Tijdschrift voor Nederlandse Taal- en Letterkunde. Jaargang 29
(1910)– [tijdschrift] Tijdschrift voor Nederlandse Taal- en Letterkunde– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermd
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Beiträge zur Niederländischen Grammatik.1. ī und ie im Mittelniederländischen.Die frage nach dem lautwert von mnl. ī, germ. ī, die von selbst auch die nach dem lautwert von mnl. ie nach sich zieht, ist in der letzten zeit öfters behandelt worden, von te Winkel Tijdschr. 20, 81 ff., von Salverda de Grave ebenda 21, 43 ff. und in ‘De Franse Woorden in het Nederlans’ (Verhandelingen der Koninkl. Akad. v. Wetenschappen, Afdeel. Letterk. N.R. Deel VII) 157 f.Ga naar voetnoot1). Ich weiche in der auffassung von den genannten gelehrten wesentlich ab und will meine ansicht hier in ihren hauptzügen entwickeln, wobei ich mich nicht immer bemühe, entgegen stehende ansichten ausdrücklich zu widerlegen. Mnl. ie, der frühere diphthong verschiedenen ursprungs, ist zweifelsohne monophthong gewesen. Ich rede hier von der sprache der übergrossen mehrzahl der texte und lasse es dahin gestellt, ob einzelne andere daneben etwa abweichende, mundartliche oder sonst weniger verbreitete, besonderheiten bieten mögen. Für die behauptete qualität des lautes gibt es eine ganze reihe von beweisen, worunter auch schon die in einigen gegenden nicht ungewöhnliche schreibung mit i zu rechnen ist; s. van Helten, Mnl. Spraakk. s. 114; Kern, Limb. Serm. s. 45 (vgl. s. 42); Tijdschr. 19, 4; Lev. v. Lutg. s. XLIII usw. Einen weiteren beweis liefern jünger entlehnte oder nicht in die volkssprache eingegangene fremdwörter. Während ī in älteren und volkstümlichen lehnwörtern mit nl. ī aus germ. ī mitging (Salv. de Grave 153 ff.), weisen jüngere und gelehrte wörter ie auf. | |
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So z.b. mielge ‘meile’ bei MaerlantGa naar voetnoot1), prieme (neben prime; in doppelter form aufgenommen), Miele (Rolands vater Milo) Sp. 41, 13, 26. 14, 84 (Mile 19, 66), dat Yersche volc Sp. 35, 3, 75 neben Yrsch und häufigem Yrlant im selben und dem folgenden kapitel (s. auch diese namen im Mnl. Woordenb.), Ofier: hier Rijmb. 12929, plaisier: hier Merl. 3615. Das selbe beweisen reime, wenn auch die schreibung nicht ie bietet, wie Tyren: hantieren Velth. 1, 18, 65. Man kann hiergegen nicht einwenden, dass z.b. Maerlant andere gewis nicht früher entlehnte oder volkstümlicher gewordene namen, wie den des pabstes Celestijn (:fijn) Sp. 35, 3, 2 oder von Patrijc 4, 1 mit ij schreibe. Hier konnte sich die sprache an gebräuchliche ausgänge anlehnen. Höchtens könnte man mit einer vollständigeren sammlung von derartigem material dartun, dass die sprache sich damals diesem stoff gegenüber in einem zustand des schwankens befunden habe. Man muss natürlich berücksichtigen, dass von einer reihe von fällen her ein starkes gefühl für die entsprechung von nl. ij und fremdem ī vorhanden war, welches bei der wahl dem i, ij ein übergewicht hätte verleihen können. Wenn man trotzdem zu ie griff, so liegt darin ein um so stärkerer beweis. Dem laut, der wiederzugeben war, entsprach also damals das heimische i, ij weniger als das heimische ie, zugleich ein beweis dafür, dass sowohl jenes wie dieses sich geändert hatte. Das zeichen für einen noch irgendwie diphthongisch ausgeprägten laut wäre aber gewis nicht zur wiedergabe eines lautes, bei dem niemals eine spur von diphthongischem charakter vorhanden gewesen ist, des fremden ī, gewählt worden. Ferner sind für monophthonges ie geltend zu machen die bekannten nebenformen der pronomina hie, sie, mie, wie, ghie, bedie neben hij, sij, mij, dij, wij, ghij, bedij (van Helten s. 435; Mnl. Gr.Ga naar voetnoot2) § 5, 2; 20 Anm. 1 und Pronominaldeklination). Älteres hī, mnl. hi (hij), ist regelrecht zu nnl. diphthongischem | |
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hij entwickelt, und entsprechend verhält es sich bei den anderen genannten pronominalformen. Daneben sind hie usw. weniger betonte formen, in denen, wie z.b. in nhd. dū, neben (dem nur mundartlich bewahrten) dou, infolge dieses geringeren tones, die diphthongierung nicht eingetreten ist. Die erörterten nebenformen sind auf mindertonige wörter beschränkt und haben nicht etwa ein vrie neben vrī zur seite. Ihr laut kann nur ein monophthonges i, kein diphthong gewesen sein. Den gleichen beweis liefern andere fälle mit ie, wo weder die ältere noch die jüngere lautgeschichte irgend einen anhaltspunkt für einen diphthong ergeben: diemsterhede, öfter in Rijmb., aus dimster (*þimstr- neben deemster aus *þimistr-, vgl. ahd. finstar: finistar) durch Dehnung entstanden (Mnl. Gr. § 59), fälle wie kieren, hiele, mielre (Mnl. Gr. § 85). Eine treffende parallele zu mie neben mij usw. bietet noch das wort anschin in Leven v. Lutgardis. Während schijn in diesem text immer zu germ. ī reimt, z.b. 3, 5025 zu sijn, wird anschin ausnahmslos mit etymologischem ie gebunden, mit din = dien 2, 527, mit sin = sien 7971. 8273. 8381. 3, 1854. 1900. 1937. 5051 usw. Also im compositum war das ī reduziert und infolgedessen mit etymologischem ie zusammengefallen. Sonst ist übrigens das überall geläufige wort anders behandelt, es behält ī und reimt mit etymologischem ī, bewahrt also das zweite glied in seiner alten art und zwar wohl auf grund des etymologischen bewustseins. Auf die gleichfalls noch in diese beweisreihe gehörigen fälle mit altem ī vor r kommen wir unten zurück. Es ist mithin auf grund einiger der beweisgruppen klar, dass wir ie als eine art von lautlicher reduction von ī anzusehen haben. Dass aber monophthongisch gesprochenes ie jemals etwas anderes gewesen sei, als heute, d.h. langes i, dafür ist mir nicht der mindeste anhalt bekannt. Da nun sozusagen überall-auf bestimmte ausnahmen werden wir noch kommen - seine bindung im reim mit etymologischem ī gemieden wirdGa naar voetnoot1), so | |
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ergibt sich, dass letzteres nicht das gleiche lange i gewesen sein kann. Was aber war es denn nun? Am einfachsten wäre ja der schluss, es sei eben schon diphthong ei gewesen. Die tatsache, dass die dinge fürs Mnl. in denjenigen gebieten, wo heute der diphthong gar nicht gilt, also hauptsächlich im Westfläm., Seeländ. und einem teil von Limburg (vom Fries. sehen wir hier ab), genau eben so liegen wie in den übrigen, d.h. ī und ie getrennt erscheinen, würde mich von diesem schluss nicht einmal zurück schrecken. Denn dass diejenigen mundarten, die jetzt neben den diphthongierenden gebieten monophthong aufweisen, einmal bis zu einem gewissen grad an dem lautprozess teilgenommen haben und später stehen geblieben oder auch wieder zurückgegangen sind, scheint mir an sich die natürlichste auffassung des höchst interessanten problems dieser eigenartigen diphthongierung. Aber die beweise für so frühe diphthongierung, die man beigebracht zu haben glaubt oder mit demselben schein sonst beibringen könnte, stehn auf sehr schwachen füssen. Die beweisführung hat, wie zugegeben werden muss, mit der tatsache zu rechnen, dass die traditionelle schreibung ij auch bis heute unangefochten beibehalten worden ist. So wenig wie die abwesenheit von ei oder einer anderen diphthongischen schreibung heute beweist, dass der laut nur ī wäre, so wenig beweist sie das für früher. Selbst die vermeidung des reimes ij: ei im Nnl. gilt hauptsächlich als sache der tradition. Allerdings bin ich der ansicht dass doch auch ein auf einem feineren gehör beruhendes gefühl für einen lautunterschied dabei beteiligt ist (s. unten s. 285) und kann fürs Mnl. an die erklärung aus der tradition erst recht nicht so leicht glauben. Denn die mnl. reimtechnik beruht, wie das ja auch zu erwarten ist, so entschieden auf den tatsächlichen phonetischen verhältnissen, dass wir aus den reimen eine ganze reihe von tatsachen der lautgeschichte, wie den unterschied | |
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von gedehntem und langem e, vielleicht auch von gedehntem und langem o, den unterschied von oe = germ. ō und oe = germ. au, das vorhandensein des lautes ö für altes u (oder o) und für ū vor r, ferner die einzelnen verschiedenheiten der älterem uo entsprechenden laute mit sicherheit feststellen konnten. Die mundartlich phonetische westfläm. reimbindung von beispielen wie nature: ter cōre hat ja sogar auch die schreibung wie cure für core neben sich. Aber wenn es auch Maerlant und andere mit den reimen so genau und so streng genommen haben, so könnte man doch fragen, ob es bei allen so gewesen sei, eine frage, zu deren entscheidung die eingehendsten sprachlichen untersuchungen der texte, die sich keiner einzelfrage entziehen dürften, nötig wären, aufgaben die den niederländischen universitäten so dankbaren stoff böten, und deren notwendigkeit an verschiedenen stellen dieses und des folgenden aufsatzes sehr deutlich hervortritt. Auf alle fälle bleibt aber die möglichkeit des traditionellen charakters der schreibung i, ij bestehen, und bei dieser möglichkeit müste allerdings auch einer vereinzelten abweichenden erscheinung ein besonderer wert beigemessen werden. Demgegenüber darf man dann aber auch verlangen, dass die einzelerscheinung in jeder hinsicht klar sei und andere auffassungen ausschliesse. Das ist nun bei den meisten vorgebrachten beweisen nicht der fall. Die hauptstütze bilden drei verbalformen bei Hildegaersberch, creyt, gleyt, sneyt von criten, gliden, sniden, alle auf ghiericheyt reimend. te Winkel will die beweise entkräften, indem er die formen für praeterita nimmt und zugleich andere reime anführt, die die aussprache ī für ī bei dem dichter unwidersprechlich beweisen. Salv. de Grave meint te Winkels einwand bei seite schieben zu können und behauptet, die formen seien doch praesentia. Für mich ist sneyt ganz sicher praeritum (wye sijn zwaert ghedreghen heeft den recht te baten, dattet niet tonrecht en sneyt), wie auch an einer anderen von te Winkel angeführten stelle des selben dichters gleit (: zericheit) zweifelsohne praeteritum ist. An den beiden anderen stellen bedarf die praeteritale auffassung | |
