Ich selbst habe während meiner Zusammenarbeit mit dem jungen Architekten C. van Eesteren (1923) versucht, die Farbe als
Verstärkungselement der architektonischen Raumgestaltung anzuwenden. Hierbei wurde von jeder künstlerischen, kompositorischen Tendenz abgesehen. Die den Raum gliedernden Flächen wurden je nach ihrer Lage im Raum in einer bestimmten Farbe gemalt. Höhe, Tiefe und Breite wurden durch rot, blau, und gelb betont, die Masse dagegen grau, schwarz und weiss angestrichen. Auf
Le Café-Brasserie
(Photo O. SCHOLL, Strasbourg)
arch.: peinture et l'installation
Théo van Doesburg
diese Weise kamen die Dimensionen des Raumes lebhaft zur Wirkung. Anstatt die Architektur zu zerstören (wie das in dem Barok der Fall war) wurde sie auf diese Weise verstärkt.
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Was verstehen wir nun endlich unter einer ‘gestaltenden’ Anwendung der Farbe im Raum?
Seit dem Anfang der sogenannten Stilbewegung haben wir diese Frage sowohl praktisch als theoretisch zu lösen versucht. Sie ergab sich von selbst aus den Konsequenzen der Bildermalerei. Nachdem davon jede Illusion entfernt war, und das Bild aufgehört hat, eine in sich abgeschlossene individuelle Ausdrucksform unserer Privaterlebnisse zu sein, kam die Malerei mit dem Raum, und was noch wichtiger war, mit DEM MENSCH in Berührung. Es entsstand eine Beziehung von Farbe zum Raum, und von Mensch zur Farbe, Durch diese Beziehung des ‘bewegenden Menschen’ zum Raum ergab sich eine neue Empfindung in der Architektur, die Empfindung der Zeit nämlich.
Die Fährte des Menschen im Raum (von links nach rechts, von vorne nach hinten, von oben nach unten) wurde für die Malerei in der Architektur von prinzipieller Bedeutung. Würde der Mensch durch das statische Bild an einen bestimmten Punkt gefesselt, und hat die dekorative ‘monumentale Wandmalerei’ ihn schon für einen kinetischen ‘linearen’ Ablauf des Malerischen im Raum empfindlich gemacht, die gestaltende RAUM-ZEITMALEREI sollte es ihm ermöglichen, den ganzen INHALT des Raumes malerisch (optisch-esthetisch) zu empfinden. Diese Empfindung war neu, ebenso neu wie die erste Empfindung einer Flugzeugfahrt im freien Raum.
Es handelte sich bei dieser Malerei nicht darum, den Menschen an der bemalten Wandfläche herumzuführen damit er die malerischen Entwicklung des Raumes von Wand zu Wand beobachten konnte, sondern vielmehr darum, eine synoptische Wirkung von Malerei und Architektur hervorzurufen. Um das zu erreichen, mussten die gemalten Flächen sowohl architektonisch als malerisch in Beziehung stehen. Das ganze musste als ein fester Körper gestaltet sein.