das andere gesicht
abstrakter sur-humanistischer roman
kapitel 8
bevoi wir uns nach paluderma einschifften, verbrachten wir zwei tage an der küste von quiberno. wir setzten uns rittlings auf die ufersteine und schauten in der richtung der treibenden stählernen wolken, dann standen wir auf, durchschritten alle terrassen der mit brettern vernagelten häuser und verlangten zimmer in einem hotel um zu übernachten. darauf wollten wir baden. wir führten unsere bewegungen im selben tempo aus, starrten unter demselben gesichtswinkel ins meer und verwunderten uns über die grosse anzahl der badegäste, die im wasser auf und nieder wiegten und plumpsten und plätscherten und die, in proportion und mass und gestalt ebensowenig verschieden waren wie in maske und farbe. der hotelwirt, in ärmlichen frack mit stolzer haltung, vornehmen steigbügel-manieren und schnurrbart erklärte, dass dies alles hotelgäste seien. diese würden tag für tag in badewägelchen unterirdisch zu- und abgefahren um sich in dem blauen und lauen ozean zwischen quiberno und paluderma zu baden.
das hotel war jedes jahr gestopft voll und die zirkulation der gäste nach dem meere und nach den speisesälen geschah durch lifte. man bemerkte nichts davon und so wurde niemand gestört. während des gesprächs fiel von einer enormen mit früchten gefüllten schale ein apfel herunter und wir benahmen uns ohne das geringste erstaunen als wir sahen, wie der gefallene apfel wie ein gummiball zurücksprang und der hotelwirt ihn mit der geschicklichkeit eines jongleurs auffing und mit einer rapiden gratie, die uns innerlich entsetzte, wieder hinlegte. wir hatten im gleichen moment das gefühl, teil einer theatervorstellung zu sein, alles war bis zu den letzten einzelheiten genau berechnet. alles war oberfläche und prunk und wir zweifelten auch an der realität des meeres, der wolken, des himmels, des sandes und unserem selbst. es fiel uns auf, dass hier viel mit materialien wie holz, gummi, blech und pappe gearbeitet wurde und dieser umstand machte uns schwanken, ob unser aufenthalt hier noch zu rechtfertigen sei. wir betraten dann endlich den speisesaal. zwischen zwei reihen symetrisch aufgestellter kellner standen die stühle und leeren langen tische, alles im selben stil wie die kellner und die tapisserien. unser erster eindruck war: panoptikum. aber im gleichen augenblick unseres eintretens huben die beiden kellnerreihen automatisch sich zu bewegen an. jeder tat die handgriffe, die mit seinem gesicht, charakter und kleidung übereinstimmten. der eine rieb teller rein, der andere liess glänzende und klingende löffel fallen, ein dritter stapelte servietten auf, während einige nur bewegungen ausführten.
‘merkwürdig, wieviel ähnlichkeit diese gesichter mit denen der badegäste in der see haben;’ sagte ich. ‘ja antwortete mein reisegefährte, ‘so.....pro dutzende, gegen barzahlung und frei ins haus.’
wir können uns nicht mehr daran erinnern, aus welchen materialien das diner bestand. ein überaus farbiges hors d'oevre ging allem voran und gleichzeitig nahmen wir uns vor, dem etablissement angepasst, eine diskussion über überreale themen zu eröffnen. die kellner verschwanden, einer nach dem anderen, bis zuletzt nichts mehr übrig blieb als eine enorme rechnung von mindestens 60 cm. länge, die auf englischen ausgestellt war und unzähliche gänge enthielt, die wir weder gesehen, noch gerochen, noch gegessen hatten. dann begaben wir uns nach der seeterrasse und genossen unseren kaffee aus wasserkannen, sangen unverständliche lieder und konstatierten, dass die badenden gäste sich in leuchtbojen verwandelt hatten. der himmel aus stanniol beleuchtete einen mond, der schmutzig war und