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Boekennieuws.
Deutsche Kolonialreform. - Zweiter Teil von ‘Staatsstreich oder Reformen’. Zweites Buch. Verfasst von einem Ausland-Deutschen. Zürich, Druck und Verlag von Jücher & Forrer, 1905. - ‘Die Aufgahe des vorliegenden Buches ist eine einfache’, schreibt der Verfasser, ein im Ausland lebender unabhängiger, vielerfahrener Mann als Vertreter des mit dem deutschen Volke ‘unzufriedenen Ausland-Deutschtums’. Es soll 1. eine übersichtliche Darstellung der bisher über unsere Kolonialpolitik lautgewordenen Klagen, 2. der gemachten Besserungsvorschläge geben, 3. die wirtschaftlichen Aussichten unserer Kolonien beurteilen und endlich 4. als Hauptsache ‘ein ausführliches Programm einer künftigen deutschen Kolonialpolitik entwickeln’. Nach gründlicher Durcharbeitung des umfangreichen, über 900 Seiten enthaltenden Werkes muss ich leider sagen, der Verfasser hat recht; wir haben ‘ein teilweises Fiasko unserer bisherigen Kolonialpolitik zu beklagen’, und zwar sind die vielen Misserfolge in unseren überseeischen Sidelungen ‘fast immer selbstverschuldet’, hauptsächlich durch verkehrte Behandlung der Eingeborenen und einen in diesen Ländern ganz unangebrachten Bureaukratismus. Die Besserungsvorschläge des kenntnisreichen, vaterländisch gesinnten und wohlmeinenden Mannes, der sich überall auf die reichen Erfahrungen der Forschungsreisenden und Ansiedler stützt, scheinen mir, soweit ich mir in diesen Dingen ein Urteil zutrauen darf, meist zweckmässig und durchführbar. Der Stoff ist viel zu ausgedehnt und verwickelt, um hier im einzelnen besprochen werden zu können. Wer irgendwie als Beamter, Arzt, Soldat, Politiker, Volks- oder Landwirt, Kaufmann, Techniker, Viehzüchter sich mit überseeischen Kolonien zu beschäftigen oder in
ihnen zu arbeiten hat, der nehme das gehaltvolle und lehrreiche Buch selbst zur Hand. Die ‘einzige Bürgschaft für das Bestehen des deutschen Volkstums ausserhalb Europas’ kann nur ein freiheitlich eingerichtetes und die Unabhängigkeit der Völker anerkennendes ‘Weltreich’ bilden; nach diesem Hochziel muss das deutsche Volk mit allen Kräften streben, im Notfalle ‘selbst mit Einsetzung seiner ganzen Waffenmacht’. Als Grundlage derselben ‘hätte der mitteleuropäische Wirtschaftsbund und der Dreibund zu dienen’. Jeder einsichtige und vaterlandliebende Mann wird mit den Schlussworten einverstanden sein: ‘Das Ausland-Deutschtum ist heute noch unsere beste, stärkste und wichtigste deutsche Kolonie; es ist eine der lohnendsten Aufgaben der deutschen Staatskunst der Gegenwart, aus diesem Ausland-Deutschtum den grösstmöglichen nationalen Nutzen herauszuschlagen’.
Ludwig Wilser.
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Lissauer, A. Erster Bericht über die Tätigkeit der von der deutschen anthropologischen Gesellschalt gewählten Kommission für prähistorische Typenkarten, erstattet auf der 35. Vers. in Greifswald, mit 3 Karten. Berlin 1904.
