prooi nog bij het opeten blijft haten.’ (Nader tot U, S. 16/17)
Hier entdeckt G.K. van het Reve für sich die Faszination des Abnormen, Bizarren, Unheimlichen und Bösen. Er betont das Satanische in seiner Ästhetik. Ihn macht das Verfallende süchtig: ‘...hoe Dr. B., gebogen over het vochtige, naar stront en rottende schoenen riekende mosdek, gekeken had, en...’ (Nader tot U, S. 62). Bei ihm manifestiert sich ein eschatologisches Bewußtsein, ein dekadentes Lebensgefühl, das ihn in die Nähe Charles Baudelaires (1821-1883) stellt.
Besonders in Nader tot U lassen sich zwei Entwicklungslinien aufzeigen, die den immer bewußster arbeitenden Romantiker sich auf seine großen Themen: ‘Sex, drank en Dood, deze drie; maar de meeste van deze is de Dood’, und später mit wachsender Bedeutung das Thema: Gott, beschränken läßt, die daneben als zweite Linie eine immer differenziertere Aufschlüsselung erfahren: körperlicher Zerfall, Auflösung, Verwesung; Scheitern, Elend, Einsamkeit; Resignation, Ohnmacht, Verworfenheit; Homosexualität, Sadismus, Nekrophilie; Ritual; Haß, Liebe und andere Dualitäten im Menschen und in Gott. Die Umrisse des Mythos werden deutlich. Die Kräfte, die die Welt G.K. van het Reves in Bewegung halten, liegen weit außerhalb, im Kosmos: ‘..., en waar ik alleen maar de wind, dreunend en trekkend als een eb, door de zware bomen van het kerkhof behoef te horen, en niet...’ (Nader tot U, S. 33). Wie bei Ivan Turgenev (1818-1883) lassen sich wichtige Aspekte oft im Detail erkennen.
Das Image G. van het Reves in der niederländischen Öffentlichkeit erlaubt einen Einblick, der lediglich hauttief ist. Seine Skandale, die an Begebenheiten aus dem Leben von George Byron (1788-1824), der skandalumwittert England für immer verließ, und Charles Baudelaire, dem sein Gedichtzyklus Les fleurs du mal eine Verurteilung wegen Gefährdung der Sittlichkeit einbrachte, erinnern, lassen ein wenig tiefer blikken. Vor allem wegen seines Ekels vor der Banalität des Herkömmlichen und wegen seines Hasses auf das Mittelmaß des Spieszbürgers hat er sein ganzes Leben in fast ununterbrochener Einsamkeit verbracht. Auch dies meint er mit seinem Ausspruch: ‘Ik ben in mijn hele leven nog geen enkele dag gelukkig geweest.’ Die immer größere Isolierung in Greonterp lassen seine Zerrissenheit und Masziosigkeit immer ungeheuerlicher zutage treten. Drei Zusammenbrüche wegen Alkoholmißbrauchs, wie Algernon Charles Swinburne (1837-1909), werfen ihn in seiner Arbeit weit zurück. Sexuelle Unersättlichkeit erzeugen Träume von pathologischer Obszönität. Die überhitzte Sinnlichkeit verbindet sich mit der Lust an aus Grausamkeit, ‘- of hij al voor de eerste toebrenging van pijn zou huilen, en zo neen, dan na de hoeveelste striem, en hoe hard en met welk soort stemgeluid - in verstaanbare lettergrepen dan wel woordloos loeiend, als een dier - hij zou schreeuwen.’ (Nader tot U, S. 20), die von Annäherungen an einen Lustmord begleitet wird: ‘En opeens had ik de gewaarwording van een nabij gekomen onheil, alsof ik met de Dood naar bed ging, niet met mijn eigen, wel te verstaan, maar met die van een ander. (...) “Mooie jongen, lief dier”, fluisterde ik, terwijl ik mijn hand, om zijn nek heen, teder maar tevens terdege onderzoekend, rond zijn keel liet gaan.’
