Nederlandse historische bronnen 1
(1979)–Anoniem Nederlandse historische bronnen– Auteursrechtelijk beschermd
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Teil III
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nalsozialistische Bewegung, die NSNAP.Ga naar voetnoot17, liquidiert. Dabei wurde eine Übereinkunft zwischen dem Leiter der NSB., Mussert, und dem Leiter der NSNAP., van Rappard, getroffen, nach der die Mitglieder der NSNAP. in die NSB. überführt werden sollten. Im Verlaufe der Durchführung dieser Übereinkunft zeigte sich jedoch sehr bald, dass die NSB. sich gegen die Aufnahme ehemaliger, rein grossgermanisch und kompromisslos deutschfreundlich eingestellter NSNAP'er sträubte, so dass nur eine verhältnismässig geringe Anzahl - sie betrug bis Ende des Berichtsjahres ca. 3000 - von der NSNAP. in die NSB. überführt wurde. Diese Erscheinung löste naturgemäss in den Reihen der NSNAP. starke Verbitterung aus. Der Leiter der NSNAP., van Rappard, meldete sich zum zweiten Male freiwillig zur Waffen-SS und wurde im Osten eingesetzt, wo er sich im Laufe des Jahres auszeichnete und von wo er inzwischen verwundet in die Heimat zurückkehrte. Infolge der Abwesenheit van Rappards fiel seinem Stellvertreter Giard die Aufgabe der Überführung der Mitglieder der NSNAP. zu, der sich jedoch nicht durchzusetzen vermochte. Diese Entwicklung brachte es mit sich, dass eine grosse Anzahl wertvoller deutschfreundlicher Niederländer in eine unfruchtbare Opposition getrieben wurde. Vom Zeitpunkt der Liquidation der NSNAP. an beherrschte die NSB. während des ganzen Berichtsjahres mit stärkster deutscher Unterstützung das innerpolitische Feld in den besetzten niederländischen Gebieten. Ihr standen praktisch alle Einrichtungen - wie Presse, Rundfunk, niederländische Wochenschau - für ihre Propaganda zur Verfügung. Ebenso erhielt sie eine laufende finanzielle Unterstützung von seiten der Besatzungsmacht. Zu Beginn des Jahres hatte es daher auch den Anschein, als wolle und könne die NSB. nunmehr eine durchschlagende und erfolgreiche Propagandatätigkeit entwickeln. Von seiten der Parteiführung wurden im Laufe der Berichtszeit auch zahlreiche Versuche unternommen, nicht nur grössere Teile des niederländischen Volkes für die Idee der Bewegung zu gewinnen, sondern vor allem auch die Passivität der Mitglieder selbst zu beseitigen. Dabei zeigte es sich jedoch nach kurzer Zeit, dass diese Bestrebungen durch innere Reibungen und durch das Fehlen einer klaren weltanschaulichen Führung gelähmt wurden. Dazu kamen die im Verlaufe des Jahres immer stärker in Erscheinung tretenden Gegensätze zwischen dem deutschfreundlich und grossgermanisch eingestellten Teil und dem diese Ausrichtung | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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ablehnenden grossdietschen Führungskreis innerhalb der NSB. Dieser Kampf innerhalb der Bewegung blieb der Aussenwelt keineswegs verborgen und führte schliesslich dazu, dass selbst nationalsozialistisch orientierte Kreise keine Neigung empfanden, in die NSB. einzutreten. Der Leiter der NSB., Mussert, hatte zwar am 14.12.1941 auf der Zehnjahresfeier der NSB. in Amsterdam erklart, dass die deutsch-niederländische Schicksalsgemeinschaft eine Verbundenheit auf Leben und Tod sei, aber er duldete doch in der Folgezeit eine immer stärkere Ausbreitung der grossdietschen Richtung innerhalb seines Hauptquartiers. Treibende Kraft innerhalb der Führung der NSB. zu dieser grossdietschen Orientierung war vor allem der Leiter der Propagandaabteilung, Ernst Voorhoeve, der die gesamte Propaganda in diese Richtung lenkte. Diese grossdietschen Tendenzen fanden besonders in der WA. Eingang. Als Ursache für diese Entwicklung erwies sich das mangelnde Verständnis für den grossgermanischen Gedanken und das Fehlen einer festen weltanschaulichen Grundlage innerhalb der Führerschicht der NSB. Den Höhepunkt der Entwicklung in der Propaganda gegen den grossgermanischen Gedanken bildete der im Mai 1942 herausgegebene Befehl Voorhoeves, wonach es verboten wurde, auf Versammlungen über den grossgermanischen Gedanken zu sprechen. Um Voorhoeve sammelte sich im Laufe der Berichtszeit jener Teil der Führer der NSB., die zum Teil aus dem ehemaligen Verdinaso-KreisGa naar voetnoot18 stammten, um den Kampf gegen vermeintliche ‘Anschlussbestrebungen’ aufzunehmen. Voorhoeve liess während dieser Zeit immer stärker seine separatistischen Gedankengänge in Versammlungen und Presseartikeln erkennen und propagierte immer offener die Gründung eines grossdietschen Reiches. Dabei forderte diese Richtung zum Teil, dass nicht nur Flandern dem niederländischen Reich angeschlossen werden müsse, sondern ganz Belgien und der von Flamen besiedelte Teil Nordfrankreichs. Die am 17. Mai 1942 durchgeführte Vereidigung der niederländischen SS auf den Führer durch Mussert in Anwesenheit des Reichsführers-SS sowie die anlässlich dieser Veranstaltung gehaltenen Reden des Reichsführers-SS und Musserts führten zu einer weiteren Festigung der inneren Haltung der SS und gaben dem grossgermanisch eingestellten Teil der Bewegung erneut den Mut, ihre Ansich- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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ten innerhalb der NSB., darüber hinaus aber auch in der Öffentlichkeit, offen zu vertreten. Seitdem gilt die niederländische SS in den Augen der grossgermanisch eingestellten NSB.-Mitglieder sowie in den Kreisen der Anhänger der ehemaligen NSNAP. als Garant für die Verwirklichung des grossgermanischen Reiches. Die kaum einen Monat später am 20.6.1942 erstmalig erfolgte Grossvereidigung von NSB.-Funktionären wurde allgemein als Antwort und Gegenzug auf die Vereidigung der SS auf den Führer aufgenommen. Dies nicht zuletzt auch deswegen, weil bei der propagandistischen Vorbereitung der Vereidigung besonders der ‘eng-nationale Charakter’ der NSB. herausgestellt wurde. Dabei erregte es allgemeines Aufsehen, dass die SS-Führer an der Vereidigung auf Mussert nicht teilnahmen. Das bestehende Misstrauen gegen die grossgermanische SS wurde durch diese Tatsache verstärkt, wie allgemein die Spannungen zwischen beiden Flügeln innerhalb der NSB. und die Diskussionen über das zukünftige Schicksal der Niederlande sich in der Folgezeit verschärften. Im September 1942 versuchte daraufhin Mussert in einer Rede in Lunteren die obenerwähnten Gegensätze auszugleichen. Mussert bekannte sich in dieser Rede zu einer germanischen Gemeinschaft in der Form eines germanischen Staatenbundes, der jedoch die Niederlande als ein in sich geschlossenes politisches Gebilde unberührt lassen solle. Aber auch diese Ausführungen Musserts über den germanischen Staatenbund im Verhältnis zum Reichsgedanken vermochten nicht die Diskussionen über den Weg der NSB. und das weitere Schicksal der Niederlande innerhalb der Bewegung auszugleichen oder zu beseitigen. Gegen Ende des Jahres trat die Frage der Machtübernahme bei den interessierten Kreisen wiederum stark in den Vordergrund. Den Höhepunkt erreichten diese Erörterungen anlässlich des Besuches Musserts im Führerhauptquartier Mitte Dezember 1942. Nach der im Anschluss an diesen Besuch in Amsterdam durchgeführten Grosskundgebung anlässlich des 11-jährigen Bestehens der NSB. und infolge der mit grossen Aufwand gestarteten Rundfunkpropaganda, glaubte ein Grossteil der NSB., dass die Machtübernahme der NSB. nunmehr praktisch vollzogen sei. Als sich jedoch in der Folgezeit zeigte, dass die durch die vom Reichskommissar bei dieser Gelegenheit verkündete Anerkennung Musserts als Leiter des niederländischen Volkes und die Einschaltung der NSB. in den staatlichen Verwaltungsapparat vorerst an der bisherigen Lage nur wenig geändert hatte, machte die politische Hochstimmung in den Mitgliederkreisen schnell einer allgemeinen Ernüchterung Platz. Das NSB.-Hauptquar- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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tier ging Ende des Jahres sofort daran, ein ‘Staatssekretariat’ vorzubereiten, um die Voraussetzungen für die Durchführung einer Beteiligung der NSB. an der inneren Verwaltung des Landes zu ermöglichen. Zusammenfassend lässt sich für die Entwicklung der NSB. im Berichtsjahr folgendes sagen Obwohl der NSB. als der alleinigen Trägerin der politischen Willensbildung sämtliche propagandistischen Führungsmittel sowie grosse finanzielle Hilfsquellen zur Verfügung standen, gelang es ihr nicht, sich im niederländischen Volk durchzusetzen oder auch nur ihre Basis spürbar zu verbreitern. Im Gegenteil zeigte es sich immer mehr im Verlaufe des Jahres, dass die NSB. von der Bevölkerung zunehmend heftiger abgelehnt wird. Andererseits benutzte jedoch die NSB. das Jahr 1942 zu einem erfolgreichen inneren Aufbau ihrer Organisation. Bei einem Überblick über die Versammlungstätigkeit des vergangenen Jahres ergibt sich, dass sämtliche Versammlungen, Kundgebungen und ähnliche Veranstaltungen, mit einigen Ausnahmen, ausschliesslich von Mitgliedern der Partei besucht wurden. Dies verursachte in Parteikreisen eine sich immer mehr steigernde Müdigkeit und zu Ende des Jahres war aus den eingehenden Meldungen zu erkennen, dass es für die NSB. ausserordentlich schwer wurde, selbst ihre Mitglieder zu den Pflichtveranstaltungen heranzuziehen. Die NSB.-Presse griff diese Lethargie ihrer Mitglieder wiederholt scharf an. Die Stimmung der Partei griff auch auf die Gliederungen - ausser dem Jeugdstorm und der germanischen SS - über. Anschliessend folgen die Zahlen über die Mitgliederbewegung und zwar geord net nach
1. Nach dem Stand vom 30.6.1942 hat die
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2. Mitgliederzahlen nur Niederlande
3. Die Zahl der Mitglieder ohne Sympathisierende nur in den Niederlanden betrug am:
4. Die Zahl der sogen. sympathisierenden Mitglieder betrug insgesamt am:
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B. Kulturelle GebieteWissenschaft und Erziehung.Kurze Zeit nach der Besetzung der Niederlande zeigte es sich, dass die niederländischen Universitäten und Hochschulen den Kern des geistigen Widerstandes gegen die Ziele und Neuerungsbestrebungen der Besatzungsmacht darstellten. Schon am Ende des Jahres 1940 musste gegen die Universität Leiden eingeschritten werden, da hier Professoren und Studenten aus Anlass der ersten von der Besatzungsmacht gegen die Juden ergriffenen Massnahmen in Streik traten. Träger dieses Widerstandes an den Hochschulen waren vor allem die studentischen Korporationen, die daraufhin im Verlaufe des Jahres 1941, bis auf unbedeutende Ausnahmen, aufgelöst wurden. Ihr Vermögen wurde beschlagnahmt und eingezogen. Die Versuche, aus der Universität Leiden eine neue nationalsozialistische Hochschule entstehen zu lassen, scheiterten bisher. Die übrigen Universitäten und Hochschulen verhielten sich während des Jahres 1941 im wesentlichen ruhig. Der Widerstand der Studenten war ein rein passiver. Erst gegen Ende des Jahres 1941 gingen die aktiven Elemente der gegnerisch eingestellten Kreise der Studentenschaft in stärkerem Masse zur Verteilung deutschfeindlicher Flugblätter über. Zu Beginn des Berichtsjahres 1942 trat durch die Einführung der Arbeitsdienstpflicht für die ersten Semester eine neue Spannung an den Universitäten und Hochschulen auf. Hier war es besonders die Katholische Universität in Nijmegen, die sich auf höhere Weisung der Einführung der Arbeitsdienstpflicht zunächst widersetzte. Besonders in den Märztagen des Jahres 1942 flammte die Streikbewegung wieder auf, ohne dass es jedoch zu einem allgemeinen Streik an den niederländischen Hochschulen kam. Von diesem Zeitpunkt an war aber die passive Resistenz gegen die deutsche Besatzungsmacht allgemein. Eine Reihe illegaler Hetzschriften, vor allem ‘De vrije Katheder’ und ‘De Geus onder de Studenten’, die gegen Ende der Berichtszeit an Bedeutung und Auflage fortlaufend zunahmen, gingen an den Universitäten und Hochschulen von Hand zu Hand. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Die Gruppe der aktiven gegnerischen Elemente an den Hochschulen blieb jedoch auch im Jahre 1942 zunächst verhältnismässig klein. Der an sich unpolitischen Mentalität der niederländischen Hochschuljugend entsprechend, verharrte die Mehrzahl der Studenten in politischer Gleichgültigkeit, so dass die zahlreichen Aufforderungen zum Streik während des Jahres 1942 erfolglos blieben. Lediglich die Universität Utrecht und die Landbauhochschule Wageningen traten durch eine aktivere gegnerische Haltung in Erscheinung. Vor allem die Landbauschule in Wageningen stellte während des ganzen Jahres bis zum Rektoratswechsel im Herbst 1942 ein Element dauernder Unruhe dar. Nachdem jedoch der Rektor und das Kuratorium der Universität abgelöst und die studentischen Korporationen aufgelöst worden waren, trat zunächst auch hier wieder Ruhe ein. Erst gegen Ende des Jahres 1942 wurden durch den Plan, die Studenten jahrgangsweise in das Reich zu verpflichten, grosse Teile der Studentenschaft aus ihrer politischen Uninteressiertheit herausgerissen und zu aktivem Widerstand gegen die Besatzungsmacht mobilisiert. Eine Flut von deutschfeindlichen Flugblättern kursierte an den niederländischen Hochschulen. Sie alle forderten bei der Durchführung der geplanten Massnahmen zum Streik auf. Nur durch die Tatsache, dass die Universitäten und Hochschulen die Weihnachtsferien vorverlegten, kam der an sich beschlossene Streik praktisch nicht zur Durchführung. Als aufgrund der entstandenen Unruhe die deutschen Behörden von ihrem Plan Abstand nahmen und der niederländische Generalsekretär für Unterricht, van Dam, dieses als ‘endgültig’ den Professoren und Studenten mitteilte, versteifte sich der Widerstand der Studenten aufgrund dieses vermeintlichen Erfolges ausserordentlich. Von diesem Augenblick an bis zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Berichtes zu Anfang des Jahres 1943 weisen alle Flugblätter immer wieder darauf hin, dass es sich gezeigt habe, dass der ‘kollektieve Widerstand’ gegenüber der Besatzungsmacht erfolgreich gewesen sei. Insgesamt gesehen, dürfte sich die Zahl der zu aktivem Widerstand entschlossenen Studenten der niederländischen Universitäten und Hochschulen fast 50% genähert haben. Der Rest ist nach wie vor zwar innerlich gleichfalls ablehnend eingestellt gegenüber allen Massnahmen der Neuordnung, jedoch politisch an sich grundsätzlich passiv. Demgegenüber stellen die nationalsozialistischen Studenten eine verschwindend geringe Zahl dar. Ihre Mitglieder betragen nicht einmal 1% der gesamten Studentenschaft. Von etwa 10.000 Studenten können bestenfalls 600 der Nationalsozialistischen Studentenschaft | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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zugerechnet werden. Ebenso gelang es demjenigen Teil der Professoren, die der nationalsozialistischen Weltanschauung nahestehen, nicht, irgendwelchen massgeblichen Einfluss geistig führender Art an den Hochschulen auszuüben. Während des Berichtsjahres wurde eine Reihe gegnerischer Professoren im Zuge der Geiselaktion mit festgenommen. Es hat sich in der Berichtszeit in zunehmendem Masse gezeigt, dass die niederländischen Universitäten in dieser Form, wie sie heute noch bestehen - wenn man die Technischen Hochschulen aus rein praktischen Erwägungen des Nachwuchses ausnimmt -, keine Daseinsberechtigung mehr haben. Sie erfüllen weder ihre Aufgaben hinsichtlich des geistigen Kampfes um die Neuordnung Europas noch ihre Aufgaben in der Menschenführung, sondern bilden überdies allenthalben nur die Zentren einer gegen die Neuordnung und gegen das Reich gerichteten politischen Willensbildung. Auch die Professorenschaft hat nur zu einem geringen Teil ihre Einstellung geändert. Die Mehrzahl huldigt auch hier weiter dem zur Tradition gewordenen Liberalismus. Allgemein ist im Studienjahr 1942/43 ein Rückgang der Studierenden zu verzeichnen. Dieses mag nicht zuletzt seinen Grund darin haben, dass ein Teil der Studenten aus schlechtem Gewissen oder aus Furcht vor deutschen Gegenmassnahmen den Hochschulen fernbleibt. Vor allem fürchtet man auch nach wie vor auf dem Wege über die Hochschule zum Arbeitseinsatz nach Deutschland zwangsverpflichtet zu werden. Im Studienjahr 1941/42 betrug die Gesamtzahl der Studierenden 4000, im Studienjahr 1942/43 schrieben sich bis Ende des Berichtsjahres nur 3036 Studenten einGa naar voetnoot19. Im einzelnen geben die Zahlen für die Gemeinde-Universität in Amsterdam folgendes Bild:
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Niederländisches Schulwesen.Das niederländische Schulwesen war seit seiner Entstehungsgeschichte stark ‘privatisiert’ worden, d.h. es war weitgehend den Eltern oder konfessionellen Gruppen überlassen, sich die ihnen zusagenden Schulen aufzubauen. Im wesentlichen entwickelten sich drei grosse Gruppen im niederländischen Schulwesen: Die katholischen Schulen, die evangelischen (calvinistischen) Schulen und die weltlichen Schulen. Für die geistige Führung der konfessionellen Schulen waren in erster Linie die Schulvorstände massgebend. Der Staat oder die Gemeinden, die zwar finanzielle Zuschüsse gaben, hatten keine grösseren Machtbefugnisse in Bezug auf die geistige Ausrichtung dieser Schulen. Unter Berücksichtigung dieser Situation wurden schon im Verlaufe des Jahres 1941 schrittweise wichtige Massnahmen im niederländischen Schulwesen getroffen, die einen gewissen nationalsozialistischen Einfluss gewährleisteten. Diese Entwicklung wurde auch im Jahre 1942 fortgesetzt, ohne dass jedoch eine grundsätzliche Reform des niederländischen Schulwesens durchgeführt wurde. Den stärksten Widerstand gegen alle Neuerungen zeigten die christlichen Schulen. Sie wehrten sich hartnäckig gegen jeden nationalsozialistischen Einfluss, sei es auch nur, dass z.B. das Buch Adolf Hitler ‘Mein Kampf’ in die Schulbibliothek oder zur Verwendung im Unterricht aufgenommen werden sollte. Selbst die Androhung sicherheitspolizeilicher Massnahmen vermochten sie nicht in ihrer Haltung zu beeinflussen. Sofern sicherheitspolizeilich eingegriffen oder Schulleiter abgesetzt wurden, erklärten sich die Eltern mit den Schulleitern solidarisch und zogen ihre Kinder aus der Schule zurück. An erster Stelle des aktiven Widerstandes standen die sogenannten ‘Schulen mit der Bibel’, gegen die verschiedentlich sicherheitspolizeilich eingeschritten werden musste. Während des Berichtsjahres war eine auffällige Zunahme von Schülern bei den christlichen Schulen zu Ungunsten der übrigen Lehranstalten zu verzeichnen. Ursache hierfür dürfte die in der Bevölkerung verbreitete Ansicht sein, dass sich die christlichen Schu- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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len mehr als die staatlichen den nationalsozialistischen Erneuerungsbestrebungen zu entziehen vermögen. Besonders während der ersten Hälfte der Berichtszeit häuften sich die Meldungen aus nationalsozialistischen Kreisen, dass ihre Kinder wegen ihrer politischen Einstellung an den Schulen ausserordentlich benachteiligt würden. Sie würden nicht nur von den übrigen Schulkindern teilweise misshandelt, sondern auch von den Lehrern im Unterricht offensichtlich schikaniert. Die sofortige sicherheitspolizeiliche Ahndung einzelner beweisbarer Fälle, die Inhaftierung der Verantwortlichen sowie die Bestrafung der Eltern politisch verhetzter Kinder, liessen diese Erscheinung im niederländischen Schulwesen gegen Ende des Berichtsjahres wieder abflauen. Bei all diesen Zwischenfällen aber zeigte es sich, in welch erheblichem Masse auch bereits die niederländische Jugend politisch verhetzt und gegen die deutsche Besatzungsmacht eingestellt ist. Aus nationalsozialistischen Kreisen wurde in zahlreichen Meldungen und Stellungnahmen während der Berichtszeit immer wieder darauf hingewiesen, dass eine Änderung des bestehenden Zustandes letzten Endes nur durch eine grundsätzliche Reform des niederländischen Schulwesens zu erreichen sei. Entsprechende Vorschläge haben nationalsozialistische Lehrer seit Jahresbeginn in erhöhtem Masse eingereicht und zahlreiche Pläne für die Änderung der Unterrichtsgestaltung entworfen. Als Ziel aller Reformbestrebungen ist aber immer wieder die Einführung der Einheitsschule gefordert worden. Die Reformpläne wurden jedoch durch die Stellungnahme des Leiders der NSB, Mussert, der sich scharf gegen eine Schulreform aussprach und für die Beibehaltung des ‘Drei-Säulen-Systems’ des niederländischen Schulwesens plädierte, zunächst zunichte gemacht. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Deutsche Schulen.Die Deutschen Schulen haben in der Berichtszeit allgemein eine sehr zufriedenstellende Entwicklung gezeigt. Die Zahl der angemeldeten Kinder hat ständig zugenommen. Ende des Jahres 1942 erreichte die Schülerzahl 9500. Dieser Zustrom zu den deutschen Schulen bezog sich nicht nur auf die Kinder deutscher Eltern, sondern war ebenso stark aus niederländischen Kreisen. Die Zahl der Schulen und der Lehrkräfte wurde fortlaufend erhöht. Insgesamt waren am Ende des Jahres 1942 vorhanden: | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Opening op 30 mei 1942 van de Kultuurkamer door de nieuwe president, prof. dr. T. Goedewaagen, tevens secretaris-generaal van de Volksvoorlichting en Kunsten
Rijksinstituut voor Oorlogsdocumentatie | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Die Lehrerschaft umfasst 330 Lehrpersonen, wobei infolge des Mangels an deutschen Lehrern weitgehend auf niederländische Lehrkräfte zurückgegriffen werden musste. Das Verhältnis von deutschen zu niederländischen Lehrkräften an den deutschen Schulen dürfte etwa 50% zu 50% betragen. Hinsichtlich der deutschen Schulen besteht sowohl in reichsdeutschen als in deutschfreundlich eingestellten niederländischen Kreisen die übereinstimmende Ansicht, dass sich die deutschen Schulen zu einem der wichtigsten Faktoren der deutschen Kulturpropaganda in den Niederlanden entwickelt haben. Gegen Ende der Berichtszeit wurde ein Befehl des NSB-Hauptquartiers bekannt, nach welchem es den politischen Amtsleitern der NSB untersagt wurde, ihre Kinder weiterhin in die deutschen Schulen zu schicken. Die Zusammenhänge, die zu dieser äusserst befremdlichen Massnahme führten, sind bisher noch nicht restlos geklärt worden. Bisher konnte jedoch keine Abmeldung niederländischer Schüler von deutschen Schulen verzeichnet werden. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Volkskultur und Kunst.Durch die Schaffung des niederländischen Ministeriums für Volksaufklärung und Künste war es möglich auf dem Gebiete der Kunst im Jahre 1942 weitere einschneidende Massnahmen zur Neuordnung des Kunstlebens zu treffen. Die Grundlage hierfür bot die am 25.11.1941 erschienene Kulturkammer-Verordnung, die allerdings von der Künstlerschaft mit Entrüstung zur Kenntnis genommen wurde. Kurze Zeit nach dieser Verordnung erschienen Flugschriften, in denen die Künstlerschaft zum geschlossenen Widerstand gegen die Kulturkammer aufgefordert wurde. In den Flugschriften wurde darauf hingewiesen, dass die besetzende Obrigkeit mit dieser Verordnung ihre völkerrechtlichen Befugnisse überschreitend ins niederländische Volksleben eingreife und sich die Beamten des niederländischen Ministeriums für Volksaufklärung und Künste, die meistens Angehörige der NSB seien, als völlige Werkzeuge der Deut- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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schen hergeben wurden. Die Künstler wurden aufgefordert, der Kulturkammer nicht beizutreten. Die Errichtung der ersten Gilden und die damit verbundene Anmeldepflicht der auf diesen Gebieten tätigen Personen zur Kulturkammer rief einen heftigen Protest, besonders unter der Schauspielerschaft, hervor. Die Schauspielerschaft beabsichtigte darauf am 20.2.42 in einen allgemeinen Theaterstreik einzutreten. Durch Verwarnung der Theaterdirektoren konnte dieser Streik rechtzeitig verhindert werden. Einige Tage später wurde dem Reichskommissar von der Künstlerschaft ein Protestschreiben mit 1902 Unterschriften übersandt, in dem darauf hingewiesen wurde, dass der Künstler nur in Freiheit und Unabhängigkeit leben könne und es ihm daher unmöglich sei, sich durch die Mitgliedschaft zur Kulturkammer politischen Grundsätzen zu unterwerfen. Besondere Erregung rief die durch die Kulturkammerverordnung bewirkte Ausschaltung der jüdischen Künstler hervor. Die Protestaktion ging von 8 bekannten niederländischen Künstlern aus, von denen 4 festgenommen werden konnten. Auch der Bischof von Breda, P. Hopmans, nahm gegenüber der niederländischen Kulturkammer einen ablehnenden Standpunkt ein und verbot den katholischen Dilettantengruppen den Beitritt zur Kulturkammer. Er bezeichnete die Kulturkammer in einem Rundschreiben als eine durch die Obrigkeit ins Leben gerufene Zwangsorganisation. In der Zwischenzeit haben sich jedoch bis auf einen geringen Prozentsatz fast alle Künstler zur Kulturkammer gemeldet. Obwohl im Laufe dieses Jahres Massnahmen zur Verbesserung der sozialen Lage der Künstler getroffen wurden, hält die deutschfeindliche Stimmung unter diesen an; es erscheinen noch laufend gegnerische Flugschriften.
Die Niederländisch-Deutsche Kulturgemeinschaft organisierte im gegenseitigen Austausch Veranstaltungen (Dichterlesungen, Theatervorstellungen, Konzerte usw.), die zum grössten Teil von Deutschen und deutschfreundlich gesinnten Niederländern besucht und im allgemeinen günstig aufgenommen wurden.
Durch den Kommissar für nichtwirtschaftliche Vereinigungen wurde eine Reihe kulturelle Vereinigungen und Stiftungen aufgelöst. Anträge auf Neugründungen von Vereinen, deren Bestehen sich gemäss der politischen Lage nur ungünstig auswirken konnte, wurden von hier aus abgelehnt. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Filmwesen.Im niederländischen Filmwesen ist im Jahre 1942 eine erhebliche Steigerung der Besucherzahlen in allen Theatern, sowohl in den Grosstädten als in der [...]Ga naar voetnootf zu verzeichnen gewesen. Durch den Ausfall der englischen und amerikanischen Filme entstand ein gewisser Filmmangel, der die Lichtspiel-Theaterbesitzer zur Prolongation der Filme bezw. zur Aufführung von Revuen und dergl. zwang. Trotzdem stieg die Zahl der Lichtspieltheater von 325 auf 389. Dagegen wurden die ca. 50 bestehenden Filmverleihbetriebe auf 4 reduziert. Diese sind:
Der Ufa-Tobis-Filmverleih, der durch die Zusammenlegung des Ufaund Tobisfilmverleihes entstanden ist, vertreibt in den Niederlanden sämtliche deutschen Filme. Die Firma Sonora beschränkt sich auf den Verleih italienischer Filme; die Firma Odeon vertreibt die sog. Transit-Filme, die hauptsächlich aus dem Protektorat, aus Ungarn und Finnland kommen, und die Aafa- (Allgemeine Amsterdamer Filmagentur) bringt einige flämische Filme heraus. Diese vier Firmen zusammen verfügten für die Winterspielzeit 1942/43 über insgesamt 123 neue Filme. (90 deutsche, 20 italienische, 10 Transit und 3 flämische). Allgemein wurde festgestellt, dass das Interesse am deutschen Film zugenommen hat. Den grössten Publikumserfolg hatte der Rühmann-Film ‘Quax der Bruchpilot’. (860.000 Zuschauer). Erst im grösseren Abstande folgen die Filme ‘Sieben Jahre Pech’ und ‘Die grosse Liebe’ mit 585.000 bezw. 545.000 Zuschauern. Grossen Erfolg hatten weiterhin die Filme ‘Wiener Blut’ (rund 500.000 Zuschauer), ‘Annelie’ (rund 320.000 Zuschauer), ‘Der Tanz mit dem Kaiser’ (rund 270.000), ‘Schicksal’ (rund 270.000 Zuschauer), ‘Was geschah in dieser Nacht’ (rund 220.000 Zuschauer), ‘Heimkehr’ (rund 215.000 Zuschauer) und ‘Anuschka’ (rund 175.000 Zuschauer). Der das Judenproblem behandelnde Film ‘Der ewige Jude’ wurde sehr schlecht besucht und vom überwiegenden Teil der Bevölkerung abgelehnt. Auch die Filme ‘Jud Süss’ und ‘Die Rothschilds’ wurden kritisch zur Kenntnis genommen. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Die SS-Zeitung ‘Storm’ brachte über die Filme ‘Ohm Krüger’, ‘Rembrandt’ und ‘Die goldene Stadt’ negative Kritiken. Der Film ‘Fronttheater’ hat nicht nur in niederländischen Kreisen, sondern auch bei Wehrmachtsangehörigen eine grosse Enttäuschung hervorgerufen. Der Film ‘Ich klage an’ fand in calvinistischen Kreisen stärkste Ablehnung. Da die Katholische Filmaktion versuchte, das Filmwesen in den Niederlanden zu beeinflussen, wurde diese Organisation im Einverständnis mit dem Generalkommissar z.b.V. aufgelöst und verboten. (Hierüber wurde eine Sonderbericht erstellt). Die bei den Firmen ParamontGa naar voetnootg Film N.V., Amsterdam, R.K.O. Radio-Film N.V., Amsterdam, Universal-Film-Booking-Office und L.C. Barnstijn, Standaart-Filmgesellschaft lagernden 1182 amerikanischen Filme wurden beschlagnahmt und dem Generalkommissar z.b.V. zur Verfügung gestellt. Ausserdem wurden 1 englischer und 5 russische Filme beschlagnahmt. Von der Niederländischen Filmprüfungskommission werden unverständlicherweise nicht nur die ausländischen, sondern auch die deutschen Filme einer nochmaligen Nachprüfung unterzogen. Im allgemeinen stimmen die Zensurbescheide allerdings jetzt mit wenigen Abweichungen mit der deutschen Reichszensur überein. Nachdem es im vorigen Jahre noch verschiedentlich bei den Vorführungen der deutschen Auslandswochenschauen zu Zwischenfällen kam, haben sich im Jahre 1942 derartige Vorkommnisse nur noch sehr selten wiederholt. Im allgemeinen werden die deutschen Wochenschauen von der niederländischen Bevölkerung günstig aufgenommen. Dagegen wird die niederländische Wochenschau mit Ausnahme der NSB-Mitglieder von der gesamten Bevölkerung sowie von den Reichsdeutschen wegen ihrer Zusammenstellung und allzu aufdringlichen NSB-Propaganda einstimmig abgelehnt. Über die deutsche Wochenschau wird wöchentlich laufend an das Reichssicherheitshauptamt berichtet.
Das Schmalfilmwesen unterliegt in den Niederlanden noch keiner zentralen Kontrolle und Führung. Bisher ist lediglich eine Regelung getroffen, wonach 8 und 16 mm Schmallfilme ohne Zensurkarten nur in geschlossenen Gesellschaften bis zu 20 Personen vorgeführt werden dürfen. Diese Situation nützen vorwiegend bessergestellte Kreise, die die deutschen Filme aus Opposition nicht besuchen, aus, um unerwünschte und verbotene Schmalfilme (Oranjefilme, Chap- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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linfilme und andere Filme der Feindmächte) in kleineren Gesellschaften vorzuführen. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Musik.Auf dem Gebiete der Musik stand das Konzertgebäude-Orchester in Amsterdam im Vordergrund der Betrachtungen, das im vergangenem Jahre mit gutem Erfolg von verschiedenen niederländischen und deutschen Dirigenten dirigiert wurde. Viele dieser Konzerte wurden vom niederländischen Rundfunk übertragen. Den grössten Erfolg hatte Eugen Jochum. Das Konzertgebäude-Orchester hatte mit finanziellen und personellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Da ein Defizitbetrag von rund fl. 100.000, - entstanden war, hat das Finanzministerium und die Stadt Amsterdam für dieses Orchester fl. 80.000, - ausgegeben. Durch den bestehenden Mangel an Fachkräften, der durch die Abwanderung guter Kräfte zum Rundfunk entstanden war, sah sich das Ministerium für Volksaufklärung und Künste veranlasst, für die Mitglieder dieses repräsentativsten Orchester des Landes die besten Gehälter festzusetzen. Weitere Aufmerksamkeit widmete man folgenden 7 Orchestern, die an zweiter Stelle rangieren:
Auch für diese Orchester wurden Subventionen gewährt und die Gehälter der dort beschäftigten Musiker wesentlich erhöht. Von den Symfonieorchestern wurden in der Hauptsache Werke deutscher, niederländischer, italienischer und französischer Komponisten gebracht. Die Konzerte waren im allgemeinen gut besucht und fanden günstige Aufnahme. Gegenüber dem Vorjahre hat sich die soziale Lage auf dem Gebiete der Musik gebessert. Durch gute Bezahlung hat sich der niederländische Rundfunk viele brauchbare Kräfte gesichert, die dann jedoch bei den Symfonieorchestern fehlten. Viele Musiker haben auch in Deutschland Stellungen angenommen. Der entstandene Mangel an Konzertmusikern soll gegenwärtig durch Nachschulung in Fachkursen behoben werden. Von dem ersten 50 Mann umfassenden Kursus sind bereits mehr als die Hälfte von der Amsterdamer Oper und anderen Orchestern übernommen worden. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Auf dem Gebiete der Unterhaltungsmusik sind keine wesentlichen Änderungen eingetreten. Mit Beginn der Winterspielzeit traten in Ermangelung der Tanzlustbarkeiten wie in den Vorjahren wiederum Organisationen und Vereine mit Unterhaltungsmusikveranstaltungen in der Öffentlichkeit auf, deren in typisch englisch-amerikanischer Aufmachung dargebotene Jazzmusik eine demoralisierende Wirkung auf das Publikum ausübte. Während dieser Veranstaltungen benahmen sich die in der Mehrzahl vertretenen Jugendlichen hemmungslos und zeigten durch Pfeifen, Johlen und Füssetrampeln, nach englischem Muster, ihren Beifall. Da verschiedene dieser künstlerisch wertlosen Veranstaltungen zudem noch zu politischen Demonstrationen missbraucht wurden, mussten von hier aus einige Veranstaltungen verboten werden. Auf hiesige Anregung hat am 4.11.42 das niederländische Ministerium für Volksaufklärung und Künste im niederländischen Staatsanzeiger bekanntgegeben, dass Amateur-, Tanz- und Unterhaltungsorchester nicht mehr ohne Genehmigung des Generalsekretärs im niederländischen Ministerium für Volksaufklärung und Künste auftreten dürfen. Die Buma wurde gemäss einer Notiz im niederländischen Staatsanzeiger am 10.1.42 in die Stiftung ‘Nederlandsch Auteursrechten-Bureau’ überführt und alle weiteren Büros, die sich mit Auteursrechten befassen, aufgelöst. Gleichzeitig wurden durch die hiesige Dienststelle bei der Buma Aktenmaterial beschlagnahmt. Durch eine Verordnung des Generalsekretärs im Ministerium für Volksaufklärung und Künste und für Justiz wurde das Urhebergesetz von 1912 abgeändert. Gemäss dieser Verordnung wurden alle diesbezüglichen Verträge genehmigungspflichtig. Weiterhin hat die niederländische Kulturkammer im Einverständnis mit der Fachgruppe Volksmusik vertraglich festgelegt, dass ab 1. Juli 1942 die Dilettantenorchester verpflichtet sind, 2 % des jährlichen Etats der Vereinigung, mindestens aber fl. 6, -, zu bezahlen.