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eines zwanges. Sicher ist nun, dass der dichter in anderen fällen ī sprach. Und wenn man annehmen wollte, was meines erachtens von vorne herein ganz unwahrscheinlich ist, dass die diphthongierung vor t früher als vor anderen consonanten eingetreten sei, so wäre darauf zu weisen, dass neben jenen vereinzelten fällen zahllose īt, ijt stehn. S. de G. macht noch für unsere und einen gleich zu erledigenden fall darauf aufmerksam, dass es sich dabei um die technische schwierigkeit gehäufter reime handle. Wir treten dem bei und haben dann die frage zu stellen: hat der dichter vor einer reimschwierigkeit eine sonst nicht von ihm zugelassene lautform oder eine ungewöhnliche construction gewählt? Da er sonst platte formen nicht ausschliest, d.h. ihnen gegenüber wenig bedenken zeigt, so wäre bei der einen alternative sogar anzunehmen, dass das nur so ausnahmsweise durchgelassene eit nicht einmal eine seiner mundart angehörige platte form sondern nur eine ihm von anderswoher bekannt gewordene sei. Also würden die reime keinesfalls für das Südholl. beweisen. Die frage ist aber m.e. unbedingt nach der andern seite zu entscheiden, dass nämlich creyt und gleyt praeterita sind, die durch sneyt und das andere gleit gestützt werden. Wäre ei eine lautform für ī gewesen, die dem dichter verwendbar erschien, so würde sie in seinen reimkünsten gewis eine andere rolle spielen. Die beschränkung des vorkommens auf eine bestimmte grammatische kategorie weist allein schon den richtigen weg. In einem kleinen gedicht erscheint leit ‘liegt’ mit profijt, tijt, nijt gebunden. Es steht in einer handschrift, die man ‘mit aller wahrscheinlichkeit’, aber doch vielleicht ohne genügende rechtfertigung, ins 14 jh. setzt. S. de G. verwendet diesen reim als weiteren beweis für die diphthongierung, und auch Verdam, den S. de G. citiert, hält es zwar für möglich, dass in dem gedicht ursprünglich etwas auderes gestanden habe, lässt aber die schlussfolgerung dann doch wenigstens für den schreiber der hs. gelten. Was das ursprüngliche gedicht betrifft, so bin ich überzeugt, dass die form leit gar nicht hineingehört. Man könnte an eine | |
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dem gewöhnlichen mhd. lît ‘liegt’ entsprechende dialect- oder lehnform lijt denken, die man auch Tien Plaghen 433 und 2348 annimmt, was jedoch wenig wahrscheinlich wäre. Anderseits liegen verschiedene conjecturen, entweder die von Verdam vorgeschlagene oder bijt, recht nahe. Am einfachsten aber und, ich denke, überzeugend ist es, lijt von liden als die ächte lesart anzusehen. Man könnte zwar einwenden, es sei dann eher das praet. leet zu erwarten. Doch wir können uns auch das praesens sehr gut zurechtlegen: ‘der verdruss, den ich in mir trage, und der mir ins herz geht (d.h. wiederholt)’; die ausdrucksweise wäre die selbe wie ‘der verdruss, der mir ins herz schneidet, und der mich ankam, als ....’ Auch ein schluss auf die sprache des schreibers scheint mir nicht erlaubt. Woher wissen wir, dass er sich um die reinheit des reims kümmerte? Er hat eine form misverstanden und schrieb sie auf seine weise, wie das ganz die gewohnheit dieser leute ist. Auch an einer anderen stelle hat er so statt begaert gegen den reim begheert gesetzt. Ein so vereinzeltes vorkommnis wie laewijt für laeuwheit in einer so umfangreichen handschrift wie der des Sp. hist. würde auch S. de G. nicht in anspruch nehmen, wenn es nicht bloss eine stütze für andere kräftigere beweise sein sollte. Ein blosses versehen dürfte übrigens die form vielleicht nicht sein, es sei denn, dass der schreiber das wort überhaupt nicht verstanden hätte. Sonst liegt möglicherweise eine verkürzung von ei in der unbetonten silbe vor, wie das sicher der fall ist in der interjection awarijt aus in waerheit. Man sollte vorkommnissen gegenüber, die unter tausenden von möglichen fällen, so vereinzelt auftauchen, vorsichtiger sein und auch ein einzelnes fein in der ausgedehnten Lancelothandschrift doch nicht so ohne weiteres als fijn auffassen, für welches das Mnl. Woordenb. 2,808 eine ungewöhnliche und schlecht bewiesene bedeutung annehmen muss. Das wort wird wohl verderbt sein. Derselbe text reimt 3,12639 gepijs: wijs (vorher steht gepens). Aber es ist natürlich nicht gesagt dass gepijs für gepei(n)s stehe, und also auch eine aussprache weis anzunehmen | |
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sei, wie auch das Mnl. Wdb. nicht daran sondern an eine lautentwickelung aus der form pinsen (pīnsen, pīsen) denkt, wie pijsde hs. des Alex. 2,90, pisen 4,1720, te pisene 5,747. Damit erledigt sich auch gepijs aus der Marialegende, das ich übrigens an der von S. de G., Verhandel d.K. akad. s. 157 angegebenen stelle nicht finde. Marien und lijen: screien in Tien Plagen 777. 1385 (te W. 20,92) weist in diesem aus dem Deutschen stammenden text wohl auf deutsches scrîen, und ganz ohne beweiskraft ist tijt: gheseyt Wrake II 399. Denn diesem reim geht in dem gedicht ein ebenso allein stehender gheniet: sijt unmittelbar vorher, und es folgt ihm unmittelbar eine reimlose zeile:
ende elc siet op sijn gheniet.
dan so naect, dies seker sijt,
die anxtelike leste tijt,
daer ic vore af hebbe gheseyt,
die elc mensche duchten mach.
Ich vermute, dass der reim auf gheniet verloren gegangen ist, und ursprunglich sijt: tijt und dede ghewach (an stelle von hebbe gheseyt): mach gebunden waren. tijt: gheseijt kann man also auch nicht einmal zu einem schluss auf die sprache des abschreibers, der sich ja auch mit einer ganz reimlosen zeile begnügt hat, verwertenGa naar voetnoot1). In einer reihe von fällen handelt es sich um fremdwörter, besonders fremde namen, in denen ij neben dem richtigen ei begegnet. Auf castellijn in einer Brab. urkunde vom j. 1357 weist te W. 20, 91, auf Calijs als variante von Caleis (Calais) bei Stoke S.d.G. Akad. s. 157. Ich kann die variante nicht weiter controllieren. Auf alle fälle bleibt zu beachten dass es sich in diesem fall um eine nebensilbe handelt; vgl. ober über | |
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awarijt. Was den namen Alijn bei Stoke betrifft, so scheint mir Huydecoper erwiesen zu haben, dass diese form, und nicht Alein, die von Stoke gebrauchte und auch die richtige ist, und die heranziehung von Aleys: Parweys und Alijs: wijs bei Heelu wundert mich nach dem, was S.d.G. in T. en Lett. 7, 102 anm. 2 selber darüber beigebracht hat. Wegen prijsteren berufe ich mich auf das Mnl. Woordenb. unter prijstenGa naar voetnoot1). Etwas bedenklicher könnte einen Velthems Merlijn stimmen. Es reimt z.b. Gawein: Ywein 28473. 28709; aber im text wird gewöhnlich Gawijn geschrieben, und der name reimt auch zu fijn 28631, 31075, zu Malaquijn 30829; ebenso Agrawine: pine 30841 für Agrawein, das z.b. mit plein 30767 reimt. Ob die verschiedenen reime von Velthem selber herrühren, muss ich dahin gestellt sein lassen. Aber jedesfalls dürfte man aus ihnen und ähnlichen erscheinungen nicht den schluss ziehen, dass in heimischen wörtern īn und ein zusammengefallen gewesen seien. Bewiesen wird nur, dass man sich unbewust oder auch mit bewuster willkür die fremden wörter zurecht legte, in diesem fall insbesondere die ausgänge ein und īn verwechselte. Gawein und Gawijn blieben dabei verschiedene lautformen.Ga naar voetnoot2) | |
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Schwerer schon wöge der reim Cristofles van der valeyen: pertijen 12515, wenn er nicht auch wieder in seiner vereinzelung fragwürdig erschiene. Aber auch hier handelt es sich schliesslich um ein, zudem als eigenname stehendes fremdwort, das wohl auch noch der willkür anheim fallen konnte. Wir werden unten beim selben verfasser die bindung von ī und ie vor consonanten nachweisen. Ich glaube nicht, dass die betreffenden reime als reine anzusehen sind, halte es sogar für möglich, dass einzelne der darin gebundenen wörter für den verfasser fremdwörter - ähnlich wie es te W. 20, 93 für vlijt in der fortzetzung der Brab. yeest. annimmt - oder literaturwörter oder auch die ganzen formeln literarische formeln waren. Aber nach diesen reimen und denen von īe: ie, über die wir gleichfalls unten sprechen, müssen ihm doch die laute ij und ie nahe gestanden haben. Hätte er selber parteie oder peine gesprochen, so würde er die reime ī, īe: ie nicht so leicht zugelassen haben. Ganz anders liegen die dinge in dem ungehobelten machwerk des Hennen van Merchtenen (Merchtem bei Brüssel) aus dem jahr 1414. Hier wird unbedenklich ij mit ei gereimt. J. Geurts Bijdrage t.d. gesch. v.h. rijm Deel 1 s. 46 zählt die fälle nach Lecouteres arbeit auf, es sind ihrer noch einige mehr, im ganzen 43 in 4479 versen. Gelegentlich wird auch in der handschrift, die gleichfalls noch dem 15. jh. angehören soll, ei für ij geschrieben (häufig umgekehrt in jenen reimen y für ei). Der text wimmelt von vocalisch und consonantisch ungenauen reimen, z.b. häufig heten: sekerleke, aber so starke vocalische abstände wie zwischen wirklichem langem i und ei sind sonst nicht vorhandenGa naar voetnoot1), bezeichnender weise wird sogar oe: o, von bestimmten kategoriën abgesehen, gemieden. Man muss also, wenn der text auch wenig geeignet | |
