Die moderne Architektur.
S. Taeuber-Arp, H. Arp.
Arbeiten und Ausstellungen von Th. van Doesburg,
Wer den Tendenzen des Futurismus und Kubismus gefolgt ist, wird erkannt haben, wie diese extremistischen Begeisterungen einiger überzeugter Neuerer eine Menge von modischen Nachahmern fanden, die der Bewegung schliesslich das Ende bereiteten. Doch die Bestrebungen jener ersten und überzeugten Vorfechter haben trotz des Fehlschlages ihrer zur ‘Richtung’ erhobenen Versuche, der gegenwärtigen Malergeneration ein wichtiges Erbe hinterlassen, das sich in einer Vertiefung und vereinfachenden Wesentlichkeit des modernen Bildes auswirkt. Zugleich ist dem Künstler die elementare Wucht des Volumens, der Sinn des Raumes vermittelt worden.
Die gleichen Tendenzen machen sich mit einer kleinen Verzögerung in der heutigen Architektur bemerkbar. wo die Disziplin des Einfachen und Einfachsten an die Stelle der konstruktiven Finesse gesetzt wird.
Wir haben in Strassburg noch keines der Häuser im ‘neuen Stil’, der einen organischen Zellenbau anstrebt, worin jede Abweichung von der vertikalen und horizontalen Linie streng vermieden wird.
Th. van Doesburg, H. Arp und S. Taeuber-Arp haben nun bei der Einrichtung des neuen Aubette-Etablissements die Richtlinien moderner Innenarchitektur zur Anwendung gebracht und sie vereinigten zum besseren Verständnis ihrer Bestrebungen in der Librairie de la Mésange ihre eigenen Schriften und neuere Literatur über die Architektur des ‘neuen Stils’ in geschmackvoller Darbietung.
Wir wollen nicht die Reserven verhehlen, die man angesichts dieser absolut bauklotzförmigen Architektur empfindet, doch es sind nur die Reserven, die man jeder Neuerung entgegenhalten wird, die zur Erlangung einiger Stosskraft weit über das gewollte Ziel hinausgreifen muss, um schliesslich etwas von seinem Wollen zu realisieren.
Und diese neuen Architekten werden etwas, und es scheint uns etwas grosses, erreichen. Uns befreien von dem Wust unnützer Aeusserlichkeiten, die unser geistiges wie unser rein physisches Leben belasten. Wie atmen wir schon auf, wenn wir endlich einmal in ein Zimmer treten, dessen Mittelraum nicht von einem Tisch verstellt ist, um den Generationen vor uns geduldig herumtanzten. Ein grosses Ueberbordwerfen aller möglichen Möbel und Garnituren ist der erste Schritt zur neuen, befreienden Wohn- und Innenarchitektur. Zweckmässiges, raumschonendes, linienklares, wesentliches Inventar wird an die Stelle treten, ein Mobiliar, das sich den Wand-, Boden- und Deckenflächen harmonisch anpasst. Keine Ueberschneidungen, soweit als möglich die beruhigende Vertikale anstrebende Panneaux.
Was die genannten Künstler in der Aubette erreichten, ist grossen Lobes wert; wenn sich ihre Prinzipien in manchen Fällen mit den Raumdimensionen (vergl. die dekorativen, etwas grossen Wandbemalungen im unteren Dancing) nicht stets vereinen liessen, so mag beachtet werden, dass hier neue raumwollende Innenarchitektur im Korsett eines alten Baues sich entwickeln musste.
Wenn dennoch den Architekten es gelungen ist, uns in den Aubettesälen den mächtig anregenden Geist eines neuen Raumwillens zu vermitteln, so mag das eben von dem Erfolg ihres Werkes zeugen. Wir hoffen, dass ihre Wirkungszeit in Strassburg damit erst beginnt. Denn andere Städte gleichen Ausmasses haben sich schon längst dem ‘neuen Stil’ im Haus-, Strassen- und Raumbild geöffnet.
O.H.
(‘Neueste Nachrichten’)
Le gérant A.F. Del Marle.