Auf dem Gebiete des Tanzes sind keine wesentlichen Änderungen zu verzeichnen gewesen. Das Ministerium für Volksaufklärung und Künste hat lediglich erstmalig für den Kunsttanz 15.000, - fl. zur Verfügung gestellt und die Fachgruppe Gesellschaftstanzlehrer der niederländischen Kulturkammer eine Anzahl Ubungstage für ihre Mitglieder organisiert. Auf Wunsch des Ministeriums wurden die fremdländischen technischen Namen der verschiedenen Tanzschritte usw. zum Teil ins Niederländische übersetzt. Nennenswerte eigene Schöpfungen brachte der niederländische Raum bisher nicht hervor. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Theater.Von allen niederländischen Bühnen hat die in der Spielzeit 1941/42 eröffnete Städt.Bühne in Amsterdam allmählich eine für niederländische Verhältnisse beachtliche Aufwärtsentwicklung genommen, sodass diese Bühne zur Zeit etwa mit einer mittleren deutschen Provinzbühne verglichen werden kann. Alle anderen Schauspieltruppen sind nicht sonderlich in Erscheinung getreten. Die vom Ministerium bedeutend subventionierte Schauspieltruppe ‘De Voortrekkers’ wurde am 1.9.42 wegen ungenügender Leistungen wieder aufgelöst und dafür eine neue Provinzschauspieltruppe ‘Das nordholländische Theater’ mit dem Sitz in Haarlem gegründet. Die Leistungen dieser Schauspieltruppe werden als mässig angesehen. Da es sich bei dem Leiter dieser Truppe um einen NSB-er handelt, werden die Veranstaltungen von den Gegnern boykottiert. Beachtlich ist jedoch, dass der vielfach propagierte Boykott gegen alle niederlaändischen Bühnen nachteilig kaum in Erscheinung getreten ist. Zu beobachten war immer wieder, dass das sogenannte bessere Publikum den Vorstellungen fern blieb, während die mittleren Volksschichten mehr und mehr als Besucher in Erscheinung traten. Zu Demonstrationen irgendwelcher Art ist es nicht gekommen. Die Abteilung Oper der Städt.Bühne Amsterdam ist in ihrer Regie noch ungenügend besetzt. Hier hat sich das Übel fühlbar gemacht, dass durch das Fehlen einer Opernkultur die Niederlande keine Opernregisseure von Format besitzen. Auch die Leistungen der im Jahre 1942 neugegründeten Niederländischen Kammeroper, die grösstenteils im Rahmen der Niederländisch-Deutschen Kulturgemeinschaft Aufführungen gibt, können nur als mässig bezeichnet werden. Die Gründung des Deutschen Theaters in den Niederlanden wurde von den hier lebenden Reichsdeutschen und Soldaten sowie von deutschfreundlich gesinnten Niederländern freudig begrüsst. Dagegen hat diese Massnahme in gegnerischen Kreisen beträchtliches Aufsehen erregt. Diese lehnen es auf Grund ihrer politischen Einstellung schärfstens ab, das Deutsche Theater in irgendeiner Form zu unterstützen. Die bisherigen Vorstellungen wurden von den niederländischen Besuchern günstig beurteilt, von den hier beschäftigten Reichsdeutschen jedoch wesentlich kritischer aufgenommen. Einzelne niederländische Zeitungen versuchten, die Leistungen des Deutschen Theaters mit teilweise negativen Kritiken herabzumindern. Bemängelt wurde allgemein, dass das Deutsche Theater in den Provinzstädten bisher nur Schauspiele gab. Als die Kulturkammer ins Leben gerufen wurde, haben viele Di- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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lettantengruppen aus Opposition ihre Tätigkeit eingestellt. Die noch übrig gebliebenen Gruppen werden als minderwertig bezeichnet und von der Bevölkerung schlecht besucht. Die Gastspiele deutscher Bühnen sind in der Spielzeit 1942/43 gegenüber den Vorjahren wegen Transportschwierigkeiten und wegen der Errichtung des Deutschen Theaters in den Niederlanden etwas zurückgegangen. Ihre Vorstellungen wurden durchweg gut besucht und fanden in der Bevölkerung günstige Aufnahme. Die niederländischen Kleinkunstveranstaltungen werden bis auf wenige Ausnahmen selbst von niederländischen Sachverständigen als minderwertig bezeichnet. Trotzdem wurden diese Veranstaltungen gut besucht, weil es bekannt ist, dass die auftretenden Künstler gegen Deutschland hetzen. Verschiedene Künstler wurden dieserhalb zum Arbeitseinsatz nach Deutschland vermitt[elt,] gegen andere laufen gegenwärtig Verfahren. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Bildende Kunst.Im Vergleich zu der Vorkriegszeit sind die Preise für Gemälde enorm gestiegen. Nach den Angaben der Kunsthändler wird heute das Zehn- und Mehrfache sowohl für gute als auch wertlose Gemälde bezahlt. Als Käufer dieser Gemälde kommen vielfach hier beschäftigte Reichsdeutsche oder Wehrmachtsangehörige in Betracht. Aber auch niederländische Kreise beteiligen sich in weit stärkerem Masse als bisher am Kauf dieser Gemälde, um sie zumeist wieder unter der Hand an ‘deutsche Bekannte’ weiter zu veräussern. Die grosse Nachfrage hat u.a. auch eine grosse Anzahl Amateurmaler angeregt, Gemälde in Serienherstellung nach Postkartenmotiven herzustellen. Diese Gemälde wurden ebenfalls in einzelnen Fällen in grösserem Umfange nach Deutschland verkauft. Daher sah sich das Ministerium für Volksaufklärung und Künste am 18.12.42 zu der Bekanntmachung genötigt, dass die Einfuhr von Gemälden, Zeichnungen, Radierungen, lebender bildender Künstler sowie für Reproduktionen von Kunstwerken nach Deutschland von einer Einfuhrgenehmigung der Zentralauftragsstelle abhängig ist. Dabei wurde gleichzeitig darauf hingewiesen, dass nur in besonderen Fällen, und zwar wenn es sich um allgemein bekannte niederländische Künstler handelt, die Ausfuhrgenehmigung erteilt wird. Vorher hatte das niederländische Ministerium dem Handelshaus Wijers in Groningen die Auflage erteilt, den Verkauf minderwertiger Gemälde zu unterlassen. Auf den niederländischen Kunstausstellungen und in den Kunstsälen ist die Zahl der entarteten Kunstwerke erheblich zurückgegan- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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gen, sodass nur noch vereinzelt derartige Gemälde festgestellt werden konnten. Im Mittelpunkt des Interesses stand die im Rahmen des Kulturaustausches zwischen Deutschland und den Niederlanden am 28.11.42 durch den Reichskommissar Seyss-Inquart eröffnete Ausstellung ‘Kunst der Ruhrmark’. Diese Ausstellung hat allgemein günstige Aufnahme gefunden. Die Besucher setzten sich jedoch hauptsächlich nur aus niederländischen Künstlern und deutschfreundlich gesinnten Personen sowie aus Reichsdeutschen zusammen. Eine grössere Anzahl Gemälde wurde von Deutschen und Niederländern gekauft. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Presse.Die niederländische Tages- und Zeitschriftenpresse war bei dem Einmarsch der deutschen Truppen entweder völlig liberalistisch ausgerichtet oder rein konfessionell gebunden. Massgebenden Einfluss hatten auch die Juden auf allen Gebieten der Publizistik. Dieser Einfluss wurde nach 1933 noch durch die zahlreichen jüdischen Emigranten verstärkt, die sich vornehmlich schriftstellerischer oder pressepolitischer Betätigung widmeten. Gegen die niederländische Tages- und Zeitschriftenpresse wurde daher sofort nach Einmarsch der deutschen Truppen eingeschritten. Im Verlaufe des Jahres 1941 erfolgten 343 Verbote, ausserdem wurden insgesamt 170.000 Gulden Ordnungsstrafen und Geldbussen auferlegt. Trotz dieser scharfen Massnahmen versuchte ein Teil der niederländischen Tages- und Zeitschriftenpresse, sich den Neuerungsbestrebungen und einer grundlegenden Reorganisation zu entziehen. Dieser Teil der Presse versuchte fortlaufend in offener oder versteckter Form gegnerischen Einflüssen und Ansichten irgendwie Gehör zu verschaffen. Die Presse der NSB befand sich während dieser Zeit erst in der Entwicklung. Sie erfasste überdies nur einen verhältnismässig kleinen Teil der niederländischen Bevölkerung. Eine positive Entwicklung zeigten die aus der früheren marxistischen Presse hervorgegangenen Arbeiterzeitungen, die geschickt gelenkt sich mehr und mehr durchsetzten. Auch das Organ der niederländischen SS fand eine über die SS hinausgehende Resonanz im niederländischen Volke. Die grösste Breitenwirkung aber erzielte die nat.soz., politisch satyrische Zeitschrift ‘De Misthoorn’, die schon nach wenigen Monaten eine enorme Auflage erreichte. Leider kam es hier infolge der grossgermanischen Einstellung der Schriftleitung zu Differenzen mit dem NSB-Hauptquartier, aus dessen Drängen hin die Zeitschrift schliesslich bei einer sich bietenden Gelegenheit eingestellt wurde. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Zu Beginn des Berichtsjahres 1942 gaben die geplanten nationalsozialistischen Neuerungen auf allen Lebensgebieten für die gesamten konfessionellen Kreise das Signal zu einer besonders starken pressepolitischen Tätigkeit. Die katholische Kirche setzte hierfür ihren befähigtsten und bewährtesten Adviseur aus dem röm.-kath. Journalistenverband, Professor Brandsma, nach einer geschickten Vor- und Kleinarbeit und mit Hilfe verschiedener Hauptschriftleiter der röm.-kath. Zeitungen und der von ihr noch abhängigen Unternehmen ein, gestützt auf die kirchlicherseits befohlene Ablehnung der nationalsozialistischen Bewegung. Brandsma wurde in Haft genommen und der bereits eingesetzte planmässige Aufbau unterbunden. Gleichzeitig mit dieser Massnahme gegen die katholische Presse wurden auch Massnahmen gegen die wesentlich versteckter arbeitende evangelische (ned.herv.) Presse getroffen. Am 1.4.1942 musste die grosse katholische Illustrierte des SparnestraatGa naar voetnooth-Konzerns ihr Erscheinen einstellen. Bei 126.000 Abonnenten bedeutete dies einen Ausfall von über 650.000 Gulden. Insgesamt gesehen liessen sich jedoch in der ersten Hälfte der Berichtszeit wenig Erscheinungen feststellen, die auf eine grundsätzliche innere und äussere Reorganisation der niederländischen Presse schliessen liessen. Daraufhin erfolgte in der zweiten Hälfte des Jahres von deutscher Seite aus mit der Begründung einer zunehmenden Papierknappheit eine allgemeine Reorganisation des niederländischen Pressewesens. Es wurden zahlreiche Einstellungen und Zusammenlegungen von Zeitungen und Zeitschriften durchgeführt. So fielen u.a. auch sämtliche Morgenblätter fort. Gleichzeitig erfolgte am 1.7.1942 für alle Presseerzeugnisse ein Auflagestopp, der die Voraussetzungen für eine endgültige Umformung der niederländischen Presse darstellte. Zugleich liessen diese Massnahmen erstmalig eine klare Übersicht über die vorhandenen Papiervorräte und deren künftige Verteilung zu. Im Zuge dieser Reorganisationsmassnahmen wurden durch eine Anordnung im August 1942 die kirchlichen Mitteilungsblätter einheitlich genormt und im November 1942 auf rein kirchliche Veröffentlichungen beschränkt, wodurch ihnen das Recht entzogen wurde, weder Annoncen, Artikel, noch sonstige über rein kirchliche Mitteilungen hinausgehende Veröffentlichungen zu bringen. Seit diesem Zeitpunkt ist die rein kirchliche Presse zur absoluten Bedeutungslosigkeit herabgesunken. Auf dem Gebiete der illustrierten Zeitschriften wurden die Woch- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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enschrift ‘De Prins’ und einige andere bedeutende Fachblätter unter deutschen Einfluss gebracht. Zugleich wurde auf dem Sektor der Bildpresse die grosse Maternund Klischeefabrik ‘Pax-Holland’ reorganisiert und über Atlantik-Photo unter deutsche Führung gestellt, so dass, ähnlich wie im Reich, die niederländischen Tageszeitungen einheitlich und unterGa naar voetnooti gegenüber Auswahl Illustrationsmaterial erhalten. Charakteristisch für die niederländische Presse blieb aber während des ganzen Jahres die Tatsache, dass sie stets in eine ‘zwischen den Zeilen’ zu erkennende Opposition abglitt, wenn sie keinen grösseren Druck vermutete oder allzu selbständig gehalten wurde. Dies trat besonders augenfällig bei den Pressekommentaren zur ersten Geiselerschiessung am 18.8.1942 in Erscheinung. Neben diesen nach aussenhin erkennbaren Mängeln fehlte es aber besonders an der inneren Ausrichting der niederländischen Journalisten, insbesondere an der Bildung eines klaren Verantwortungsgefühls für die Aufgaben der Presse im Rahmen der Neuordnung Europas. So erwiesen sich z.B. die täglichen Pressekonferenzen der niederländischen Journalisten in Den Haag als Stätte übelster Gerüchtebildung. Im Herbst 1942 mussten gegen eine Reihe dieser Journalisten sicherheitspolizeiliche Massnahmen ergriffen werden, da sie nicht nur Greuelmärchen verbreitet hatten, sondern sich auch in fahrlässigster Weise der Preisgabe geheimzuhaltender militärischer Vorgänge schuldig gemacht hatten. Neben dieser allgemeinen Entwicklung schien es zu Beginn des Jahres, dass das Departement für Volksaufklärung und Künste unter Leitung des Generalsekretärs Professor Dr. Goedewaagen zielbewusst einen eigenen kulturpolitischen Weg gehen wollte. Anfang Januar erschien als amtliches Organ die kulturpolitische Zeitschrift ‘De Schouw’, die zwar in ihren ersten Ausgaben unvollkommen war, sich später jedoch sehr gut entwickelte. Inzwischen waren auch die Vorarbeiten zu dem mit Verordnung vom 22.11.1941 errichteten niederländischen Kulturrat soweit abgeschlossen, dass der Reichskommissar in einer umfassenden kulturpolitischen Rede Mitte Februar 1942 22 Personen in den niederländischen Kulturrat berufen konnte. In dieser Rede bezeichnete der Reichskommissar den niederländischen Kulturrat als das kulturelle Gewissen des niederländischen Volkes. In der folgenden Zeit traten zwar Gegnerkreise mit zahlreichen Hetzschriften gegen die Kulturkam- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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mer und ihre Gilden hervor, vermochten aber im grossen und ganzen den weiteren Ausbau der niederländischen Kulturorganisationen nicht zu verhindern. Für die Pressegilde wurde am 27.7., erst ein Jahr nach der Errichtung der Gilde, der Direktor für das Pressewesen im Departement, Max Blockzijl, eingesetzt. Die Ernennung des Leiters der Pressegilde zögerte sich vor allem deswegen so lange hinaus, weil es an geeigneten Persönlichkeiten mangelte und zunächst gegen Blockzijl wegen seines jüdischen Bluteinschlages Bedenken bestanden. Ausserdem widersprach es der Verordnung, dass er als Beamter des Departements zugleich Leiter der Pressegilde wurde. Am 1.8.1942 trat an die Stelle von Max Blockzijl der Redakteur vom ‘Nieuwe Rotterdamsche Courant’, Mr. J. Huijts. H. wird zwar fachlich allgemein als befähigt bezeichnet, ihm werden jedoch vorwürfe wegen seiner vor den Maitagen 1940 erschienenen Bücher über Sowjetrussland und der darin erkennbaren kommunistischen Tendenzen gemacht. Auch heute noch gilt er in zuverlässigen Journalistenkreisen in seiner Haltung als undurchsichtig. Negativ in Erscheinung getreten ist er jedoch seit 1941 nicht mehr. Die Pressegilde widmete sich seit 1942 der Erfassung und dem Zusammenschluss früherer zersplitterter Verbände und Fachgruppen. Neben der Pressegilde bemühte sich der schon 1941 durch Zusammenschluss verschiedener journalistischer Verbände geschaffene einheitliche ‘Verbond nederlandsche Journalisten’Ga naar voetnootj, eine fachliche und politische Schulung der niederländischen Journalisten durchzuführen. Insoweit zeigte sich eine gewisse Doppelgleisigkeit in der kulturellen Organisation, da der ‘Verbond nederlandsche Journalisten’ Funktionen für sich in Anspruch nahm, die eigentlich der Pressegilde zugedacht waren. Insgesamt gesehen waren jedoch auf dem Gebiete der Tages- und Zeitschriftenpresse, insbesondere ihrer Reorganisation und Neuausrichtung, abgesehen von immer wieder auftauchenden Rückschlägen im Berichtsjahr, sichtbare Erfolge zu verzeichnen. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Schrifttum.Die Niederlande hatten sich auf dem Gebiete des Schrifttums in den letzten 20 Jahren ausgesprochen nach Westen orientiert. Die englische und amerikanische Literatur hatte hauptsächlich in Form von Übersetzungen Eingang in den niederländischen Büchermarkt gefun- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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den. Vor allem aber zeigten sich auch die Niederlande nach 1933 ausserordentlich zugänglich für deutsche Emigrantenliteratur. Deutschfeindlichen Autoren war im besonderen auch durch die Verlage Allert de Lange und Querido in Amsterdam Tür und Tor geöffnet worden. Auch hier wurde sofort nach der Besetzung und während des ganzen Jahres 1941 mit der Bereinigung des Büchermarktes von deutschfeindlichem und jüdischem Schrifttum begonnen. Ende 1941 war nach aussen hin das deutschfeindliche und zum grössten Teil auch das jüdische Schrifttum verschwunden, jedoch waren diese Bücher, wie Stichproben ergaben, im Handel nach wie vor gangbar und käuflich. Da die zuständigen niederländischen Dienststellen ausserstande oder auch nicht willens waren, die von der Sicherheitspolizei ausgesprochenen zahlreichen Verbote restlos durchzuführen und von sich aus fortzusetzen, mussten auch im Berichtsjahr wieder im erheblichen Umfange Verbreitungsverbote erfolgen und in einzelnen Aktionen deutschfeindliches Schrifttum beschlagnahmt werden. Durch die Fortführung der systematischen Ausmerzung alles schädlichen und unerwünschten Schrifttums während der Berichtszeit konnte auch auf diesem Gebiet ein wesentlicher Beitrag zu einer zwar langsamen, aber sicheren Gesundung des niederländischen Volkskörpers geleistet werden.
dem allgemeinen Handel und damit der weiteren Verbreitung entzogen. Um welche Mengen schädlichen und zersetzenden Schrifttums es sich hierbei gehandelt hat, geht daraus hervor, dass insgesamt 1818 Veröffentlichungen erfasst wurden, die noch in ca. 1/4 Mill. Exemplaren in Umlauf waren. Besondere Schwierigkeiten bereitete die Sperrung des Schrifttums englischer, amerikanischer und sonstiger Feindautoren, da hier ein generelles Verbreitungsverbot, insbesondere für die sogenannten klassischen Autoren, nicht in Frage kam. Die Lage auf diesem Gebiet wurde inzwischen durch eingehende Anweisungen an die niederländischen Polizeistellen und den niederländischen Buchhändlerfach- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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verband, auf die hier im einzelnen nicht eingegangen werden kann, geklärt. Eine Erscheinung besonderer Art auf diesem Gebiet infolge der getroffenen Massnahmen dürfte es sein, dass ein grösserer Teil der Leih- und Lesebibliotheken, die meist von den breiteren Volksschichten benützt wurden, zur Auflösung gezwungen sein wird, da es infolge der Zwangslage auf dem Papiermarkt nicht möglich sein wird, Ersatz für dieses Schrifttum zu beschaffen. Die im regelmässigen Turnus stattfindenden Buchversteigerungen, die von jeher im grossen Ansehen standen, zogen schon im Verlaufe des Jahres 1941 das Interesse nicht nur vieler ausländischer Bibliotheken und Wissenschaftler, sondern auch niederländischer Privatpersonen auf sich. Träger dieser Versteigerungen sind teils Grossantiquariate, teils Versteigerer. Im Laufe des Berichtsjahres 1942 zeigte es sich, dass diese Buchversteigerungen im erheblichen Umfange zum Sammelbecken schädlicher und unerwünschter Literatur wurden, so dass durch eine im Juli erlassene Verordnung über die Durchführung von Buch-, Schriften- und Zeitschriftenversteigerungen eingegriffen werden musste. Durch diese Verordnung wurde die Vorlage von Versteigerungskatalogen angeordnet und die Versteigerung selbst genehmigungspflichtig gemacht. Ausserdem erfolgte im Verlaufe des Jahres 1942 die restlose Auflösung bezw. Überführung der jüdischen Antiquariate, Buchhandlungen und sonstigen Unternehmen in arischen Besitz. Dieses Material ist von der Wirtschaftsprüfstelle des Generalkommissars für Finanz und Wirtschaft dem Einsatzstab Rosenberg, Einsatzgruppe Niederlande, zur Sichtung zur Verfügung gestellt worden. Zur Verbreitung nationalsozialistischer Literatur, sowohl niederländischer als auch deutscher Autoren, wurde u.a. der ‘Westland-Verlag’ gegründet, der aus einer Reihe anderer zuverlässiger Unternehmen herangezogen wurde. Wesentliche Neuerscheinungen positiver niederländischer Autoren wurden ins Deutsche übersetzt oder deutsche Autoren dem niederländischen Volke zugänglich gemacht. Die von den deutschen Propagandastellen veranstalteten Buchausstellungen, die im allgemeinen von der Bevölkerung ausserordentlich gut aufgenommen wurden, trugen wesentlich dazu bei, das deutsche Schrifttum wieder in der niederländischen Bevölkerung bekanntzumachen. Die Nachfrage nach guten deutschen Büchern ist in den Niederlanden ganz erheblich gestiegen, doch darf dabei nicht übersehen werden, dass sich ein Grossteil der Käufer aus Reichsdeutschen zusammensetzt. So gelangte zweifellos nur ein Bruchteil des aus besonderen kulturpolitischen Gründen nach den Niederlan- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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den versandten deutschen Schrifttums in die niederländische Bevölkerung. Im übrigen machte sich auch in den besetzten niederländischen Gebieten gegen Ende des Jahres eine beginnende Verknappung bemerkbar. Schon heute verkauft ein grosser Teil der niederländischen Buchhandlungen Restauflagen von Büchern, die teilweise schon vor 10 Jahren erschienen sind und lange Zeit als unverkäufliche Ladenhüter galten. Infolge der allgemeinen Papierverknappung und der dadurch bedingten Drosselung von Neuerscheinungen wird wohl im Verlaufe des Jahres 1943 eine weitere Verschlechterung eintreten. Die ersten Vorbereitungen für eine der Reichsschrifttumskammer ähnlichen Organisation wurden bereits 1941 durch die Errichtung einer ‘Letteren-Gilde’ geschaffen. Die Entwicklung ging jedoch beim Ausbau dieser Einrichtung ausserordentlich langsam voran. Ursache hierfür war die passive Resistenz der bis dahin dominierenden Buchhändlervereinigung: ‘Vereeniging ter Bevordering van de Belangen des Boekhandels’. Die Einrichtung der ‘Letteren-Gilde’ [...]Ga naar voetnootj alle anderen Neuerungen auf dem Gebiete des kulturellen Lebens, von seiten der Gegnerkreise durch Flugblätter angegriffen. Diese Erscheinung wirkte sich jedoch weit weniger hemmend aus als die mangelnde Beteiligung und das geringe Interesse aller Schriftstellerkreise. Die inzwischen erfolgte Ernennung Professors Jan de Vries zum Leiter der ‘Letteren-Gilde’ lässt jedoch erhoffen, dass auch auf diesem Gebiet eine zielbewusstere und aktivere Arbeit geleistet wird. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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C. Recht und VerwaltungDa die höheren Verwaltungsstellen, mit Ausnahme des Generalsekretärs im niederländischen Innenministerium und des Generalsekretärs im Ministerium für Handel, Gewerbe und Schiffahrt (Halbjude)Ga naar voetnoot21, im allgemeinen mit politisch zuverlässigen Beamten besetzt sind, verlief die Zusammenarbeit mit den Behörden der deutschen Besatzungsmacht im Berichtsjahr verhältnismässig reibungslos. Wegen Mangel an weltanschaulich zuverlässigen und fachlich genügend gebildetem Ersatz sind jedoch in allen Zweigen der niederländischen Verwaltung die gegnerisch eingestellten und deutschfeindlichen mittleren und unteren Beamten überwiegend geblieben. Dies hatte zur Folge, dass die auf Veranlassung der Besatzungsmacht neu eingesetzten Beamten mit grossen Schwierigkeiten und Anfeindungen zu kämpfen hatten, dies umso mehr, da sehr viele von ihnen die zur Bekleidung ihrer Stelle notwendige fachliche Bildung nicht haben und auf zwar tüchtige, aber politisch unzuverlässige Untergebene angewiesen waren. Dies trifft auf alle niederländischen Verwaltungszweige zu. Dieser Zustand konnte zwar durch laufende Einstellungen zuverlässigen Personals verbessert, aber unter den gegebenen Umständen nicht radikal geändert werden. Kennzeichnend für die gegnerische Einstellung der niederländischen Beamtenschaft war die Tatsache, dass gelegentlich der Geiselaktionen zur Abwehr von Sabotageakten 18 Richter, 46 Bürgermeister, 30 leitende Polizeibeamten und 71 Beamten der inneren Verwaltung und Sonderverwaltung als politisch besonders unzuverlässig festgenommen wurden. Andererseits konnte mit manchen neu eingestellten Beamten die Erfahrung gemacht werden, dass an sich gegnerisch eingestellte und weltanschaulich anderweitig gebundene Niederländer die NSB lediglich als Sprungbrett zu einer guten Stelle benutzt hatten, um nach der Erreichung ihres Zieles ihre wahre Einstellung zu zeigen.
