Taal en Letteren. Jaargang 8
(1898)– [tijdschrift] Taal en Letteren– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermd
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Schriften zur limburgischen Sprache und Litteratur.
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driv jar, diese von Christi geburt an gezählt habe, also im jahre 1304 geschrieben sei. Da der nl. bearbeiter die zeitangabe walna derteen hondert jaer beibehält, so wird seine übersetzung auch ungefähr in derselben zeit verfertigt sein. Unsere hs. gehört aber erst dem ende des 14. jhs an, ist also eine abschrift der ursprünlichen übersetzung. Über das verhalten der ersteren zur letzteren hat Kern selbst Tijdschrift 13, 144 ff. das eine und andere festgestellt. Hier erhebt sich nun gleich die frage, ob die nl. übersetzung ursprünglich alles enthielt, was in unserer hs. steht, eine frage, die nicht ohne weiters zu bejahen ist. Ein kleinerer teil der sermoenen ist bis jetzt in deutschen hss. nicht nachgewiesen. Während Kern es für wahrscheinlich ansieht, dass auch diese wohl aus dem Hd. übersetzt sein werden, scheint mir die frage aufgeworfen werden zu müssen, ob sie nicht etwa mehr orginal niederländischen, wenigstens niederrheinischen ursprungs seien. Jedesfalls sind wesentliche unterschiede des tones in einzelnen partieen zu spüren. Sehr dringlich fällt das auf bei no. XXXIX, dem sermoen vom baumgarten. No. XLI und XLII scheinen philosophischer angelegt als ihre vorgänger und doch auch wieder unter einander verschieden zu sein; die letztere hat mich besonders an Ruysbroeks art erinnert. No. XLV ist dialogisch angelegt und zeichnet sich durch die lebhaftigkeit des tons aus. Genauer zu beachten wäre auch das vorkommen von reimen: sehr deutlich, gleichfalls wieder zu Ruysbroeks manier stimmend, machen sie sich in XLII geltend z.b. s. 577; 581, 9 vlgg’ während sie in XLIII fehlen, dagegen in XLIV wieder zu beobachten sind (vgl. dazu s. 604; 24 anm.) Eine geauere untersuchung solcher unterschiede würde wohl eine schärfere gruppierung ermöglichen, und eine umschau in litteratur und geschichte der mystik und verwanter bestrebungen für unsere sammlung nicht unfruchtbar sein. ‘Die predigten lassen sich gut lesen; aber viel eigenartiges’, sagt der herausgeber, ‘haben sie nicht.’ Mehr oder weniger drückt ihnen allen blasse abstractheit das gepräge auf und verhältnissmässig selten bekommen sie durch bezugnahme auf die gegenständliche welt eine frischere lebensfarbe. Darum bleiben sie aber doch, auch schon wegen ihres umfangs, ein wertvolles denkmal der litteratur, ein wertvolles zeugnis für die religiösen und philosophischen bestrebungen der zeit. Aber der hauptwert liegt doch auf dem boden der sprachgeschichte, und derselben auffassung hat auch der herausgeber ausdruck gegeben, indem er diese seite seiner aufgabe mit besonderer vorliebe und ausführlichkeit behandelt hat. Der wert dieser untersuchungen ist nicht nur durch den grossen umfang der Sermoenen selbst, sondern auch dadurch bedingt, dass Kern auch die sonstigen limburgischen sprachdenkmale systematisch herangezogen hat. Wie dadurch das verständnis gefördert wird, kann z.b. die erörterung über praeterita wie soechte von soeken § 15 b, und § 215 im vergleich mit Leviticus § 74 zeigen, obwohl hier auch Kern noch nicht alles ganz reinlich herausgearbeiteit hat. Der verfasser tritt mit einer gründlichen grammatischen ausbildung und einer lebendigen empfindung für die sprachgeschichte an seine aufgabe heran. Er begnügt sich nicht mit der feststellung der thatsachen | |