Auf Grund der Berichte von 58 Mitarbeitern wird hier das erste Ergebnis der in Worms beschlossenen Sammelforsehung in übersichtlicher Weise mitgeteilt, und zwar die Verbreitung der Flach- und Randäxte, der Ruder-und Scheibennadeln und der Radnadeln in Deutschland. Sehr erfreulich und zeitgemäss ist es, dass der Berichterstatter mit den zumteil ganz unpassenden
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und veralteten Ausdrücken wie ‘Celt’ und ‘Paalstab’ aufräumt und dafür die allgemeinere Bezeichnung ‘Axt’ einführt. ‘Die ersten Metalläxte sind ja sicher aus Kupfer gegossen worden und zwar nach den Vorbildern der einfachsten keilförmigen Steinäxte, weil sowohl die Herstellung der Form als des Gusses nach diesen am leichtesten war.’ Die Randaxt war ‘daher ein grosser technischer Fortschritt’. Die Nadeln haben sich aus den schon ‘früh verbreiteten Rollennadeln’ entwickelt, zuerst mit einer Platte, dann mit einer Scheibe, schliesslich mit einem durchbrochenen Rad am oberen Ende. Je nach der Landschaft haben sich selbstverständlich örtliche Formen herausgebildet. Dass ‘die Bronze in die Rheinebene von Italien und der Schweiz, nach Oberdeutschland aber von Ungarn über Böhmen importiert und von beiden Seiten dann mehr oder weniger schnell bis zum Norden verbreitet worden ist’, scheint mir im Gegensatz zu dem Verfasser nicht ‘wahrscheinlich’, denn erstens sind ja die ältesten Kupferäxte nach den ‘Vorbildern’ der Steinäxte gegossen, deren Verbreitungszentrum in Nordeuropa liegt, zweitens sind die Flachäxte im Norden, in Skandinavien, England und Irland, ‘ganz besonders beliebt gewesen’ und ‘dort oft auf dem Klingenblatt und auf den Seiten schön ornamentiert’, drittens müssen wir sie als ‘die unmittelbaren Nachfolger der Kupferäxte’ betrachten, und eine so ausgebildete und ausgebreitete Kupferzeit wie in Europa gibt es ausserhalb unseres Weltteils nicht. Die Ansicht von einem südlichen und östlichen Ursprung der Bronze beruht zwar auf einem alten Vorurteil, nicht aber auf Tatsachen. Abgesehen von dieser Meinungsverschiedenheit ist
selbstverständlich der gründliche, durch Tabellen und Karten erläuterte Bericht für jeden Altertumsforscher unentbehrlich.
Ludwig Wilser.
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Montelius, O. - Das Rad als religiöses Sinnbild in vorchristlicher and christlicher Zeit. - Vom Verfasser genehmigte und durchgesehene Ubersetzung von A. Lorenzen. Mit 75 Abbildungen. Prometheus XVI, 16-18, 1905.
Der bekannte schwedische Altertumsforscher zeigt in dieser gründlichen, durch reichen Bilderschmuck erläuterten Abhandlung, dass das Rad, ‘ein uraltes Symbol der Sonne’, seit den ältesten Zeiten bei den Völkern Vorderasiens, Ägyptens und Europas im Gebrauch war und, mit entsprechender Umdeutung, auch vom Christentum beibehalten wurde. Dass es ursprünglich die als Scheibe gedachte Sonne darstellte und darum, wie der Donnerkeil (Doppelaxt, Thorshammer), dem Sonnen- und Himmelsgott heilig war, unterliegt nicht dem geringsten Zweifel. Nur darüber lässt sich streiten, wo die Verehrung der Sonne herstammt und von wo sich mit ihr auch ihre Sinnbilder, ausser Rad und Donnerkeil auch das Hakenkreuz (Svastika) und das Dreibein (Triquetrum) verbreitet haben. Bekanntlich sucht Montelius immer noch den Ursprung der ganzen nordischen Kultur, sogar der grossen Steingräber, im Morgenlande, eine Ansicht, die ich keineswegs teilen kann und seit einem Vierteljahrhundert mit naturwissenschaftlichen, archäologischen, sprachlichen und geschichtlichen Gründen bekämpfe! Unter diesen Gründen spielt die Verbreitung der Sonnenverehrung nicht die letzte Rolle, denn es liegt im Wesen der Sache, dass gerade im Norden die lebenspendende Sonne als wohltätige Kraft gefeiert und ihre Wiederkehr mit dankbarer Freude begrüsst wurde. Auch der Sonnendienst der Chaldäer und Ägypter lässt, wie ich an anderer Stelle gezeigt habe, deutliche Spuren seines nordischen Ur- | |