1. Gemeindeverwaltung. Alle Bürgermeister militärisch wichtiger Gemeinden wurden einer eingehenden politischen Überprüfung un- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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terzogen. Im Zuge dieser Aktion wurden vom Generalkommissar für Verwaltung und Justiz 18 gegnerische Bürgermeister entlassen und 2 in das Innere des Landes versetzt. Ebenso wurde der deutschfeindliche eingestellte Bürgermeister von Groningen aus seinem Amt entlassen. Ausserdem mussten mehrere Bürgermeister wegen nachgewiesener deutschfeindlicher Handlungen und Äusserungen ihrer Ämter enthoben werden, oder weil sie sich unter Vorschützung von Gewissenskonflikten geweigert hatten, bei Aktionen gegen Juden und gegen Niederländer, die für das Reich dienstverpflichtet waren, aber den Arbeitsantritt ablehnten, mitzuwirken. Sofortige sicherheitspolizeiliche Massnahmen gegen die Bürgermeister (Festnahmen als Geiseln oder Verhängung von Schutzhaft) verhinderten ein weiteres Umsichgreifen dieser Fälle. Durch Zusammenlegung der Verwaltung verschiedener Gemeinden und durch Eingemeindungen versuchte man dem Mangel an geeignetem Ersatz zu begegnen. Der Einsatz vieler Bürgermeister für die niederländische Winterhilfe war vollkommen ungenügend, so dass in dieser Beziehung teilweise nur sehr dürftige Sammelergebnisse erzielt wurden.
2. Polizei. Die Lage in der Polizei auf politisch-weltanschaulichem Gebiet entspricht der in der Gemeindeverwaltung. Während manche neu eingesetzten Polizeiführer sich gegenüber ihren meist gegnerisch eingestellten Untergebenen durchsetzen konnten, haben andere die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt, sind fachlich von ihren Untergebenen abhängig und konnten diese weltanschaulich nicht beeinflussen. Einige Polizeibeamten, die sich weigerten an Aktionen gegen Juden und Arbeitsverweigerer mitzuwirken, mussten entlassen und exemplarisch bestraft werden. Diese Fälle haben jedoch keine gefährlichen Ausmasse angenommen. Bei den meisten Marechaussee-Einheiten konnte eine durchwegs deutschfeindliche Einstellung festgestellt werden. Gute Fortschritte machte auf rein technischem Gebiet die Reorganisation der gesamten niederländischen Polizei, mit der eine möglichst weitgehende Anpassung an die Reichsverhältnisse erreicht werden soll. Mit der VO des Reichskommissars Nr. 57/42 vom 21.5.1942 wurde eine freiwillige Hilfspolizei errichtet. Mit der VO 129/42 vom 28.11.1942 über den polizeilichen Vollzugsdienst in den Gemeinden wurden folgende Neuerungen geschaffen: Die bisher in kleineren Gemeinden üblichen Feldwächter werden nicht mehr bestellt. Grössere Gemeinden (über 5000 Einwohner) haben eine eigene Gemeindepolizei, in den kleineren Gemeinden versieht den Polizeidienst die Gendarmerie (Marechaussee). Der Bürgermeis- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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ter verbleibt als Ortspolizeibeauftragter und die in den kleineren Gemeinden abgestellte Marechaussee untersteht seinen Weisungen. Sehr wichtig ist die VO 147/42 vom 14.12.1942 (Polizeiorganisationsverordnung), mit der die polizeiliche Gewalt einer einheitlichen Führung unterstellt und zentralisiert wird, während sich bisher das Justizministerium und das Innenministerium in den polizeilichen Aufgaben teilten. Obschon die Verordnung das Ministerium, das in Zukunft für Polizeiangelegenheiten ausschliesslich zuständig sein wird, noch nicht nennt, wird der organisatorische Aufbau der niederländischen Polizei klar umrissen. Die Verordnung unterscheidet untere Behörden, genannt Polizeiverwalter, mittlere Behörden, genannt Landespolizeipräsidenten, und als oberste Behörde den zuständigen Generalsekretär. Es besteht die Absicht, zusätzlich die Stelle eines Generaldirektors der Polizei als Zentralbehörde zu schaffen und den Generalsekretär im niederländischen Justizministerium mit der Wahrnehmung der Polizeiangelegenheiten zu betrauen. Die Städte Amsterdam, Rotterdam, Den Haag, Utrecht, Haarlem, Groningen, Eindhoven und Arnheim sollen Polizeipräsidenten erhalten. Die staatlichen Polizeiverwalter von Amsterdam, Rotterdam, Groningen, Eindhoven und Arnheim werden gleichzeitig die Aufgaben des Landespolizeipräsidenten wahrnehmen. Für die Kriminalpolizei ist die Errichtung einer Kriminalpolizeizentrale vorgesehen. In Rotterdam, Amsterdam, Arnheim und Groningen werden Kriminalpolizeistellen errichtet, in Den Haag, Utrecht und Haarlem Kriminalabteilungen. Da einige Polizeipräsidenten weder fachlich noch weltanschaulich hinreichend gefestigt sind, dürfte die Durchführung der neuen Verordnung verschiedene personelle Umbesetzungen erforderlich machen.
3. Luftschutz. Durch die VO 13/42 vom 12.1.1942 wurde der niederländische Luftschutz von Grund auf reorganisiert. Der Generalsekretär im niederländischen Justizministerium ist nunmehr für alle Luftschutzangelegenheiten zuständig. Als Zentralstelle wurde ein Hauptinspektor des niederländischen Luftschutzes, als mittlere Stellen die Bezirksinspektoren und als untere Stellen örtliche Luftschutzleiter bestellt. Technische Zentralstelle ist das Luftschutzmaterialprüfungsamt. Der örtliche Luftschutzleiter ist für das technische Funktionieren seiner Organisation im Einsatzfalle voll verantwortlich. Der Grundstock des Personals ist dauerdienstverpflichtet und fest besoldet. Die festgestellten Luftschutzdienstpflichtigen der Gemeinde können ohne Entgelt zur Dienstleistung herangezogen werden. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Eine im Verlaufe des Sommers 1942 durchgeführte Überprüfung der Angehörigen des Luftschutzes ergab, dass sie zum grössten Teil geg[n]e[ri]sch eingestellt sind. Die meisten örtlichen Luftschutzleiter gehörten früher entweder der Antirevolutionären Staatspartei oder der Unie an. Dies trifft auch auf das untergeordnete Personal zu, so dass im Einsatzfalle mit Schwierigkeiten zu rechnen ist. Um funktionelle Störungen zu vermeiden, musste vom Generalkommissar für das Sicherheitswesen ein allgemeines Verbot jeglicher politischen Propaganda (auch der NSB-Propaganda) innerhalb des niederländischen Luftschutzes ausgesprochen werden. Ähnlich ist die Lage in den Organisationen der Technischen NothilfeGa naar voetnoot22 und der Brandwehr. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Deutsche GerichtsbarkeitGa naar voetnoot23.Die VO 52/42 über die Errichtung einer deutschen Gerichtsbarkeit in den Niederlanden hat mit der VO 56/42 vom 21.5.1942 durch die Einführung des Opportunitätsgrundsatzes in der Klageerhebung (die Staatsanwaltschaft verfolgt Taten, deren Ahndung sie im öffentlichen Interesse für geboten hält) eine vom Reichsrecht abweichende Regelung erfahren. Während im Reich durch die Verordnung zur Vereinfachung der Strafrechtspflege vom 17.8.1942 das Opportunitätsprinzip nur auf die sogen. Antragsdelikte Anwendung findet, im übrigen aber das Legalitätsprinzip seine Gültigkeit behalten hat, wurde in den Niederlanden unter Berücksichtigung der besonderen politischen Lage für die deutsche Rechtsprechung die Klageerhebung vom Bestehen eines öffentlichen Interesses abhängig gemacht. Die von den ordentlichen deutschen Gerichten bearbeiteten Straffälle haben sich von ungefähr 9000 im Jahre 1941 auf etwa 8500 im Jahre 1942 verringert. Es handelte sich fast ausschliesslich um niederländische Staatsangehörige. Im grossen gesehen hat die Rechtsprechung der deutschen Gerichte, abgesehen von einigen Ausnahmen, keine Gründe zu Beanstandungen gegeben. Sie war streng, objektiv und zumeist den besonderen politischen Verhältnissen und den Kriegserfordernissen angepasst. Die noch immer im liberalistischen Rechtsdenken verwur- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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zelten Niederländer empfanden die verhängten Strafen überwiegend als sa[...]Ga naar voetnootk. Ein Verfahren gegen eine Bande von 23 niederländischen Staatsangehörigen, die sich durch Einbruch in eine Kartenstelle in den Besitz grösserer Mengen von Lebensmittelmarken gesetzt und diese handelsmässig vertrieben hatte, wurde vor dem deutschen Obergericht mit der Verhängung von 6 Todesurteilen und einer grösseren Anzahl höherer Zuchthausstrafen abgeschlossen. Das Urteil hat wegen seiner Strenge allgemeines Aufsehen erregt. Obschon durch diese Volksschädlinge gerade die niederländische Volkswirtschaft gefährdet wurde, fand das Urteil wenig Verständnis. In einem zweiten Verfahren, in dem ein ähnlicher Tatbestand vorlag, wurden drei niederländische Staatsangehörige (davon 2 Juden) zum Tode und 7 Angeklagte zum Teil zu höheren Zuchthausstrafen verurteilt. Vor den deutschen Kriegsgerichten liefen im Jahre 1942 wiederholt Verfahren gegen Niederländer wegen Feindbegünstigung, verbotenen Waffen- und Sprengstoffbesitzes, Flucht in das feindliche Ausland und Sabotageakten. In einem gegen 79 Niederländer durchgeführten Verfahren (Teile der Führerschicht eines Geheimbundes der Nationalen Widerstandsbewegung) wurden von einem deutschen Kriegsgericht 72 Todesurteile gefällt und zur Vollstreckung gebracht. 7 der Angeklagten wurden zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt. Diese hohe Anzahl von Todesurteilen wurde von der Bevölkerung mit Bestürzung aufgenommen und hatte eine geraume Zeit eine abschreckende Wirkung zur Folge. Am 12. und 13. November hat das deutsche Kriegsgericht in Arnheim von 17 wegen Sabotage (zumeist Brandstiftung und versuchte Eisenbahnattentate) angeklagten Niederländern 15 zum Tode verurteilt. Die Öffentlichkeit wurde in diesem Falle zum ersten Male durch die Presse ausführlich über die begangenen Straftaten unterrichtet. Da durch die Brandstiftungen niederländisches Volksvermögen zerstört und ausschliesslich Niederländer geschädigt worden waren, fand das Urteil bei der Bevölkerung mehr Verständnis. Auf dem zivilrechtlichen Sektor ist die Verordnung des Reichskommissars Nr. 70/42 vom 6.4.1942 über die Anerkennung und Vollstreckung deutscher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen von Bedeutung, nach der alle von deutschen Gerichten gefällten Urteile und Entscheidungen, mit Ausnahme solcher im Arrest-, Konkurs-, Vergleichs- und Ausgleichsverfahren, in den Niederlanden Rechtskraft erhalten. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Ordnungsschutz.Als wichtigste Verordnung und Massnahme zum Schutze der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sind zu erwähnen: 1. Die VO des Reichskommissars Nr. 55/42 vom 21.5.1942 über Massnahmen zum Schutz der öffentlichen Ordnung und der Sicherheit des öffentlichen Lebens, mit der die Gründung geheimer Verbindungen und die Teilnahme an solchen, der Anreiz zur Widersetzlichkeit gegen bestehende Rechtsvorschriften oder Massnahmen der Besatzungsmacht oder der Anreiz zur Unterlassung der freiwilligen Mitwirkung an Massnahmen der Besatzungsmacht oder die Anspornung zur Begehung von Gewalttaten gegen Personen und Sachen unter schwere Strafen gestellt werden. Die VO wurde in die neugefasste Ordnungsschutzverordnung Nr. 1/43 vom 5.1.1943 vollinhaltlich aufgenommen. 2. Eine Reihe von Verordnungen des Generalkommissars für das Sicherheitswesen gegen die Juden im öffentlichen Leben (VO vom 29.4.1942. Einführung des Judensternes, VO vom 22.6.1942, mit der die Fahrräder in jüdischem Besitz eingezogen werden, VO vom 30.6.1942, mit der den Juden weitgehende Beschränkungen in der Öffentlichkeit auferlegt werden) u.a., mit denen, trotz des offenen oder versteckten Widerstandes der Niederländer die Stellung der Juden in den Niederlanden jener der Juden im Reiche weitgehend angeglichen wurde. 3. Der Erlass des Generalkommissars für das Sicherheitswesen vom 20.4.1942, mit dem Wandermärsche und Fahren in geschlossenen Gruppen oder in einheitlicher Kleidung zur Vermeidung deutschfeindlicher Demonstrationen verboten und unter Strafe gestellt werden. 4. Die VO des Reichskommissars Nr. 75/42 vom 13.7.1942, mit der die Nichterfüllung oder die ungenügende Erfüllung eines Bewachungsauftrages unter schwere Strafen (bis zur Todesstrafe) gestellt wird. Den Mitwissern eines Verbrechens oder eines geplanten Verbrechens gegen die Besatzungsmacht, die die Anzeige unterliessen, wird die gleiche Strafe angedroht, wie dem Täter für den Fall der Vollendung, mit der Massgabe, dass von der Strafe abgesehen werden kann, falls das Verbrechen nicht versucht wurde. In der gleichen Weise werden jene unter Strafe gestellt, die den Namen von Personen, von denen sie wussten, dass sie Verbrechen gegen die Besatzungsmacht planten oder an solchen mitwirkten, nicht zur Anzeige brachten, oder solche Personen verbargen, bei sich aufnahmen oder unterstützten. Von besonderer Wichtigkeit ist die Verfügung, dass die Angehörigen der niederländischen Polizei, die sich der er- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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wähnten Verbrechen schuldig machten, unter die Sondergerichtsbarkeit für Angehörige der SS- und Polizeiverbände bei besonderem Einsatz fallen, soweit nicht aufgrund der VO 12/40 die Wehrmachtsgerichtsbarkeit bestimmt wird. Auch diese VO wurde, mit Ausnahme des § 5, der aber seine Gültigkeit behält, in die neue Ordnungsschutzverordnung vollinhaltlich aufgenommenGa naar voetnoot24. 5. Auf dem Gebiet der öffentlichen Geld- und Sachspendensammlung, die mit Ausnahme jener des niederländischen Volksdienstes, der niederländischen Winterhilfe und der Kirchen in kircheneigenen Räumen genehmigungspflichtig sind, wurde in Einverständnis mit dem Amt für Volkswohlfahrt zusätzlich folgende Regelung getroffen: Die Anträge auf Genehmigung müssen an die zuständigen Generalstaatsanwälte gerichtet und vom Generalsekretär im niederländischen Justizministerium nach erfolgter Bearbeitung monatlich dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei zur Kenntnis vorgelegt werden. Die Genehmigungen wurden auf ein Minimum eingeschränkt, um die Sammlungstätigkeit des NVD Oder der WHNGa naar voetnoot25 nicht zu gefährden. Bis Ende März 1943 wurden sie vollkommen unterbunden. 6. Von grundlegender Bedeutung ist die VO des Reichskommissars Nr. 1/43 vom 5.1.1943, genannt Ordnungsschutzverordnung, mit der alle bisher auf diesem Gebiet erschienenen Verordnungen übersichtlich zusammengefasst und die Strafen für manche Verbrechen aufgrund der im vergangenen Jahre gemachten Erfahrungen - dies gilt besonders für die in den Niederlanden ungemein wirksamen Geldstrafen - wesentlich erhöht werdenGa naar voetnoot26. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Die niederländische Gerichtsbarkeit.a) Die Friedensrichter: Seit der Errichtung der Friedensgerichte haben die offenen Konflikte zwischen NSB-Angehörigen und weltanschaulichen Gegnern nachgelassen. Die niederländische Bevölkerung sieht im Friedensrichteramt eine Waffe der NSB, da die Friedensrichter zumeist Mitglieder der NSB sind, und spricht den Richtern | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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trotz ihrer nach nationalsozialistischem Rechtsempfinden viel zu milden Rechtsprechung jede Fähigkeit ab, politische Streitigkeiten und Vergehen sachlich richtig und unparteiisch zu entscheiden. In einem aufsehenerregenden Verfahren gegen die Mörder des Obersten Mussert, eines Bruders des Leiders der NSBGa naar voetnoot27, verurteilte der Friedensgerichtshof von Den Maag die zwei Beschuldigten (Oberleutnant Kruithof und Hauptman Bom) zu 20 und 10 Jahren Gefängnis. Das Urteil wurde von der NSB mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, von der übrigen niederländischen Bevölkerung als ungerecht abgelehnt, da die Tat unter dem Zwang der besonderen Umstände in den Maitagen 1940 erfolgte.
