Germania. Jaargang 7
(1905)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermd
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Die Stellung der Niederlande zur Weltpolitik.Die Behauptung wird keinem Widerspruch begegnen, dass die jetzige politische Weltlage ernst ist und zu den verschiedenartigsten Bedenken Anlass gibt. Verschiedene neuere Veröffentlichungen und gelegentliche Aussprüche haben gezeigt, dass sich hinter den Kulissen der Weltpolitik in letzter Zeit mehr abgespielt hat und abspielt, als sich die landläufige Schulweisheit träumen lässt. Es kann nicht verwundern, dass, abgesehen von den möglichen Verwicklungen des ostasiatischen Krieges, besonders die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Deutschland und England die gespannteste Aufmerksamkeit jener Staaten beansprucht, deren geographische Lage sie gefährdet und die nicht in einem starken Heere die Sicherung ihres Bestehens besitzen. Es sind dies Holland und Belgien. Abgesehen von den Sorgen für die Wahrung der Neutralität in Ostindien verfolgt man in Holland mit Besorgnis die Gestaltung der allgemeinen Weltlage. Zwar ist die Presse, wie immer, eitel Harmlosigkeit; sie kümmert sich nur um die weltbewegenden Kammerwahlen im Juni. In klarsehenden, nicht chauvinistischen Kreisen des Volkes werden aber die Besorgnisse nicht verhehlt, dass Holland bei einer möglichen Auseinandersetzung zwischen England und Deutschland in die bedenklichste Lage kommen müsste und mit seiner grossen Küstenstrecke wahrscheinlich genötigt sein würde, sich einer der kriegführenden Mächte anzuschliessen. Besonders in Handelskreisen ist man recht pessimistisch gestimmt.
Gewiss sind diese Besorgnisse rein theoretischer Art, aber bei der bekannten Schwerfälligkeit holländischer Entschlüsse und der Langsamkeit, auch in den kleinsten Fragen, erscheinen sie kaum | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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verfrüht. Es bedarf keiner Versicherung, dass der erwähnte weitsichtige Teil des Publikums eine Festigung der niederländischen Lage nur in einem näheren Anschlusse an das unmittelbar benachbarte, engverwandte und befreundete Deutsche Reich sieht. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass unter der Wucht der Ereignisse der Gedanke eines, sei es auch losen, Bündnisses mit Deutschland grösseren Anklang findet. Dies lehrten mich persönliche Untersuchungen. Sehr allmählich beginnt sich auch die Presse etwas günstiger zu Deutschland zu stellen. Unter anderem ist jedenfalls die Tatsache bemerkenswert, dass eins der drei grössten Blätter des Landes, der ‘Telegraaf’, seit einiger Zeit deutsche Angelegenheiten von einem deutsch-holländischen Schriftsteller behandeln lässt, der sich offenbar bemüht, die noch vorhandenen Missverständnisse zwischen beiden Völkern möglichst zu beseitigen. Bisher anscheinend ohne sonderlichen Widerspruch. Das ist eine nicht unbedeutende Wendung, wenn man sich des wütenden Widerspruches erinnert, den in früheren Jahren hier ein deutsch-freundliches Wort herausforderte. Auch in anderen Punkten ist ein Umschwung bemerkbar. Es liegt sozusagen in der Luft, man kann es nicht mit unanfechtbaren Beweisen erhärten, man füht es. Eine gelegentliche Äusserung im Parlament, in der Presse, in Festreden und dergleichen mehr. So viel kann gesagt werden: die etwa 1898 begonnene und dann durch den Burenkrieg sehr begünstigte Aera der praktischen Vernunft steht hier zu Lande in voller Blüte.