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sprungs erkennen. Die Tatsachen widersprechen überall der Ansicht des schwedischen Forschers: ‘in Skandinavien’, sagt er selbst, ‘treten die ersten symbolischen Räder mit vier Speichen im jüngeren Steinalter (3. Jahrtausend v. Chr.) auf’, während das älteste von ihm angeführte ähnliche Sinnbild, aus der Stadt
Sippara in Chaldäa, ‘aus der Zeit um 900 v. Chr. zu stammen scheint’. Auch der Umstand, dass das sinnbildliche Rad in der nordischen Eisenzeit seltener wird als in der Bronzezeit, spricht doch entschieden nicht für einen auswärtigen Ursprung. Montelius nimmt allerdings eine zweimalige Einführung an, in der Steinzeit und mit der Annahme des Christentums. ‘Als die nordischen Völker zum Christentum bekehrt wurden, wurde dies Symbol auch bei ihnen eingeführt.’ Es ist aber ein uraltes heidnisches und hat sich als solches, wie der Verfasser selbst anführt, im Norden noch bis auf unsere Zeit als Weihnachtsgebäck (zur Feier der Wintersonnenwende) und als Feuerrad zur Begrüssung des Frühlings, bei Hochzeiten u. dergl. erhalten. ‘Solche Gebräuche’, heisst es mit vollem Recht am Schluss, ‘bilden Bindeglieder zwischen Vorzeit und Gegenwart.... Namen und Formen wechseln, aber der Sinn lebt fort. Das Rad bezeichnete lange Zeiten hindurch den Sonnengott unter den wechselnden Namen, die er bei den verschiedenen Völkern der Erde führte. Das Rad ist noch heute das Symbol des Christengottes.’
Ludwig Wilser.
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Siebeneichen, poetische Erzählung aus der Zeit Friedrichs I. Barbarossa, von Fr. A. Kerrl. Berlin, Verlag der Hofbuchhandlung Karl Siegismund. (o. J.)
Die Vorliebe für lyrisch-epische Dichtungen ist in Deutschland noch immer nicht erloschen, mindestens die Vorliebe der Dichter für dieselben; ob auch die des Publikums - das ist eine Frage, welche die Verlagsbuchhändler am besten beantworten können. Die ‘Novellen in Versen’, wie Paul Heyse einen Teil seiner poetischen Erzählungen getauft hat, sind in Deutschland fast ebenso häufig wie die lyrischen Gedichtsammlungen; mit wenigen Ausnahmen haben beide gemein, dass sie den Buchhandel durch Nachbestellungen wenig beunruhigen, ihre Verdienste bleiben meist im stillen. Manche dieser lyrisch-epischen Dichtungen erreichen das Volumen eines alten Volksepos und wetteifern mit Homer in der Zahl der Gesänge; andere finden mit der ganzen Geschichte, die sie darstellen, in einer Nusschale Platz, ohne sonderliche stenographische Kunststücke. Im ganzen ist der grosse Umfang einer poetischen Erzählung schwerlich ein Vorzug; es sind zumeist gerade die kleineren, die von intensiverm Glanze leuchten, und sicherlich hätte das poesiereiche Werk von Fr. A. Kerrl bedeutend gewonnen, wenn der Dichter den sprudelnden Strom seines Könnens weislich einzudämmen vermocht hätte. Ob sich viele Leser in das Versemeer, das sich über vierhundertundsiebzig Seiten ergiesst, hineinwagen werden?