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ist, aus seinen reimen schlüsse auf feinere einzelheiten der sprachgeschichte zu ziehen, Geurts doch recht geben, dass dem verfasser die ij und ei ähnlich geklungen haben müssen. Und wenn Hennen neben literarischen sprachformen auch ungewöhnliche und überraschende platte gebraucht, so ist das eher geeignet die schlussfolgerung zu verstärken als abzuschwächen. Ebenso richtig ist es jedoch, wenn Geurts fortfährt: ‘Dit echter is zeker, dat uit die enkele ei: ij rijmen in die bepaalde werken geenszins mag besloten worden tot het geoorloofde er van bij andere Dietsche dichters in het algemeen; integendeel, wij mogen met volle recht beweren dat zij vermeden werden’. Von interesse ist uns der mann noch insofern, als wir bei ihm sehen, wie häufig die bindung ij: ei auftritt, wenn sie überhaupt zugelassen wird. Auch isen ‘schaudern’ mit der ableitung iselic hat man als beweis geltend gemacht. Es wiṙd nicht zu leugnen sein, dass diese schon in alten handschriften Maerlantscher texteGa naar voetnoot1) vorkommende form an die stelle von eisen (aus egison), eiselic getreten ist, unter volksetymologischer anlehnung an ijs. Kiliaan übersetzt frigidus horror, gelidus terror, und wir neueren umschreiben den begriff ‘een killen schrik gevoelen.’ Aber die volksetymologie setzt sich über grössere abstände hinweg als einen lautunterschied zwischen ī und ei. In der tat nimmt ja auch das Westflämische, das das ī sicher niemals weit von dem alten lautstandpunkt entfernt und immer von ei weit getrennt gehalten hatte, an dieser volksetymologie teil. Mithin kann es nicht die diphthongierung gewesen sein, die im Mnl. das etymologische ī von monophthong gewordenem ie getrennt hielt. Die diphthongierung hat in Brabant begonnen. Man muss nach den von te W. 20, 92 zusammengestellten beweisen wohl glauben, dass dort in der zweiten hälfte des 14. jhs. diphthongische laute bekannt waren. Aber te W. hält einen zweifel für berechtigt, ob sie einheimischen ursprungs seien. Für | |
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1497 ist diphthongische schreibung vielleicht für Nordbrabant einzuräumen (te W.s. 97), doch sind es auch hier recht dünne unterlagen, auf die der schluss gebaut ist. Erst ein jh. später sind die beweise für Brabant sicher. Ob es viel früher gewesen ist, als sich der prozess so weit entwickelt hatte, dass man sich der lautveränderung deutlich bewust war, so deutlich, dass sie unter umständen auch die traditionelle schreibung durchbrochen hätte? Rein theoretisch gesprochen, würde ein jahrhundert, d.h. drei bis vier generationen, vollkommen genügt haben, um die entwickelung vom laut ī bis zu dem ausgesprochenen neuen laut zu führen. Aber wegen Hennen von Berchtem müssen wir local eine ausgesprochene annäherung von ij an ei - und das ist dann eben die diphthongierung mit einer merkbaren ei- aussprache - bis zum anfang des 15 jhs. heraufrückenGa naar voetnoot1). Entweder hat das ‘local’ in ganz beschränktem sinn zu gelten oder es hat doch ein teil der mnl. autoren in dieser hinsicht unter dem einfluss einer schriftsprachlichen tradition gestanden. Vielleicht bringt es uus in der frage weiter, wenn wir eine besondere gruppe von ausnahmen des vorher aufgestellten satzes, dass ī und ie nicht mit einander reimen, näher ins auge fassenGa naar voetnoot2). Aus Heelu führt te W. 20, 90 f. 13 beispiele der bindung | |
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von ie ‘je’, nie ‘nie’, die prom. und drie ‘drei’ mit wörtern auf -ije an; dazu kommt noch 5233 drie: partye (statt 7134 ist 7131 zu lesen.) Hierneben steht nur ein einziger reim von ī + consonat: ie + consonant, side: liede. Im westfläm., noch dem 14 jh. angehörigen Sp. der Sonden habe ich angemerkt die wortformen ie ‘je’, ic sie, die ‘dich’, wie ‘wir’, hie ‘er’ : -īe, Marīe, Jheremīe 2013. 2495. 3489. 10167. 10221. 12124 u. ö., wi sien, plien, dien pron. : -īen, vrīen, lijen, antīen 55. 581. 1579. 1671. 1909. 2193. 2204. 2249. 2265. 2447. 5846 u. ö., niet, geschiet: vermaledīet, bedīet, līet 4777. 5043. 7787. 8427. 9789, dies pron.: bedīes 15333; aber keinen einzigen fall von ie: ī, d.h. etwa liede: side oder niet: tijt ‘zeit’. Vgl. Verdam Inleid. XLVIII. Zwischen beiden texten zeigt sich der unterschied, dass bei Heelu ie nur mit absolut auslautenden īe reimt, im Sp. d.S. aber auch mit ursprünglichen īe bei noch folgender consonanz. Diesen unterschied werden wir bei der folgenden übersicht berücksichtigen. Im Limb. ist ausl. īe: ie häufig bei Ländernamen auf -īe, Marīe und anderen femin. auf -īe: pron. sie, hie, die, zu ie, nie, drie, verbalformen ghescie, sie, ontsie, vlie 1, 1505. 1525. 1718. 1805. 1903. 2, 29. 633. 1365. 4, 1435. | |
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5,581. 847. 1647. 6,399. 683. 771. 1845. 2241. 2270. 7,91 u. ö., ferner vrīe: mie ‘mir’ 1, 1551. 3, 661. Ob auch der andere fall anzuerkennen ist, bleibt mir sehr zweifelhaft. Denn verspien, das 4, 89 zu castīen reimt, kann der bedeutung wegen keinesfalls ‘ausspähen’ sein. Vielleicht ist an eine mit der deutschen form stimmende form von verspuwen ‘verachten’ zu denken. Für Arabīen: nie 6, 2403 ist natürlich Arabie zu schreiben, und es bliebe nach meinen aufzeichnungen nur antīen: ghescien 1, 1855 das als einziger fall kaum zum beweis genügen dürfte. Auch hier wäre statt ghescien wohl ghedīen (oder bedīen) möglich. Clergie: mie ‘mir’ Lekensp. 2, 48, 1206,: die pron. 3, 14, 103, drie: partīe 2,54,67, Marīe: ic sie 2, 2, 25 (eine var. lye statt sie), 2, 9, 17, drie: astronomīe 2, 11, 21; Grimb. 1, 471 drie: vrīe, 1227 ie: ic līe, 2404 subst. auf -īe: hie ‘er’, 3280: sie pron., 2, 4135: drie, 5748: nie, 5788: die pronomen; Mask. 156. 471 sie: partīe, N. Doctr. 1435 die pron.: hatye, Lutg. 3,147 dye artikel: euwangelye, Merl. 35651 drie: paertie, Stoke 7, 861 her Gye: mie ‘mir’ (sonst Gie)Ga naar voetnoot1). Lorreinen abbīe: nie 2,35, anetīe: nie 3242, anetīen: gesien 1,53, anetīet: niet 2,3388; St. Amand vrīe: drie 1,5309. 2,3891, ghewīet: niet 1,1328, belyet: diet 2619, clergyen: dien 2745, benedīen: mettien 3538, belīen: voorsien 5412, partyen und lyen: sien 2,2005. 2025. 2177. 2234, tyet: ghesciet 2,3075, lyen: tien 5336, ghedīen: sien 5576; Vergi dorpernīe: die pron. 734, amīe: nie 1016, antīet: niet 652; Rein. II tīet: niet 5221, drie: partīe 5367, tien zahlwort: cirurghīen fem. 7619; Theoph. 705 gheschien: castīen (nach Verdam s. 84 interpoliert); Brab. y. fortsetzung auslautend ie: īe 6,175. 203. 1979. 5433. 7855. 8787. 7,6523. 18013, daneben auch paertīen: aenghesien 6,8951. 8963, Lombaerdīen: sonder vertien 7,3575. Zahlreiche beispiele | |
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bietet Wap. Rog. nicht nur in den bei v. Helt. § 77 opmerk. 3 angeführten fällen sondern auch in den strophen 300 ff. (tīes: verlies, dies usw. und tīen usw.: sien usw.), 313 ff., 560 ff., 989 ff., 1054 ff., 1416 ff.Ga naar voetnoot1). In einigen andern texten ist die sache weniger sicher. Parthonop. 5455 ghelīen: indien, Verwijs fragm. 253 ghelīe: nie. Wenn die beispiele allein stehn, könnte man ihnen mistrauen und etwa an das synon. ghien statt ghelien denken. Hildeg. XV 221 geschien: lyen hat die var. gedien statt geschien, VI 9 houerdīe: hye wäre für diesen text mit apocope houerdij: hij nicht undenkbar; II 71 tien ziehen: castīen. Der text wäre noch näher zu untersuchen. Auch Velthem erscheint auf dem plan: pertīe: gescie Sp. hist. 2,35,36, ic līe: nie 6,32,79, frenesīe: nie 7,16,81, antīet: gesciet 2,13,39, prophetīen: drien 7,14,51Ga naar voetnoot2). Die zusammenstellungen zeigen auf den ersten blick, dass wir es nicht mit einer ungenauen reimbindung zu tun haben können, denn sonst müsten neben den belegten reimen auch überall solche wie side: liede stehn, sondern dass eine lautliche annäherung oder ein zusammenfall von ie mit ī + schwachem e statt gefunden haben mussGa naar voetnoot3). Das wesen der sache wird klar durch neuere mundarten. De Bo s. 397 sagt, dass westfl. ie 1) | |
