Nederlandse historische bronnen 1
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Teil IV
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1.) | Die Neuordnung der niederländischen Kriminalpolizei; |
2.) | Die Einrichtung eines deutschen kriminalpolizeilichen Vollzugsdienstes für die deutsche Strafgerichtsbarkeit des Reichsk ommissariats. |
Zu 1.
Um die Arbeit für die Umorganisation der niederländischen Kriminalpolizei richtig beurteilen zu können, muss man zunächst auf die bisherigen Verhältnisse in der niederl. Kriminalpolizei eingehen. Die bisherige Organisation beruhte im wesentlichen noch auf dem Gemeindegesetz und dem Reichspolizeibeschluss aus dem Jahre 1851. Beide Gesetze gingen von dem Grundsatz einer ausgesprochenen Dezentralisation aus, wonach die polizeiliche Gewalt den Bürgermeistern als Organen der Selbstverwaltung anvertraut wurde.
Bevölkerungsdichte und Vergrösserung des Verkehrsnetzes hatten zur Folge, dass eine planmässige Bekämpfung des Berufs- und gewohnheitsmässigen Verbrechertums von einzelnen örtlich auf kleinem Raum beschränkten und voneinander isolierten Kriminalpolizeiabteilungen nicht gemeistert werden konnte. Man erkannte zwar die Mängel, zumal sich in allen Ländern die Tendenz zur Zentralisation der Verbrechensbekämpfung klar abzeichnete, jedoch scheiter-
ten an sich schon unzulängliche Neuerungen am Widerstreit der ParteienGa naar voetnoot39.
Es entstanden zwar in den Grosstädten Rotterdam und Amsterdam gut ausgerichtete und geschulte Kriminalpolizeien, jedoch konnten sie wegen ihrer beschränkten örtlichen Zuständigkeit und ihrer mangelnden Verbindung miteinander nur zu einem Bruchteil ihrer wahren Leistungsfähigkeit nutzbar gemacht werden. Dem zweifellos vorhandenen Bedürfnis nach einer Reichskriminalpolizei folgend, räumte man den Justizorganen einen grossen Einfluss auf die Polizei ein, indem man die Generalstaatsanwälte als amtierende Polizeidirektoren einsetzte und ihnen eine eigene Polizeitruppe in Gestalt der sogenannten Rijksrechercheure schuf.
Diese Rijksrechercheure sollten theoretisch lediglich dort zum Einsatz kommen, wo schlagkräftige Kriminalpolizeien fehlten.
In der Praxis jedoch führte diese Einrichtung zu erheblichen Unzuträglichkeiten mit den Gemeindepolizeien. Schliesslich gingen die Generalstaatsanwälte dazu über, die Reichsrechercheure nicht nur zu reinen kriminalpolizeilichen Aufgaben zu verwenden, sondern sie auch für politische, personalpolitische und dienststrafrechtliche Angelegenheiten der Gemeindepolizei einzusetzen, sodass nunmehr anstelle des für die Zusammenarbeit notwendigen Vertrauens Misstrauen und Ablehnung traten.
Mit dieser neuen Instanz wurde weder die notwendige Parallelverbindung zwischen den grosstädtischen Kriminalpolizeien geschaffen, noch wurden sie unter eine einheitliche Führung gebracht.
Die aus zwingender Notwendigkeit heraus sich bildenden kriminalpolizeilichen Zentralstellen zur Bekämpfung von Fälschungen, des Mädchenhandels, der Verbreitung unzüchtiger Bilder, Schriften und Darstellungen in Amsterdam und die Zentralstellen zur Bekämpfung von Autodiebstählen und Rauschgiftvergehen in Rotterdam vermochten sich nicht zur vollen Wirkung zu entfalten. Es war weniger ihre eigene Schuld als vielmehr die Folge eines Behördensystems, das seine Eigenart gerade in dem ausgesprochenen, jedem zentralen Meldewesen zuwider laufenden dezentralen Aufbau hatte. Den Zentralstellen fehlten jede fachliche Aufsichtsbefugnisse über die Gemeindepolizeien. Sie waren nicht befugt, durch Entsendung von Spezialbeamten die Bearbeitung schwieriger Fälle selbst zu
übernehmen. Hinzu kommt, dass die Zentralstellen nur einen kleinen Ausschnitt aus dem kriminalpolizeilichen Meldewesen erfassen. Es fehlen die Gebiete der zentralen Fahndung, der zentralen Erfassung der Kapitalverbrechen und die Zentrale für Vermisste und unbekannte Tote.
Wie aus diesen Darlegungen ersichtlich ist, konzentriert sich in den Niederlanden die Kriminalpolizei nur in den grossen Städten. In kleinen und kleinsten Gemeinden werden die kriminalpolizeilichen Aufgaben von unzulänglichen kleinstädtischen Gemeindepolizeien, von der Reichsfeldwacht (Gendarmerie) oder den Reichsrechercheuren ohne klare Zuständigkeitsabgrenzung wahrgenommen.
