De Stijl 2 1921-1932
(1968)– [tijdschrift] Stijl, De– Auteursrechtelijk beschermd
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De Stijl
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Nicht Weltvisionen, Sondern - WeltrealitätProun nannten wir die Haltestelle auf dem Aufbauwege der neuen Gestaltung, welche auf der von den Leichen der Gemälde und ihren Künstlern gedüngten Erde entsteht. Das Gemälde stürzte zusammen mit der Kirche und ihrem Gott, dem es als Proklamation diente, zusammen mit dem Palais und seinem König, dem es zum Throne diente, zusammen mit dem Sofa und seinem Philister, dem es das IkonGa naar voetnoot1 der Glückseligkeit war. Wie das Gemälde: so auch sein Künstler. Die expressionistische Verdrehung der klaren Welt der Dinge durch die Künstler der ‘Nachbildenden Kunst’ wird sowohl das Gemälde als auch seinen Künstler nicht retten, sondern bleibt eine Beschäftigung für Karikaturenschmierer. Auch die ‘reine Malerei’ wird mit ihrer Gegenstandslosigkeit die Vorherrschaft des Gemäldes nicht retten, doch beginnt hier der Künstler mit seiner eigenen Umstellung. Der Künstler wird vom Nachbilder ein Aufbauer der neuen Welt der Gegenstände. Nicht in der Konkurrenz mit der Technik wird diese Welt aufgebaut. Noch haben sich die Wege der Kunst mit denen der Wissenschaft nicht gekreuzt. ■
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Wir haben die ersten Stufen des auf zwei Dimensionen beschränkten Raumes unseres Baues untersucht und fanden, daß er ebenso fest und widerstandsfähig wie die Erde ist. Man baut hier wie im dreidimensionalen Raum, und darum müssen auch hier an erster Stelle die Kraftspannungen der einzelnen Teile zum Ausgleich gebracht werden. In einer neuen Weise erscheint im Proun die Zusammensetzung der Resultante der einzelnen Kräfte. Wir sahen, daß die Oberfläche des Prounes als Gemälde aufhört, er wird ein Bau, den man umkreisend von allen Seiten betrachten muß, von oben beschauen, von unten untersuchen. Die Folge ist, daß die einzige zum Horizont senkrecht stehende Achse des Gemäldes zerstört wurde. Umkreisend schrauben wir uns in den Raum hinein. Wir haben den Proun in Bewegung gesetzt und so gewinnen wir eine Mehrzahl von Projektionssachen; wir stehen zwischen ihnen und schieben sie auseinander. Auf diesem Gerüste im Raume stehend, müssen wir ihn zu markieren beginnen. Die Leere, das Chaos, das Widernatürliche wird dann Raum, das heißt: Ordnung, Bestimmtheit, Gestaltung, wenn wir die Markierzeichen bestimmter Art und in bestimmtem Verhältnis in- und zueinander einführen. Der Bau und der Maßstab der Markierzeichenmenge gibt dem Raume eine bestimmte Spannung. Indem wir die Markierzeichen wechseln, verändern wir die Spannung des Raumes, der von ein und derselben Leere gebildet ist. ■
Die Gestaltungen, mit welchen der Proun den Angriff gegen den Raum unternimmt, sind in Material und nicht in der Ästhetik gebaut. Dieses Material ist in den ersten Phasen - die Farbe. Sie ist in ihrem Energiezustand als der reinste Zustand der Materie angenommen. In den reichen Minen der Farben haben wir diejenige Ader genommen, welche am meisten von den subjektiven Eigenschaften befreit sind. In seiner Vollendung befreite sich der Suprematismus von dem Individualismus der Orange, Grün, Blau usw. und gelangte zum Schwarz und Weiß. Bei diesen sahen wir die Reinheit der Energiekraft. Die Kraft der Gegensätze oder die Übereinstimmung zweier Grade von Schwarz, Weiß oder Grau gibt uns den Vergleich der Übereinstimmung oder des Kontrastes zweier technischer Materialien, wie z. B. Aluminium und Granit oder Beton und Eisen. Diese Verhältnismäßigkeit erstreckt sich im weiteren Verlauf auf alle Gebiete der Kunst und Wissenschaft. Die Farbe wird ein Barometer des Materials und ergibt völlig neue VerarbeitungGa naar voetnoot1. So schafft der Proun durch eine neue Form neues Material - wenn sie nicht aus Eisen erzeugt werden kann, so muß das Eisen in Bessemer- oder Wolframstahl umgebildet werden, oder in eines, welches heute noch nicht da ist, weil noch nicht gefordert wurde. Als der schaffende Ingenieur den Propeller konstruierte, wußte er, daß sein Mitarbeiter, der Technologe, in seinem Laboratorium entsprechend der dynamischen und statischen Forderungen der gegebenen Form diesen aus Holz, Metall oder Stoff fertig gestaltete.
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Die materielle Form bewegt sich nach bestimmten Achsen im Raume: über die Diagonalen und Spiralen der Treppen, in der Senkrechten des Aufzuges, auf der Horizontalen der Geleise, in der Geraden oder der Kurven des Äroplanes, entsprechend ihrer Bewegung im Raum muß materielle Form gestaltet sein, das ist die Konstruktion. Unkonstruktive Formen bewegen sich nicht, stehen nicht - stürzen, sie sind katastrophal. Der Kubismus bewegt sich auf den Geleisen der Erde, die Konstruktion des Suprematismus folgt den Geraden und Kurven des Äroplans, sie ist voraus im neuen Raum, wir bauen in ihm.
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Proun führt uns zum Aufbau eines neuen Körpers. Hier entsteht die Frage der Zweckmäßigkeit. Der Zweck ist, was hinter uns bleibt. Die Schöpfung vollbringt die Tatsache und sie wird Forderung. Als die Menschen den Scheiterhaufen erfunden haben, wurde das Feuer Zweck der Wärme. Es ist die Kraft des Prouns, Ziele zu schaffen. Darin besteht die Freiheit des Künstlers der Wissenschaft gegenüber. Aus dem Zweck folgt die Nützlichkeit, das heißt Verbreitung der Tiefe der Qualität in die Breite der Quantität. Sie ist dann berechtigt, wenn sie an der Tagesordnung als letzte Zweckmäßigkeit vervielfältigt. ■
Das Gemälde an sich ist ein Ende, vollkommen an sich und abgeschlossen. Proun bewegt sich von einer Haltestelle zu der anderen auf der Kette der Vollkommenheit. Proun verändert selbst die gewerkschaftliche Form der Kunst und verläßt das Gemälde des individualistischen Kleinerzeugers, welcher in seinem abgeschlossenen Kabinette, verkrochen hinter seiner Staffelei sitzend, allein sein Gemälde beginnen und allein dieses beenden kann. Proun führt in der Schöpfung das Pluralis ein, indem es mit jeder Wendung eine neue schöpferische Gesamtheit umfaßt. Proun beginnt auf der Fläche, geht zum räumlichen Modellaufbau vor und weiter zum Aufbau aller Gegenstände des allgemeinen Lebens. So geht der Proun über das Gemälde und dessen Künstler einerseits, die Maschine und den Ingenieur andererseits hinaus und schreitet zum Aufbau des Raumes, gliedert ihn durch die Elemente aller Dimensionen und baut eine neue vielseitige, aber einheitliche Gestalt unserer Natur.
Moskau 1920. |