b) Die Wirtschaftsrichter: Die Wirtschaftsstrafsachen nehmen heute in der niederländischen Strafrechtsprechung einen zunehmend grösser werdenden Raum ein. Die Zahl der abgeurteilten Wirtschaftsdelikte hat derartige Ausmasse angenommen, dass die niederländische Justizverwaltung mit grossen Unterbringungsschwierigkeiten der Verurteilten zur Haftverbüssung zu kämpfen hatte. Dazu trug allerdings auch die laufende Zunahme der Kriminalität im allgemeinen bei. Es kam vor, dass Niederländer wiederholt sich gegen die Wirtschaftsgesetze vergingen und abgeurteilt werden mussten, ohne dass die Möglichkeit bestanden hätte, sie die Haft für die erste Straftat verbüssen zu lassen, da der hierzu notwendige Gefängnisraum nicht vorhanden war. Um diesen Misständen abhelfen zu können, wurde auf niederländische Initiative ein Arbeitslager für Wirtschaftsverbrecher errichtet. Obschon die Wirtschaftsrichterstellen entweder mit Nationalsozialisten oder zumindest mit strengen oder fachlich guten Richtern, also mit ausgesuchten Kräften besetzt wurden, war die Rechtsprechung nach deutschem Rechtsempfinden noch viel zu milde. Eine wesentliche Verstärkung der Stellung des Wirtschaftsrichters brachte die Verordnung des Generalsekretärs im niederländischen Justizministerium Nr. 92/42 vom 13.8.1942, mit der eine Sonderkammer beim Oberlandesgericht als Wirtschaftsgerichtshof geschaffen wurdeGa naar voetnoot28. Revisionsinstanz ist eine Sonderkammer des Obersten Gerichtshofes in Den Haag. Wegen des akuten Mangels an weltanschaulich zuverlässigen und gleichzeitig fachlich tüchtigen | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Juristen bereitete die personelle Besetzung der neuen Gerichtshöfe grosse Schwierigkeiten, die noch durch den Umstand vergrössert wurden, dass einige Richter und Staatsanwälte, die der NSB angehören, die ihnen angebotenen Stellen ablehnten und damit eine sehr geringe Verantwortungsfreudigkeit an den Tag legten.
c) Die ordentlichen Strafrichter: Die Rechtsprechung der niederländischen Strafrichter ist den besonderen Umständen der Zeit nicht angepasst und gleichfalls viel zu milde. Dies aus folgenden Gründen: 1. Die Mehrzahl der amtierenden Richter und Staatsanwälte ist bei ihrer alten liberalistischen Rechtsauffassung geblieben, die das einzelne Individuum in den Vordergrund stellt und den Begriff ‘Volksgemeinschaft’ und ‘Volksrecht’ nicht kennt oder nicht kennen will. 2. Entgegen der deutschen Auffassung, wonach Straftaten im Kriege härter zu bestrafen sind, betrachten die niederländischen Staatsanwälte und Richter den Kriegszustand zumeist als mildernd. Ausserdem sind die deutschfeindlichen Richter und Staatsanwälte bestrebt, ihre Gegnerschaft zur neuen Ordnung durch eine unverständlich milde Rechtsprechung zum Ausdruck zu bringen. 3. Das niederländische Recht kennt wohl Höchststrafen, aber keine Mindeststrafen. Oft entspricht nicht einmal die für eine Straftat zulässige Höchststrafe der Mindeststrafe, die nach deutschem Rechtsempfinden und den Kriegsumständen angemessen am Platze wäre. 4. Von der Berufungsmöglichkeit wird sehr häufig Gebrauch gemacht, so dass bei Anwendung eines gerechten Strafmasses in erster Instanz (meist durch nationalsozialistische Richter) in zweiter Instanz das Strafmass verringert wird. Die wenigen Richter, die in ihren Urteilen den besonderen Zeitumständen Rechnung tragen, werden durch alle möglichen Momente gehemmt und in ihrem Ruf als Richter bewusst in Kollegenkreisen herabgesetzt. Diesen Misständen könnte - wie aus nationalsozialistischen Richterkreisen verlautet - lediglich durch eine Rechtsreform grundsätzlicher Art begegnet werden. Zusammenfassend können in der niederländischen Rechtsprechung im allgemeinen zwei Mängel festgestellt werden: 1. die Mängel subjektiver Natur, die in der liberalistischen und deutschfeindlichen Einstellung des überwiegenden Teiles der niederländischen Staatsanwälte und Richter begründet sind; 2. der Mangel eines den Zeitumständen angepassten und nach dem Begriff der Volksgemeinschaft ausgerichteten Strafrechts, das für die niederländischen Richter erforderlich wäre, um gutes Recht sprechen zu können. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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D. WirtschaftErnährungswirtschaft:Die agrarpolitische Entwicklung im Jahre 1942 stand in engster Verbindung mit dem Auf- und Ausbau der Organisation des Niederländischen Landstandes. Dit mit der Einsetzung des Landstandes als öffentlich-rechtliche Körperschaft im Herbst des Jahres 1941 sich verschärfenden Angriffe seitens der konfessionellen Gegner, besonders des katholischen Klerus, setzten sich auch in der ersten Hälfte des Jahres 1942 in der gleichen Weise fort. Die kath. Kirche versuchte durch weitgehenden Einsatz aller ihr zur Verfügung stehenden Mittel, wie Hirtenbriefe, Hausbesuche durch Geistliche, Einschaltung von der Kirche hörigen Beamten der Agrarverwaltung, Drohung des Sakramentsentzuges u.ä. die zu einer Mitarbeit bereiten Bauern von einer Tätigkeit im Landstand abzuhalten. Als wesentlichstes Argument wurde dabei stets wieder in den Vordergrund gestellt, dass die führenden Männer des Landstandes der NSB angehörten und damit die Bauernbewegung selbst eine parteipolitisch gebundene Einrichtung sei. Dadurch gelang es zunächst auch, die Bemühungen der Landstandsführung trotz der Bereitwilligkeit weiter bäuerlicher Kreise bis zu einem gewissen Grade lahmzulegen. Zur Neutralisierung dieser Angriffe ging die Landstandsführung insofern zu einer Änderung ihrer Politik über, als sie, besonders in den katholischen südlichen Provinzen des Landes, positiv eingestellte Persönlichkeiten, die aber keine NSB-Mitglieder waren, bewusst zur Mitarbeit heranzog. Ausserdem wurde scharf betont, dass der Landstand kein Bestandteil der politischen Partei im eigentlichen Sinne sei. Dadurch gelang es, die scharfe gegnerische Einstellung klerikaler Kreise abzuschwächen und in eine Richtung zu lenken, die zwar keine Anerkennung, aber doch eine gewisse Duldung bedeutete. Bemerkenswert in dieser Hinsicht war zum Ablauf des Jahres die Erscheinung, dass von katholischen Geistlichen der Versuch unternommen wurde, einzeln oder corporativ, als Imker-Verein beispielsweise, die Mitgliederschaft des Landstandes zu erwerben. Während von Landstandskreisen dieser Vorgang dem geschickten Verhalten des zuständigen Provinzbauernführers zugeschrieben und | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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als Erfolg gewertet wird, wurde gleichzeitig aber von anderer Seite, die dem NS.-Bauerngedanken an sich positiv gegenübersteht, auf die Gefahr hingewiesen, dass die kath. Kirche auf diese, ihr nicht fremde Art, versuche, Einfluss auf die Bewegung zu gewinnen. Während also die Gegenarbeit von konfessioneller Seite zum Jahresschluss zurücktrat, blieb der scharfe Gegensatz zwischen dem Landstand und den niederl. Agrarverwaltungsbehörden uneingeschränkt bestehen. Als Ursache dafür war und ist auch jetzt noch nach zahlreichen Meinungsäusserungen gut orientierter, keineswegs einseitig ausgerichteter Persönlichkeiten, die Durchsetzung des Beamtenkörpers mit zahlreichen liberal-demokratischen, royalistischen und auch konfessionell gebundenen Elementen anzusehen. Besonders wirke sich dieser Zustand in den mittleren Durchführungsbehörden aus, die ihrerseits wiederum eine Rückenstütze für ihre Haltung in der Person des jüdisch versippten Generalsekretärs für Landwirtschaft und Fischerei fänden. Neben der Herausstellung dieser Sachlage und der Behauptung, dass eine nationalsozialistische Bauernbewegung sich niemals einem ‘Halbjuden’ unterstellen könne, erhob der Landstand sofort nach seiner Gründung die Forderung nach einer stärkeren Beteiligung an den Aufgaben der Ernährungssicherung, entsprechend seines ursprünglich erhobenen Anspruches als ‘Nährstand’ des niederländischen Volkes. Obgleich, den Behauptungen der Landstandsführung nach, der Personalstand der Organisation sich bis zum Jahresende erheblich, besonders in fachlicher Hinsicht gebessert habe, war eine nennenswerte Einschaltung in die Ernährungsaufgaben marktpolitischer Art nicht festzustellen, da zudem dem Landstand eine Beteiligung daran mit der Begründung versagt wurde, die politische Basis der BewegungGa naar voetnoot29 sei zu schmal und ausserdem bestehe die Gefahr, dass der gesamte Versorgungsapparat, der zwar verhältnismässig reibungslos arbeite, bei einer stärkeren Einschaltung der NS.-Bewegung aber - wegen der vielfach ablehnenden Haltung seiner Mitglieder - ins Stocken gerate. Unter Heranziehung dieser Widerstände unternahm daher Mitte des Jahres der Landstand einen vorsichtig eingeleiteten Vorstoss, das Amt des Generalsekretärs für Landwirtschaft und Fischerei mit der Stellung des niederländischen Bauernführers zu vereinigen. Dieser Plan, in den die Person des Bauernführers aktiv eingeschaltet | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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wurde, stiess jedoch sofort auf heftigen Widerstand der direkt beteiligten Behörden und ebenso eingeweihter Kreise, die, mit den internen Landstandsverhältnissen vertraut, in der Person des BauernführersGa naar voetnoot30 keineswegs die geeignete Persönlichkeit erblickten, eine derartige Aufgabe zu übernehmen. Besonders wurde dabei der Mangel an fachlichen Qualitäten bei dem niederl. Bauernführer in den Vordergrund geschoben mit der Feststellung, dass zur Durchsetzung der NS.-Bauernidee nicht nur eine ideenmässige, zum Teil sogar den Boden des Realen verlassende, sondern auch führungsmässige Basis vorhanden sein müsse, die die Bauern zu einer innerlichen Anerkenntnis des Gedankengutes zwinge. Wie die Feststellungen allgemein ergaben, verstärkte sich diese Auffassung gegen Jahresende selbst in dem Landstand nahestehenden Kreisen, sodass neben einem deutlich erkennbaren Mangel hinsichtlich der Durchführung der äusseren planmässigen Organisation eine stärkere Passivität seitens einer Anzahl in der Landstandsführung tätiger Persönlichkeiten in Erscheinung trat. Durch die von vielen Seiten als nicht unberechtigt bezeichnete Begründung, dass eine Ernennung des Bauernführers zum Generalsekretär für die Landwirtschaft zu schwerwiegende Folgen in der gesamten Ernährungswirtschaft führen würde, wurde der Plan von den beteiligten Kreisen zwar zurückgestellt, anscheinend aber nicht aufgegeben. Neben diesen allgemein-politischen Misshelligkeiten ergaben sich in Oktober des Jahres ausserdem beträchtlich finanzielle Schwierigkeiten für den Landstand, da die ihm aus beschlagnahmten Guthaben der aufgelösten konfessionellen Bauernbünde zugewiesenen Beträge restlos verbraucht waren und damit die Zahlungsunfähigkeit des Landstandes feststand. Da eine Beitragsfestsetzung noch nicht erfolgt und darüber hinaus das notwendige Beitragsaufkommen keineswegs gewährleistet war, war die Lage nur durch das Eingreifen des Reichskommissars und die Gewährung von erheblichen Subventionsgeldern zu halten. Im allgemeinen ist aus zahlreichen Äusserungen gut informierter Kreise zu entnehmen, dass die Erfolge des Landstandes im Jahre 1942 keineswegs den Grad erreicht haben, der den Erwartungen entsprochen hätte. In wirtschaftspolitischer Hinsicht trat die Umorganisation der Er- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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nährungswirtschaft und die Bildung der sog. ‘Bedrijfsschapen’ (Wirtschaftsverbände) in den Vordergrund, wobei eine enge Koppelung mit der Organisation der gewerblichen Wirtschaft in Form von kombinierten Beiräten erfolgte. Wie von Fachseite zu dieser Entwicklung angegeben wird, beginnt, obgleich der Vorgang noch keinesfalls abgeschlossen ist, dabei die Gefahr der Überorganisation sich abzuzeichnen. Ausserdem haben die Massnahmen, soweit sie auf einzelnen Sektoren bereits weitgehender durchgeführt worden sind, einen heftigen Gegensatz zwischen privatwirtschaftlichen und genossenschaftlich orientierten Interessenten hervorgerufen, der im besonderen auf die Feststellung hinauslief, dass Genossenschaftsunternehmen zum Nachteil privatwirtschaftlicher Betriebe bevorzugt würden. Anhaltspunkte für diese Tendenz glaubte man in der Besetzung der leitenden Posten mit vorwiegend genossenschaftlich ausgerichteten Persönlichkeiten erblicken zu können. Besonders auf dem Gebiet der Milchwirtschaft wurde diese Ansicht vertreten, zumal gerade auf diesem Sektor durch die Stillegung eines hohen Prozentsatzes der bestehenden Molkereien die Verhältnisse offentsichtlicher in Erscheinung traten und sich hier, ebenso wie in der Gemüsewirtschaft, eine enge personelle Verflechtung führender Personen herausstellte. Die Ernährungslage der Niederlande stand während des ganzen Jahres unter dem Zeichen der ausserordentlich knappen Versorgungsdecke mit lebensnotwendigen Nahrungsgütern. Die durch den harten Winter 1941/42 verursachten Auswinterungsschäden erforderten eine erhebliche Erzeugungssteigerung landwirtschaftlicher Produkte. Es muss anerkannt werden, dass die Bauern den an sie gerichteten Aufrufen der Regierungsstellen weitgehend nachgekommen sind, sodass es möglich war, die Versorgung mit pflanzlichen Produkten reibungslos durchzuführen. Die Anbauflächen erfuhren ausnahmslos eine nennenswerte Steigerung. Es stieg der Anbau von
Zu einem Engpass kam es lediglich in der Kartoffelversorgung vor Beginn der neuen Ernte, sodass die Ration, die durchschnittlich auf 3.5 kg je Kopf und Woche gehalten wurde, kurzfristig auf 2 kg und dann auf 1 ½ kg herabgesetzt werden musste. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Bei der Gemüseversorgung ergaben sich zeitweise Mängel, die jedoch im wesentlichen darauf zurückgeführt wurden, dass dem Erzeuger durch direkten Einkauf seitens der Verbraucher ein erheblich besserer Preis geboten wurde und die Ablieferung bei den Auktionen demgemäss nennenswert zurückging. Ausserdem floss ein grosser Teil der Erzeugnisse in den Schwarzhandel, um diesen damit dem vermeintlichen Export in das Reich zu entziehen. Die Gemüseausfuhr in das Deutsche Reich betrug für das Jahr 1942 rund 315.000 Tonnen. Hierbei auftretende Spannungen im Abfall des Versorgungsniveaus vom niederl. zum deutschen Grenzgebiet wurden durch die direkte Belieferung der deutschen Gebiete von den Niederlanden aus ausgeglichen. Anders dagegen entwickelten sich die Verhältnisse auf dem Sektor der Versorgung mit tierischen Produkten. Die mangelhafte Kraft-futtermittellage zwang zu einer weitgehenden Einschränkung des Viehstapels und einer Anpassung an eine möglichst wirtschaftseigene Futtergrundlage. Die Viehbestände wurden 1942 im Vergleich zu 1940/41 auf folgenden Stand gebracht.