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(wodurch allein schon er sich das verdienst erworben hätte eine grammatik des Limburgischen zusammengestellt zu haben, die fortan neben den grammatiken der germ. hauptsprachen von der forschung zu berücksichtigen ist) und sucht andrerseits das wesen der grammatik nich in übungen combinatorischen scharfsinns, sondern er bemüht sich um ein wirkliches verständnis der thatsachen, der mannichfachen inneren und äusseren factoren, die das leben der sprache bedingen. Im allgemeinen gelingt es ihm dabei auch, das wesentliche der dinge zu erfassen und die verhältnisse in klares licht zu setzen. Er ist sich der grenzen bewust, die das material, wenn es auch noch so sorgfältig herangezogen wird, steckt. ‘De Serm.’ - so sagt er z.b. s. 91 - ‘kunnen ons slechts een gebrekkig beeld geven van de toenmalige meervoudsvorming, omdat in het schrift de verschillende qualiteit van 't accent (vallend, stijgend, “geschliffen”) en de verschillende quantiteit der klinkers niet zijn uitgedrukt. En deze beide factoren spelen in de nieuwe dialecten eene groote rol.’ Er hat überall im auge, dass auch ein mittelalterlicher autor nicht bloss der eigenen mundart folgt, sondern je nach seinen lebensverhältnissen in höherem oder geringerem grade zugleich dem einfluss anderer sprachtypen, die er aus seinem umgang, aus seiner lectüre oder sonstwoher kennt, ausgesetzt ist. Wenn er naturgemäss auch selbst nicht auf alles aufmerksam werden, allem nachgehen konnte, so erleichtert auch hier seine ganze auffassung und darstellung einem anderen, ergänzend einzutreten. Mancherlei interessante beobachtungen allgemeiner art giebt seine darstellung an die hand. So stellt K. § 65 b, c, § 154, § 170, § 190 fest, dass gegen das ende des textes zu häufiger apocopierte formen gebraucht werden, als früher: dec, cleen, seer gegen decke usw., adverbia auf -lic gegen solche auf -like, infinitive te wandelen, te leven gegen te wandelne, te levene, ferner die artikelform de gegen die: ‘het schijnt dat de vertaler allengs de deftige vormen.... liet varen en meer zijne eigene spreektaal volgde.’ Was ist der psychologische grund? Fühlt er sich nach und nach als stilist sicherer und giebt in folge dessen weniger acht auf sich? Ein unterschied zwischen mehr gewählter und mehr volksmässiger form besteht auch in der 2. und 3. ps. sg. ind. praes. der verba wie gieten, kiesen. In regelrechter lautentwickelung älterer formen, würden sie den vocal ü haben im gegensatz zu den übrigen personen (ausser der 2. imp.), die auf i (ie) lauten. Durch ausgleich mit diesen formen erhalten aber auch sie i (ie); so ja auch im Nnl. und Nhd., auch schon im Mnl. In den Serm. kommt nun zwar im imp. das ü noch vor, nicht aber in der 2. und 3. pers. sg. ind., wo es z.b. nur heisst vlies, biet, bedrigt. Mit recht sagt K. jedoch dass der übersetzer in seiner sprache sowohl büt als biet gekannt haben muss, indem andere limb. denkmäler zwischen beiden formen schwanken, und die mundarten noch heute das ü haben. Offenbar waren die ausgleichsformen die gewählteren, wie sie die überlegteren sind. Kern nimmt es als einen einfluss der mnl. schriftsprache, wenn unser autor die ersteren gar nicht anwendet. Dieser einfluss ist ohne zweifel anzunehmen, aber auch aus der eigenen sprache heraus kann sich das verhältnis herausbilden; es ist dasselbe, was wir oben in bezug auf mnl. | |
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oude zu volksmässigem elde gesehn habenGa naar voetnoot1). Noch auf folgende sprachgeschichtlich interessante einzelheit sei aufmerksam gemacht, die K. gleichfalls nicht hervorzuheben versäumt. Die germ. vba. bidjan, ligjan, sitjan, haben in der 3 pers. sing. ind. praes. bidid, ligid, sitid. Während nun in bidjan und den meisten anderen formen des praesens durch das j der consonant verschärft wird, also bidden usw. entsteht, sollten die formen bidid usw. in denen j nicht vorhanden ist, im Limb. mit gedehntem vocal zu bidet, syncopiert