Die Dichtung versetzt uns in die glanzvolle Zeit der Hohenstaufen, führt uns in die wechselvollen Kämpfe Friedrich Barbarossas gegen das Pabsttum und die lombardischen Städte. In lebendigen Schilderungen werden uns die italienischen Kämpfe, der Aufstand in Rom und Mailand, der Kampf mit den Empörern, wird uns der Reichstag zu Köln und der zu Gelnhausen vorgeführt. Ein umfassendes Gemälde mit anschaulichen und anziehenden Bildern in klangvollen, fliessenden, farbenreichen Versen entrollt sich vor unsern Augen, ohne bei seinem Umfang den Bliek von dem eigentlichen Kern der
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Handlung abzulenken. Der Kern ist die reizvoll und anmutig entwickelte Erzählung von der Liebe Hermanns von Siebeneichen, des tapfersten und herrlichsten aller Ritter, und Ilses, der wunderlieblichen Tochter des gewaltigen Erbtruchsesses von Mainz, Hans von Sonnebühl, von den mannigfachen Hindernissen, die sich der Neigung der Liebenden entgegensetzen, und ihrer endlichen Beseitigung und Ueberwindung. Mit reicher Phantasie weiss Kerrl die vielen Verwicklungen und Situationen künstlerisch auszunutzen und mit edlem Schwung und plastischer, oft höchst energischer Kraft der Darstellung zu gestalten. Dabei gibt seine Begeisterung für Schönheit und Freiheit, für nationale Grösse und echte Humanität, die oft in klangvollen Ergüssen austönt, dem anmutreichen Epos eine edle, warme Haltung, die durch eine wohltönende, glänzende, von allen Härten freie dichterische Form mit dem Gepräge künstlerischen Adels getragen wird. Ohne Frage würde das Werk durch grössere Konzentration noch wesentlich gewonnen haben; doch auch so wendet man den gefälligen und lebendigen Bildern, selbst wo sie wie ein Arabeskenkranz um den Rahmen der eigentlich fesselnden Handlung schweifen, eine nicht unbedingte Teilnahme zu.
Dr. F. Norden.
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Oscar Bie: Handzeichnungen alter Meister. (Verlag Bard, Marquardt & Cie, Berlin.) - In diesem Werkenen, das der von Rich. Muther herausgegebenen Sammlung ‘Die Kunst’ (Preis Mk. 1.25) angehört, behandelt der Verfasser das grosse Gebiet mit prägnantester Kürze; fast die Hälfte des Büchleins ist den Holländern und Deutschen gewidmet. Ausstattung und Preis sind die bekannten billigen und vorzüglichen.
v. M.
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* - Die ‘Heidelberger Zeitung’ schreibt in ihrer Nummer vom 17. Juli 1095: ‘Die Ansicht, dass die alten Germanen schmutzige, kulturlose Barbaren waren, wird allmählich verlassen werden, nicht zum wenigsten dank der unermüdlichen Forschertätigkeit des Herrn Dr. Wilser, der es zu seiner Lebensaufgabe gemacht hat, Licht in die vielfach künstlich verdunkelte germanische Vorzeit zu bringen. Einen nicht unwesentlichen Teil dieser umfassenden Aufgabe hat er in einem Schriftenen gelöst, das sich Altgermanische Zeitrechnung’ betitelt und uns als Sonderabdruck aus dem 18. Bande der Verhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins (Karlsruhe, Braun'sche Hofbuchdruckerei) vorliegt. Wilser tritt in diesem Schriftchen mit guten Gründen für die Selbständigkeit der germanischen Zeitrechnung ein und er findet ausser in der alten Literatur eine starke Stütze in den nordischen Runenkalendern, die auf uraltes astronomisches Wissen schliessen lassen, dass in den Kalenderstäben für den praktischen jederzeitigen Gebrauch in ausserordentlich sinnreicher, man möchte sagen raffinierter Weise niedergelegt ist. Es fehlt auch die Andeutung nicht, dass Julius Cäsar vielleicht erst durch die bessere Ordnung der Zeitrechnung bei den ‘Barbaren’ veranlasst wurde, den römischen Kalender zu verbessern. - Eine andere Broschüre desselben Verfassers behandelt ‘Die Urheimat des Menschengeschlechts’ (Heidelberg, Carl Winter's Universitätsbuchhandlung). Sie ist ein erweiterter Abdruck des betreffenden Kapitels aus des nämlichen Verfassers ‘Urheimat der Germanen’. Dr. Wilser vertritt die Ansicht, dass da, wo die Erde sich zuerst abkühlte, dem Leben die erste Möglichkeit gegeben wurde, zu erwachen und sich bis zur Stufe des Menschen zu entwickeln. Da die
Gegend des Südpols aus Gründen, deren Auseinandersetzung hier zu weit führen würde, nicht in Betracht komme, so sei die Urheimat des Menschengeschlechts der Norden und Professor Klaalsch werde in Australien vergeblich nach derselben suchen.
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