Nicht theoretisch, sondern äusserst wirklich sind die Befürchtungen wegen der Neutralität Ostindiens. Aber auch hier die obenerwähnte Vogel-Strauss-Politik. Sämtliche niederländischen Zeitungen haben die Frage von ihren Juristen in langen Darstellungen behandeln lassen. Über die Rechtslage ist viel gescheites vorgebracht worden, aber das einzig vernünftige Wort stand in dem liberalen ‘Utrechtsch Dagblad’. Das Blatt stellt die Tatsache fest, dass Holland sich allein mit einigen wenigen schwachen Schiffchen die Rolle der Seepolizei zuerteilt sehe gegen zwei übermächtige Flotten ersten Ranges. Es sagt dann: ‘Sollte die Lage | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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für uns nicht weniger gefährlich sein, wenn wir durch ein Bündnis mit einer anderen grossen Macht im Rücken gedeckt wären?’ Dies ist in der Tat der springende Punkt; die theoretischen Abhandlungen der holländischen Presse sind geradezu ein Hohn auf die Sachlage. Glauben diese Blätter wirklich, dass Togo und Roschdjestwensky, wenn die Not an den Mann geht, erst die Paragraphen nachlesen werden? Für das Praktische fehlt den haarspaltenden Holländern meistens der Sinn. Praktisch ist aber ein Artikel in der neuesten Nummer der Zeitschrift ‘De Gids’. Der Marineoffizier J.P. van Rossum (ein niederländischer Klado, durch frühere Veröffentlichungen bekannt) betont darin, die Admiräle würden sich durch einen Einspruch Hollands gegen etwaige Schritte wenig stören lassen, wenn ihnen keine starke Macht gegenüberstände. Er zeigt dann, dass Holland an eine Verteidigung seiner Neutralität nicht denken kann. Es stehen dazu, sagt er, nur zwei Panzerdeckschiffe und sechs Torpedoboote zur Verfügung, da die kleinen Kreuzer fast wertlos sein werden. Der Krieg habe bis jetzt gezeigt, dass vor allem Panzerdeckschiffe nötig seien und dass sowohl hier wie in Indien die Wahrung der Neutralität in gewissem Sinne noch höhere Forderungen stelle als ein Verteidigungskrieg. Und man solle die Gefahren der Neutralität nicht unterschätzen, weil gerade diese Holland am leichtesten in einen Krieg verwickeln könne.
Der Verfasser bespricht dann die Notwendigkeit von Kohlenstationen in Ostindien für die Grossmächte. Wir weisen auf eine dahinzielende Bemerkung der ‘Nowoje Wremja’ hin: ‘Sollte die holländische Regierung sich nicht bereit finden lassen, uns eine der zahllosen Sundainseln oder Molukken zwischen Nordwest-Sumatra und holländisch Timor abzutreten? Oder wenigstens eine Bai auf einer grossen Insel, wo wir einen Hafen, ein Doek und eine Kohlenstation errichten könnten? Die niederländische Regierung würde uns wahrscheinlich für eine gewisse Summe einen geeigneten Platz überlassen, haben doch wir sogar den Vereinigten Staaten unsere amerikanischen Besitzungen abgetreten.’ Van Rossum | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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sagt nun: ‘Es ist nicht unmöglich, dass Russland zu diesem Zwecke Indien ausersieht. Der Umstand, dass dort Holland oft nur dem Namen nach herrscht, macht die Wahrscheinlichkeit und die Gefahr nicht geringer, da eine Besitzergreifung von anderer Seite dadurch einen Schein von Recht bekäme. Holland könnte das aber, wie klein die Insel auch wäre, wegen des damit geschaffenen Präcedenzfalles, niemals zulassen. Dennoch weiden gerade die neuesten Anschauungen über die Verpflichtung neutraler Mächte diejenigen Staaten, die wichtige Rechte und Ansprüche in Ostasien zu verteidigen haben, nötigen, sich in dieser Gegend ein Absteigequartier zu verschaffen.’ Der Verfasser schliesst mit der kräftigen Aufforderung, die Flotte schleunigst auszubauen. Dies ist ein vernünftiges Wort, das hoffentlich im Lande die nötige Beachtung findet. Wenn wir auch gewisse unbestimmte Gerüchte über Unterhandlungen in diesem Sinne für unbegründet halten, so rechnet man doch offenbar in maritimen Kreisen Hollands mit allen Möglichkeiten. Die zahlreichen Berichte über verdächtige Manöver japanischer Schiffe im Archipel - von denen die niederländische Presse überfliesst - können wir füglich fallen lassen. Ob eine Seeschlacht in dieser Gegend stattfinden wird, bleibt dahingestellt. Die Wege Roschdjestwenskys sind ja dunkel. Dennoch: wo immer ein Zusammenstoss erfolgen mag, wie auch der Krieg enden und die Lage in Ostasien sich entwickeln wird - der Ausbruch dieses Krieges hat für Hollands Kolonialbesitz in Ostindien eine dauernde bedenkliche Lage geschaffen. Man kann es den Leitern der niederländischen Politik nur mit aller Eindringlichkeit raten: achtet sorgfältig auf die Zeichen der Zeit!