bīdt, bīt werden. Diese ‘organischen’ formen erkennt Kern s. 149 in biet oder bijt, liegt, siet unseres textes. Allerdings kann ich der thatsache gegenüber, dass sont überall in diesem fall regelmässig ausgleich erfolgt ist, und auch unser text gewöhnlich die formen mit kurzem vocal, wie bidt, bit, bid, hat bei der geringen anzahl von 4 belegen von denen noch einer, li/egt, durch den zeilenschluss auseinander gerissen ist, diesmal die besorgnis nicht ganz unterdrücken, ob die vereinzelten schreibungen uns nicht vielleicht irre führen. Wir sagten dass Dr. K. mit grammatischem wissen gut ausgerüstet an seine aufgabe heran gegangen sei. Man tritt dann leicht unter der herschaft der einmal gewonnenen normen dem neuen gegenüber. Vielleicht liegt es daran schon dass K. nicht auch die schreibung der denkmäler aus sich heraus untersucht hat, um ihre möglichen lautwerte festzustellen. Ich täusche mich auch wohl nicht in dem eindruck, dass seine kenntnis des Mnl. nicht immer eine lebendige, durch eigene lectüre gewonnene ist, sondern auf dem studium der grammatik und dem wörterbuch beruht. Und dabei hat er sich allzu sehr durch van Heltens Spraakkunst leiten lassen, deren vorzüge nicht in jeder hinsicht der ungewöhnlich fleissigen materialsammlung entsprechen. v. Helten hat sogar gegenüber meinem versuch, eine reliefkarte der mnl. sprache zu entwerfen, die höhen und tiefen vielfach wieder verflacht | |
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und die linien durcheinander gewirrt. Dazu kommt bei K. das bestreben, die spracherscheinungen unter möglichst einfachen formeln zu begreifen, das an und für sich berechtigt ist, aber leicht dazu verführt, historisch bezeugte entwickelungen zu übersehen und zeitlich verschiedenes oder sonst verschiedenartiges in eine formel zusammen zu zwängen. Das steht eigentlich im gegensatze zu einem vorzug, den ich sonst an K. hervorheben konnte, seiner verständigen auffassung, seiner achtsamkeit auf die thatsächlich wirksamen factoren der sprachgeschichte. Es mag wohl eine schwäche sein, die ihm von der schule noch anhaftet, und die er überwinden wird. Die ganze quantitätsfrage im anfang der klankleer ist in folge dessen nicht gehörig entwirrt. Zur richtigstellung von manchem kann ich auf meine gramm. verweisen mit hinzunahme dessen, was ich oben bei besprechnung des buches von Lev. darüber gesagt habe.Ga naar voetnoot1) Auch die fragen über den wechsel von ei und ê, sowie von i und e werden zwar gefördert, aber noch nicht gelöst. Wegen einer hierher gehörigen einzelheit verweise ich auf meinen aufsatz über heden Tijdschrift 15, 62. Das sind freilich grade sehr verwickelte fragen, welche sich nur durch eine sehr umfassende untersuchnung über das gesammte westgerm. sprachgebiet hin mit aussicht auf guten erfolg erledigen lassen und der auflösung in einfache formeln widerstreben, da sehr verschiedene factoren zusammengewirkt haben. Wenn K. sich meiner darlegung erinnert hätte, dass gewisse mnl. dichter die sonst oe und lang o nicht zusammen reimen, das wohl vor j thun, so würde er s. 35 hinter der tatsache dass in seinem text für oe sonst meistens u, vor j aber o geschrieben wird, in blojen usw., doch wohl etwas anderes als ‘eene grillige schrijfwijze’ gesucht haben. Der verfasser scheint den vocal vor j eben auch anders ausgesprochen zu haben als sonst. - Über nember für nemmer lesen wir § 81: ‘tot mb voor mm kwam men door de vele vormen met mm voor en naast mb.’ K. meint also, weil man z.b. becomberen und becommeren nebeneinander gebrauchte, oder genit. lams neben nomin. lamp (§ 89), so sei man dazu gelangt, auch nember neben nemmer zu schreiben. So ist es wohl gemeint, denn dass man auf diesem wege der ‘falschen Analogie’ dazu gekommen sei, wirklich nember zu sprechen, will er wohl nicht behaupten. Ich bin überzeugt dass | |