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mit schriftniederländisch ie stimmt, ausserdem aber steht 2) ‘op het einde der woorden, waar de Hollanders ij spellen’ und 3) in den wörtern mit ursprünglichem -īde- nach verlust des d, blie blijde, iel ijdel, lien lijden usw. Wenn wir seine beispiele unter 2) mustern, so sind es genau die, die früher īe hatten, die feminina auf ij. Desgleichen lernen wir bei van Weel, Het Dialect van West-Voorne s. 22 f. dass germ. ī im allgemeinen ĭ aber in denselben fällen, die bei de Bo abweichen, ī ist und mit älterem ie stimmt (s. 37). Es kann wohl kaum einem zweifel unterliegen, dass der selbe sprachzustand bereits am ende des 14 jhs., z.b. für Sp. d. Sonden, gegolten habe, d.h. ī + schwachem ə und der ursprüngliche diphthong ie sich in der aussprache deckten, während sie sich z.b. bei Maerlant noch streng getrennt zeigen (Alex. LXIX f.). Es läge ja nun nahe genug anzunehmen, dass i + ə aus der zweisilbigen verbindung zu einem diphthong geworden, so mit noch diphthongischem ie zusammengefallen, und beide zusammen dann später monophthongisch geworden seien. Aber der im eingang ausgeführte satz, dass ie schon länger monophthongisch gewesen, ist doch unumstösslich. Durch diesen umstand und die neuere lautung, bei der keinerlei unterschied zwischen formen wie die, ik sie und liede vorhanden ist, wird auch der ausweg verlegt, dass der eintritt jener reime vielmehr an einer neuen aussprache des alten ie liege, dass es etwa zuerst im auslaut monophthongiert worden sei oder dort sonst eine veränderung erfahren habe. Der vorgang kann nur der gewesen sein, dass in der verbindung iə das ī eine änderung erfuhr. Ausserdem muss aber auch, um die reime erklärlich zu machen, das ə selber synkopiert worden sein. Nun lernen wir bei | |
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De Bo über den unterschied von ī und ie weiter folgendes: ie ‘klinkt scherper en langzamer’ als ‘de schoone klinker, de volkomene of beter heldere’ ī. Was unter ‘scherper’ dem ‘heldere’ ī gegenüber zu verstehn ist, kann ich mir leider nicht klar genug vorstellen und muss es ebenso dahin gestellt sein lassen, ob, wie ich allerdings vermuten möchte, auch ein accentuationsunterschied mit dem sonstigen klangunterschied verbunden ist. Das müsten kenner der mundart unbedingt feststellen. Der quantitäsunterschied ist aber jedenfalls ein hervorstechendes moment, und bei van Weel wird der unterschied von altem ī und ie einfach als kurz und lang i (er schreibt, um den hellen laut anzudeuten, und ) angegeben. Da drängt sich doch die vermutung auf, dass in jenen fällen von ursprünglichem īə der tonvocal einen quantitätszuwachs erfahren habe, und so würden wir darauf geführt, dass auch das mnl. ī bereits kürzer gewesen sei als das monophthonge ie. So scheint mir aber auch die sache ganz klar zu sein: īə wurde ījə gesprochen und mit dem eintritt der syncope verbanden sich ī und j zu einem längeren ī. Die syncope ist ja auffallend, zumal wir wissen, dass grade hinter ī früher das ə verhältnismässig fest haftete (Mnl. Gr. § 21, 1),
und sie wäre unerwartet früh anzusetzen. Es dürfte sich hieraus ergeben, dass damals spontan eine änderung der aussprache von ī vor sich gegangen oder zum abschluss gelangt sei, die auch die synkope beförderte. An der letzteren ist, soviel ich sehe, gar nicht vorbei zu kommen. De Bo hat heerschappie, brouwerie usw. Wenn wir dagegen in West-Voorne bījə (= nnl. bij aus früherem bīa, gegen mnl., fläm. bie aus bĭa), pərtījə usw. finden, so muss hier das ə nach analogie anderer feminina oder der flectierten casus wiederhergestellt sein.
Nun ist es ja auf den ersten blick merkwürdig, dass mnl. hie, sie, wie, ghie usw., die wir also mit ī zu sprechen hätten, reductionen von hij, sij, wij, ghij usw. mit kürzer zu sprechendem i sein sollen (oben s. 264 f.) A ber abgesehen davon dass der quantitätsunterschied früher geringer gewesen sein kann, braucht die | |
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reduction eben nicht bloss in der quantität zu bestehnGa naar voetnoot1). Wenn es richtig ist, dass der unterschied von mnl. und westfläm. ī von ie mit der diphthongierung des ersteren in irgend einem zusammenhang steht, d.h. dass das moment, welches im Mnl. dem zusammenfall des monophthong gewordenen ie mit ī im wege stand, mit zu den momenten gehört, die die diphthongierung des ī herbeiführten, so ergäbe sich also eine gewisse verkürzung des vocals als ein solches moment. Dass ein solcher zusammenhang in der tat bestehe, dafür spricht vielleicht auch die behandlung des ī vor r. Es hat (ebenso wie das ǖ) im Nl. nicht an der diphthongierung teil genommen und ist mit monophthongem ie vollständig zusammengefallen. Und so war es bereits im Mnl.; wörter wie fīra ‘feier’, auch mīre aus mīnere, dativ von mijn, u.a. sind viere, miere geworden (Mnl. Gr. § 54; vgl. dazu Holthausen, Soester Mundart § 92). Die schreibung ie haben sie, weil ie bereits monophthongisch war, aber sie beweist dass der laut schon damals, wie heute, mit etymologischem ie und nicht mit ī übereinstimmte. | |
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Eine diphthongentwicklung, wie ich sie früher annahm, ist durch nichts erwiesen, und es liegt keinerlei grund vor sie anzunehmen, wenn man den monophthongen charakter von ie zugibt. Es ist meistens eine wenig erspriessliche und oft eine gefährliche sache, rein speculativ geschichtliche lautveränderungen in ihrem phonetischen wesen ergründen zu wollen. Aber hier wäre es jedenfalls an sich einleuchtend, auf den gegensatz zwischen dem bekannten die vocale leicht verlängernden charakter des r und jenem an der diphthongierung vielleicht beteiligten moment, mit dem eine gewisse kürzung des vocals verbunden war, hinzuweisen. Ich will aber nicht behaupten, dass damit der übergang von ir zu ier vollständig erklärt sei. Die voranstehenden ausführungen stehen stark im widerspruch mit ansichten, die in der letzten zeit über die diphthongierung entwickelt worden sind, hauptsächlich in dem aufsatz von Wrede, Zs. f. deutsches Altertum usw. 39, 257 ff., dessen ergebnisse jetzt Leihener, Cronenberger Wörterbuch (Wredes Deutsche Dialektgeographie II) s. XXVII ff. auf eine erklärung ripuarischer accentverhältnisse angewendet hatGa naar voetnoot1). Die diphthongierung von ī ū ǖ zu ei-, au-, äu-lauten, die, wo sie eintritt, die laute in allen stellungen ergreift, in einzelnen gebieten sich aber auf die genannten längen vor schwachem ə und im auslaut oder auch nur auf die ersteren beschränkt, im Nl. allgemein vor r unterbleibt und auch sonst noch unbedeutendere verschiedenheiten in kleinerem umfang aufweist, ist eine so eigenartige erscheinung, neben der keine andere sprache, so weit mir bekannt ist, etwas entsprechendes bietet, dass man unbedingt einen innerlichen zusammenhang nicht nur der nl. sondern auch der engl. mit der deutschen annehmen muss. Eigenartig wie ihr wesen ist auch ihr gebiet. An das grosse, die breite Deutschlands in keilförmiger, nach westen immer schmaler werdenden gestalt durchziehende diphthongierungsgebiet schliesst sich im westen nach norden das ripuarische und niederfr. gebiet an, das die | |
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vocale nur unmittelbar vor schw. e oder vor schw. e und im auslaut diphthongiert; dann folgt, fast rund herum von nichtdiphthongierenden oder nur in den eben genannten fällen diphthongierenden strecken umgeben, das nl. diphthongierungsgebiet, von dem mittel- und ostdeutschen also durch einen breiten gürtel in der hauptsache ohne diphthonge getrennt. Über dem meer taucht die erscheinung dann wieder in England auf. Die neu entstehenden laute spielen in den mannichfachsten formen von oi, ai bis ē für ī und entsprechend. Angesichts dieser verhältnisse kann es nicht zweifelhaft sein, dass Wrede mit allem recht aufs nachdrüklichste betont, dass der vorgang seinem hauptsächlichsten verbreitungsgebiet nach als autochthoner lautprozess aufzufassen ist, und übertragung bei demselben nur in zweiter linie und für bestimmte gegenden, die uns hier nicht berühren, in betracht kommt. Dann müssen aber die keime sehr weit in der zeit zurückliegen. Die Moselfranken in Siebenbürgen haben die diphthongierung, obwohl dieselbe im 12. jh., als sie das mutterland verliessen, dort noch nicht in die erscheinung getreten war, und die Engländer müssen den keim bereits vom festland mitgebracht haben. Und wenn mitten zwischen diphthongierenden gebieten oder sonst irgendwo, wo nach dieser voraussetzung der prozess zu erwarten wäre, er stark beschränkt oder ganz unterblieben ist, so müsten neue einflüsse eine gegenwirkung ausgeübt haben. Die möglichkeit, die ich Anz. der Zs. f. deutsches Altertum usw. 23, 7 andeutete, dass der ganze vorgang als eine immanente folge des germ. wurzelaccentes aufzufassen sei, darf man wohl zuversichtlicher aussprechen. Aber Wredes versuch, die diphthonge dann als eine folge der syncope zu erweisen, hat mich von anfang an nicht überzeugen können. Die weitgehenden annahmen von analogischer übertragung, die seine hypothese nötig macht, sind mir zum teil nicht wahrscheinlich oder kommen mir überhaupt unmöglich vor. Zb. sehe ich nicht, wie die diphthongierung in einem fall wie moselfr. eisə ‘eisen’ oder eich ‘ich’ erklärt werden könnte, und auch die diphthongierung des vor nd (nt) verlän- | |