Den grosstädtischen Kriminalpolizeien mangelt es an einheitlicher Ausrichtung der Laufbahn- und Besoldungsverhältnisse; vor allem fehlen staatliche Fachschulen für die Kriminalpolizei.
Der Weg zu einer Neuordnung war klar gewiesen mit der Übernahme der Grundsätze, dass die Polizei künftig eine Angelegenheit des Staates ist und die polizeilichen Aufgaben grundsätzlich von staatlichen Polizeibehörden wahrgenommen werdenGa naar voetnoot40.
Als Vorbild für die Neuordnung in der Verbrechensbekämpfung gilt die Organisation der deutschen Kriminalpolizei. Entsprechend dem Reichskriminalpolizeiamt mit seinem Kriminalpolizeileitstellen- und stellennetz wurde für das niederländische Staatsgebiet in der Reichsrecherchezentrale eine kriminalpolizeiliche Vollzugszentrale geschaffen, der 5 Recherchehoofdafdeelingen als Kriminalpolizeistellen unterstehen. Nach der vom Reichskommissar erlassenen Polizeiorganisationsverordnung vom 18.12.1942 werden am 1.3. 1943 solche Kriminalpolizeistellen in
1. | Rotterdam für die Provinzen Südholland und Seeland; |
2. | Amsterdam für die Provinzen Nordholland und Utrecht; |
3. | Eindhoven für die Provinzen Noordbrabant und Limburg; |
4. | Arnheim für die Provinzen Overijssel und Gelderland; |
5. | Groningen für die Provinzen Groningen, Friesland und Drenthe |
eingerichtet.
Durch die Aufteilung des niederländischen Staatsgebietes in 5 Bezirk[e] wird über das ganze Land ein bis zu den kleinsten Dienststel-
len der Kriminalpolizei und Gendarmerie reichendes Melde- und Fahndungssystem aufgebaut. Zuständigkeitsbeschränkungen, mangelnde Zusammenarbeit der Dienststellen untereinander, uneinheitliche Ausbildung und Ausrüstung werden durch die bereits eingeleitete Neuordnung beseitigt.
Die zentrale Zusammenfassung aller für die Verbrechensbekämpfung zur Verfügung stehenden Kräfte soll mit verhältnismässig geringem Aufwand durch rationellen Einsatz die grösstmöglichste Schlagkraft der Kriminalpolizei sichern. Selbstverständlich wird es eine geraume Zeit bedürfen, ehe die Erfolge in der nunmehr zentral geführten Verbrechensbekämpfung sichtbar werden.
Durch Studienreisen mehrerer leitender niederländischer Kriminalbeamter wurde die Gelegenheit geboten die deutschen kriminalpolizeilichen Einrichtungen im Reichskriminalpolizeiamt und in der Provinz kennen zu lernen. Hierdurch wurde die Voraussetzung zu einer positiven Mitarbeit geschaffen; denn als Fachleute erkannten sie die in der deutschen Organisation liegenden Vorteile.
Kriegsmässig betrachtet eröffnet eine zentral geführte Verbrechensbekämpfung vielfache Möglichkeiten zur intensiven Überwachung des Landes durch die Besatzungsmacht.
Eine weitgehende Zusammenarbeit der niederländischen kriminalpolizeilichen Zentrale mit der deutschen Abteilung ermöglicht, schnell wesentliche Veränderungen auf dem Gebiet der Kriminalität zu erkennen und entsprechende Gegenmassnahmen zu ergreifen.
Zu 2.
Der kriminalpolizeiliche Vollzugsdienst war in den ersten Monaten des Einsatzes zunächst von der Arbeit für die deutschen Gerichte ausgefüllt. Bald war aber zu erkennen, dass bestimmte Sachgebiete unabhängig von der Zuständigkeitsregelung [...]Ga naar voetnootr der niederländisch-deutschen Strafgerichtsbarkeit von der Kriminalpolizeilichen EinsatzgruppeGa naar voetnoot41 übernommen werden mussten, um die anschwellende Zunahme bestimmter Kriegswirtschaftsvergehen zu verhindern. Dadurch wurde ein Sonderreferat zur Bekämpfung von Markenfälschungen und Schwarzschlachtungen geschaffen. Durch die zentrale Behandlung der im gesamten besetzten Gebiet anfallenden Fälle wird seitdem ein ständiger Rückgang dieser Kriegswirtschaftsvergehen festgestellt.
Die Erfahrungen und Erfolge der Arbeit dieses Sonderreferats
führen gerade im Zeitpunkt der Berichterstattung zur Errichtung eines zweiten Sonderreferates zur Bekämpfung des Schleichhandels.
Die Fahndung wurde im Laufe des Einsatzes in Zusammenarbeit mit dem niederländischen Fahndungswesen und den zuständigen Wehrmachtsstellen zu einem schlagkräftigen Fahndungsapparat eingerichtet, der in ständigem Meldungsaustausch mit den deutschen Fahndungszentralen in Paris und Brüssel steht. Die auf Grund des Erlasses des Reichsführers-SS u.Ch.d.Dt.Pol.Ga naar voetnoot42 vom 5.12.1942 über die Fahndungsaktionen nach flüchtigen Kriegsgefangenen und ausländischen Arbeitskräften und der verstärkten Personenüberwachung eingeleiteten Vorbereitungen sind abgeschlossen.
