Germania. Jaargang 7
(1905)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermdDie Feier der 75-jährigen Unabhängigkeit in Belgien.Man schreibt der Heidelberger Zeitung aus Antwerpen: Im September werden 75 Jahre verflossen sein, seitdem Belgien seine Unabhängigkeit erlangte, und zur Feier dieses Ereignisses rüstet sich jetzt schon das ganze Land, um in diesem Jahre allerlei Festlichkeiten von noch nie dagewesener Grossartigkeit und Mannigfaltigkeit zu veranstalten. Auf den Vorschlag des Ministers des Innern de Trooz hatte König Leopold bereits am 11. April 1903 eine von Wiesbaden aus datierte Kabinetsordre ausgefertigt, durch welche eine aus hervorragenden Persönlichkeiten zusammengesetzte Kommission ernannt wurde, mit der Aufgabe, das Programm der im Jahre 1905 stattzufindenden Festlichkeiten auszuarbeiten, und in der ersten Sitzung dieser Kommission ergriff der Vorsitzende, Minister de Trooz, das Wort zu einer hochbedeutsamen Begrüssungsrede, der wir einige auch ausserhalb Belgiens Beachtung verdienende Einzelheiten entnehmen. Nachdem der Redner darauf hingewiesen, dass die Belgier eine grosse geschichtliche Vergangenheit hinter sich hätten, ging er auf die friedliche Entwicklung des Landes seit dem Jahre 1831 über. Damals lebten in Belgien, so führte der Redner aus - nicht mehr als 3,785,314 Personen, heute dagegen ist deren Zahl auf fast 7 Millionen angewachsen. In der Zeit von 1886-1900 hat die Zahl der Analphabeten um 21 Prozent abgenommen, so dass im Jahre 1900 von den 15-25 Jahre alten Personen 90 Prozent Schulbildung besassen. Im Jahre 1857 besuchten 399,628 Schüler die unter Auf- | |
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sicht des Staates stehenden Schulen, eine Zahl, die heute auf 793,916 gestiegen ist, und in derselben Zeit ist die Zahl der Lehrer von 5931 auf 16,632 in die Höhe gegangen. Studenten gab es auf den belgischen Universitäten im Jahre 1831 1071, im Jahre 1900 dagegen 5265. Auch die materielle Entwicklung des Landes machte gewaltige Fortschritte. Im Jahre 1846 gab es in Belgien 114,751 Industrielle und 314,882 Arbeiter, das Jahr 1896 wies dagegen 326,089 industrielle Anstalten auf, die zusammen 1,108,244 Arbeiter beschäftigten. Ganz ungeheuer hat im Laufe der Jahre die Kohlen-produktion zugenommen. Von 1835-1900 stieg sie von 2,600,000 Tonnen im Werte von 25 Millionen auf 23 1/2 Millionen Tonnen im Werte von 403 Millionen. Auch die Landwirtschaft nahm an dem allgemeinen Aufschwung des Landes teil. Der Viehbestand Belgiens wuchs z. B. von 2 Millionen auf 3 Millionen Stück an. Die Länge der Landstrassen und Wege stieg in den Jahren 1846-90 von 3 Millionen auf mehr als 9 Millionen Kilometer, und die Länge der Eisenbahnen, die 1856 714 Kilometer betrug, hatte im Jahre 1900 4560 Kilometer erreicht, zu denen noch 1819 Kilometer Sekundärbahnanlagen hinzutraten. Im Jahre 1900 betrugen die Reineinnahmen der belgischen Staatsbahnen insgesamt 73 Millionen, und die Ausfuhr Belgiens belief sich auf 3297 Millionen gegen 160 Millionen im Jahre 1835. Seit 1846 hat der Wohlstand des Volkes beständig zugenommen. Die Arbeitslöhne haben sich verdoppelt, die Preise der unentbehrlichsten Gebrauchsgegenstände haben dagegen stark abgenommen, so dass der Arbeiter heute in weit besseren Verhältnissen lebt als vor 50 Jahren. Ein Beweis hierfür ist auch die beständige Zunahme der Sparkasseneinlagen. Im Jahre 1880 bestanden 197,956 Sparkassenbücher mit einem Gesamtwerte von 109 Millionen, heute dagegen beträgt die Zahl der ersteren 1,885,770 und ihr Wert 716,500,000 Francs. Die jährlichen Einzahlungen bei den staatlichen Sparkassen sind von 916,000 Francs im Jahre 1890 auf 5 Millionen im Jahre 1900 gestiegen. Es ist ein mächtiger Aufschwung, den das kleine Land seit | |
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75 Jahren genommen hat, und man kann es daher auch sehr wohl verstehen, dass die Belgier jenen Zeitpunkt, der die Grundlage und den Anfang ihres heutigen nationalen Wohlstandes bildet, jetzt in so ausserordentlicher Weise zu feiern gedenken. Die eigentliche Einleitung zu den bevorstehenden Festtagen bildet die Eröffnung der Weltausstellung in Lüttich am 27. April, und von da an werden bis Ende September in allen grösseren Städten Belgiens in fast ununterbrochener Reihenfolge teilweise wahrhaft grossartige Festlichkeiten stattfinden. Die Regierung und die Provinzialverwaltungen steuern zu diesen Festen, an denen sich auch kleinere Städte wie Brügge, Namur, Arlon etc. beteiligen, namhafte Summen bei, und in Antwerpen hat man z. B. 325,000 Francs bewilligt, wobei noch zu berücksichtigen ist, dass die bei den Festen mitwirkenden Vereine, Zivil- und Militärpersonen, ihre Dienste unentgeltlich angeboten haben. Die Festlichkeiten selbst werden in Fackelzügen, venetianischen Nächten, Regatten, historischen Zügen, musikalischen Aufführungen und der gleichen bestehen. Erfreulich ist es, dass die Belgier bei den bevorstehenden Jubeltagen derjenigen Nationen nicht vergessen haben, denen sie ihre noch immer bestehende Unabhängigkeit und damit auch ihre in mehr als einer Hinsicht beneidenswerteGa naar voetnoot(1) Lage verdanken. Gar manches freundliche und herzliche Wort ist bei dieser Gelegenheit auch in Bezug auf Deutschland gefallen, und wenn hierbei wiederholt der Hoffnung Ausdruck verliehen wurde, dass auch die Deutschen sich recht zahlreich in Belgien einfinden möchten, um an den diesjährigen Festlichkeiten teilzunehmen, so darf man eine solche Einladung keineswegs etwa auf geschäftliche Erwägungen zurückführen. Die Begeisterung, die in den Belgiern die Erinnerung an ihre Unabhängigkeits-Erklärung erweckt hat, kommt aus ehrlichem Herzen und ebenso ehrlich ist die Dankbarkeit, mit der | |
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sie gegenwärtig ihres mächtigen germanischen Nachbarn gedenken, zu dem sie in den letzten Jahren in Folge so mancher bedeutungsvoller Vorgänge - wir erinnern nur an die Heirat des Prinzen Albert mit der Prinzessin Elisabeth von Bayern, an den zunehmenden kommerziellen Verkehr zwischen Belgien und Deutschland, an die wachsenden Sympathien, die Kaiser Wilhelm hier geniesst usw. - ohnehin in ein nicht anders als aufrichtig freundschaftlich zu nennendes Verhältnis getreten sind. |
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