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gerten, ursprünglich kurzen i im Engl. und in nl. mundarten in wörtern wie blind, finden oder vor ld im Engl. scheint mir der hypothese nicht günstig. Sie nimmt im anschluss an eine von Kräuter Zs. f. deutsches Altertum usw. 21, 258 ff. entwickelte theorie eine zerdehnung der länge und einen entwicklungsgang mit dissimilation und kürzung des ersten teils, etwa īj, ēj, ej, aj an. Einer solchen, heute, wie es scheint, vielerseits gebilligten ansicht, würden meine obigen darlegungen scharf wiedersprechen. Nach Kräuter könnte sie gestützt scheinen durch einen parallelismus zwischen der diphtongierung vor vocal (und im auslaut) - es ist das die einzige diphthongierung, die im Elsäss.-Schweiz. vorkommt - und der entwicklung von wörtern mit innerem g im Elsäss., z.b. schreie ‘schreien’ und leie ‘liegen’, steie ‘steigen’; feil ‘feile’ (aus fi(h)ala) und eil ‘igel’ (vgl. auch böüe ‘bauen’ und löüe ‘lüge’, söüe ‘saugen’), wonach es ja vor der hand läge, sich den übergang von ī zu ei durch ein īj aus ī vermittelt zu denken. Aber die übereinstimmung der entwicklung beruht nur auf dem einstmaligen vorhandensein von ī vor vocal auf beiden seiten. In ligen und stīgen hatte sich das g zu i aufgelöst und mit ĭ und ī zu ī verbunden, und so waren die formen schrīen, ligen und stīgen gleich geworden und hatten sich gleichmässig weiter entwickelt; aus igil war iəl entstanden, das sich entwickelt wie fīələ ‘feile’. Dass die sache so aufzufassen ist, beweist stibeil ‘steigbügel’ (beil aus bügel, wie eil aus igel) neben steie ‘steigen’; das aus īg entstandene ī war in dem compositum vor consonant zu stehn gekommen und infolge dessen nicht diphtongiert. Wäre g zu j geworden, und läge die diphthongiering doch an der verbindung īg, so hätte sie auch in stīgbügel eintreten müssen, und wenn wir in genauerer lautlicher schreibung schrījen, lījen, stījen als die vorformen anzusetzen haben, so könnte die diphthongierung doch nicht an dem īj allein sondern nur an seiner verbindung mit dem folgenden vocal liegen. Būan und lugi, sūgan trafen in einer form mit ū oder ūw zusammen, indem das g nach dunklem vocal zu u̯ wurde, | |
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das sich mit u und ū zu ū verband. ū wurde dann auf elsässisch zu ǖ und dies zu öü diphthongiert: sūgan < sūu̯en < sūən (oder sūwən) < sǖən (oder sǖən) < söüən. Erst in sǖən oder söüən hat sich ein j als übergangslaut entwickelt: söüjə. Allerdings hat S. de Grave klug ein tatsächliches moment in die verhandlung über diese frage geworfen Er weist Tijdschr. 21,46 f. darauf hin, dass die mnl. schreibung ii, ij für ī nicht mit der bei a-, o- und u-lauten gebräuchlichen längebezeichnung durch nachgesetztes e (holl. auch i) zu vergleichen sei. Die andeutung der länge durch nachgesetztes e beruht auf der ausdehnung einer in bestimmten fällen durch historische entwicklung entstandenen schreibung (Beitr. 27,398 ff.), und die schreibung ij kann in der tat dem nicht parallel sein. Aber es ist zu berüchsicktigen, dass ij nichts ist als eine rein graphische variante von ii, und insofern es nicht das alte y fortführt, das in einer anzahl von fremden wörtern und namen langes i bedeutete, ist es also als doppelung anzusehen. Als solches könnte es nun den alten gebrauch der doppelschreibung für lange vocale fortsetzen, wie auch das mnl. ee wahrscheinlich doch eine fortsetzung der alten doppelschreibung ist (Mnl. Gr. § 6). Es kann sich jedoch auch so erklären, dass das doppelt gesetzte i in wortformen wie pīnt, schīnt von pīnen, schīnen den ausgeprägten i-charakter des vocallautes dem nach e neigenden klang des kurzen i gegenüber ausdrücken sollte. So ist ij in vielen handschriften zweifelsohne auch gebraucht in fällen wie kijnt für kint (Mnl. Gr. § 59 Anm. 1). Es ist also durch nichts erwiesen, dass die schreibung für ein nachklingendes j spreche, und in einer aussprache īj der anfang der diphthongierung zu erblicken sei. Es wäre in dem fall nicht gerechtfertigt, dass ii, ij in offener silbe so sehr viel seltener ist als in geschlossener. Zudem ist, wie nicht häufig genug betont werden kann, noch niemals erwiesen worden, dass genauere phonetische unterschiede sich in unserer mittelalterlichen orthographie jemals anders als höchstens in gelegentlichen und unsicheren schwankungen ausgesprochen hätten. Ich will gar nicht einmal hinzufügen, | |
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dass selbst dann, wenn man bei der annahme bleiben wollte, ii und ij beweise eher eine art von doppellaut als irgendwelche andere modification des lautes, auch dann eben so gut ein zuwachs vor als hinter dem eigentlichen laut damit gemeint sein könne. Wilmanns, Deutsche Gr. 12, 273 und 276 unterlässt nicht, obwohl er Wredes hypothese entgegen kommt, den unterschied zwischen den älteren diphthongierungen ie und uo, die mit dem ursprünglichen laut beginnen und diesen, die mit ihm schliessen und nicht, wie man nach jenen erwarten könnte, als ie (aus ī), uo (aus ū), üe (aus ü) erscheinen, hervorzuheben. Mir scheint es in der tat von vorne herein und grundsätzlich wenig gerechtfertigt, von der nächst liegenden und älteren auffassung, dass das wesen des prozesses nicht in einer entwickelung nach hinten sondern in der bildung eines stützoder übergangslautes vor der hochbetonten und unter dem ton vermutlich zu extremer qualität gesteigerten länge besteheGa naar voetnoot1). In wie weit unsere schriftsprache nicht durch die schreibung verfälscht ist und eine ächte aussprache der laute bewahrt, ist schwer zu sagen. Ganz deutlich hat das Schwäbische eine artikulation, die ich den schriftdeutschen diphthongen gegenüber als die ursprünglichere ansehe; das ei aus ī beginnt mit einem e-laut und steigert sich deutlich nach dem sehr hoch und auch wesentlich länger als in unserem ei gesprochenen i. Einen ähnlichen charakter vernehme ich in den neuen nl.
diphthongen und bezweifele die landläufige ansicht, dass ij und altes ei in dieser sprache völlig zusammengefallen seien. Aus dieser art aussprache, die ich mit eī bezeichnen will, hat sich dann m.a. nach die aussprache mit stärkerer unterordnung des zweiten elementes, ęi, entwickelt, wie sie zb. im Moselfränk. gilt, und daran haben sich weitere diphthongische modificationen mit a- und anderen lauten vorne einerseits, und monophthongierungen u.a. anderseits, die in einzelnen mundarten aus den neuen ei- und ou-diphthongen hervorgegangen sind, angeschlossen.
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Aber die tatsache, dass diese monophthonge im verhältnis zu den aus den alten ai und au entstandenen noch so sehr selten sind, dürfte gleichfalls darauf hinweisen, dass der charakter der voraufliegenden laute als ei und ou verhältnismässig jung ist, und sie erst an die stelle von eī und oū getreten sind. Wenn Wredes reichhaltige, aber doch vielleicht nicht erschöpfende zusammenstellungen allerdings einen zusammenhang zwischen syncope und diphthongierung zu empfehlen scheinen, so braucht man sich darum doch seiner schlussfolgerung nicht auszuliefern, dass die erstere die bedingung der letzteren sei. Vielmehr kann der zusammenhang auch darin bestehn, dass beide lautliche vorgänge von den gleichen factoren veranlasst sind. Und wenn der wurzelaccent wirklich das primum movens ist, so wäre ja dieser zusammenhang da. | |
Anhang über die formen der verba erien u.ä.Die germ. verba mit kurzem vocal und r in der wurzelsilbe, die mit j abgeleitet sind, haben sich sehr vielgestaltig entwickelt. Auch ins Mnl. sind einige von ihnen mit wenigstens drei verschiedenen formen gekommen. Die einfachsten beruhen auf den formen wie 3 pers. sing. praes. altsächsisch erid, woraus mnl. ēret und darnach infin. ēren. Anderseits waren die formen wie infin. erjan durch entwickelung eines i zwischen r und j zu erĭjen geworden, woraus sich mnl. ērijen ergab; daher z.b. scerien: materien Lekensp. 3, 14, 32. Dieselben formen hatten unter umständen das mittlere ĭ wieder syncopiert, und das nun unmittelbar hinter r stehende j war zur spirans g geworden, daher mnl. herghen ‘verheren,’ das zb. zu berghen reimt Sp. 34, 2, 17, ähnlich Stoke 2, 291. 332. Die doppelheit ērijen und erghen, also früher erijen und erjen kann aus verschiedenem satszusammenhang stammen oder auf kürzeren und längeren formen des verbums beruhen, indem etwa erijen einerseits und erijenne, erijendi anderseits, oder praes. erije einerseits und das analogisch gebildete praet. erijede anderseits sich verschieden | |
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entwickelten. Doch weisen doppelformen der substantiva merie, berie und merrie, berrie auch auf die möglichkeit dass unter irgend welchen umständen schon früher erijen und erjen nebeneinander standen (Mnl. Gr. § 99). Eine form hereghen Stoke 2, 146 kann aus herghen durch neuentwicklung eines zwischenvocals entstehn (van Helten s. 122; Mnl. Gr. § 52). Alle drei typenGa naar voetnoot1) sind auch im infin. gebräuchlich, und die übrigen formen, auch praet. und part. praet., können auf grund aller dreier gebildet werden. Vom ersten ergibt sich praet. erede, eerde, part. geeret, geeert, vom dritten herghede, herchde, gheherghet gehercht. Mit dem zweiten typus herijen traf eine ableitung des aus dem Roman. entlehnten wortes martelie zusammen. Die gegewöhnlichste form desselben geht auf eine entlehnung martĭlia oder martĭlie zurück, woraus mit der gewöhnlichen dehnung von ĭ in offener silbe martēlĭje (: lelie) entstand. Daneben stehn auch die formen martĭlije und martīlije, letzteres geschrieben martielie, die eine etwas jüngere form der entlehnung darstellen. ie ist darin bezeichnung von langem i nach oben s. 263 f. Ob die doppelheit ĭ und ī auf lebendigen roman. varietäten oder auf einer mehr gelehrten verschiedenen behandlung des fremdwortes beruht, lasse ich dahin gestellt. Das verbumGa naar voetnoot2) lautet entsprechend gewöhnlich martélien (der accent soll nur die tonstelle bezeichnen), daneben martílien, martíelien. Praet. und partiz. von diesem typus können nun wieder verschiedene formen haben, jenachdem sie syncopieren oder das schwache ə behalten, analog der doppelheit lijede, wijede und lijde, wijde, gelijet, gewijet und ghelijt, gewijt. Bei der syncope bleibt von dem ij des -ijen ein vocallaut übrig der meistens ij geschrieben wird. Zum teil | |