In Kürze werden durch ein deutsch-niederländisches Sonderkommando - vor allem in den Grosstädten - laufend Grossrazzien abgehalten werden. Die niederländische Kriminalpolizei hat von sich aus bisher derartige Massnahmen nicht ergriffen. Ihr fehlte vor allem als unerlässliches Handwerkszeug im Fahndungswesen das Fahndungsbuch, welches am 1.3.1943 entsprechend dem Muster des deutschen Fahndungsbuches periodisch erscheinen wird.
Die Schlagkraft der kriminalpolizeilichen EinsatzgruppeGa naar voetnoots durch die Abordnung zuverlässiger und tüchtiger niederländischer Beamter wesentlich erhöht worden.
Da die in den besetzten Gebieten eingesetzte Kriminalpolizei stets nur verhältnismässig geringe Kräfte aufweisen wird, weil die Übernahme der Bearbeitung solcher Vorgünge nur von Fall zu Fall im Interesse der Besatzungsmacht liegt, ist vielfach die Einschaltung kriminalpolizeilicher Kräfte des besetzten Gebietes möglich.
In den Niederlanden ist über die Einschaltung in einzelnen kriminalpolizeilichen Fällen hinaus systematisch dazu übergegangen worden, zuverlässige und tüchtige niederländische Kriminalbeamte in die kriminalpolizeiliche Einsatzgrappe als ständige Mitarbeiter einzubauen. Die fast dreijährigen Erfahrungen zeigen, dass hierdurch nur die Schlagkraft der Kriminalpolizei erhöht werden konnte.
Verteiler:
1. | Reichskommissar für die besetzten niederländischen Gebiete, Reichsminister SS-Obergruppenführer Dr. Seyss-Inquart, Den Haag. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
2. | Wehrmachtsbefehlshaber in den Niederlanden, General der Flieger Christiansen, Den Haag. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
3. | Generalkommissar für das Sicherheitswesen, SS-Gruppenführer Rauter, Den Haag. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
4. | Generalkommissar für Verwaltung und Justiz, SS-Brigadeführer Dr. Wimmer, Den Haag. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
5. | Generalkommissar z.b.V., Hauptdienstleiter Schmidt, Den Haag. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
6. | Generalkommissar für Finanz und Wirtschaft, SS-Brigadeführer Dr. Fischböck, Den Haag. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
7. | Vertreter des Auswärtigen Amtes, SS-Brigadeführer Gesandter Bene, Den Haag. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
8. | Rüstungsinspektion Niederlande, Vize-Admiral Lamprecht, Baarn. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
9. | Regierungspräsident Piesbergen, Den Haag. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
10. | Chef der Sicherheitspolizei und des SDGa naar voetnoot43, Berlin.
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11. | Befehlshaber der Ordnungspolizei, Generalleutnant Dr. Lankenau, Den Haag. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
12. | Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD Norwegen, SS-Standartenführer Fehlis, Oslo. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
13. | Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD im Bereich des Militärbefehlshabers in Frankreich, Dienststelle Paris, SS-Standartenführer Knochen, Paris. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
14. | Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD im Bereich des Militärbefehlshabers in Frankreich, Dienststelle Brüssel, SS-Sturmbannführer Ehlers, Brüssel. |
15. | Aussendienststellen des Befehlshabers der Sicherheitspolizei und des SD für die besetzten niederländischen Gebiete,
Amsterdam, Leeuwarden, Arnheim, Maastricht, Groningen, Rotterdam, Herzogenbusch, UtrechtGa naar voetnoot44. |
16. | Abteilungen im Hause. |
- voetnoot39
- De hierna volgende uiteenzetting over de gebreken in de organisatie der recherche heeft nog steeds betrekking op de periode van voor de oorlog tot aan het begin van de reorganisatie van het politiewezen in bezettingstijd. Deze reorganisatie vond geleidelijk plaats en was begin 1943 nog niet voltooid.
- voetnoot40
- Men vergelijke de paragraaf ‘Polizei’ in het hoofdstuk ‘Verwaltung und Recht’. p. 365. Ook hier duiden de onderling afwijkende gegevens op de door Harster verlangde, maar blijkbaar te weinig doorgevoerde coördinatie (in dit geval tussen Abteilung V en Referat III A) in de berichtgeving.
- voetnootr
- Wellicht: in anders: von.
- voetnoot41
- De Abteilung V. Zie evenwel ook p. 283.
- voetnoot42
- und Chef der Deutschen Polizei.
- voetnoots
- Hierachter blijkbaar weggelaten: ist.
- voetnoot43
- De chef van het Reichssicherheitshauptamt (zie p. 279).
- voetnoot44
- Leeuwarden en Utrecht waren in deze periode eigenlijk slechts Aussenposten, filialen van bepaalde Aussenstellen (resp. van Groningen en Amsterdam).