Klang, der um Affenkästen und Zauberbuden war, abgerissen und burschikos, spielt seinen Hungertraum um das Märchen von Ramuz.
Oedipus Rex. Desto erstaunlicher dieses Werk, so stählern und vornehm. Der Bogen zwischen der Lumpenmusik des Soldaten und Oedipus ist ungeheuer. Jede Spur von Flackern, Atmosphäre, Durcheinander, Impressionismus ist verschwunden. Die Instrumentierung ist scharf hintereinander abgesetzt, Verschmelzung, gar erotisch-romantische Schwüle völlig vermieden. Geschlossene Sätze, der minitiöse wie der Gesamtbau unerhört präzis, hart, gerammt; eine Musik, die nicht fliesst, sondern schlägt. Immer gleichsam an Ort und Stelle schlägt; das gilt für Melos wie Rhythmus wie schliesslich die statische Szene. Starr sitzender Chor, Oedipus und Jokaste in archaischer Haltung, musikalischer Blockeinheit; Figuren, an denen sich ihr Schicksal unentrinnbar aufspulte und abläuft. Ja, auch dieses Maschinenwesen ist an der Musik, dem nicht ohne Grund deterministischen Stoff, den sie setzt. Schon früh hatte Strawinsky maschinelle Neigungen, sein ‘Concertino’ fand er erst richtig gespielt, als ‘es lief wie eine Nähmaschine’, als mithin Spieler und Stimmen nur Funktionäre eines Maschinengeistes waren. Dieses Klangkonstruktive, mit ‘Psychologie’ weder davor noch dahinter, findet sich auch im Oedipus; als musikalische Schicksalsmaschine gleichsam, in Beton eingeschraubt. Oder von Marmor ummauert; der ist zwar reich geädert, von italienischen Windungen (im Gesang der Jokaste), von altrussischen Vokalisen (im Gesang des Oedipus und Teiresias). Aber die Kühle und Starre hebt sich auch hier nicht auf, die Architektur lässt kein unkontrolliertes Blühen mehr frei. Diese Starre ist nicht nur ein Tribut an die französische ‘Kultur’, die auch die Maschine klassizistisch macht, weil sie ein Produkt der ‘Ratio’ ist, und den Beton reaktionär poliert, weil er ruht. Sondern
in der Tat geht von der Präzision ein Weg nach mythologischer Kühle, nach einer Art von klassizistischem Byzanz; hier ist ihn Strawinsky gegangen. Ebenso ist der klassische Stoff, zu dem diese Musik ihre Gegenstandsbeziehung hat, keineswegs bloss zeitfremd. Nicht einmal die Balletmusik zu ‘Apollon musagète’, die dem Oedipus nachfolgte, ist Gobelin-Antike, Louis quatorze als Bürgerkönigtum. Sondern in der zwielichtenen Zeit gehen tatsächlich griechische ‘Bilder’ und ‘Schemen’ um, in Frankreich deutlicher als bei uns, obwohl Nietzsche das Zeichen gab. Ein Meter hinter der Zivilisation geht es spätantik, ja zuweilen ‘griechisch’ zu; Epheben sind auf der Strasse, Dionysos ist schon lange kein gelehrter Name mehr, französische Autoren lassen Hermeshaftes durch Bahnhöfe schimmern, Psychopompos im geringsten Detail von Abfahrt, Joyce reisst Ulysses durch einen Tag in Dublin. Das sind nicht nur Angelegenheiten einer Maske oder auch Form, keine frostigen Allegorieen wie in der klassizistischen Zeit, nicht einmal Symbole, sondern gerade in vielem Bliek auf die Welt scheinen griechische Revenants umzugehen, antikische Aura, die schwach, aber unverkennbar, nicht unecht und jedenfalls seltsam ist. Auch die Musik zu Oedipus hat Hörraum für Antikes; und eben für Antikes, das nicht mehr in einer ‘Kultur’, ‘Tradition’, sondern in jetzigen Hohlraum mit erscheint, in der Camera obscura dieser Zeit.
Problem Strawinsky. Die Rede kann hier nicht Ja, ja, Nein, nein heissen. Sondern Strawinsky ist Front, an der der Kampf geht. Auch ein Stück Morgendämmerung, mindestens Zwielicht, in dem man leicht Freund und Feind verwechselt. Traurig, dass das Publikum, das an die Opernfront kommt, so viel schlechter ist als das der Schauspiele. Die Oper ist ein Vergnügen des Mittelstands, der schreit, wenn geschossen wird, oder der satten Repräsentation. Fühlende, Wissende fehlen; als würden die Entscheidungen der Zeit nicht auch hier geschlagen. Ist das ein Unglück für die Oper, ja die Musik überhaupt, und für jeden Dirigenten, der nicht Gewohntes spendet (wir denken hier an Klemperer in Berlin, der Strawinsky zu seiner Sache machte, scharf, fanatisch, streng gelockert, transparent und unbegriffen), so besteht das Problem Strawinsky freilich auch an sich.
Gibt es Kunstgewerbe in Petruschka, Raffinement des ‘Nichtgekonnten’ in der Geschichte vom Soldaten? Vielleicht ist Strawinsky zu leicht, auch zu früh statisch, vielleicht verwaltet er wirklich, zuweilen, ‘Dynamitattentate und Lebensver-