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sind die schreibungen an sich mehrdeutig, und ihr sinn muss erst festgestellt werden. Sicher unsyncopierte formen sind verherijede, verherijeden, verherijet Sp. 35, 24, 16. 36, 22, 7. 45, 115. 46, 44. 37, 53, 34. 38, 87, 70. 41, 64, 10, gemartelijet 38, 50, 69 und oft; ebenso 3. praes. martelijet 38, 73, 56. Man kann dieser häufigen schreibung gegenüber fragen, warum im praes. bei derselben lautung i-jə nur ganz ausnahmsweise erijen o.ä. neben dem dort gewöhnlichen erien vorkommt. Wenn der unterschied nicht zufällig ist, so möchte ich annehmen, dass eine dem erien entsprechende schreibung heriede umgangen und durch herijede ersetzt wurde, weil heriede auch syncopiert herīde hätte gelesen werden können, was bei praesensformen herien usw. weniger nahe lag. Sicher syncopierte formen sind z.b. verheride Rb. 14765 (varr. verherde, verheerde), merteliden Sp. 48, 39, 52, part. verheryt Rb. 34326 (varr. verhert, verert, verheert), verherijt Sp. 38, 61, 43. 50, Grimb. 2, 744. 1, 2725 var., geherijt Rb. 8059 (varr. geheriet, gheeert, gheert), gheerijt Part. 989, gemartelijt Sp. 36, 15, 52. 38, 46, 52. 50, 9 u.o., imperat. kerijt Lippyn 29, 3 s. praes. kerijt Rose 8833. Zweideutig sind die formen in denen ie geschrieben ist, wie in einer eben angegebenen var. aus Rb., ferner in verheriede Sp. 42, 9, 79, eriet Alex. 8, 599, das ich wohl zu unrecht in eriedet geändert habe, gemarteliet Sp. 31, 7, 46. Es wäre denkbar, dass in diesen formen ie neben den obigen i und ij auch eine bezeichnung für den bei der syncope aus ij(ə) entstandenen laut sein sollte. Aber das ist weniger wahrscheinlich als dass es nur eine andere schreibung für ije, also lautlich i-jə ist. Ist die form eriet aus Alex. die richtige, so kann sie überhaupt nur erijet aus erijedet sein, denn die contractionen wie maket aus praet. makedet beruhen auf dem vorhandensein zweier schwacher e; s. Mnl. Gr. § 21, 5. Also der aus ĭ-jə bei der syncope übrig bleibende laut in der unbetonten silbe wird entweder mit i oder meistens mit ij geschrieben. Seiner qualität nach war der laut dem gewöhnlichen ĭ gegenüber doch wohl reineres i, der quantität nach war er | |
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kurz oder höchstens halblang, obwohl wir nach analogie des oben behandelten ījə annehmen müssen, dass bei der syncope etwas von dem j übrig geblieben istGa naar voetnoot1); ĭjə ergab (i) ij, ījə aber ie. So würden wir auch hier darauf geführt, dass ij ein heller und nicht ausgesprochen gedehnter laut gewesen ist. | |
2. Mittelniederländisch oe.Die feststellung des lautwertes oder der lautwerte von mnl. oe, d.h. des lautes, der germ. ō, ahd. mhd. uo entspricht, wirft auch heute noch eine anzahl besonders schwieriger probleme auf, deren lösung eingehende untersuchungen erfordern würde, die auch, zeitlich und landschaftlich, über das Mnl. hinausführen müsten. Ich habe hier vor allem mehrere einzelheiten zu erörtern, durch deren frühere auffassung ich die ganze frage vielleicht erschwert habe, geh aber auch auf andere punkte ein, wenn auch nicht in der hoffnung, die schwierigkeiten zu lösen, so doch einige anregungen zu geben, die vielleicht zur sicheren entscheidung hinführen. Die guten mnl. dichter reimen bekanntlich den laut, der im allgemeinen altem au entspricht, das jetzige scherplange o, den ich im folgenden unter ō verstehe, und den fraglichen laut, den ich mit oe bezeichne, nicht zusammen. Ich habe schon einmal betont, in dieser Zeitschr. 19,42, dass die von van Helten, Mnl. Spraakk. 87 f. aufgestellte liste der ausnahmen wesentlicher einschränkungen bedarf, da er eine reihe von einzelfällen und auch ganze kategorien dabei geltend macht, denen er ō zuerteilt, während sie tatsächlich oe haben. Vermutlich würde das v.H. heute selber zugeben, es scheint aber nicht oft genug gesagt werden zu könnenGa naar voetnoot2). Dass die reime | |
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im allgemeinen gemieden werden, ist ja eigentlich selbstverständlich. Denn da die beiden laute heute verschieden sind, müssen sie auch zu jeder zeit verschieden gewesen sein und konnten also von dichtern, bei denen reine reime grundsatz waren, und zwar reine reime durchaus im phonetischen, nicht etwa in ortographischem sinn, nicht miteinander gebunden werden. Eine anzahl bestimmter fälle kommen aber in der tat vor, in denen die beiden laute doch sehr häufig im reim zusammen erscheinen. Die hauptsächlichste kategorie sind die mit ō und oe im auslaut. Ich fürchte jedoch, dass die sache grade hier grundsätzlich unrichtig und irreführend dargestellt ist und bezweifele jetzt, dass man einen reim zwischen vollwörtern wie coe oder scoe mit vro ‘froh’ oder vlo oder stro bei genauen dichtern finden wird. Ich muss zur veranschaulichung eine reihe von beispielen geben. Im älteren Rein. wäre nur ein einziges beispiel zu nennen, doe adv.: vro 2105, wo ich aber nicht zweifle, dass nach dem vorschlag Tijdschr. 1, 17 also: vro das ursprüngliche war (vgl. J.W. Muller, Tijdschr. 7,34). Die mir eben zur hand kommende ausgabe der neugefundenen hs. von Degering bestätigt die vermutung, dass also oder so zu lesen ist. Auch Wal. z.b. scheint keine ungenauen reime zu haben. Im Alex. finden wir nur das selbe doe: Permenio und Efestio 2,527. 905 und: vlo 351, wenn dort richtig doe statt des handschriftlichen soe ‘so’ gesetzt ist. Auch in Rb. sind zunächst nur reime von doe, gewöhnlich dann do geschrieben, zu vlo, ontvlo, vro und namen wie Pharao, Jerico zu verzeichnen 3385. 3411. 3613 (var. anders). 4035. 6475. 7667. 9447. 10047. 10169 (varr. so statt do). 10329. 12421 usw. (ander | |
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seits doe adv. auch: toe, scoe u.ä.). Im Franc. kommen nur beispiele mit gleichen etymologischen lauten, darunter oft toe: doe adv. vor. Vgl. noch doe, do adv.: so, also, vro Sp. 11, 24, 47. 14, 39, 49. 17, 39, 21. 37, 10, 33. 47, 40, 41;: stroe Stoke 4, 202Ga naar voetnoot1). Dazu kommt nun noch die bindung von vroe ‘früh’: alsoe Nat. bl. 3,2833,: so 10, 321, Rb. 24577,: Carthago Sp. 13, 56, 3,: so, also 17, 19, 71. 34, 27, Torec 1126 u.ö. (Rb. 25231 ist vro ‘früh’: do adv. geschrieben); anderseits vroe ‘früh’: toe u.ä. zb. Rb. 5551. 6519. In einer reihe anderer texte liegt die sache wesentlich anders. Z.b. im 1. buch des Lsp. reimen toe: so, also Prol. 13. 1, 16, 29. 25, 7. 32, 105. 34, 103. 37, 103. 48, 139;: vro 21,99; doe adv.: so 29, 7; ferner z.b. doe adv.: vloe ‘floh’ 2. buch. Prol. 17, roe ‘roh’: toe 3, 3, 1067; doe, ghedoe verb.: soe, alsoe 3, 3, 610. 13, 61. 20, 22; dazu vroe ‘früh’: soe ‘so’ 3, 20, 57; doe ‘tu’: alsoe D. doctr. 1,638; doe adv.: bedstroe Test. 2863; soe pronom. sie: vloe Limb. 1, 151; doe adv.: soe ‘so’ 571; toe: soe, alsoe 1947. 1983. 5, 1971: stroe 1, 1995;: vroe ‘froh’ 6, 1407; doe adv.: soe, alsoe. Lorr. 1,21. 2, 819. 1005. 1203. 1217. 1901; toe: vloe ‘floh’ 2,527;: alsoe 2, 3018; hoe: also Wrake 1272;: soe ‘so’ Brab. y. 5, 279; doe adv.: so Melib. 825;: vroe ‘froh’ 3525. 3757; toe: alsoe 785. 1693. 2243. 2350 u.ö. Im Segh. habe ich wieder nur angemerkt doe adv.: onvroe 1439 und toe: vroe froh 10845, wo jedoch die hs. soe statt toe hat. Es heben sich hier deutlich zwei gruppen voneinander ab, eine, die nur das adv. doe mit ō reimen lässt, und eine zweite, die auch toe, hoe und soe ‘sie’ sowie doe vom verb. doen auf gleiche weise behandelt. In beiden gruppen nimmt ausserdem aber auch das adv. vroe ‘frühe’ an der freiheit teil, in der zweiten allerdings vielleicht nur ganz vereinzelt. In der auslautsstellung des oe kann diese nun nicht, wie man früher annahm, begründet sein, denn sonst müste sie sich auch auf die vollwörter coe, scoe, roe, gheroe | |
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erstrecken. Die letzteren sind ja an sich unvergleichlich viel seltener als jene allerweltswörtchen, die sich so leicht zum bequemen reim einstellen, aber ganz dürften sie doch unter den reimen nicht fehlen oder auch nicht, wie ich in aller vorsicht sagen will, so stark hinter den andern zurücktreten. Durch die tatsachen scheinen wir vielmehr zunächst zu einer anderen erklärung gedrängt zu werden, nämlich zur annahme von verkürzung infolge geringer betonung. Wie sich im Altund Mhd. germ. þō in die volltonform duo und die mindertonige und infolge dessen undiphthongiert gebliebene form do gespalten hatte, so wird auch im Vl. doe und dō nebeneinander bestanden haben. Ob in westfl. ton, tonne, tons für toen etwa noch eine spur der nebenform erhalten ist, kann ich nicht sagen. Weniger verbreitet wären solche nebenformen bei den in der zweiten gruppe hinzukommenden wörtern gewesenGa naar voetnoot1). Was toe betrifft, so könnte man ja einwerfen, dass es nur hochtonig vorkomme. Aber es geht nicht über die wahrscheinlichkeit hinaus anzunehmen, dass im sprachgefühl noch ein genügendes bewustsein des zusammenhanges mit dem praepositionalen toete, das ja zu tote und totte wird, vorhanden gewesen sei, um auch die weniger betonte form für die tonstelle nicht als ausgeschlossen anzusehen. Auch für die verbalform doe würde die erklärung genügen, denn dies wort hat zweifelsohne vielfach nebenformen, die auf geringerer betonung beruhen. Ich kann das hier nicht ausführlicher darlegen, will aber wenigstens darauf hinweisen, dass im Lekensp. und in verwanten texten auch doen mit ō reimt, doen: loen Lekensp. 3, 1, 53. 3, 2, 101, Dietsche Doctr. 1, 630, Nieuwe Doctr. 511, Bedied d.M. 1156. Die schwierigkeit, die vroe dieser auffassung der dinge bereitet, muss ich gestehn nicht auflösen zu können, ohne dass mich dieser mangel indessen zu bewegen vermöchte, das fehlen der anderen wörter als zufall anzusehen und wieder zu der anderen erklärung zurück zu kehren. Wenn eine verbindung wie vroe | |
