gut zur Wiedergabe; usw. Der Tanz wurde also unter rein-musikalischen Gesichtswinkeln betrachtet. Man wusste nicht, dass der Tanz ganz andere Elemente des menschlichen Seins verkörpert und wiedergibt als die Musik. Man wusste erst recht nicht, dass der Tanz seine eigenen Harmonie- und Wirkungsmöglichkeiten hat.
Das musikalische Kunstwerk spricht im wesentlichen zu dem Gefühlsleben des Menschen. Als wirkungsvoll empfinden wir es wenn es in uns Gefühlssaiten anklingen lässt, wenn wir eine Bereicherung unseres Gefühlslebens durch den musikalischen Genuss erfahren.
Man ging in der Interpretation der Musik durch die tänzerische Darstellung schliesslich so weit, dass man Musikwerke, die völlig in sich geschlossen sind, noch durch tänzerische Ausdeutung anschaulich machen wollte. Durch dieses Unterfangen kam man dann aber darauf, dass Musik letzten Endes doch nicht mit dem Bewegungserlebnis identisch ist. Bei einer Symphonie oder Sonate z.B. reichte die Bewegung nicht aus, um den Inhalt der Musik überzeugend darzustellen. Aber es gab andererseits Musikwerke, die durch die Bewegung erst wirklich an Wert und Kraft gewannen; es wurde dort in der Bewegung mehr gesagt, als in der Musik gesagt werden kann.
Der ganze Aufschwung, den der Tanz in den letzten Jahren nahm, brachte aus diesen Erkennntnissen heraus dann eine völlige Umstellung. Gleichzeitig wurde auf dem Gebiet der absoluten Bewegung, sowohl in Bezug auf die Gymnastik - die dem Zweck unterstellte Bewegung - wie in Bezug auf die reine tänzerische Bewegung geforscht. Man trat der Bewegung als einer primären Erscheinung allmählich nahe, und fand dass die Bewegung garnicht die Anregung und die Unterstützung durch die Musik nötig hat, sondern dass sie selbst zu so grosser Wirkung gesteigert werden kann, dass die musikalische Begleitung unterbleiben kann. Allerdings waren es andere Werte, die in den Bewegungswerken geformt wurden als in den musikalischen.
Es war nicht das Gefühlsleben, dass durch die Bewegung in erster Linie angeregt wurde sondern die Gewalten im Menschen, das Wollen, die triebhaften Strömungen. (Zu bemerken ist zu dem Wort ‘triebhaft’, das darunter nicht das zu verstehen ist, was gemeinhin mit diesem Wort als verachtenswert und unschön abgetan wird. Jede Veranlagung im Menschen hat eine positive und eine negative Seite, und im Bewegungskunstwerk soll gerade diese positive Seite der Triebwelt zur Wirkung kommen.)
Dieses Leben und Wogen der Gewalten ist nur durch die Bewegung darzustellen. Worte oder Töne - Verstand und Gefühl - können sie nicht fassen. Das Mitschwingen mit der Bewegung, die der Zuschauer sieht, löst in ihm die gleichen Bewegungsschwingungen aus, er erlebt im eigenen Körper, was der Tänzer auf der Bühne darstellt. Dieses Mitschwingen musste das Publikum der letzten Jahre erst lernen; nach einem Zeitalter der völligen Unbewegtheit war ihm die Fähigkeit Bewegung mitzuerleben abhanden gekommen. Daher war die Musikbegleitung zum Tanz zunächst eine Notwendigkeit, und ist es zum Teil noch heute. Der Zuschauer hat es noch nicht ausreichend gelernt, wirklich selbst fast aktiv mitzuerleben, was auf der Bühne dargestellt wird. Die Musik ist heute als Stimulanz noch oft unentbehrlich. Es ergibt sich hieraus eine grosse Schwierigkeit für den heutigen Tänzer. Er hat es erfahren und gelernt, dass der körperliche Rhythmus, der Bewegungsrhythmus, nicht identisch ist mit dem musikalischen Rhythmus, er weiss, dass er nicht ohne Weiteres eine Musik ‘vertanzen’ kann. Aber wie soll er dem Publikum, das den Bewegungsrhythmus noch nicht zu spüren vermag, eine Brücke zum Verständnis bieten? Die beste Möglichkeit ist die, dass er einen Komponisten veranlasst, nach der Bewegung - nach seinem Tanzkunstwerk - die Musik zu schaffen, die Bewegungsrhythmen, die er tanzt, in der Musik wiederzugeben, sodass dem Publikum, das uur auf akkustische Rhythmen zu reagieren vermag, durch die Musik die Bewegungsrhythmen vermittelt werden. Aber wie wenig Komponisten gibt es heute, die sich so weit für die Bewegung interessieren, dass sie dazu fähig wären? Ganz zu schweigen davon, dass ein Komponist selbst eine Bewegungsschulung durchmacht, um in den Geist der Bewegung voll einzudringen. - So ist auch heute noch der Tänzer
häufig noch darauf angewiesen schou bestehende Musikstücke als Grundlage seiner Komposition zu nehmen. Ein Be-