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Zu dieser Frage lässt sich die in Berlin erscheinende ‘Nationale Korrespondenz’ folgendermassen aus:
Aus Holland kommende Nachrichten sprechen von der wach-senden Besorgnis, die dort in vielen Kreisen empfunden wird ob der Lage, die der ostasiatische Krieg für den niederländisch- | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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ostindischen Besitz geschaffen hat. Der Ministerrat ist seit Beginn dieses Jahres wiederholt in dieser Sache zusammenberufen worden, und es sollen im Auswärtigen Amt seltsame Verwirrungen herrschen. Dem Minister soll ein zur Zeit nicht aktiver Diplomat beigegeben worden sein, weil man seiner Leitung nicht genug traut. Bereits hat eine scharfe japanische Note, wie wir zuverlässig hören, die Haager Regierung hinsichtlich ihrer Neutralität in Ostindien gewarnt und das Amt in helle Bestürzung versetzt. Die vorhandenen Schiffe (‘Zeeland’, ‘de Ruyter’) sind nach Indien geschickt worden, wodurch die dortige Schutzflotte auf 3 Linienschiffe, 5 kleine Kreuzer und 6 Torpedoboote gebracht wird. Ein Kontreadmiral ist aus Holland zum Befehl dieser Flotte abgefahren. In Sabang, dem neuen Abgangshafen, sind mit fieberhafter Eile Verstärkungen angelegt, Truppen gelagert und weitere Vorkehrungen getroffen worden. Padang, Surabaja und andere Häfen im Archipel werden sorgfältig beaufsichtigt, und die strengsten Vorschriften über die Wahrung der Neutralität, sowie über die Geheimhaltung von Truppenbewegungen hat der General-gouverneur von Heutsch erlassen. Allerorten wird mit Hochdruck gearbeitet. Es muss sehr verwundern, dass Holland sich erst jetzt ernsthaft darauf zu besinnen scheint, welche mittelbaren und unmittelbaren Folgen dieser Krieg für seine Kolonien im malayischen Archipel notwendig haben wird. Seit Jahren drohte dieser Krieg. Die Holländer mussten die jetzigen Ereignisse mit Bestimmtheit erwarten. Trotzdem ist anscheinend nichts für die Sicherstellung dieser Kolonien, mit denen das Land steht und fällt, getan. In unbegreiflicher Nachlässigkeit hat man die Dinge an sich herankommen lassen. Auch jetzt noch scheint die massgebende Presse des Landes von dem Ernst der Lage wenig überzeugt zu sein. Man ist wirklich versucht, an das Wort zu glauben, dass die Götter blenden, wen sie verderben wollen. Es kann uns nicht gleichgiltig sein, was mit der Lebensquelle unseres Nachbarlandes, das uns nicht nur eng befreundet und | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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verwandt, sondern auch wirtschaftlich innig verbunden ist, geschieht. Verlieren die Holländer ihren ostindischen Besitz, so scheiden sie endgiltig aus der Reihe der bedeutenderen Staaten aus. Wirtschaftlich und politisch würde dieser Verlust den Zusammenbruch eines alten ehrenvollen Staates bedeuten. Wenn Spanien, von dem kolonialen Ballast befreit, gewissermassen einen neuen Aufschwung erlebte - Holland, das so ausschliesslich von den überseeischen Ländern zehrt, würde dadurch den letzten Schlag erhalten. Schon jetzt hält sich das stetig zurückgehende Land nur mit Mühe aufrecht. Anscheinend ist es leidlich gefestigt - der Verlust der Kolonien würde die innere Hohlheit und Hilflosigkeit mit erschreckender Deutlichkeit dartun. Wenn wir also versuchten, die Sachlage kurz zu kennzeichnen, so liegt diesem Versuch der aufrichtige Wunsch zu Grunde, die Holländer auf die ihre Existenz bedrohenden Gewitterwolken hinzuweisen.
