Taal en Letteren. Jaargang 8
(1898)– [tijdschrift] Taal en Letteren– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermd
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Schriften zur limburgischen Sprache und Litteratur.Ga naar voetnoot1)Für das grenzgebiet zwischen den niederländischen und deutschen mundarten waren in mancher hinsicht die vorbedingungen zu einer regeren litterarischen thätigkeit gegeben. Ganz in der nähe lagen die stammsitze der Pippiniden, früh erhoben sich verschiedene klöster und eines der ältesten Bistümer, zuerst mit dem sitz zu Tongern, dann zu Maastricht, zuletzt zu Lüttich, in diesen gegenden. Eine hauptverkehrsader führte hindurch, die nicht nur die verschiedenen teile Westeuropas mit einander, sondern auch Frankreich und England mit dem Osten und Norden verband (Jonckbloet, Gesch. d. Nedl. Letterk. I deel, 12 u. 136.) Zugleich war hier vielleicht die wichtigste der stätten, wo sich der culturaustausch zwischen Frankreich und Deutschland vollzog, und es ist kein zufall dass Heinrijk van Veldeke, von dem man eine neue epoche der deutschen litteratur datiert, hier zu hause war. Wenn wir nun von einer litterarischen thätigkeit, wie wir sie darnach wohl erwarten könnten, keine kenntnis haben, so mag das zum teil daran liegen, dass die geschichtsforschung bis jetzt auf ihre spuren nicht so aufmerksam gewesen ist, wie auf die politischen ereignisse und die spuren der verfassungsentwicklung. Es mag also vielleicht noch gelingen, das bild durch einen oder den anderen zug zu verdeutlichen. Aber wir werden auch zu bedenken haben dasz dieselben gegenden in den jahrhunderten des fränkischen und deutschen reiches von unaufhörlichen fehden und erbitterten kriegen zwischen den zahlreichen dynasten, die hier auf verhältnissmässig engem gebiet nebeneinander sassen, erfüllt waren, und dass diese bluttriefenden ereignisse eine litterarische thätigkeit, die anwartschaft gehabt hätte auf fernere zeiten überliefert zu werden, grossenteils erstickt haben dürfte. Was wir aus dem gesammten mittelalter an überresten limburg. litteratur irgend einer art besitzen, verzeichnet Kern ‘De Limb. Sermoenen’ s. 11 ff. Vergl. dazu s. 129 u.s. 167 anm. Nicht berücksichtigt sind die fragmente der einen Aiolübersetzung; s. Verdam ‘Oude en nieuwe Fragmenten v.d. mnl. Aiol’ Leiden 1883 (Tijdschr. v. Ned. Taal en Letterk. 2, 209 ff.) und vergl. Tijdschr. 11, 213 ff. Bei einer genauen durchsicht der. mnl. litteratur würde vielleicht auch noch das eine oder andere stück wenigstens in das bereich | |
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der grenzdialecte fallen. Wohin die Zs. f. deutsches Altert. und d. litteratur 25, 248, ff. abgedruckten Tristanfragmente gehören, ist immer noch nicht festgestellt; eigentlich limburgisch sind sie allerdings nicht. Aus der ältesten periode der litteratur dürfen wir aber immer noch die Oudnederfrankische Psalmen als wenigsteus mundarttlich nahestehendes denkmal in anspruch nehmen; s. Tijdschrift 15, 316 ff. Was sich von der übrigen uns erhaltenen litteratur von der eigentlich niederländischen seite mit seinen sprachformen dem Limburgischen nähert, in einem geringeren grade zwar, aber doch so weit dass es für eine kulturgeschichte dieses sondergebietes berüchsichtigung verdiente, ist vorläufig schwer zu sagen. Wir können der nl. philologie den vorwurf nicht ersparen dass sie sich für die lösung solcher fragen noch wenig vorbereiteit hat. Sie wird auch nicht dahin gelangen, wenn sie nicht grundsätzlich mit ihren traditionen bricht. Einstweilen ist ihr bliek lange nicht genügend geschärft, um deutlich zu sehen, welcher zeit und welcher gegend ein text angehört. Um das zu erreichen ist eine entschiedene wendung zur kritischen behandlung der texte nötig, zu einer textkritik die sich uicht begnügt offenbare fehler des sinnes zu verbessern, dem autor schönheiten und feinheiten zu retten und zwischen verschiedenen lesarten subjectiv zu entscheiden. Sie muss systematisch untersuchen, was der sprache der einzelnen gegend, der einzelnen zeit und des einzelnen autors angehört und ihre bedenken überwinden, in der überlieferung etwas zu ändern, was doch allenfalls einen sinn gibt, was doch durch eine irgendwo in der weitschichtigen litteratur aufgetriebene ähnlichkeit gerechtfertigt werden könnte. Von Maerlant besitzen wir hunderttausende von versen und zwar grossenteils in verhältnissmässig günstiger, zum teil sogar in sehr guter überlieferung. Maerlant war zwar kein stilist ersten ranges, er kann in der langen zeit seiner litterarischen thätigkeit seinen sprachgebrauch mannigfach geändert haben, er hat auch eingestandener massen dem reim- und versbedürfnis, conzessionen gemacht. Nichtsdestoweniger ist est bei dem reichen material möglich, seinen stil und seine sprachformen so weit festzulegen, dass sich mit einiger sicherheit sagen lässt, wie er geschrieben haben, und was nicht von ihm herrühren kann, wenn es sich auch in irgend einem andern mnl. text finden sollte. So lange man den in den Merlijn