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dafür Mnl. Gramm. § 115, 1 eine erklärung gegeben, die ich für untadelig halte. - In § 88 lesen wir ‘naast notdorfte komt niet zelden notdorte voor’, ohne dass eine erklärung der erscheinung versucht wird, abgesehn von einem hinweis auf geslete für geslechte, das m.e. keinen wirklich vergleichbaren vorgang enthält. So wird hier und da auch sonst eine erscheinung unerklärt gelassen, oder unter einer verlegenheitsmarke durchgeschleppt. Allerdings nur ausnahmsweise. Aber grade in einem buche, das sonst, und im allgemeinen mit erfolg, darauf ausgeht die erscheinungen auch verständlich zu machen, würde ich es ganz besonders für richtig halten, da wo eine erklärung noch aussteht, dies ausdrücklich hervorzuheben. In meiner Gramm. § 107 hätte er notdorte wieder im richtigen zusammenhange finden können. Auch über niewet (§ 103) liesse sich etwas bestimmteres sagen, als dass ‘de h spoorloos verdwenen is’ (meine Gramm. § 84). - Dass K. für den auffallenden vocal ê in get ‘hij gaat’ nicht Wilmanns Zeitschr. f. deutsch Altert. 33, 427 ff. citiert, sondern sich auf Bremer, Beiträge von Paul u. Braune 11, 41 ff. beruft, wundert mich nicht. Bremer führt dort ein luftiges hypothesengebäude von lauter construierten formen auf, das man mit einem hauche umblasen kann. Wilmanns erklärt das ê aus einem sehr begreiflichen vorgange des jüngeren germ. sprachlebens. Aber man, auch im Mnl., wirklich eine form nember gesprochen hat und habe seine hypothese hat keine gnade gefunden vor den augen der herschenden auch für K. massgebenden grammatischen schule, obwohl jeder versuch der erklärung aus dem vorhistorischen Idg. hier scheitern muss; denn die laute, welche ein fränk. ê ergeben können, können bei den formen dieses verbums früher nicht vorhanden gewesen sein, und die laute, die allenfalls in seinen formen vorhanden gewesen sein können, können kein fränk. ê ergeben. Mehr wundere ich mich bei dem wohl unterichteten forscher über einige andere versehn. So übersieht er § 16 dass das grundwort von haast im Rom. selbst ein langes a hatte, also von einer nl. dehnung keine rede sein kann. Sente ‘sanctus’ (s. 29) hat einfach umlauts-e aus santi, für den lat. voc. sancte; wenken ist wohl eher früheres (mnl.) winken als wankjan; drogen (s. 39) hat schwerlich ō aus u sondern ô aus au (vgl. Tijdschrift 14, 309); der behauptung (§ 61) dass der ‘regelmatige nominatief’ statt douw vielmehr dô wäre, widersprechen z.b. auch mnl. formen. Sogar das alte märchen, das praet. begonste, begonde von beginnen sei nach der analogie von conste, conde ‘gemaakt’ finden wir § 204 und 218 wieder, obwohl kein mensch anzugeben wüste, wie so ein verb. ic beginne ‘ich fange an’ dazu hätte kommen sollen, sich nach der analogie des in der form vollständig verschiedenen hilfsverbs ic can zu richten, noch anderseits nach unserer heutigen kenntnis der germ. gramm. jemand behaupten könnte, ein verb. beginnen könnte nicht ebenso ‘organisch’ ein ‘schwaches’ praet. gehabt haben, also bigonda oder bigonsta, wie z.b. ein vb. brûken oder werken oder denken. Auch über ein praet. dochte von dopen hätte er in meiner mnl gramm. besseres gefunden; ein as. dôpta kann uns dabei nichts nutzen, es würde nur dôpde ergeben haben, wie z.b. ein flocta vlucde; man muss | |
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vielmehr ein älteres daufta ansetzen. Einen grund verdelwen, wie es s. 59 geschieht, auf ein aus dem Rom. entlehntes delgen zu beziehen, haben wir nicht. Ich begnüge mich auf mein Etym. Wdb. zu verweisen, das ich auch in verschiedenen anderen fällen zu citieren hätte.
(Fortsetzung folgt). J. Franck. |
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