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aus: Ein Winter an See
1937
Die sie von nacht zu nacht
Wer wird den sinn wohl peilen
Türme umkriegt im steilen
Brand standen, war auch ihr
Mehr blieb nicht, doch die mir
Vergangen die traumschiffe
Der welt. Femes sonnfeuer
Durch kimmwolken ein reich
Fällt fahl und allerwegen
Andren feuers aschenregen.
Leer wie die vorzeit tagt
Von dem fenster umschragt.
Vorerst bricht nun kein morgen
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Mehr über jenen entvolkten
Noch und schluchten verborgen
Ringt alter glaube um luft.
Wo blieb die zeit? Wie lang schon
Schneit es? Die stille bleicht
Eines spiegelbilds bang schon
Mehr durch. Doch wenn verderbend
Wie ich - nun lag zu sterben?
Früh sondert sterben - innen
Befremdendes schneien - blass
Die eingekehrten der minne
Jetzt ab. Seit Trojas streit
Schwarz in der kalten zeit
Stehn die türme der träume.
Wild, leer bricht der tag an,
Vorkundete - o verschollne!
Wo bleibst du? Möwenschwärme
Folgte ich alten küstpfaden
In lang nicht mehr im schwang
Seinden gedanken. Schären
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Blieben leuchtend und gleich
Der weiten lauf erklären:
Volk um volk, reich um reich.
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Die Niederlage
1925
Abwehend kam ein herbsttag um sein einsam ende
Als, auf dem fleck auf den die alte düne hin
Davon zu wissen schien und wo die see nah drönte,
Er, der ich selber hätte sein können, erschien.
Im niedersteigen stand er still; ich sah das flammen
In seinem weiten aug von licht das ich verlor.
Da sah er mich und hielt mich im herniederkommen
Im bliek, und schweigend schritt er bis er grade vor
Mir stehn blieb. Oben wehte vorzeit durch das leere
Nachlicht; doch es ward dunkel, still, unsagbar spät
Da unten zwischen ihm und mir; noch nass vom regen
Glitzert' sein rauhes haar, um mein kalt antlitz weht'
Sein hauch denn ganz nah kam er mir mit seinem kopfe
Als könnt er noch nicht recht glauben dass ich es sei
Und schaut', ich sah dass er hörte wie mein herz klopfte,
Und als er, sehend dass ich sah dass er es sei,
Anhob, griff ich zum flehen seine hände an;
Doch plötzlich kam ein kaltes wehn, zur gleichen zeit
Stockte die stimme mir, ich liess ihn, er hob an:
‘O du, der du der reue und mutlosigkeit
Heller geborner feind warest an meiner seite
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Und hättest bleiben können, gehend bis zum end
Mit unserm unzähmbaren heimweh, frei geleitet
Durch die verdüsterten, den hier mein aug erkennt
So lichtlos - was hast du getan, nahm man dich gegen
Mich ein? Vermochten sie's? Ward unser helles heimweh
Geheilt, dies hohe fieber, als du hingelegen
Bei ihrem lüsternen mitleid warest? Horch. die see...
Musst du dich grossem tod denn und deinen ursprüngen
In jener leidenschaftlichen und kalten vorzeit
Entfremden? Willst du das vergessen, um bezwungen,
Gezähmt führ ihre reue und mutlosigkeit,
Niedrig für ihre lust, bei ihren fensterrahmen
Träg abzusterben, los von dir und von mir los?’
Er schwieg. Des abendwindes lange stösse nahmen
Ueber uns zu. ‘Warum denn liessest du mich los?’
Rief ich aus als ich sah dass er van mir abrücke.
Und er: ‘Du bist von mir geflohn zu sklaverei;
Und nie, wenn nicht verzweiflung mit ihrem unglücke
Mir bahn bricht in dein rufend herz, kehr ich aufs neu.’
Der wind fiel dunkel ein; er schrieen möwen; träume
Wurden zu leeren träumen wieder; ich erklomm
Langsam, von der ich kam, der gleichen düne säume
Und oben sah ich einmal noch zur ferne um:
Abwärts, enthimmelt und wegfliehend, und den westen
Bei wehendem abzug noch brandsch atzend und zerstört
In wolken hüllend, ging der tag mit letzten resten
Unter; und ich, von dün zu düne hingekehrt
Selber wegfliehend aus dem ort der niederlagen
Flog hin in dieses abends heftiges verglimmen:
Des ends vorabend der einfiel mit langen flagen
In jenes lebens umkreis und über die kimme
Von dieser welt, und ein rundum sich ineinander
Verlieren von abstand und ewen, ein ganz gross
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Drohendes anderswerden dieser letzten lande
Und dann, mit einem mal in den zeichen des tods,
Ein von der vorwelt wieder aufgenommnes grausen
Der oberhand, und auf des reiches altes deck
Aus wolken niederfahrend nachjagendes sausen
Der lang vergessenen engel der rache; schreck
Griff mich; im niederfliehen sah ich dort in klüften
Stehn die hochmütigen des grossen traums, zu hauf
Gejagt, getroffen in den schwingen; mein entschlüpfen
Sahen sie schweigend an. Und mir, dem wüsten lauf
Des untergangs zuflüchtend, schnell und schneller, gingen
Gesichter nach und schatten nach, und meinen namen
Hörte ich, und aus osten riefen flehn und singen
Die von dem fluchtberg der furchtsamen seelen kamen
Von Golgatha, wehklagend rufen. Da erreichten
Mich die verlassnen, sahn mich an, und: ‘jetzt! die wahl!’
Flüsterten sie, ‘die wahl!’, ich sah ihre erbleichten
Züge: mich selbst, mich selbst; sie schwanden, scheu und fahl
Hinweg; und drunten, wo sie meinem aug entkamen,
Fand ich die ersten bäume vom bekannten strich,
Den pfad; den weg; das dorf; das leere haus; die kammer;
Die tür, die zugeweht; stille; den fahlen bliek
Des fensters, grade gegenüber ihm den hohen
Spiegel, voll späten lichts; im entsetzlichen glas
Ein haupt; davor mein kaltes haupt; und hingebogen
Als ob es sich ungläubig früge: bin ich das?
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