eingeschobenen Mascaroen noch für ein werk Maerlants ansehen kann, ist man freilich von dieser sprachkenntnis weit entfernt. Von solcheu texten aus, die durch umfang und art uns die erkenntniss einer bestimmten individualität erleichtern, muss man dann schritt für schritt weiter gehen und den blick für die landschaftlichen und individuellen besonderheiten schärfen. Es erfordert scharfe beobachtung, gründliches und vorsichtiges benutzen der reime und metrischen eigentümlichkeiten. Es ist ein feld von kaum absehbarer, dafür aber auch aussichtsvoller arbeit, und die arbeit ist notwendig. Wir werden nachher noch einmal anlass haben, auf die frage der textkritik zurück zu kommen. Auf diesem wege nur werden wir dazu gelangen, mit bestimmtheit nicht nur solche texte zu erkennen, deren verfasser sich in ihrer sprache dem Limburgischen näherten, sondern auch die etwa im Limburgischen | |
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oder in der nachbarschaft verfertigten abschriften anderer nl. texte für die kenntnis des Limburgischen verwerten zu können. Was für eine sprache schrieben nun die Limburger? Das Limburgische bildet die vermittlung zwischen dem eigtl. Ndl., dessen charakter wohl durch eine mischung fränkischer, sächsischer und friesischer elemente entstanden ist,Ga naar voetnoot1) zum Deutsch-limburgischen und weiter zu dem schon an der hd. lautverschiebung teilnehmenden Mittelfränkischen oder Ripuarischen. Wir hätten also zu erwarten eine sprache zu finden, die in vielen dingen mit dem Ndl. stimmt, in andern von ihm abweicht. Diese erwartung trifft auch zu. Aber erstens hat auch das limburg. gebiet ebenso wenig eine einheitliche sprache, wie etwa das gesammte brab. oder fläm. gebiet, sondern mancherlei mundarten, die allmählich und in den verschiedensten mischungen vom Ndl. abweichen und sich dem Deutsch-fränk nähern. Und zweitens schreibt auch kein einziger Limburger die reine mundart seiner heimat, sondern alle bedienen sich einer schriftsprache. Wir dürfen diese thatsache ohne weiteres voraussetzen, es beruht nur auf theoretischer voreingenommenheit oder der verallgemeinerung einzelner ausnahmen, wenn man sie läugnet. Jede historische erfahrung führt zu der erkenntnis, dass man, sobald überhaupt eine litterarische tätigkeit geübt wird, auch eine schriftsprache befolgt, d.h. der sprache gegenüber einen höheren grad von überlegung anwendetGa naar voetnoot2) als in der naiven umgangssprache und vorbilder vor augen hat, die ebensowohl fremd, wie heimisch sein können. Man erscheint gern gewählt, und wie zu allen zeiten, erhält das fremde sogar einen vorzug. Natürlich ist das keine schriftsprache von der macht und einheitlichkeit, wie sie heute besteht, wie sie sich erst nach langem ringen und mit den mitteln des modernen lebens herausbilden konnte, es sind ansätze dazu in den mannichfachsten mischungen und mit benutzung der verschiedensten elemente, z.b. je nach dem grad der ‘bildung’ und der sonstigen erfahrung des schreibenden. Auch das Mnl., | |
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mit dem wir das Limburg. zu vergleichen in der lage sind, ist nicht reine ndl. mundart sondern besteht aus ähnlich schriftsprachlich beeinflussten sprachtypen. Die schriftsprachlichen elemente können sich bei einem schreibenden Brabanter z.b. mit denen seines limburgischen nachbars decken, sie können aber auch davon verschieden sein. Von dem individuellen grad der mischung und der individuellen neigung abgesehen wird im grunde jedes bildungs- und verkehrscentrum eine eigene schriftsprache gehabt haben; so mag es z.b. eine Tongernsche, eine Mastrichtsche, eine Roermonder schriftsprache gegeben haben. Die möglichkeiten der mischung sind unbegrenzt, und es wird wohl in den seltensten fällen zutreffen, dass sich bloss der individuelle verkehr eines autors in den elementen seiner sprache ausdrückt. Wenn man also z.b. in einem von einem limburger klostergeistlichen geschriebenen text sprachformen findet, die man meint einerseits in Sachsen, anderseits am Rhein, anderseits in Flandern localisieren zu müssen, so dürfte es schwer zu beweisen sein, dass sie ihm nur im verkehr mit fremden, grade aus jenen gegenden stammenden insassen seines klosters angeflogen sein könnten. Es wird uns natürlich niemals gelingen eine individuelle sprache rein in ihre verschiedenen elemente aufzulösen; sind doch die elemente selbst vielleicht schon wieder mischungen. Wer jemals diese frage der sprachgeschichte selbst in die hand genommen hat, der versteht das ohne weiteres. Aber einigermassen können wir doch weiter darin gelangen, die elemente zu sondern und den grad der mischung annähernd zu bestimmen. Hier ist vor allem die kenntnis der heutigen mundarten, die überhaupt ja für die sprachgeschichte die grösste bedeutung hat und trotz allem natürlich auch das hauptmittel bleibt, um zu einer genaueren localisierung der limburg. texte zu gelangen, von besonderer wichtigkeit. (Fortsetzung folgt.) J. Franck. |
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