch sind (cf. Bruce 1717a: 607-608; Kopijewitz 1700: 372-374). | |||||||||||||||||||||||||||||
4. Elemente einer Universalgrammatik in Sewels SpraakkonstDie westeuropäischen Universalgrammatiken des 17. und des 18. Jahrhunderts bedienten sich der deduktiv-semantischen Methode. Das allen Universalgrammatiken zugrunde liegende Denkschema ist in stark verkürzter Form folgendes: ‘Da die Dinge und die Begriffe, die wir uns von ihnen machen, für alle kategoriell dieselben sind, enthalten auch alle Sprachen dieselben Kategorien und Strukturen’ (Weiß 1992: 19). Im Gegensatz zu den deutschsprachigen Ländern erfuhr die Idee einer grammaire générale in den Niederlanden deutlich weniger Beachtung. ‘The Netherlands [...] did not experience such an “Aufschwung der Universalgrammatik” at the time, and no influence from the contemporary German grammaticae universales on Dutch grammar has ever been pointed out’ (Noordegraaf 1996: 98). Nichtsdestoweniger erschien dank dem französischen Einfluss in Utrecht im Jahre 1713 das Ontwerp van eene Nederduytsche spraekkonst von Aegidius De Witte (1648-1721), deren Definitionen denen der Grammaire générale (1660) ähneln (Dibbets 1995b; Noordegraaf 1996: 98). Die niederländischen Verfasser der Schullehrbücher für die Grammatik teilten also die Universalienideen sowohl durch den französischen Einfluss, als auch dadurch, dass sie sich damals an lateinischen Grammatiken orientierten. Somit begründeten sie ihre Untersuchungen über die Art und Anzahl von Wortarten mithilfe des Prinzips der grammatischen Universalität. Die Klassifizierung der Redeteile wurde nicht nach den morphologischen Kennzeichen der niederländischer Wörter durchgeführt, also nicht auf empirischem Wege, son- | |||||||||||||||||||||||||||||
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dern deduktiv entwickelt, d.h. durch rationale Ableitung allgemeiner Prinzipien auf den Untersuchungsgegenstand. Sewel macht ebenfalls Anleihen bei seinen Vorgängern. So werden z.B. in der Grammatik keine formalen Kriterien in den Definitionen von Nomina und Substantiva angeführt: Naamwoorden zyn woorden waarmede men alle dingen en hoedaanigheden benoemt en onderscheydt, als een Mensch, een Kind, een beest [...] smal [...] Een zelfstandig Naamwoord bestaat op zichzelven, en betékent de zaaken zonder behulp van een ander woord, als, Hemel, Aarde, Zee, Mensch [...] zo dat het met byvoeginge van een Werkwood eenen volkomen zin kan uytmaaken, als, Het paerd loopt (Sewel 1712: 68). Das semantische Kriterium kann, sofern es allein angewendet wird, nicht zufriedenstellen. Daneben verfolgte Sewel das Ziel, keine künstliche philosophische Universalsprache und ihre Grammatik zu schaffen, sondern nur die Muttersprache nach dem Beispiel der anerkannten Schriftsteller zu regeln und auszurichten, d.h. er stützte sich auch auf die morphologischen Charakteristiken. | |||||||||||||||||||||||||||||
5. Die Kategorien Genus und Kasus bei Sewel und BruceIch betrachte nun Genus und Kasus der Substantiva bei Sewel und Bruce etwas näher. In Sewels Grammatik werden drei Genera (männlich - Manlyk; weiblich - Vrouwelyk, sächlich - onzydig) durch den Artikel differenziert: ‘Het Geslacht der Naamwoorden is eenigsins aan de Lédekens te kennen [...]’ (Sewel 1712: 92). Da im Nominativ die Artikel in ‘de gemeene spraak’ übereinstimmen, schlägt Sewel vor, das Genus nach den Artikeln im Genitiv zu unterscheiden. Der Genitiv nehme im Singular des männlichen und sächlichen Genus den Artikel des und des weiblichen Genus den Artikel der: Een nader middel dan, om aan de Lédekens het geslacht der Zelfstandige Naamwoorden te kennen, is, dat alle de Naamwoorden, welker Lédeken De in den Genitivus heeft des, en in den Accusativus, den, van 't Manlyk geslacht zyn; als De tóp des bergs; Hy stondt op den berg. De schorse des booms [...] Maar als de Genetivus is Der, dat is een teken dat het Naamwoord van 't Vrouwelyk geslacht is, als De vruchten der aarde [...] Belangende het onzydig geslacht, de Genitivus van 't Lédeken Het, is Des, als Des lands, des velds, des huyzes (Sewel 1712: 93-94). Sewel unterscheidet das Genus auch nach den allgemeinen und besonderen Regeln, d.h. entweder auf semantische Weise oder entsprechend den Endungen, d.h. entweder semantisch motiviert oder aufgrund morphologischer Kriterien. Sewel behandelt sehr ausführlich bei jedem Genus verschiedene semantische Gruppen, wie es lateinischen Grammatiken eigen ist. So gibt er eine deduktive semantische Charakteristik des männliches Genus (‘eenige algemeene | |||||||||||||||||||||||||||||
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régelen’):
In der Definition des weiblichen Genus geht Sewel auch von der Wortsemantik aus:
Sächlich sind:
Unter den allgemeinen Regeln von Namen des sachlichen Genus sind auch die Kriterien der morphologischen Eigenschaften angeführt: 9) Werkwoordelyke Naamwoorden beginnende met Be, Ge, Ver, als Bederf, Bedryf [...] (Sewel 1712: 97). Sewel hebt auch die Wichtigkeit der formalen Merkmale (Endungen) hervor: Behalve de reeds gemelde régelen, heb ik in 't tzamenstellen van myn Woordenboek waargenomen, dat 'er veele woorden zyn, welker geslachten men aan hunne uytgangen kennen kann; naamlyk: Alle Zelfstandige Naamwoorden, betékenende den doener óf bedryver van iets, en uytgaande in ER, IER, óf AAR, zyn van 't Manlyk geslacht, als Amptenaar, Aanhanger [...] (Sewel 1712: 100). | |||||||||||||||||||||||||||||
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Alle diese allgemeinen und besonderen Regeln sind in der russischen Übersetzung der Sewelschen Grammatik vertreten. Die niederländischen Benennungen für Genera werden bei Bruce durch die längst in den russischen (kirchenslawischen) Grammatiken gebrauchten Termini muñskoj (männlich), ñenskij (weiblich), srednij (sächlich) (Bruce 1717a: 169-170) ersetzt. Sehr wichtig für die russische Grammatikographie ist Sewels Regel der Genusflexicon, nach der das jeweilige Genus der Personen und Tiere durch unterschiedliche Endungen ausgedrückt wird, die von einem Genus auf das andere übertragen werden: By deeze Régelen kann nóg gevoegd worden, dat om een Manlyk Naamwoord, 't zy van hoedaanigheyd óf bedryvinge, in een Vrouwelyk te veranderen, men zich van de uytgangen IN, STER, ES, óf ESSE bedient; by voorbeeld, Om de woorden Man, Vrind, Beer [...] Kooper [...] Bedelaar, Vryer, Leeraar, Meester [...] in 't Vrouwelyk te veranderen, zegt men Mannin, Vrindin, Beerin [...] Koopster [...] Bedelaarster, óf Bedelaarés, Vryster, Leerarés, Meestresse [...]. Hierby mag men voegen, Koning - Koningin, Keyzer - Keyzerin [...] (Sewel 1712: 106). Keipert bemerkt in dieser Hinsicht: ‘Da die 1700 in Amsterdam gedruckte Latina Grammatica des Elias Kopijewitz auf den Unterschied zwischen Mobilia und Immobilia nicht eingeht, dürfte eines der ersten Werke, aus denen in Rußland auf Russisch solche Kenntnisse zu schöpfen waren, das Iskusstvo nedelandskogo jazyka von 1717 gewesen sein, also die von Ja. Brjus übersetzte Holländisch-Grammatik W Sewels’ (Keipert 1995: 173). Bruce führt nur niederländische Beispiele der Motion ohne russische Übersetzungen an. Im 17. Jahrhundert war die Deflexion im Niederländischen schon zum Abschluss gekommen. Es gibt aber auch heute Deklinationsreste, die im Satzverband, meistens in der geschriebenen Sprache, noch aktiv gebraucht werden. M.J. van der Meer schreibt: ‘Unter Einfluss der lateinischen Grammatik wurde verursacht, auf Grund dieser Überreste und der alten Tradition und auch durch willkürliche Konstruktion ein