(Nader tot U, S. 97/98) In der düsteren Kraft eines Marquis de Sade (1740-1814) überwiegt das pathologische Interesse, weil seine Freude an Gewalttätigkeit sich aktiv auslebte, während bei G.K. van het Reve die übersteigerten Charaktereigenschaften eines monströsen ‘enfant terrible’ streng introvertiert bleiben, sich in einem luziden geistigen Raum abspielen und so allein und ausschließlich seinem großen Talent dienen. Wie viele hervorragende dekadente Romantiker ist G.K. van het Reve ein hochspezialisierter Unmensch.
Seine Skandale zeigen, daß die Einordnung solcher Individualisten in die menschliche Gesellschaft nicht einfach ist. Ihre Aggressivität gegen das Herkömmliche führen zu nahezu schalldichter Kontaktarmut. Etwas erleichternd wirkt, daß Romantiker in ihrem geistigen Überbau einen starken Hang zu erhaltenden, bis reaktionären Kräften zeigen. G.K. van het Reve ist wegen seines Engagements für die herkömmliche demokratische Staatsordnung oder für seinen Traum eines kulturell hochstehenden, katholisch geeinten Abendlandes, den auch Novalis dargelegt hat, in den Niederlanden oft angegriffen worden. Trotzdem ist es ein letzter Echtheitsbeweis.
Ist es denn legitim, den niederländischen Autor mit so anerkannten Größen der Weltliteratur zu vergleichen? Einen entscheidenden Abstrich muß man gleich vornehmen: den Einfluß, den die genannten ausländischen Autoren auf die Weltliteratur ausgeübt haben! Vergleichen läßt sich hier lediglich die literarische Qualität und die Erfüllung eines eigenen Beitrags zur romantischen Literatur über den niederländischen Rahmen hinaus, insofern sich so wichtige Aspekte überhaupt trennen lassen.
Stoff und Umsetzung in Sprache bestimmen weitgehend literarische Qualität. Letztlich wird Literatur mit Worten gemacht. G.K. van het Reves Stoff, seine Themen, die er einer komplizierten und unglücklichen Konstellation entnimmt, prädestinieren ihn zu einem wichtigen Autor, über dessen Sprachvermögen schon viel gesagt worden ist. Sein gewaltiger Wortschatz, sein sicherer Einsatz von großangelegten Spannungsbögen in den langen Sätzen, seine Fähigkeit, einen scheinbar antiquierten, von der Bibel stark beeinflußsten Ton durchzuhalten, lassen das Amalgam von Inhalt und Sprache oft in ungewöhnlich hoher Form gelingen. Auffällig ist die Aussagedichte, die er mit wenigen Strichen erreicht: ‘Het had Nico dagenlange voorbereidingen gekost om de bij vuur of open vlam vermoedelijk ontploffende dichtervorst uit Amsterdam mee te voeren, waar de B. eindelijk, op de zoveelste overeengekomen dag, warempel niet naar Café E. was gegaan, maar in zijn etagewoning reeds des morgens om zeven uur bovenaan de trap - die hij niet afdurfde - was gaan zitten, hoewel Nico pas om twee uur 's middags zou komen.’ (Nader tot U, S. 41/42) Was ein ganzes gescheitertes Leben einfängt. Oder über einen Ertrinkenden in der Gracht: ‘... had hij nog net in het water een glazig starend oog en een zwarte, bochelachtige, door een plastic regenjas gevormde blaas gezien.’ (Nader tot U, S. 49) Was schwere Trunkenheit und der nahen Griff des Todes nach dem scheinbar bereits verunstalteten, sich auflösenden Menschen zusammenfallen läßt. Die starken Passagen in zum Beispiel Werther Nieland oder Nader tot U werden dem Anlegen von strengen Masstäben zweifellos standhalten.
Die Frage nach dem eigenen Beitrag zu seiner Literaturgattung beantwortet sich teilweise aus seiner Notwendigkeit, die Bausteine für seine Lyrik und Prosa aus der heutigen Zeit zu selektieren und für seine Zwecke zuzuschneiden. Hier beschwört er keinesfalls die Tradition herauf. In dem letzten Weltkrieg hat der Mensch ein ungeheuerliches Antlitz gezeigt, und immer noch beherrschen politische Vergewaltigung, kriegerische Auseinandersetzungen und Folter große Teile der Welt. Sexuelle Exzesse oder auch die harte Auseinandersetzung zwi-