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morghens geläufig gewesen wäre, so könnte sich in ihr eine weniger betonte lautform entwickelt haben, zumal dabei auch noch eine wirkung des m (s. weiter unten; das gleiche im compositum vroemisse) hinzukommen könnte.Ga naar voetnoot1) Auch der satz dass oej und ōj miteinander reimen bedarf vermutlich der einschränkung. Es handelt sich fast ausschliesslich um reime von vernoien zu wörtern mit oej, z.b. im Rein. I und II (s. Tijdschrift 7, 34 und 35), Alex. 2, 465. 6, 305. 547. 8, 675; Nat. bl. prol. 85; Rb. 5688. 5937; Sp. hist. 35, 2, 5; Heimel. 6; Limb. 1, 1481. 5, 1827. 8, 749; Vrouw. e. minne II 51. VIII 246. Anderseits reimen vernoi, vernoien, auch in den gleichen texten, z.b. Troyen, Rb., Limb. mit ōj. Aber andere wörter mit oi = nfranz. oi, joie, proie, tornoi oder mit ōj aus auj, coie käfig, vervroien, stroien, doien, auch oit scheinen diese freiheit nicht zu teilen.Ga naar voetnoot2) Dagegen bietet sich | |
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ein ähnlicher fall in gecroeien, part. praet. von cruden,: bloeien Rein. II 5251. Darnach scheinen die reimbindungen nicht auf einer besonderheit von oej aus uoj sondern wesentlich von dem einzigen wort vernoi zu beruhen, und dessen ausnahmestellung mit dem besonderen ursprung des franz. oi, nfranz. ui, dieses wortes zusammenzuhängen; vgl. Salv. de Gr., Verhandel. d.K. Akad. v. Wetenschappen, Afdeel. Letterk. N.R. Deel VII 170. Das wort wird in zwei verschiedenen lautformen ins Nl. aufgenommen sein, entweder auf grund zweier verschiedener franz. formen, oder weil ein genau entsprechender laut im Nl. nicht vorhanden war, und das wort sich darum einerseits dem oej anderseits dem ōj anschloss; s. noch unten s. 302. De Bo hat neben vernooien auch vernoeien. Ob das für uns von bedeutung, d.h. mehr als als eine jüngere dialektische verschiedenheit ist, vermag ich nicht festzustellen. Als eine weitere kategorie von ausnahmen wird die bindung von oe vor m angesehen. Nicht im Rein. I, aber sonst wohl überall reimen zusammen die composita auf -doem, doemen, roem, roemen, noemen, bloeme auf der einen, comen, ghenomen, some, vrome, vromen, dromen ‘drängen’ (z.b. 3. Mart. 283. 487), brudegome (z.b. Sp. 33, 24, 5) auf der andern seite in ganz unbeschränkter weise. Ausgeschlossen sind dagegen reime von oem mit ōm aus älterem aum, also zb. bloeme: drome oder bome (Mnl. Gr. § 43). Blomen: drome (hs. dromen) ‘traume’ Alex. 4, 1463 ist darum verdächtig (vgl. vs. 1420). Über eine vierte gruppe, die bindung von oe, besonders vor n, mit einem aus kurzem u gedehnten laut kann ich auch hier nicht mehr sagen als Stroph. Ged. Nieuwe uitgave XLV anm. Nur sollen noch eine anzahl belege aus texten hinzugefügt werden, in deneu - von den vorher besprochenen kategorien etwa abgesehen - sonst die bindung von oe: o nicht vorkomt oder mehr oder weniger zweifelhaft bleibt. Sone: doene (done) Parton. 6312, Parton. fr. s. 56, 5, Limb. 1, 629. 7, 1285;: doene (welches wort ist gemeint?) Heelu 1, 2257. 2, 7882; ghewoene: doene Heelu vorrede 107, Brab. y. 7, 2621. 14961, Sp. hist. 26, 14, 53. 24, 7. 41, 85, Nu noch 63, Minn. | |
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Loop 4, 2221; auch Theoph. 587. 649; woene: doene Brab. y. 7, 4179, Limb. 1, 490Ga naar voetnoot1); ghewoene: coene Limb. 7, 135; woent: versoent(?) 11, 555; in Lorr. reimt sone auf namen auf -one, -oene und pauwelioene 1, 21. 1427. 1645. 2, 973. 3092 n. ö.; moghen: voeghen Teest. 3765, Bedied. d.M. 69; doghet: ghevoeghet Parton. 604; hoghede: voghede 935; vloghen ‘flügen’: voeghen 1138; ver-, onthoecht: ghenoecht Hildeg. 14, 95. 31, 121; ondoecht: ghenoecht 8, 261, duecht: ghevuecht Minn. Loop 1, 2587Ga naar voetnoot2). Auch dieser fall erfordert noch eine genaue untersuchung. Als einzelheit ist der name der Mosel geltend zu machen, dessen gewöhnliche deutsche formen auf kelt.-roman. formen mit kurzem vocal beruhen, die im Nl. aber Moezel heisst. Und diese form ist nicht nur schon bei Kiliaen sondern bereits bei Heelu, zb. vs. 4620 Moesle, bezeugt. Ahd. begegnet zwar neben schreibungen mit ů und û auch Muosela, aber das wird wohl auch nur eine schreibung für monophthongen laut sein; denn neben den sonst bezeugten formenGa naar voetnoot3) ist eine solche, die eine entwickelung des vortonigen roman. ŏ, ŭ zu ō voraussetzen würde, durchaus unwahrscheinlich. Es wird demnach eine auf Mŭsele beruhende, wohl über Lothringen oder Luxemburg nach den Niederlanden gekommene form in Moesel wiedergegeben sein. Ich nehme an, dass das germ. ō und der entsprechende laut von lehnwörtern im Nl. wie im gesammten übrigen Fränk. und wenigstens auch einem teil des Altsächs. zu uo diphthongiert gewesen ist; vgl. Tack Proeve van Oudnederfrank. Gramm. s. 17. Nach den gewöhnlichen mnl. schreibungen zu urteilen war | |
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daraus wieder ein o-laut entstanden. An sich könnte man es für wahrscheinlicher ansehen, dass uo unmittelbar zu o geworden sei, wie im Ripuar. und Moselfr. der gang der entwicklung gewesen zu sein scheint, aber die herschende schreibung oe dürfte doch dafür sprechen, dass zunächst ein diphthong o + nachschlag den diphthong u + nachschlag abgelöst habe. Meine frühere annahme, dass der diphthong o + ə im Mnl. noch erhalten sei, stützte sich auf die besprochenen reime von auslaut oe und oe vor j zu ō. Da diese dinge jetzt jedoch in einem anderen licht erscheinen, so fehlt, soweit ich sehe, jeder anhalt für noch andauernden diphthongischen wert, und der parallelismus des im vorangehnden artikel besprochenen ie spricht, wenn er auch nicht als ausschlaggebender beweis angesehen werden kann, für monophthong. Aber ob der u-laut des Nnl. schon geherscht habe, ist eine andere frage. Vor allem ist nicht unmittelbarer übergang von uo oder auch ue zu u anzunehmen, denn dann bliebe die schreibung völlig unerklärt. Im Limb. und Brab. wird häufig ue (u) gebraucht, und darin ist wahrscheinlich eine ältere Schreibung erhalten (Mnl. Gramm. § 31), und wenn sich statt dessen sonst oe festgesetzt hat, so muss der laut notwendig einmal ein o-diphthong gewesen sein. Was er zur zeit der denkmäler war, ist damit nicht entschieden. Aber ich sehe keinen anhaltspunkt für die annahme dass der u-laut bereits erreicht gewesen sei. Im namen des kukuks begegnen im Mnl. die schreibungen o und u, uu, aber kaum jemals oe. Die reime der wörter doe usw. mit ō ergeben für die vorliegende frage nichts, da die vorausgesetzten nebenformen sich schon abgespalten haben werden, als der laut noch monophthong war: dho neben dhō usw. Auch die reime der gruppe oej liefern uns keine handhabe, wenn die besonderheit nur an der eigenart des lehnwortes vernoi, vernoien liegt. Indessen darf in diesem zusammenhang nicht übersehen werden, dass die oej-wörter ausser der bindung mit vernoie(n) noch eine andere bemerkenswerte eigentümlichkeit aufweisen. Sie werden nämlich viel häufiger mit oi, oy als mit oei, oey geschrieben, | |
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also zb. coye ‘kühe’, bloyen, vermoyen, vermoit usw. gegen bloeden, vermoeden, soene usw. Die schwierigkeit, die sich hier erhebt, besteht vor allem darin, dass diese wörter mit oi später genau den gleichen laut haben wie andere mit oe: bloeien wie goed usw. Van Helten Tijdschr. 14, 29 ff. und Psalmenfragmente s. 123 nimmt eine ältere trennung des vormnl. ō aus germ. ō vor j und in anderen fällen an. Bereits vor der diphthongierung sei eine gewisse die diphthongierung verhindernde verkürzung eingetreten und habe ein oij, mit entwickelung eines i zwischen o und j, dem sonstigen uo gegenübergestellt. Diese hypothese scheint eine stütze in der tatsache zu erhalten, dass in den altniederfränk. psalmen bloien (nur ein beleg; daneben luoginda von luojen) den sonstigen schreibungen uo, ue, u gegenübersteht. V.H. ist dabei jedoch genötigt, die jüngeren nl. formen dieser wörter, die in der gemeinsprache und in den mundarten, auch im Westfläm., fast ausnahmslos wieder mit sonstigen oe zusammentreffen, durch ausgleich zu erklären. Bei den verba soll das oe wiederhergestellt sein auf grund der praet. und partic. wie bloede, ghebloet, die doch selber früh durch ausgleichsformen bloide, ghebloit beseitigt worden sind. Das ist also sehr unwahrscheinlich, und bei den substantiven wie moeie, die das oe statt o ‘nach analogie’, d.h. auf grund der tatsache dass ein verbum neben bloien auch bloeien lauten konnte, angenommen haben sollen, ist die erklärung m.e. grundsätzlich ausgeschlossen. Ich glaube, dass wir überhaupt an der annahme nicht vorbei kommen, der o-laut von bloyen usw. sei in eigener entwickelung im Nnl. und schon im Mnl. wieder mit oe zusammengetroffenGa naar voetnoot1). Und dann sehe ich | |