Deklinationsschema herauszuarbeiten, das möglichst der lateinischen Grammatik entsprach’ (Van der Meer 1927: lxxxv). Sewel lehnt sich in der Beschreibung der Kasus an das vorgegebene Modell der griechisch-lateinischen Tradition an und unterscheidet sechs Kasus: Nominativus (Noemer), Genitivus (Teeler), Dativus (Geever), Accusativus (Aanklaager), Vocativus (Roeper), Ablativus (Afneemer) (Sewel 1712: 178). Diese grammatischen Termini, wörtlich aus dem Lateinischen übersetzt, wurden durch die Twe-spraack vande Nederduitsche Letterkunst (1584) eingeführt (Te Winkel 1891: 712). In Sewels Grammatik wird das semantische Herangehen an die Kasusklassifikation umrissen. Sewel definiert die Kasus nach den semantischen Kriterien. So wird Zugehörigkeit durch den Genetiv angezeigt, durch den Dativ (den dritten Fall) wird aber gezeigt, dass etwas jemandem gegeben wird: ‘Men ge- | |||||||||||||||||||||||||||||
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bruykt den Teeler ook om den genen, dien iets in eygendom toebehoort, te betekenen, als, Des mans huys [...] Hoewel nu derde Naamval eygentlyk aanwyst het gene waaraan iets gegeeven wordt, als, De brief is den Graave óf den Vórst behandigd’ (Sewel 1712: 179). Der Genitiv und der Dativ werden bei Sewel oft nicht nur durch das Substantiv mit dem Artikel, sondern auch durch präpositionale Fügungen ausgedrückt: der Genitiv - mit ‘van’ im Singular, der Dativ - mit ‘aan’ im Singular und im Plural. Das zeigt, dass Sewels Ausnutzung der semantischen Kriterien mehr als bei seinen Vorgängern die Ausnutzung der niederländischen Umgangssprache fördert.Ga naar eind5 Bruce führt in beiden Fällen parallel das russische Substantiv ohne Präposition an, wie es dem Russischen eigen ist. Vgl.:
Neben den russischen Termini der Kasus gibt Bruce wie Sewel sowohl niederländische, als auch lateinische. Nach Sewel erklärt Bruce die Benutzung der lateinischen Termini dadurch, dass die in der Grammatik Ungebildeten auf diese Weise lateinische Benennungen lernen und sich an die neuen lateinischen Termini gewöhnen könnten (Sewel 1712: 178; Bruce 1717a: 117). In Bruces Übersetzung wird die traditionelle kirchenslawische Terminologie bei Benennung der Kasus benutzt. Hier ist nicht nur Bruces Umgang mit der kirchenslawischen Smotrickij-Grammatik (1619), die sowie ihre bis zu einem gewissen Grad umgearbeiteten Nachdrucke bis zur Veröffentlichung der ‘Russischen Grammatik’ Lomonosovs (1757) die einzige inländische Grammatik war, die in diesem Zeitraum ihren wissenschaftlichen Wert erhielt.Ga naar eind6 Die ersten vor 1717 erschienenen Grammatiken mit russischer Objektsprache waren Lehrgrammatiken für Nichtrussen, abgefasst in einer fremden Metasprache (H.W. Ludolfs Grammatica Russica, Oxford 1696; E. Kopijewitz's Manudictio in grammaticam, Stolzenberg, 1706). Bruce konnte als Nachschlagewerk für Termini | |||||||||||||||||||||||||||||
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zur Bezeichnung der Kasus die Latein-Grammatik von Elias Kopijewitz (1700) benutzen. Der Ablativ bedeutet bei Sewel, dass etwas weggenommen wird: ‘als men van afneemen of ontfangen spreekt, als, De schotels wierden van de tafel afgenomen’ (Sewel 1712:179), und wird mit der Präposition ‘van’ ausgedrückt. Selten wird der Ablativ mit Hilfe einer präpositionalen Fügung umschrieben, die nicht ‘van’, sondern andere Präpositionen enthält. Bei Bruce wird der Ablativ in diesem Fall ebenfalls durch verschiedene Präpositionen übersetzt, z.B. durch die russische Präpositionen ‘iz’ oder ‘s’: ‘Van óf uyt den Hemel’ - ‘s neba’ (Sewel 1712: 190; Bruce 1717a: 299); ‘Van het Graf, Uyt den Grave, óf Ten Grave uyt’ - ‘ot groba, iz groba’ (Sewel 1712: 215; Bruce 1717a: 375). Obwohl Bruce, wie auch Sewel, in seiner Übersetzung schreibt, dass