Hierbei ergaben sich laufend Widerstände seitens der Viehhalter, sodass die Verminderung auf dem Wege der zwangsweisen Ablieferung durchgeführt werden musste. Die erlaubte Viehhaltung wurde einer ausserordentlich scharfen Kontrolle unterstellt. Trotzdem ergab sich im Mai des Jahres bei den Rindviehbeständen ein Mehr von rd. 300.000 Kälbern, das das Milchaufkommen um einen wesentlichen Prozentsatz herabdrückte. Die Beschränkungen des Viehstapels sowie die infolge der mangelhaften Futtermittellage verminderte Leistungsfähigkeit der Produktion an Fleisch, Fett, Milchproduktion und Eiern - die Düngemittellage wurde durch den Ausfall von Naturdünger ebenfalls stark beeinflusst - machte eine Bewirtschaftung der vorhandenen Nahrungsgüter erforderlich, die erheblich über die im Reich geltende Norm hinausging. Die Erfassung erfolgte durchweg auf dem Wege der Zwangsablieferung zu vorgeschriebenen Preisen. Neben den sich hierbei ergebenden Klagen bäuerlicher Kreise, dass die Erzeugervergütungen in keinem Verhältnis zum Aufwand ständen, bot | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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der Schwarz- und Schleichhandel eine willkommene Gelegenheit, einen grossen Teil der zur Ablieferung vorgeschriebenen Produkte zu erheblich höheren Preisen abzustossen und damit dem Bauern einen nennenswerten Überverdienst zu verschaffen. Auf dem Milchsektor beispielsweise trug dieser Umstand neben den vorerwähnten Gründen für den Rückgang (Futtermangel, Kälberaufzucht) dazu bei, die Milchablieferung zeitweilig um etwa 42% zu vermindern. Erst dadurch, dass dem Generalsekretär für die Landwirtschaft die Befugnis erteilt wurde, gegen säumige Bauern, die ihrer Ablieferungspflicht nicht nachkamen, mit den schärfsten Massnahmen, wie Viehentzug, zeitweiliger Aberkennung der Betriebsführereigenschaft und hohen Geldstrafen, vorzugehen, konnten diese Misstände bis zu einem gewissen Grade abgestellt werden. Die Durchführung der auf die Gesamtversorgungslage abgestellten Rationierung stiess in der Zuteilung der jeweils zur Verfügung stehenden Wochenrationen auf keine nennenswerten Schwierigkeiten. Anlass zu Klagen gab dagegen teilweise die Rationshöhe, die durchgängig hinter der des Reiches zurückblieb, besonders bei den Sätzen für Schwer- und Schwerstarbeiter. Für Normalverbraucher betrugen die Lebensmittelsätze je Kopf und Woche für die hauptsächlichen Nahrungsmittel in Gramm:
Eine vorübergehende Heraufsetzung der Fleischration auf 300 Gramm wurde kurz vor dem Weihnachtsfest wieder reduziert. Das Kartensystem wurde in sehr straffer Form durchgeführt und auf alle bewirtschafteten Waren bis inGa naar voetnootl einzelne gehend ausgedehnt. Aus reichsdeutschen Kreisen erfolgten mehrfach während des Jahresablaufes Klagen über die Ausgleichung der Rationssätze für Reichsdeutsche an die der Niederländer. Hierin wurde und wird auch jetzt noch eine Unbilligkeit erblickt, die sich mit dem Ansehen des Reiches nicht in Einklang bringen lasse, zumal dabei berücksichtigt werden müsse, dass es für die Deutschen bei der überwiegend ablehnenden Haltung der niederländischen Bevölkerung erheblich schwerer sei, die zustehenden Lebensmittel-Mengen ausreichend | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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und in einwandfreier Qualität zu erwerben. Mehrfach wurde diese Lage zu dem Hinweis benutzt, dass damit die Reichsdeutschen gezwungen seien, sich gleichfalls, wie es auch tatsächlich in vielen Fällen gemeldet wurde, am Erwerb von Schwarzwaren zu beteiligen. Bemerkenswert hinsichtlich der Gesamtversorgungslage auf dem Ernährungsgebiet ist die Tatsache, dass es trotz einer stetigen Verschlechterung der Ernährungslage nicht zu Unruhen unter der Bevölkerung gekommen ist. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Handel:Die Lage im niederländischen Handel war im Jahre 1942 in zunehmendem Masse durch die verstärkten Mangelerscheinungen auf allen Sektoren dieses Wirtschaftszweiges gekennzeichnet. Die allgemeine Warenverknappung hatte in vielen Handelszweigen, wie aus verschiedentlich in Erscheinung getretene Klagen erkennbar wurde, durch Verminderung der Umsätze gewisse Rückwirkungen auf die Rentabilität der Betriebe. Einschneidende Massnahmen, die sich sowohl in der Bevölkerung, als auch im Handel selbst stimmungsmässig ungünstig auswirkten, waren nicht zu vermeiden. Es galt auch hier die im Interesse der Kriegswirtschaft an die niederländische Gesamtwirtschaft zu stellenden Anforderungen unter Zurückdrängung mancher Bedürfnisse des Käuferpublikums zu meistern, ohne dass jedoch bei der. breiten Masse des niederländischen Volkes aufgrund der gegnerischen Einstellung hierfür das nötige Verständnis vorhanden war. Die rapide Abnahme der sowohl im Handel als auch in vielen Haushaltungen vorhanden gewesenen Vorräte trat immer mehr in Erscheinung, führte zu einer, das Angebot immer mehr übersteigenden Nachfrage und auf manchen Gebieten zu einer Kaufpsychose, die ihrerseits wiederum dazu beitrug, die Ware vom regulären Markt verschwinden zu lassen. Die Gesamtheit dieser Faktoren, zu denen andere Momente hinzutraten, führte dazu, dass der Schwarzhandel sich die auf dem normalen Markt nicht mehr mögliche Bedarfsdeckung zunutze machte. Bereits zu Beginn des Jahres 1942 gelangte der Schwarzhandel zur vollen Blüte. Die ihm innewohnende preissteigernde Tendenz nahm mit seiner Entwicklung immer schärfere Formen an und hatte schliesslich Überteuerungen zur Folge, die das Vielfache der normalen Friedenspreise ausmachten. Die verschärfte Bekämpfung des Schwarzhandels, die auf einzelnen Gebieten auf nicht unbeachtliche Erfolge zurückblicken kann, sowie die bessere Ausgestaltung der Preisüberwachung waren im Ganzen gesehen | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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nicht in der Lage, diesen Erscheinungen nennenswerten Einhalt zu gebieten. Eine gewisse Rolle spielte hierbei die nicht immer konsequente Verfolgung derartiger Erscheinungen durch niederländische Instanzen, die zu beweisen nur schwer möglich ist, sowie die in vielenGa naar voetnootm unverständlich milde Bestrafung durch niederländische Gerichte. Die auf Befehl des ReichsmarschallsGa naar voetnoot31 durchgeführte Konzentration der Erfassung ungeklärter Waren aus dem Schwarzen Markt mit dem Ziel der Nutzbarmachung für die Kriegswirtschaft und der Beseitigung der das deutsche Ansehen herabsetzenden Konkurrenzkäufe deutscher Dienststellen und Organisationen war trotz der ohne Zweifel umsatzmässigen Erfolge dieser Aktion in niederländischen wie auch in reichsdeutschen Kreisen Gegenstand zunehmender Kritik. Die Unmöglichkeit einer Tarnung dieser Käufe führte niederländischerseits zu dem deutlich erkennbaren Vorwurf an die Besatzungsmacht, einerseits derartige Erscheinungen unter strengste Strafen zu stellen, zum anderen jedoch das Verbotene in steigendem Umfange selbst zu tun. Die Folge war das Bestreben niederländischer Instanzen, derartigen Fällen besonders nachzugehen und sie bei jeder erkennbaren deutschen Beteiligung den deutschen Verfolgungsbehörden zu präsentieren. Darüberhinaus wiesen die niederländischen Bewirtschaftungsorgane auf die sich aus diesen Einkäufen ergebende Zerrüttung des Bewirtschaftungsgefüges durch ein latentes Absaugen sogenannter weiser Waren in den Schwarzen Markt hin, eine Einstellung, die auch von einzelnen deutschen Instanzen geteilt wird. Die sich aus dieser Entwicklung ergebenden Überschneidungen machten eine klare Abgrenzung der Befugnisse der Verfolgungsorgane notwendig, die durch eine Anordnung des Reichskommissars für die besetzten niederländischen Gebiete erfolgte, wobei allerdings die Ausarbeitung des technischen Verfahrens bis Ende der Berichtszeit noch nicht zu einem vollen Abschluss gekommen ist. Die an der Durchführung der Gesamtaktion erhobenen Kritiken beziehen sich insbesonders auf die Unkontrollierbarkeit der zwangsläufig zu beteiligenden Untervermittler-, Agenten- und Zuträgerkreise die sich zumeist aus zweifelhaften Elementen zusammensetzen und deren Tätigkeit lediglich von dem Gesichtspunkt des zu erzielenden persönlichen Gewinnes bestimmt würde. Auch an einzelnen, mit der zuständigen deutschen Dienststelle direkt zusammenarbeitenden, zum Teil reichsdeutschen Personen, wird in positiven Kreisen ein ähnlicher Masstab angelegt und auf die im Hinblick auf die | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Opfer der Front nicht zu verstehenden hohen Einkommen aus der Durchführung einer kriegsnotwendigen Aufgabe sowie auf den sich daraus ergebenden, nicht zu rechtfertigenden Lebensstandard hingewiesen. So wird z.B. nicht verstanden, dass bei der Durchführung derartiger Einkäufe von untergeordneten Einkäufern noch schwere 12-Zylinder-Wagen gefahren werden, die sogar von den gleichen Personen zu Fahrten in das Reich benutzt werden. Zu den wirtschaftlichen Auswirkungen des gesamten Schwarzhandels wird neben den erwähnten Rückwirkungen auf das Bewirtschaftungsgefüge immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass das erhebliche Anschwellen des Schwarzpreisniveaus naturgemäss eine eindeutige Benachteiligung der breiten, minderbemittelten Schichten der Bevölkerung bedinge, die zu einem nicht zu unterschätzenden Teil kaum noch in der Lage seien, die ihnen zustehenden Warenmengen zu erwerben und dadurch gezwungen würden, ihrerseits durch den für sie zum Teil zwingenden Verkauf von Lebensmittelmarken und Textilpunkten sich die Einkaufsmöglichkeiten für den lebensnotwendigen Bedarf zu sichern. Ferner wird aus Fachkreisen auf die sich aus den ansteigenden Schwarzpreisen ergebenden inflatorischen Gefahren aufmerksam gemacht (Notwendigkeiten der im Schwarzhandel erforderlichen Bereithaltung grosser Bargeldmengen), und in diesem Zusammenhang auf das Anwachsen des Zahlungsmittelumlaufes hingewiesen, der Ende des Jahres 1942 (November) eine wöchentliche Zunahme von 2,78 % des Umlaufes vom Mai 1940 betrug. gegenüber einer wöchentlichen Zunahme von 0.70 % im März 1942. Als Auswirkung der Warenverknappung ist ferner auf die ebenfalls in Erscheinung getretene Unsitte des Warentauschhandels hingewiesen. Kopplungsverkäufe und Warenabgaben an ‘bevorzugte Kunden’ waren und sind auch heute noch - nach sich immer wiederholenden Meldungen - an der Tagesordnung, wobei aus reichsdeutschen Käuferkreisen vielfach auf die erkennbare Benachteiligung durch deutschfeindliche Handelskreise hingewiesen wird. Abschliessend ist die Ende des Jahres 1942 durchgeführte ‘Weihnachtsstossaktion’ des Reichsmarschalls zu erwähnen, im Verlaufe derer ein grosser Teil der Warenbestände der Fabrikation und des Grosshandels mit dem Ziele beschlagnahmt wurde, sie dem deutschen Volke zur Deckung des Weihnachtsbedarfes zur Verfügung zu stellen. Stimmungsmässig hatte die Aktion in der Bevölkerung negative Auswirkungen und führte zu gehässigen Bemerkungen über die ‘Ausplünderung der Niederlande’ durch die Besatzungsmacht. Im Einzelhandel ging man nach einzelnen Meldungen zur Zurückhal- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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tung eigener Bestände über, um sie einmal einem ähnlichen Zugriff zu entziehen und anscheinend auch, um nach Ablauf der Weihnachts-zeit diese Waren dem niederländischen Publikum mit allerdings guten Gewinnchancen anzubieten. Die an der Durchführung der Aktion, zum Teil aus dem Reichsgebiet, erhobenen Kritiken beziehen sich im überwiegenden Masse auf die qualitative Beschaffenheit der aufgekauften Waren, die vielfach aus ausgesprochenem Schund und Kitsch bestanden hätten und zum Teil im Reich direkt in den Osten weitergeleitet wurden. Eine der Ursachen dieser Erscheinungen wird in reichsdeutschen Kreisen darin erblickt, dass den Aufkäufern eine Umsatzprovision (3½ %) zugestanden wurde, die wiederum das Bestreben ausgelöst haben könne, zwecks Steigerung des Umsatzes Waren um jeden Preis und ohne Rücksicht auf Qualität und Geschmack anzuliefern. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Banken, Börsen und Versicherungen:An den niederländischen Geld- und Kapitalmarkt wurden auch im Jahre 1942 nicht unbeträchtliche Anforderungen gestellt. Der grosse Geld bedarf des Staates zur Aufrechterhaltung seiner inneren Verpflichtungen und seiner Zahlungen an die Besatzungsmacht, der durch das Steueraufkommen allein nicht gedeckt werden konnte, stellte auch die Niederländische Bank vor grosse Aufgaben, die mit Unterstützung der zuständigen Besatzungsbehörden erfüllt werden konnten. Die Niederländische Bank hat sich als Staatsbank und Zentral-noten-Institut oft nach Überwindung von Schwierigkeiten wirtschaftlicher und politischer Art ihren Aufgaben gewachsen gezeigt. Das über Erwarten gute Gelingen der 3½ %igen niederländischen Staatsanleihe von 1 Milliarde Gulden, die anfangs November 1942 zur Zeichnung aufgelegt wurde, ist nicht zuletzt auf das Konto dieses Institutes zu setzen. Auch ist es dieser Bank zu verdanken, dass der Anleihe-Markt nicht nur stabil geblieben ist, sondern sich das Kursbild nicht unwesentlich gebessert hat. Politischer und wirtschaftlicher Bedenken wegen konnte die geplante Veröffentlichung eines Bankgesetzes nach dem deutschen Vorbild mit dem Ziele, der Staatsbank die Stellung zu verschaffen, die ihr zur Erfüllung grosser Aufgaben gebührt, noch nicht erfolgen; sie ist verläufig zurückgestellt worden. Die Hauptposten des Ausweises der Niederländischen Bank haben in der Berichtszeit eine beachtliche Zunahme erfahren. Auf der Ak- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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tivseite ist die Zunahme des Postens ‘Auslandswechsel’ um nahezu das Doppelte seit Ende 1941 auffallend. Dieser Posten resultiert zur Hauptsache aus Reichsmarkforderungen; er hat am 29.12.41 rund 930 Millionen Gulden betragen und erscheint in dem Ausweis der Niederländischen Bank Ende Dezember 1942 mit rund 1740 Mill. Gulden. Der ferner in der Aktiva ausgewiesene Goldbestand von rund 1000 Millionen Gulden ist gegen das Vorjahr kaum verändert. Da sich der grösste Teil des Goldes der Staatsbank - und zwar etwa rund 800 Millionen Gulden - im feindlichen Ausland befindet, z.Zt. also als Währungsdecke ausscheidet und der Rest nach Deutschland gegangen ist, muss dieser Posten als Scheinziffer bezeichnet werden. Jedenfalls aber kann gesagt werden, dass seit dem 10.5.40 die für den Notenumlauf erforderliche Golddeckung von 40% kaum noch vorhanden ist. Aus diesem Grunde wurden Ende Märze 1942 neben dem Gold die Auslandsguthaben der Niederländischen Bank als gesetzliche Deckungsgrundlage zugelassen. In der Praxis bedeutet dies unter den derzeitigen Verhältnissen, dass die Reichsmarkguthaben der Niederländischen Bank, die sonstige Forderungen von Belang auf das Ausland nicht hat, die Deckung für die niederländische Währung sind. Der Notenumlauf ist von 2116 Millionen Gulden per 29.12.1941 auf 3034 Millionen Gulden per Ende Dezember 1942 gestiegen. Ursächlich für die enorme Zunahme des Notenumlaufs sind besonders die gesteigerten Lebenshaltungskosten, die Zunahme der Beschäftigten, eine hohe Kassenhaltung der Wirtschaftsbetriebe, das Einströmen von Reichsmark seit Aufhebung der Devisengrenze und nicht zuletzt der Schleichhandel bei ganz erheblich verteuerten Preisen, der aus naheliegenden Gründen (Regulierung ausschliesslich durch Barzahlung) einen beträchtlichen Teil der in Umlauf gesetzten Noten bindet. Obgleich die Abschlussziffern der niederländischen Banken für das Jahr 1942 noch nicht vorliegen, muss aufgrund der bislang veröffentlichten Dreimonats-Bilanzen der vier bedeutendsten Kreditbanken, der Amsterdamschen Bank, der Rotterdamschen Bankvereeniging, der Inkasso-Bank und der Twentschen Bank damit gerechnet werden, dass sich das am 31.Dezember 1942 abgelaufende Geschäftsjahr wenig günstiger entwickelt hat als das Jahr 1941. Die Handelsmaatschappij H. Albert de Bary & Co., Amsterdam, welche im Laufe des Januar 1943 das Ergebnis ihres am 30.9.1942 abgeschlossenen Geschäftsjahres der Oeffentlichkeit vorlegte und in ihrer Bilanz einen gegen das vorhergehende Buch-Jahr um hfl. 120.000, - geringeren Gewinn auswies, dürfte hierfür den Beweis geliefert ha- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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ben, wenn auch der Geschäftsumfang dieses Bankhauses bei weitem nicht an den einer der obengenannten Grossbanken heranreicht. Für die grosse Geldflüssigkeit der niederländischen Wirtschaft legen die Ziffern der vier niederländischen Grossbanken, die zuletzt für 30.9.1942 vorliegen, ein beredtes Zeugnis ab. Gleichzeitig sind aus diesen Ziffern die erheblich zurückgegangenen Geschäftsmöglichkeiten für die Kredit-Institute zu erkennen. Die Debitoren der vier niederländischen Grossbanken, die per 30.4.1940 mit 298 Millionen Gulden ausgewiesen wurden, erscheinen in der letzten Dreimonats-Bilanz per 30.9.1942 nur noch mit 132 Millionen Gulden, während die Kreditoren vom 30.4.1940 bis 30.9.1942 von 482 Millionen Gulden auf 964 Millionen Gulden angewachsen sind. In dem gleichen Zeitraum hat durch das Darniederliegen des Überseehandels das Wechselgeschäft dieser Banken eine sehr beachtliche Abnahme erfahren. Die Wechselschuldner, die per 30.4.1940 mit 24 Millionen Gulden erschienen waren, werden per 30.9.1942 nur noch mit 2 Millionen Gulden ausgewiesen, während das Akzeptgeschäft, also die Wechselverpflichtungen der vier Banken, die am 30.4.1940 13 Millionen Gulden betragen haben, schon seit längerem in den Dreimonats-Bilanzen mit Null erscheinen. Es liegt also klar auf der Hand, dass die nicht unbeachtliche Abnahme des Kredit- und Wechselgeschäftes, das die Haupteinnahmequelle der Kreditbanken in normalen Zeiten darstellt, die Gewinn- und Verlustrechnungen der Banken nicht unwesentlich beeinflusst. Zwar ist es den Banken möglich, erhebliche Mittel in Schatzwechseln unterzubringen, jedoch ist dieses Geschäft, obgleich es eigentlich mit keinerlei Risiken für die Banken verbunden ist, erheblich weniger einträglich. Der grosse Geldbedarf des niederländischen Staates wird zu einem wesentlichen Teil durch Ausgabe von Schatzwechseln gedeckt, von welchen die vier Grossbanken per 30.9.1942 für 997 Millionen Gulden gegenüber 165 Millionen Gulden per 30.4.1940 in ihren Portefeuilles hatten. Von Januar 1942 bis zum 30.9.1942 wurden vom niederländischen Staat für rund 1138 Millionen Gulden Schatzwechsel ausgegeben, von welchen die Niederländische Bank 225 Millionen Gulden aufgenommen hat, während der Rest im offenen Markt untergebracht wurde. Auf dem Gebiete des niederländischen Hypothekenbankwesens machten sich im Jahre 1942 Konzentrationsbestrebungen bemerkbar, die jedoch bislang zu keinem nennenswerten Resultat führten. In den verhältnismässig kleinen Niederlanden existieren z.Zt. noch an mehr oder weniger bedeutenden Hypothekenbanken 21 Institute. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Diesen Banken ist es bei der derzeitigen Lage am Geld- und Kapitalmarkt fast unmöglich, neue Hypotheken auf rentabler Basis abzuschliessen, da sie nicht nur einen grossen Konkurrenzkampf unter sich durchzustehen, sondern mit der nicht unbeachtlichen Rivalität der Lebensversicherungsgesellschaften zu rechnen haben, wobei nicht vergessen werden darf, dass auch von privater Seite die Nachfrage nach der Unterbringung von Geldern in Hypotheken ständig zunimmt. Während die Hypothekenbanken fast ausschliesslich von der Marge zwischen Pfandbriefzins und Hypothekenrente existieren müssen, sind die Lebensversicherungsgesellschaften in der Lage, Hypotheken zu einem Zinsfuss auszuleihen, mit welchem die Hypothekenbanken nicht konkurrieren können. Von privater Seite wird Geld zu noch niedrigeren Sätzen angeboten. Die Konvertierung der von den Hypothekenbanken ausgegebenen Pfandbriefe zu niedrigeren Zinssätzen ist bis auf weiteres nicht möglich. Dazu kommt die rückläufige Bewegung des Hypothekenbesitzes dieser Banken durch dauernde Rückzahlungen. Die ungünstige Entwicklung bei den Hypothekenbanken hält bereits seit 1934 an und wird durch Ziffern, welche die bei der Vereinigung von Direktoren von Hypothekenbanken angeschlossenen Institute veröffentlicht haben, wonach der Hypothekenbesitz von rund 1024 Millionen Gulden im Jahre 1934 auf rund 690 Millionen Gulden zurückgegangen ist, am besten veranschaulicht. In letzter Zeit kommt noch erschwerend hinzu, dass infolge zwingender Kriegsmassnahmen die Räumung des Küstengebietes durchgeführt wird, womit die Enteignung vieler Hypothekenpfand-Objekte zwecks Abbruch der Gebäude verbunden ist. Diejenigen Pfandobjekte, die im Zuge der Befestigung des Küstenstreifens nicht dem Abbruch anheim fallen, aber geräumt werden müssen, sind infolge Leerstehens nicht nur der allmählichen Verwahrlosung, sondern auch etwaigen direkten Kriegseinwirkungen ausgesetzt. Dadurch tritt entweder eine nicht unerhebliche Wertminderung, wenn nicht sogar eine vollständige Entwertung vieler Pfandobjekte ein. Dem Konkurrenzkampf der Hypothekenbanken unter sich hat inzwischen der Staat insofern zu begegnen versucht, als er Mindestsätze für Hypothekengelder, welche von diesen Instituten ausgeliehen sind oder ausgeliehen werden, festgesetzt hat. Im Berichtsjahr hat sich die Einlage-Entwicklung bei den niederländischen Sparkassen günstiger gestaltet als in den beiden vorhergehenden Jahren. Das gilt sowohl für die niederländische Reichspostsparbank, wie auch für die allgemeinen Sparbanken. Obgleich die Furcht vor einer Entwertung des Guldens, die eine Hauptursache | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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für den Rückgang der Einlagen in den Jahren 1939 und 1940 war, noch nach wie vor nicht nur in der breiten Masse des Volkes, sondern auch in weiten Kreisen desGa naar voetnootn niederländischen Wirtschaft besteht, andererseits aber das Publikum - mit Ausnahme der an der Börse interessierten Volksschicht - keine geeignete Anlagemöglichkeiten sieht, nehmen die Spareinlagen ständig zu. Man muss sich demnach davor hüten, das Anwachsen der Spareinlagen als ein Zeichen von Sparfreudigkeit zu betrachten. Während noch im Jahre 1941 besonders bei der Reichspostsparbank die Einlagen zum 43,8 Millionen Gulden unter den Auszahlungen zurückgeblieben waren, hat der Einlagenüberschuss bei diesem Institut in den Monaten Januar bis November 1942 44,2 Millionen Gulden betragen. Die allgemeinen Sparbanken weisen für den gleichen Zeitraum einen Einlagenüberschuss von 39,7 Millionen Gulden aus. Der Einlagenbestand hat sich seit dem 1.1.1942 wie folgt entwickelt:
Auf dem Gebiete des niederländischen Börsenwesens ist eine aktivere Betätigung der Niederländischen Bank als Aufsichtsbehörde unerlässlich. Die Verhältnisse an der Amsterdamer Wertpapierbörse, die gerade im verflossenen Jahr zu unerhörten Auswüchsen bei der Kursbildung führten, haben mit aller Deutlichkeit den Beweis dafür geliefert, dass die Börse nicht noch weiterhin ungehindert als Schauplatz politischer Demonstrationen und als Zentrale von Gerüchteverbreitern existieren darf. Die Hauptschuld für diese Zustände trägt der Börsenvorstand (Vorstand der Vereeniging vor den Effectenhandel), der gegen die Disziplinlosigkeit seiner Mitglieder, wenn er es wollte, durch geeignete Massnahmen längst hätte einschreiten müssen. Der Präsident der Niederländischen BankGa naar voetnoot32 ist zwar gewillt, den Börsenvorstand umzubilden, jedoch scheinen ihm z.Zt. noch geeignete Persönlichkeiten für die Umbildung zu fehlen, welche die Garantie dafür bieten, dass den derzeitigen Verhältnissen schleunigst ein Ende bereitet wird. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Am Beginn des Jahres 1942 waren, ausgelöst durch die Kriegsgeschehnisse im Fernen Osten, bereits grosse Kurseinbrüche auf dem Markt der indischen Werte erfolgt, die dann bis in den März 1942 in ausserordentlichem Masse anhielten. Bereits im Januar wurde ein Beleihungsverbot für diese Werte erlassen, weil anzunehmen war, dass durch die damals in vollem Gange befindliche Besetzung der niederländischen Kolonien auf den malaiischen Inseln die dort arbeitenden niederländischen Gesellschaften nicht unbeträchtlich in Mitleidenschaft gezogen würden. Seit Mitte März etwa bewegten sich die Kurse für die niederländisch-indischen Werte sowie für Petroleum- und Schiffahrtswerte ohne ersichtliche wirtschaftliche Gründe nach oben. Bis in den August hinein traten Kurssteigerungen bei diesen Papieren ein, welche die in den ersten Monaten des Jahres erlittenen Kursverluste nicht nur ausglichen, sondern den an dieser Haussebewegung beteiligten Kreisen des Börsenpublikums ganz gehörige Gewinne brachten. Ein im August erlassenes Beleihungsverbot für Schiffahrts- und Petroleumwerte sowie eine im September angeordnete Anmeldepflicht für Wertpapierkäufe, die seit dem 1. Januar 1942 getätigt wurden und den Wert von hfl. 100.000, - übersteigen, hatten zwar vorübergehende Kursrückgänge zur Folge, jedoch setzte alsbald eine neue Haussewelle ein. Da bekannt geworden war, dass die obenerwähnten Massnahmen zu einem umfangreichen Schwarzhandel, der bereits in amerikanischen Zertifikaten, welche seit Juni 1941 nur noch mit besonderer Genehmigung des niederländischen Deviseninstitutes an der Börse gehandelt werden dürfen, in voller Blüte stand, führen würden, wurden Ende September 1942 ausserhalb der Börse, also ohne Beteiligung eines amtlich zugelassenen Maklers, ab 1.10.1942 getätigte Effektenverkäufe verboten. Die im November 1942 festgesetzten Stopkurse für die führenden Kolonial-, Schiffahrts- und Petroleumwerte führten dazu, dass eine grosse Nachfrage nach diesen Werten bis in die jüngste Zeit anhält, für die Papiere aber mangels genügenden Materials seit über zwei Monaten keine Notierung mehr vorgenommen werden kann. Aus diesem Grunde verlegte die Spekulation ihr Tätigkeitsfeld auf einige freie Werte, besonders aber auf Philips Gloeilampen und Unilever, deren Kurse seitdem in die Höhe schnellten. Da im Gegensatz zu den obenerwähnten Papieren die sog. deutschorientierten Werte, d.h. die Anteile derjenigen Unternehmen, die ausschliesslich für die Kriegswirtschaft arbeiten und zum Teil unter deutschem Einfluss stehen, von der Haussebewegung bislang nicht erfasst worden sind, obgleich bei diesen Papieren noch eine | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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ziemlich gute Rendite besteht, müssen die Haussetendenzen an der Amsterdamer Börse als eine gegen das Reich gerichtete politische Demonstration gewertet werden. Das niederländische Versicherungswesen hat sich im Jahre 1942 zufriedenstellend entwickelt, was besonders für die Sparte Lebensversicherungen zutrifft. Auf diesem Versicherungsgebiet waren Neuabschlüsse von Versicherungsverträgen infolge der herrschenden Geldfülle in erhöhtem Masse zu verzeichnen. Weniger befriedigend waren in dem Berichtsjahr das Feuer-, Einbruchs- und Diebstahlgeschäft. Die Gründe hierfür sind in der erhöhten Schadensfrequenz zu suchen und zwar in dem Zunehmen von Schadensfällen, die durch die Kriegsverhältnisse bedingt waren. Feuerschäden haben meist aus Sabotageursachen zugenommen und die Versicherungsgesellschaften nicht unwesentlich belastet. Diebstähle und Einbrüche sind zum grossen Teil durch die allgemeine Warenmangellage in erschreckendem Masse gestiegen. Soweit sich hier jetzt übersehen lässt, haben bei einer Anzahl von Risiken wie z.B. bei Lebensmitteln, Textilien, Rauchwaren und einer ganzen Reihe anderer Güter die laufenden Prämieneinnahmen nicht ausgereicht, die Schäden zu decken, sodass teilweise auf Reserven zurückgegriffen werden musste. Die Beteiligung deutscher Gesellschaften am niederl. Versicherungsgeschäft hat sich weiterhin gut entwickelt, jedoch gab die Tatsache, dass die deutschen Versicherer, welche anstelle der englischen und französischen Gesellschaften in das niederl. Geschäft eingeschaltet wurden, vorwiegend nur die Grossrisiken über hfl. 200.000, - übernahmen, zu denken Anlass, weil sich dieses Geschäft, das zudem noch oft mit grösseren Risiken verbunden ist, für die Dauer nicht so günstig gestalten dürfte. Die risikovollen Versicherungen wurden früher von ‘Lloyds’ gedeckt, die pro Saldo zwar an diesem Geschäft verloren, dafür aber einen Ausgleich durch gute Einnahmen aus anderen Versicherungsverträgen hatten. Es wäre wünschenswert, wenn die deutschen Gesellschaften an dem gesunden, sog. Einfachgeschäft, das bislang fast ausschliesslich den niederländischen Gesellschaften zugeflossen ist, eine angemessene Beteiligung erhalten würden. Im Verlauf der Berichtszeit wurden Richtlinien für die Beschränkung von Veröffentlichungen im Bereiche der Wirtschaft erlassen, um zu vermeiden, dass Nachrichten über Versicherungsunternehmen und -Objekte nach dem Ausland gelangen. Die von niederländischen Gesellschaften versicherten wehrwirtschaftlich wichtigen Betriebe wurden insofern unter besonderen Schutz gestellt, als e- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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durch Einschaltung deutscher Firmen vermieden wird, den niederländischen Versicherungsfirmen Einblick in diese Betriebe zu gewähren sowie Unterlagen, z.B. Zeichnungen, Grundrisse, Berichte usw. in die Hand von Niederländern gelangen zu lassen. Die Neuorganisation des ländlichen Versicherungswesens auf Gegenseitigkeit, das ungefähr 200 Vereine und Genossenschaften umfasst, ist bereits zu Beginn des verflossenen Jahres beschlossen worden. Dadurch soll erreicht werden, dass unter Belassung ihrer Selbständigkeit diese Vereine und Genossenschaften auf dem Verordnungswege in einer Zentral-Anstalt zusammengefasst werden. Nach aussenhin wird demnach die Zusammenfassung kaum in Erscheinung treten. Eine Verordnung, für welche umfangreiche Vorarbeiten noch nicht abgeschlossen sind, liegt im Entwurf vor. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Finanzen:Die Haushalte des niederländischen Staates, der Provinzen und Gemeinden sind auch im Jahre 1942 recht angespannt gewesen. Die Staatsausgaben sind trotz erhöhten Steueraufkommens, das für 1942 mit rund 1 Milliarde Gulden gegen 650 Millionen Gulden im Jahre 1940 genannt wird, angewachsen. Seit dem 1. April 1942 beteiligen sich die Niederlande an den deutschen Kriegskosten mit einem monatlichen Beitrag von 50 Mill. Reichsmark, ausser den Besatzungskosten. Die schwebende Staatsschuld ist seit dem 31.12.1941 von rund 1940 Mill. Gulden auf rund 2630 Mill. Gulden gestiegen. Am 31.5. 1940 hat sie rund 810 Mill. Gulden betragen. Zur Hauptsache ist die schwebende Schuld durch die Ausgabe von Schatzwechseln gedeckt, von welchen am 31.12.1942 für etwa 2450 Mill. Gulden gegen rund 1550 Mill. Gulden am 31.12.1941 untergebracht waren. Die konsolidierte Staatsschuld ist im Berichtsjahr von etwa 4500 Mill. gulden auf rund 5500 Mill. Gulden gestiegen, sodass die Gesamtverschuldung der Niederlande auf rund 7950 Mill. Gulden beziffert wird. Durch drei neue Steuern bzw. Steuererhöhungen, die im Mai 1942 beschlossen worden sind und mit rückwirkender Kraft am 1.1.1941 gelten hat man besonders die Kapitalgesellschaften getroffen, deren Erträgnisse nunmehr mit ca. 80 % vom Staate abgeschöpft werden. Es handelt sich bei der neuen Steuer um die Umwandlung einer bis zum Mai erhobenen Gewinnsteuer für Gesellschaften in eine Körperschaftssteuer und um die Einführung einer Gewerbe- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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steuer und einer Vermögenssteuer für Rechtspersonen, wodurch die steuerliche Belastung der niederländischen Wirtschaft ungefähr gänzlich den Reichsverhältnissen angepasst sein dürfte. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Industrie- und Energiewirtschaft:Die Entwicklung auf dem industriellen Sektor war im Jahre 1942 massgeblich durch das Bestreben der deutschen Führungsstellen beeinflusst, die niederländische Industrie in verstärktem Masse nach den kriegswirtschaftlichen Erfordernissen auszurichten, und durch Anpassung der Fertigung an die durch die Rohstofflage und die arbeitseinsatzmässigen Notwendigkeiten bedingte Situation sowie durch eine weitgehende Hereinnahme reichsdeutscher Aufträge die industrielle Kapazität der deutschen Kriegswirtschaft nutzbar zu machen. Dieser Aufgabe diente in der Hauptsache die bereits Ende 1941 begonnene überbetriebliche Rationalisierung mit dem Ziel der Konzentration der Produktion auf die leistungsfähigsten Unternehmen unter gleichzeitiger Stillegung freiwerdender Kapazitäten, die straffere Ausrichtung der Rohstoff- und Energiebewirtschaftung, der Abzug überflüssiger Arbeitskräfte (siehe auch Arbeits- und Sozialwesen) und der Gesamtkomplex der Auftragsverlagerung. Die überbetriebliche Rationalisierung war nicht ohne Schwierigkeiten durchzuführen und fand naturgemäss in niederländischen Industriekreisen eine sehr unterschiedliche Aufnahme. Der innere Widerstand dieser Kreise, deren Bestreben es war - zumeist aus einer grundsätzlichen antideutschen Einstellung und der daraus resultierenden Ansicht eines für Deutschland zu erwartenden negativen Kriegsausganges - die eigene Fertigung nach Möglichkeit aufrecht zu erhalten, fand ihren Niederschlag in einer nur zögernden Mitarbeit, die durch den in den meisten Fällen nur schwer zu beweisenden Widerstand der niederländischen Instanzen einen nicht zu unterschätzenden Rückhalt fand. Für die deutschen Dienststellen war die Durchführung der Aufgabe erschwert durch das Fehlen entsprechender statistischer Unterlagen, die erst durch eigene Erhebungen geschaffen bzw. ergänzt werden mussten. Hinzu kam ein gewisses Auseinanderklaffen einzelner Aufgabenstellungen wie z.B. arbeitseinsatzmässige Erfordernisse und fabrikatorische Zielsetzungen. Zur Herstellung einer einheitlichen Linie und auch zur Verminderung des niederländischen Widerstandes, der sich diese Erscheinungen zunutze zu machen suchte, wurde bei der Rüstungsinspektion | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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das Sonderreferat ‘Rationalisierung’ geschaffen, das nach anfänglichen Schwierigkeiten im Hinblick auf die Kompliziertheit der Aufgabe auf befriedigende Ergebnisse zurückblicken kann. Unterstützt wurde die allgemeine Linie der Rationalisierung und Konzentration durch teilweise einschneidende Massnahmen der Rüstungsinspektion auf dem Gebiet der Kohle- und Energieversorgung, die auf eine weitgehende Drosselung auch des industriellen Verbrauches hinausliefen. Bedingt waren diese Massnahmen in erster Linie durch die Rückläufigkeit der niederländischen Kohlenförderung bei gleichzeitig erhöhten Kohlenanforderungen des Reiches. Die Ursachen der Rückläufigkeit der Forderung sind vor allem in der Notwendigkeit der Heranziehung schlechter Flöze, in einer gewissen Leistungsminderung der Bergarbeiterschaft, die teilweise auf den mangelnden Willen zur Mitarbeit (Zunahme der Feierschichten), teils auf ernährungswirtschaftliche Schwierigkeiten zurückzuführen sein dürfte, zu suchen. Ihren letzten Niederschlag fand die Kohlensituation in der Verkündung eines sogenannten Kohlennotprogrammes, das eine nach den Kriegserfordernissen abgestufte Dringlichkeitsskala für die Belieferung vorsieht. Die Auswirkungen dieser Massnahme sind noch nicht zu übersehen. Trotz der deutscherseits ergriffenen Massnahmen zeigt das Gesamtbild der industriellen Fertigung auf dem zivilen Sektor noch ein - im Vergleich mit den Reichsverhältnissen - verhältnismässig vielgestaltiges Bild. Das Vorhandensein einer sogenannten ‘Talmi-Industrie’Ga naar voetnoot33 hat im Jahre 1942 nach wie vor die unverhältnismässig reichhaltige Herstellung entbehrlicher Waren, vor allem sogenannter ‘kunstgewerblicher Artikel’ zu meist überhöhten Preisen (z.B. Ziergegenstände aus Holz, Eisen, Keramik usw.) möglich gemacht. In positiv eingestellten niederländischen Wirtschaftskreisen wurde verschiedentlich kritisch auf diese Erscheinungen und auf die Notwendigkeit eines lückenlosen Systems von Herstellungsverboten hingewiesen, die auf wichtigen Gebieten, z.B. holzverarbeitende Industrie, noch fehlen bzw. kaum beachtet und niederländischerseits anscheinend auch nicht kontrolliert würden. Der Gesamteinsatz der niederländischen Industrie für deutsche Belange zeigt trotz der aufgezeigten Erscheinungen ein durchaus günstiges Bild. Nach Schätzungen der Zentralauftragsstelle Den Haag (Zast)Ga naar voetnoot34 arbeitet die niederländische Industrie zu rund 60% für | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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deutsche Zwecke und zu 40 % für den niederländischen Zivilsektor. Unterlagen für diese Schätzungen sind neben den von der ‘Zast’ erfassten echten Verlagerungen auch die innerholländischen Verlagerungen (Truppenaufträge über RM 10.000, -) sowie die Aufträge deutscher Rüstungsstellen in den Niederlanden. Seit Errichtung der ‘Zast’ haben beide Verlagerungen eine Gesamthöhe von rund 3.5 Milliarden hfl. erreicht. Im Vergleich zu Belgien/Nordfrankreich und zum Bereich des Militärbefehlshabers in Frankreich (je rund 4 Milliarden hfl.) unter Berücksichtigung der grösseren industriellen Kapazität dieser Gebiete, ist die in den Niederlanden erreichte Summe beachtlich. Zeitlich verteilte sich diese Auftragsentwicklung wie folgt:
Im Ganzen gesehen ist bei dieser Entwicklung zu berücksichtigen, dass die niederländische Industrie in den Jahren 1940 und 1941 (insbesondere 1940) aus eigenen, sehr reichen Rohstoffvorräten fertigen konnte, während im weiteren Verlauf der Entwicklung die Lohnfabrikation die Hauptrolle spielte. Erwähnenswert ist der Rückgang des Anteils der eisen- und metallverarbeitenden Industrie an der Gesamtauftragssumme, der auf einen zum 1.10.1942 durchgeführten Stopp in den Eisen- und Metallbezugsrechten und eine damit verbundene Annullierung vieler Aufträge zurückzuführen ist. Die Frage, ob die niederländische Industrie auch weiterhin in gleichstarkem Masse mit Verlagerungsaufträgen bedacht werden kann wird in Fachkreisen wenig positiv beantwortet. Eine Verminderung der Verlagerungsmöglichkeiten sei insbesondere bedingt durch die Erschöpfung der Rohstofflager, durch den fortlaufenden Arbeiterabzug und durch die starke Drosselung der Kohle- und Energiezuteilung. Hinsichtlich des Abzuges von Arbeitskräften wird darauf hingewiesen, dass bisher überwiegend die leistungsfähigsten Betriebe betroffen wurden. Auch bei den Verlagerungsaufträgen dürfte ausserdem die für den weiteren Kriegsverlauf zu erwartende Verschärfung der Dringlichkeitsabstufung der industriellen Fertigung ihre Rückwirkungen nicht verfehlen. Mit zunehmender Konzentration der industriellen Fabrikation dürfte ausserdem auch eine gewisse Streuung der Verlagerungsaufträge beseitigt werden, die nach verschiedenen Hinweisen zu gewissen Überschneidungen geführt hat. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Die im Zuge der schärferen Einspannung der niederländischen Industrie deutscherseits in Angriff genommene stärkere Ausrichtung und Kontrolle der niederländischen Reichsbüros durch Einsetzung deutscher Bevollmächtigter (Herbst 1942) lässt die Hoffnung zu, dass die obenerwähnte stille Gegenarbeit vieler dieser Stellen stark eingedämmt wird. Aus positiven Wirtschaftskreisen wird hierzu jedoch aufmerksam gemacht, dass die Einflussnahme dieser Bevollmächtigten auf besondere Vollmachten gestützt sein müsse und ausserdem eine absolute Frage der Persönlichkeit sei. Wenn auch infolge der Kürze der Zeit noch kein Erfahrungsmaterial über die Auswirkungen der Massnahme[n] vorliegen kann, wird, wie aus Einzelstimmen zu erkennen ist, bereits jetzt darüber geklagt, dass es den Bevollmächtigten von sich aus nicht gestattet sei, Kündigungen auszusprechen, dass es jedoch anders kaum möglich sei, die geschlossene Abwehrfront der niederländischen Reichsstellen zu durchbrechen. In diesem Zusammenhang ist die Entwicklung der Organisation der gewerblichen Wirtschaft, deren Errichtung in ihren wesentlichen Teilen bereits zum Abschluss gekommen ist, zu erwähnenGa naar voetnoot35. Diese, auf deutsche Veranlassung niederländischerseits errichtete Organisation gehört zu den nach wie vor umstrittensten auf dem gesamten Wirtschaftssektor. In positiven niederländischen Kreisen wird betont, dass zur Durchsetzung der kriegswirtschaftlichen Erfordernisse die Organisation der gewerblichen Wirtschaft bei auch nur einigem Willen zur Mitarbeit ein wichtiges Instrument der deutschen Wirtschaftsführung hätte sein können. Stattdessen sei von praktischer Arbeit im Laufe des letzten Jahres kaum etwas zu spüren gewesen, was im Hinblick auf die personelle Zusammensetzung der massgeblichsten Gruppen auch nicht weiter zu verwundern sei. In verschiedenen Kreisen wird die Organisation der gewerblichen Wirtschaft als ein Instrument zur Aufrechterhaltung des personellen status-quo bezeichnet. Eine wesentlich schärfere deutsche Einflussnahme auf die Zusammensetzung der Organisation der gewerblichen Wirtschaft und auf die Durchführung der ihr übertragenen Aufgaben sei unbedingt erforderlich, um auch hier die z.B. in Deutschland aus den Gesichtspunkten eines ‘totalen Krieges’ an die Wirtschaftsorganisationen gestellten Anforderungen zu erfüllen. Im Rahmen des Gesamteinsatzes der niederländischen Wirtschaft verdient auch der durch die Errichtung der Niederländischen Ost- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Compagnie (NOC) in die Wege geleitete wirtschaftliche Einsatz in den besetzten Ostgebieten der Erwähnung. Die mit Verordnung des Reichskommissars vom 6.6.42 gegründete Niederländische Ost-Compagnie fand zunächst innerhalb der niederländischen Wirtschaft nicht den breiten Widerhall, der für eine erfolgversprechende Ostarbeit erforderlich war. Diese mangelnde Resonanz in Wirtschaftskreisen war nach stimmungsmässigen Äusserungen, in erster Linie auf die nach Ansicht dieser Kreise zu starke parteipolitische Bindung der massgeblichen Persönlichkeiten der Gesellschaft zurückzuführen. Die gerade innerhalb der niederländischen Wirtschaft vorhandene gegnerische Einstellung war somit ein nicht zu unterschätzender Hemmschuh für die weitere Entwicklung der Gesellschaft und liess den Wunsch nach einer gewissen Entpolitisierung der Gesellschaftsorgane laut werden. Darüberhinaus bildete zunächst das der Gesellschaft verliehene Monopol den Gegenstand der Kritik. Die aus der letzten Frage entstandenen Reibungen wurden schliesslich im Interesse der Gesellschaft gelöst. Im Verlauf der weiteren Entwicklung hat die NOC. durch steigende Aktivität ihren Einfluss fraglos verbreiten können und insbesondere durch verschiedene grundsätzliche Abkommen mit dem Ostministerium und den Instanzen der besetzten Ostgebiete sowohl auf industriellem als auch ernährungswirtschaftlichem Gebiet die Voraussetzungen für einen erfolgversprechenden Einsatz niederländischer Firmen und Menschen geschaffen. Diese Voraussetzungen sowie die laufende Fühlungnahme mit der Wirtschaft selbst haben zur Folge gehabt, dass die der NOC. für den Osteinsatz zur Verfügung stehende Zahl von Firmen, Unternehmen und MenschenGa naar voetnooto wachsende Tendenz aufweist. Andererseits darf nicht verkannt werden, dass die militärische Entwicklung der letzten Wochen die Einsatzbereitschaft der niederländischen Wirtschaft für den Osten abgedämpft hat und sich [ent]sprechend dem allgemeinen Stimmungsbild der Bevölkerung auch in Wirtschaftskreisen Widerstände entwickeln. Anzeichen hierfür sind aus den verschiedensten Stimmungsäusserungen erkennbar. Für die NOC. dürfte es daher umsomehr von Bedeutung sein, dass auch die ihrem unmittelbaren Einfluss entzogenen Ursachen für eine Beeinträchtigung der Einsatzbereitschaft weitgehend vermieden werden. Hierzu sind in erster Linie jene Schwierigkeiten zu rechnen, die sich aus der Nichteinhaltung von zugesicherten Voraussetzungen im Osten ergeben. Schwierigkeiten dieser Art, z.B. auf dem Lohnsektor oder bei der Unterbringung von Arbeitskräften, werden durch den Briefverkehr | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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in den Niederlanden bekannt und geben der Gegenpropaganda Nahrung. Die weitere Entwicklung des Osteinsatzes dürfte in erster Linie von der Überwindung innerniederländischer, zumeist politisch bedingter Widerstände, von der Beseitigung der oben angedeuteten Erscheinungen sowie von der Entwicklung der militär-politischen Lage abhängen. | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Arbeits- und Sozialwesen:Das abgelaufeneGa naar voetnootp Jahr brachte auf dem Gebiete des Arbeits- und Sozialwesens einige einschneidene Änderungen sowohl in der Gesamtgestaltung des sozialen Lebens als auch in einigen für niederländische Begriffe starken Eingriffen in das Privatleben des Einzelnen. Dies trifft vor allem für die Vermittlung von niederländischen Arbeitern nach Deutschland zu, die im vergangenen Jahre eine erhebliche Verstärkung erfuhr und die in dem gewünschten Masse nur durch Anwendung gewisser Zwangsmassnahmen durchzuführen war. Während in den Jahren 1940 und 1941 die Anwerbung von niederländischen Arbeitern für die Arbeit in Deutschland einzig und allein auf freiwilliger Grundlage erfolgte, wurde durch eine Verordnung des Reichskommissars vom 23.3.1942 die Ausweitung der für den Bereich der Niederlande schon bestehenden Dienstverpflichtung auf den Deutschland-Einsatz vorgenommenGa naar voetnoot36. Schon einige Wochen vorher waren durch Verordnung des Reichskommissars vom 20.2.1942 über ‘Die Meldepflicht der Arbeitslosen’ alle männlichen und unverheirateten weiblichen niederländischen Staatsangehörigen und Staatenlosen vom 18. bis 40. Lebensjahr, die ihren Lebensunterhalt aus eigenen Einkünften nicht oder nicht vollständig zu bestreiten in der Lage waren, verpflichtet worden, sich bei ihrem zuständigen Arbeitsamt zu melden. Die Ernennung des Gauleiters Sauckel zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz brachte auch den Niederlanden erhöhte Aufgaben. Im April 1942 wurde die erste Sonderaktion Holland eingeleitet, die den Einsatz von 30.000 Metallfacharbeitern im Reich vorsah. Diese grosse Anzahl von Metallfacharbeitern war aus den damals noch vorhandenen rund 120.000 Arbeitslosen und 70.000 Notstandsarbeitern sowie durch freiwillige Werbung keines- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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wegs zu decken. Es wurde daher eine Überprüfung aller Betriebe des Metallsektors auf ihren Bestand an Facharbeitern durchgeführt, um festzustellen, welche Facharbeiter unter Berücksichtigung der wehrwirtschaftlichen Wichtigkeit der Betriebe, der vorliegenden Aufträge und der vorhandenen Facharbeiterdichte für den Deutschland-Einsatz freizustellen wären. Diese Arbeiter wurden aufgefordert, sich freiwillig für die Arbeit in Deutschland zu melden, mit dem Hinweis darauf, dass sie anderenfalls dienstverpflichtet würden. Die Aktion wurde trotz mannigfacher Schwierigkeiten - allerdings mit erheblicher zeitlicher Verzögerung - so gut wie 100%-ig durchgeführt. Bereits während dieser Aktion war eine beträchtliche Zunahme der sowohl von kommunistischer als auch von kirchlicher Seite gegen den Arbeitseinsatz nach Deutschland geführten Gegenpropaganda, die mit allen nur denkbaren Mitteln die Arbeiter aufzuhetzen versuchte, festzustellen. Trotzdem brauchte von dem Mittel der Dienstverpflichtung nur in verhältnismässig geringem Umfange Gebrauch gemacht zu werden, wobei sich die Anzahl der Dienstpflichtverweigerer - entgegen der Annahme verschiedener deutscher Dienststellen - in sehr engen Grenzen bewegte. Nicht zuletzt dürfte dieser Erfolg auf die in derartigen Fällen im Einvernehmen mit den Arbeitseinsatzbehörden sofort einsetzenden sicherheitspolizeilichen Massnahmen (Festnahme und Überführung in ein Arbeitserziehungslager im Reich) zurückzuführen sein. Erwähnenswert ist, dass auch von den betroffenen Betriebsführern sowie von den verschiedensten niederländischen und zum Teil auch deutschen Instanzen gegen den Abzug von Arbeitskräften unter Hinweis auf die unbedingte Kriegswichtigkeit einzelner Betriebe oder Wirtschaftssektoren starke Bedenken erhoben wurden, die in Einzelfällen wieder an Berliner Zentralstellen herangetragen wurden. Andererseits ergaben die Betriebsüberprüfungen die Berechtigung der getroffenen Massnahmen. So wurden auf diese Weise Betriebe ermittelt, die noch zu 100 % für entbehrlichen niederländischen Zivilbedarf arbeiteten, während andere Unternehmen offiziell zwar zu 80 % mit Wehrmachtsaufträgen belegt waren, jedoch tatsächlich nur zu [...]0 %Ga naar voetnootq ihrer Kapazität mit deren Bearbeitung beschäftigt waren. Darüberhinaus wurde ganz allgemein neben einer in vielen Fällen ausserordentlich technischen Rückständigkeit eine arbeitseinsatzmässige interessante starke Übersetzung mit Arbeitskräften festgestellt. Die im Rahmen dieser Aktion zum ersten Male notwendig wer- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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dende Dienstverpflichtung von niederländischen Arbeitern nach Deutschland führte zu einer Krise innerhalb der niederländischen Arbeitsämter. Neben erheblichen Bedenken, die von dem Generalsekretär des Departements voor Sociale Zaken, VerwijGa naar voetnoot37, geltend gemacht wurden, erklärten ca. 20 Arbeitsamtsleiter bzw. Stellvertreter, dass sie die Durchführung der Dienstverpflichtung nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren könnten und baten um ihre freiwillige Entlassung. Da diese grosse Zahl an Fachkennern nicht so schnell ersetzt werden könnte, wurde, um die Aktion nicht zu gefährden, bestimmt, dass die Dienstverpflichtung auch von den deutschen Fachwerbern unterschrieben werden könnte, worauf die meisten Amtsleiter ihre Entlassungsgesuche zurückzogen. Die Vermittlung von Arbeitskräften erlitt nach Abschluss dieser ersten Grossaktion keine Unterbrechung. Vielmehr musste den ständig wachsenden Anforderungen aus dem Reich Rechnung getragen werden, die sich allerdings nicht mehr lediglich auf Metallfacharbeiter beschränkten, sondern auch Hilfsarbeiter und Facharbeiter anderer Berufe steigend einsetzen. Die für die Monate September bis Dezember verlangte Zahl von 100.000 Kräften konnte jedoch nicht erreicht werden. Verhältnismässig günstig wirkte sich die von den Arbeitseinsatzbehörden zur Förderung des freiwilligen Arbeitseinsatzes eingerichteten offiziellen Werbebüros aus. Darüberhinaus jedoch musste auch weiterhin zu Abzügen aus Betrieben übergegangen werden, wobei grundsätzlich bei Betriebsuntersuchungen die 54stündige Arbeitszeit in der Woche zugrunde gelegt wurde. Wie aus verschiedenen Hinweisen ersichtlich war, wirkte sich bei diesen Abzügen die zu Beginn der Massnahmen noch nicht weit genug fortgeschrittene industrielle Konzentrations- und Stillegung[s]aktion insofern nachteilig aus, als eine erfolgversprechende, die Sollzahlen garantierende Koppelung beider Aktionen noch nicht möglich war. Die aus diesen Gründen durchgeführte gleichmässige Abziehung von Kräften - hinzu kamen noch Anforderungen für den Ausbau der Küstenbefestigungen - zog verschiedene Schwierigkeiten nach sich und gab wiederholt zu Beschwerden und Klagen über die Beeinträchtigung bestimmter Fertigungsprogramme Anlass. Die in der zweiten Hälfte des Jahres weiterhin ansteigende Hetzpropaganda gegnerischer Kreise (Flugblatt- und Flüsterpropaganda, Abhören von Feindsendern usw.) liess ausserdem die Bereitwilligkeit zum Einsatz absinken, sodass in steigendem Masse von der | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Dienstverpflichtung Gebrauch gemacht werden musste. In den letzt[en] Monaten musste die Feststellung getroffen werden, dass grosse Teile vermittelter Kräfte zu den festgesetzten Abfahrtszeiten nicht mehr erschienen. Teilweise betrug dieser Ausfall 50-75 %. Zu dieser unerfreulichen Entwicklung dürfte auch die aus technischen Gründen (fehlende Unterbringungsmöglichkeit im Reich) erfolgte zeitweilige Unterbrechung der sicherheitspolizeilichen Massnahmen, die in der Zwischenzeit wieder angelaufen sind, beigetragen haben. Trotzdem ist der Widerstand gegen den Einsatz in Deutschland im Zunehmen begriffen. Die restlose polizeiliche Erfassung der Dienstpflichtverweigerer stösst jedoch auf Schwierigkeiten, da die Aufgeforderten ihre Wohnungen verlassen und zunächst unauffindbar sind. Die infolge der zunehmenden Zahl dieser Fälle von der niederländischen Polizei durchzuführende Fahndung gibt ausserdem nicht die volle Gewähr für eine besonders nachdrückliche Verfolgung. Die flüchtigen Kräfte versuchen vielfach in anderen Berufen, vor allem in der Landwirtschaft Unterschlupf zu finden. Der in einigen Bezirken gemachte Versuch, die Aushändigung von Lebensmittelmarken an derartige Kräfte zu unterbinden, hat sich bisher noch nicht als absolut wirksames Mittel erwiesen, umsomehr als die Wirtschaftsämter nicht immer in der erforderlichen Weise mitarbeiten und eine bindende Anweisung an die Wirtschaftsämter durch die Zentralstelle deutscherseits bislang abgelehnt wurde. Eine Belastung für die zuständigen Dienststellen bedeuteten die nach wie vor in grösserer Zahl in Erscheinung getretenen vertragsbrüchigen Rückkehrer, die ihre Rückkehr mit den unterschiedlichsten Argumentationen zu rechtfertigen suchten, wie z.B. Krankheit, Nichteinhaltung der Lohnbedingungen usw.. Überprüfungen haben jedoch in der Mehrzahl der Fälle die Unhaltbarkeit dieser Angaben und damit die Unrechtmässigkeit der Rückkehr erwiesen. Die in Zusammenarbeit mit den Einsatzbehörden durchgeführte Erfassung und Behandlung dieser Kräfte, die nach Möglichkeit, im Bedarfsfalle über die Dienstverpflichtung, an ihren alten Arbeitsplatz zurückvermittelt werden, haben sich zufriedenstellend eingespielt, jedoch gelten auch für diese Kräfte die bei der Erfassung der zu vermittelnden Arbeitskräfte vorhandenen Schwierigkeiten. Insgesamt wurden im Jahre 1942 gut 100.000 Arbeitskräfte dem Reich zur Verfügung gestellt, sodass einschliesslich der Grenzgänger zur Zeit 300.000 Niederländer in Deutschland tätig sind, also ungefähr 10 % der werktätigon Bevölkerung. Ein vermehrter Kräfteeinsatz nach Deutschland wird nach den bisherigen Erfahrungen rigorosere Massnahmen erforderlich mach- | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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en. Diese sind nach Ansicht von Fachkreisen auch deswegen notwendig, um die bisher noch nicht erfassten Berufsschichten dem Arbeitseinsatz nutzbar zu machen. Positive Kreise wiesen jedoch in diesem Zusammenhang darauf hin, dass bei der Dringlichkeit des Kräftebeschaffungsprogramms jede Nachgiebigkeit, vor allem bei bereits bekannten oder als geplant bekannt gewordenen Massnahmen als Schwäche der Besatzungsmacht ausgelegt wird und nur dazu angetan ist, den Widerstandswillen zu stärken. So wurde z.B. die Nichtdurchführung der Studentenarbeitsvermittlung als Niederlage der Besatzungsmacht gewertet. Ebenso waren die stimmungsmässigen Auswirkungen eines Erlasses des Generalsekretärs des Inneren, der die Bürgermeister von der beabsichtigten Zusammenarbeit mit den Arbeitsämtern durch Übersendung von Jahrgangslisten entband, negativ. Die nunmehr, soweit bekanntgeworden ist, geplante zentrale jahrgangsweise Erfassung wird nach Ansicht informierter Kreise mit nicht unerheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, da angeblich die entsprechende Kartei seit Jahren nicht mehr überholt wurde. Im Zusammenhang mit dem Arbeitseinsatz nach Deutschland verdient noch der im Laufe des Jahres 1942 erlassene strenge Lohnstopp Erwähnung, der durch Aufrechterhaltung eines angemessenen Lohngefälles einen weiteren Anreiz zur Arbeitsaufnahme im Reich bieten soll. Die Steigerung des allgemeinen Preisniveaus jedoch hat gerade diese Massnahmen einer erheblichen Kritik in breiten Bevölkerungsschichten unterworfen, die immer wieder darauf hinweisen, kaum noch in der Lage zu sein, die ihnen zustehenden Rationen mit ihrem Lohneinkommen erwerben zu können. Einen gewissen Teilabschluss in den Bestrebungen, die Gestaltung des sozialen Lebens in den Niederlanden nach den Grundsätzen der nationalsozialistischen Weltanschauung auszurichten, brachte im Jahre 1942 die Errichtung der niederländischen Arbeitsfront und der Erlass des Gesetzes zur Ordnung des Arbeitslebens. Die am 1. Mai 1942 erfolgte Errichtung der Niederländischen Arbeitsfront (NAF) als Organisation aller Schaffenden, fand in Arbeitgeber- und Arbeitnehmerkreisen keine einhellig zustimmende Aufnahme. War schon der Zeitpunkt der Errichtung nach Ansicht interessierter Kreise insofern ungünstig, als mit zunehmender Kriegsdauer die Durchführung sozialer Verbesserungen, z.B. auf dem Lohnsektor, sich ausserordentlich schwierig gestaltete, so trug ausserdem die verstärkt einsetzende Gegnerpropaganda, die Gegenarbeit der alten Verbände, die ablehnende Einstellung der Kirche, insbesondere des katholischen Klerus wie auch des überwiegenden | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Teiles der Betriebsführer dazu bei, die Mitgliederzahlen in verhältnismässig engen Grenzen zu halten. Hinzukam die Verflechtung mit der NSB., die allerdings in ihren Auswirkungen dadurch gemildert wurde, dass der Leiter der NAF. Woudenberg in Arbeiterkreisen nicht so sehr als parteipolitischer Exponent angesehen wird und ihm in weiten Kreisen eine positive sozialpolitische Zielsetzung zugesprochen wird. Für die einsetzende Gegenarbeit spielte die Freiwilligkeit der Mitgliederschaft eine nicht zu unterschätzende Rolle. Sie machte es z.B. der katholischen Kirche möglich, die Mitgliedschaft zur NAF. unter die Verweigerung der Sakramente zu stellen. Nachteilig für die NAF. wirkte sich weiter aus, dass zur Zeit der Errichtung die Vorbereitungen nicht soweit gediehen waren, dass eine schlagartig einsetzende Propaganda aufgenommen werden konnte und dass ausserdem ein Teil der Funktionäre, insbesondere der in den Betrieben eingesetzten sozialen Vormänner den an sie zu stellenden fachlichen und wissensmässigen Anforderungen nicht genügten. So setzte zunächst ein nicht unerheblicher Mitgliederschwund bei den von der NAF. übernommenen Verbänden ein, der in der weiteren Entwicklung jedoch nachliess und schliesslich einem langsam aber stetigem Steigen der Mitgliederzahl Platz machte. Bei Anhalten dieser Entwicklung ist voraussichtlich damit zu rechnen, dass die Mitgliederzahl in Kürze den alten Stand der N.V.V.Ga naar voetnoot38, d.h. 350.000 Personen erreichen wird. Bei der Betrachtung der Mitgliederzahl ist ausserdem zu berücksichtigen, dass ein grosser Teil der arbeitenden Bevölkerung sich im Arbeitseinsatz in Deutschland befindet. Die zwischen der Deutschen Arbeitsfront und der NAF. getroffenen Abkommen über die Betreuung dieser Kräfte dürften auf die Dauer ihre Rückwirkungen auf die Bereitwilligkeit zum Eintritt in die NAF. nicht verfehlen. Eine gewisse Anerkennung innerhalb der Arbeiterschaft haben während der bisherigen Entwicklung der NAF. die Abteilung ‘Freude und Arbeit’ und ‘Rechtsberatung’ gefunden. Die Ausschaltung der gesamten bisher bestehenden Verbände, sowohl auf Arbeitgeber- wie auf Arbeitnehmerseite durch die Errichtung der NAF. bedingte zu gleicher Zeit eine Neuregelung der Sozialverfassung in den Niederlanden. Vor allem war der Aufbau einer sozialpolitischen Behörde, analog der Reichstreuhänderverwaltung im Reich, erforderlich, da der Staat die bisher in erster Linie bei den | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Verbänden liegende Aufgabe der Festlegung der Arbeitsbedingungen übernehmen musste. Es wurde daher vom Reichskommissar am 13.10.1942 eine Verordnung über die Ordnung des Arbeitslebens erlassen, die mit gewissen Abänderungen dem Arbeitsordnungsgesetz (AOG.) im Reich entspricht. Der Aufbau einer entsprechenden Treuhänderverwaltung hat sich bisher auf die Einsetzung eines Bevollmächtigten für die Ordnung des Arbeitslebens beschränkt. In Ermangelung einer geeigneten Persönlichkeit wurde zunächst der Generalsekretär des Departements voor Sociale Zaaken, Verwij, mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe betraut. Eine aktive Betätigung dieser an und für sich grosse Bedeutung zukommenden Behörde ist bisher nicht festzustellen gewesen und steht auch vor Vollendung des endgültigen Aufbaues kaum zu erwarten. Aus diesem Grunde hat diese Neueinrichtung auch bisher keinen wesentlichen Widerhall, weder in Betriebsführer- noch in Arbeiterkreisen, gefunden. |
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