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nur folgende möglichkeit. In dem diphthong ging vor j oder dem davor entwickelten i der nachschlag, der sonst noch weiter bestand, verloren, während die qualität des grundlautes unverändert blieb. Quantitativ mag aber, zum ersatz des nachschlags, eine gewisse verlängerung eingetreten sein. Als dann auch in dem gebliebenen diphthong später der nachschlag schwand, wohl auch in verbindung mit einer gewissen dehnung, trafen die laute wieder zusammen und entwickelten sich weiter in übereinstimmender weise. Als die gangbare mnl. orthographie sich befestigte, bestand der unterschied, auf der einen seite ein bestimmter o-laut mit nachschlagendem e, auf der anderen seite qualitativ der gleiche o-laut ohne nachschlag; daher der orthographische unterschied zwischen bloeden und bloyen. Sobald nun das diphthongische oe in bloeden gleichfalls monophthongisch wurde, waren die laute wieder gleich, und so konnte denn auch wieder bloeyen geschrieben werden. Es möge noch ausdrücklich gesagt sein, dass gegen eine verkürzung des o-lautes in ōj auch die tatsache spricht, dass im Neuwestfläm., so viel ich sehen kann, das oe in bloeien u.ä. ebenso lang ist wie in anderen fällen. In den bindungen vor m hat man bis jetzt einen verkürzungsprozess erblickt, wie er bei m ja häufiger zu beobachten ist und sich auf ursprünglich kurze und lange vocale, aber, soweit | |
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ich sehe, nicht auf hochbetonte diphthonge erstreckt. Aus bloeme wäre also ein irgendwie kürzeres blome entstanden. Im jüngeren Mnl. und in heutigen mundarten, so im Westfl., finden wir blomme, verdommen usw., wie commen, zommer usw. Der verkürzungsprozess wäre also sowohl bei -ome aus -oeme wie bei -ome mit ursprünglich kurzem vocal mit der zeit noch weiter gegangen. Mit der kürzung des oe könnte auch eine stärkere öffnung verbunden gewesen sein; vgl. o für u und e für i in fällen wie dom, swemmen. Da nun comen, womit blomen, nomen in dieser periode zusammentreffen, selber nicht mehr kurzen vocal hat - commen kann jedesfalls nur wieder jüngere entwicklung sein -, so würde sich ergeben, dass der laut oe an sich ein stark gedehnter gewesen sein müsse, wie wir es auch bei dem vielfach parallelen ie festgestellt haben, und wenn in der form nomen ein mehr offenes o anzunehmen wäre, so brauchte uns das doch nicht zu hindern, das oe selber, aus dem es entstanden ist, für mehr geschlossen anzusehen. Das nebeneinander von drei lautformen im Mnl., noemen, nomen und nommen, würde mir nicht als eine so besondere schwierigkeit erscheinen. Noemen und nomen könnten unmittelbar nebeneinander bestanden haben, bedingt durch einen unterschied in der einwirkung von folgendem- mə und folgendem -mən, -mt. Allein es ist mir jetzt wahrscheinlicher, dass die sache ganz anders liegt, und der fall unmittelbar mit dem folgenden zusammengehört. An dieser letzten kategorie der ausnahmereime ist, so weit wir die sache überblicken, das allein wesentliche, dass es sich um die bindung von oe mit ursprünglichem, gedehntem ŭ, nicht ŏ, handelt. Der laut des letzteren in diesen fällen ist vielfach ö, aber bei den damit gebundenen wörtem mit oe kann von einem ö-laut nur insoweit die rede sein, als mundartlicher umlaut des oe in betracht kommen könnte, zb. bei ondoecht: ghenoecht (Mnl. Gr. § 31). Vielleicht war aber der ö-laut für ŭ in den fällen, wo die reime begegnen, gar nicht vorhanden. Sonst könnten die reime wohl nicht ganz rein gewesen sein. Um so mehr würde dann freilich die wahlverwantschaft des | |
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oe mit ō aus ŭ, im gegensatz zu ō aus ŏ hervor treten und mit aller entschiedenheit für den geschlossenen charakter des oe-lautes sprechen. Wenn wir es nun hier mit reimen zwischen oe und ursprünglichem ŭ zu tun haben, was liegt dann näher als die vorige gruppe gleichfalls hierhin zu stellen? In den betreffenden wörtern ist ja, besonders im Altsächs. und den verwanten sprachen, u als wurzelvoral genugsam bezeugt (vgl. die Altfränk. Gr. § 21,5 angegebene literatur; lies dort Beitr. 12, 549); auch für das ausserhalb des Nl. nicht nachgewiesene dromen dürfen wir nach analogie zuversichtlich ein älteres thrumon voraussetzen. Ein reim bloemen: comen (alts. cuman) ist vollkommen parallel einem reime coene: sone (alts. sunu). Man hat allerdings den eindruck, dass die reime der kategorie vor m unbedenklicher zugelassen werden und weiter verbreitet sind als die der folgenden kategorie (coene: sone). Es mögen da unterschiede in betracht kommen die durch die nebensilbenvocale hervorgerufen sind oder auch doch eine den vocal noch leise berührende wirkung des m. Eine solche ist nicht un wahrscheinlich, da sie auch bei ō aus ŏ festzustellen scheint, indem die sonst kaum beschränkte bindung von gedehntem ŏ und alter länge vor m deutlich beschränkt ist; vgl. meine Einleit. zu Alex. s. LXXVIII und Geurts s. 54 ff. Abgesehen von dieser hinzutretenden wirkung des m hat jedoch, wenn meine neue auffassung richtig ist, die bindung von oem: ōm und das auftreten von formen wie blomme für bloeme, commen für comen nichts miteinander gemeinGa naar voetnoot1). Weiter spricht auch der name der Mosel für oe als einen stark geschlossenen laut. Weder Mŏsele noch Mōsele kann die form gewesen sein, die ins Nl. eingang fand, denn einerseits würden diese formen sich doch als nl. Mōsel spiegeln, anderseits haben die an und bei | |
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der Mosel üblichen formen, soweit mir bekannt ist, durchaus u. Wäre Mŭsele die entlehnte form gewesen, so würden wir auch dann eher Mōsel finden, selbst wenn wir annehmen, das Nl. habe zu der zeit der entlehnung kein ŭ mehr gehabt sondern statt dessen ü. Die entlehnungen finden ja nicht bloss mit unfreier übernahme des fremden lautes sondern auch nach proportionen statt, und es wären hier verhältnisse wie nl. boter zu deutschem buter zur geltung gekommen. Oder aber die form hätte nl. Mȫsel ergeben. Die wahrscheinlichkeit spricht wohl für die herübernahme einer gedehnten form Mūsele. Setzen wir voraus, dass nl. ü damals bereits ǖ war, so wäre langes stark geschlossenes o der nächstliegende laut gewesen, den man hätte ‘substituieren’ können, so dass sich Moesele und, mit syncope, Moesle ergab. Oder die nl. form ist durch eine altfranz. Mouselle, z.b. Girbert de Metz (Roman. Stud. I 441 ff.) II 23. 30, die neben Moselle und Musele steht, vermittelt. Schliesslich kann auch der angeführte reim gecroeien: bloeien aus Rein. II noch in diese gruppe gehören, wenn man einräumt dass auf grund eines öfter festzustellenden ausgleichs zwischen dem vocal des part. und plur. praet. gecroeien auf ein älteres gecrŭden (statt gecrŏden nach plur. crŭden) zurückgehe. Nehmen wir noch hinzu dass oe auch franz. ou und franz. o in lat. -ōn-, d.h. mundartlich franz. ou (u), vertritt, so sprechen die einzelheiten, die wir hier überschaut haben, deutlich genug für einen monophthongen und stark geschlossenen laut. Dass er auf dem hauptgebiet bereits wieder ein u gewesen sei, scheint sich nicht zu ergeben, im gegenteil einzelne bindungen für o- charakter zu sprechen, und somit würde das normale Mnl. mit dem gesammtgebiet des mittelfränk. stimmen, wo gleichfalls das germ. ō über uo wieder zu einem ọ̄-laut geworden ist. Dabei muss aber raum bleiben für einen unterschied verschiedenen anderen o-lauten gegenüber, die auch ihrerseits nicht ohne weiteres als zusammenfallend angesehen werden können. Verschieden von oe war ō, die dehnung von ŏ; auch ō aus ŭ hat sich trotz der starken berührung, die wir eben fest- | |
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zustellen hatten, in der späteren sprache meistens von oe getrennt gehalten; verschieden war ferner das mnl. lange, meist aus germ. au entstandene, o, bei dem möglicherweise auch noch zwei varianten zu unterscheiden sind (Mnl. Gr. § 27); selbst in den besonderen fällen reimt bloeien zwar zu vernoien, aber nicht zu vervroyen u.ä., bloeme zwar zu come, aber nicht zu bome u.ä. Dies mnl. ō (aus au) könnte dem oe gegenüber offener gewesen sein, und es scheint mir gar nicht unmöglich, dass auf einem teil des gebietes dieser durch ao hindurch gegangene laut auch noch stark offen gewesen sei. Aber mit qualitativen und quantitiven unterschieden des lautes an sich werden wir allein bei der vielfachen verschiedenheit nicht auskommen, sondern es werden auch unterschiede des accentes dabei sein, über die wir jedoch schwerlich noch etwas festzustellen vermögen. Das Ripuarische hat bei seinem ọ̄ den eigenartigen, von der höhe zur tiefe schroff abfallenden accent, der gewöhnlich als circumflectierende betonung bezeichnet wird. Bei dieser sachlage wäre auch die möglichkeit zu erwägen, ob die mittelstellung von vernoi zwischen ōy = oe und ächtem ōy nicht etwa so aufzufassen sei, dass sein vocal qualitativ dem einen laute, in bezug auf quantität oder accent aber dem anderen näher gestauden habe. Was hier dargelegt ist, gilt nur für mnl. oe im allgemeinen. Im besonderen sind noch, je nach der stellung und je nach den mundarten, weitere unterschiede vorhanden, für die hier auf die mnl. grammatiken verwiesen sei.
Bonn. j. franck. |
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