die holländischen Substantiva sechs Casus haben (Bruce 1717a: 265), benutzt Bruce aber bei der Deklination der zahlreichen Substantiva statt Sewels 6-Kasussystems das aus 7 Kasus bestehende Paradigma. Dem niederländischen Ablativ entsprechen bei Bruce zwei Fälle: ‘ot’imatel'nyj’ (der Ablativ oder der Kasus zur Bezeichnung einer Trennung oder einer Entfernung): van den Vader - ‘ot otca’; und ‘skazatel'nyj’ (Narrativ): van den Vader - ‘o otce’ (Sewel 1712: 185; Bruce 1717a: 284). Also entsprechen in Bruces Übersetzung der Rubrik ‘ablativus’ der Sewelschen Grammatik in der Regel die russischen Konstruktionen mit den Präpositionen ‘ot’ und ‘o’. Genau so führt Kopijewitz in seiner lateinischen Grammatik das Paradigma von ‘terra’ und parallel dazu das Paradigma des russischen ‘zemlja’ aus. So steht in der Rubrik ‘ablativus’ im Singular á terra, de hac terra - ot toja zemli, o toi zemli; im Singular: ab his terris, de his terris, his terris - ot tex zemel', o tex zemljax, temi zemljami (Kopijewitz 1700: 53-54).Ga naar eind7 Die Beispiele zeigen, dass bei Kopijewitz der lateinische Ablativ ins Russische auch mit zwei Kasus (Narrativus und Instrumentalis) übersetzt wird. Es sei hier angemerkt, dass es in der russischen (kirchenslawischen) Grammatik noch schon früher, d.h. zu Beginn des 17. Jahrhunderts, üblich war, den Ablativ mit zwei Kasus: Instrumentalis und Narrativ - wiederzugeben. Der von Smotrickij eingeführte Kasus ‘Skazatel'nyj’ (Narrativus) (Smotrickij 1974: 27b) ist der siebte ausschließlich in Verbindung mit Präpositionen gebrauchte Kasus. Er steht in Verhältnis zu dem lateinischen Ablativ, der durch eine Präpositionalphrase ausgedruckt wird, aber u.a. auch keine instrumentale Bedeutung mit einigen Präposionen haben kann. Was den Terminus betrifft, erklärt H. Keipert, ‘dass Smotrickij unter den verschiedenen Funktionen des slavischen Präpositivs nicht die viel näher liegende, auf “vь”, “na”, “pri” zu stützende lokativische zur Motivationsgrundlage seines Terminus gemacht, sondern der von “o” getragenen narrativischen den Vorzug gegeben hat’ (Keipert 1991: 282).Ga naar eind8 Künftige Nachforschungen werden zu klären haben, welche Grammatiken der russischen Sprache mit dieser Übersetzung der Grammatik Sewels in Verbin- | |||||||||||||||||||||||||||||
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dung zu bringen sind. | |||||||||||||||||||||||||||||
6. ErgebnisseResümierend lässt sich feststellen, dass Sewel und die Verfasser der ersten russisch geschriebenen Grammatiken in Anbetracht der Sprachsituation in den Niederlanden und Russland und des daraus folgenden Bedürfnisses nach den normativen muttersprachlichen Grammatiken die Ideen der Universalgrammatik nur teilweise heranzogen. Weit mehr Beachtung fand die Behandlung des Sprachgebrauchs. Die grammatischen Kategorien Genus und Kasus sind in Sewels Werk (und entsprechend bei Bruce) nicht einem, sondern mindestens zwei Einteilungskriterien zugänglich. Neben inhaltlichen sind auch formale Kriterien nebeneinander kombiniert worden. Im Rahmen einer lateinischen, westeuropäischen Grammatiktradition spielte auch die niederländische Grammatik Sewels eine fördernde Rolle bei der Entstehung der russischen Grammatiken, insbesondere war die zweisprachige Grammatik Bruces ein wichtiges Zwischenglied im Prozess der Einordnung der Motionslehre in die Tradition der russischen Grammatiken. Das Erscheinen der in die russische Sprache übersetzten niederländischen Grammatik Sewels und das Feststellen der widersprüchlichen morphologischen Besonderheiten des russischen Kasus-Paradigmas waren ein wesentlicher Anstoß zum bewussten Russifizierung der grammatischen Terminologie. | |||||||||||||||||||||||||||||
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