In der Tat war die politische Weltlage noch selten, vielleicht noch nie, so ungünstig für Holland. Wir sehen ab von etwaigen europäischen Schwierigkeiten und beschränken uns auf die gefährdete Neutralität in Ostindien. Von allen Seiten kamen in den letzten Monaten Nachrichten über Aufklärungsfahrten japanischer Schiffe in den niederländisch-indischen Gewässern. Schiffe des Admirals Uriu sind vor Labuan (Borneo) erschienen. Zwei andere japanische Schiffe sind in Felok-Beton (Sumatra) eingelaufen und haben die dortigen niederländischen Vertreter (das Kriegsschiff ‘Mataram’ lag im Hafen) mit der grössten Geringschätzung und Unverschämtheit behandelt. Die Offiziere gingen an Land, sandten Depeschen nach Japan und verlangten energisch Kohlen. Auf die Weigerung der Holländer verliessen die Schiffe nur widerwillig den Hafen. Japanische Spione wurden bereits auf Java und Sumatra festgenommen, und alles weist darauf hin, dass Japan eine wohl-überlegte Taktik gegenüber Holland anwendet. Die niederländischen Kriegsschiffe, die bei Sabang (Nord-Sumatra) versammelt waren, sind jetzt in der Sunda-Strasse zusammengezogen worden. Es wird nämlich angenommen, dass Roschdjestwensky südlich um | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Java herum durch eine der Strassen bei Timor und dann weiter durch die Molukkensee östlich der Philippinen seinen Weg nehmen wird. Die Sunda- oder Malakkastrasse wird für die Russen nicht in Betracht kommen können, wenn sie, wie anzunehmen ist, Wert darauf legen, ihre Fahrt geheim zu halten. Die sozusagen stille südliche Seite Javas, die kleinen Sundainseln und das nur wenig bewohnte Timor, sowie der geringe Schiffsverkehr in dieser Gegend sichern dem russischen Admiral die möglichste Verborgenheit.
Die Baltische Flotte ist zwar noch immer um Madagascar herum, aber es scheint kein Plan zu bestehen, sie zurückzurufen. Die Aussendung eines vierten Geschwaders beweist das Gegenteil. Holland muss also mit einer Seeschlacht in seinen Gewässern ernstlich rechnen. Die Gefahr besteht nun nicht sosehr darin, dass Japaner oder Russen innerhalb des niederländischen Gebietes Kohlen einnehmen oder in einem Hafen vorübergehend weilen werden, sondern in der Notwendigkeit für Roschdjestwensky, in dieser Gegend eine Basis für seine Unternehmungen zu haben. Man bedenke, dass die Russen im indischen Ozean ohne jede Verbindung nach vor- oder rückwärts kämpfen müssen. Bis nach Wladiwostok ist es weit, und es wird wohl unmöglich sein, namentlich mit Bezug auf die Kohlen, die Stadt des Ostens mit heiler Haut zu erreichen. Es dürfte denn auch nicht überraschen, wenn die Russen Surabaja zu ihrer Operationsbasis machten. Der Hafen im Nordosten Javas wäre ihnen äusserst günstig. Mag damit auch ein Rechtsbruch verübt werden, wenn Roschdjestwensky in die Notwendigkeit kommt, wird er vermutlich sehr wenig zögern. Sehr beachtenswert sind einige Anspielungen russischer Blätter auf die erwünschte Abtretung niederländischer Inseln als Kohlenstationen an Russland. Dies ist unseres Erachtens für Holland das Bedenklichste der jetzigen Lage. Das Land würde durch eine gewaltsame Besitzergreifung sofort in den Krieg verwickelt werden und sich den Hass der Japaner in vollem Masse erwerben. Was aber sollen die Holländer gegen eine derartige Überrumpelung tun? Ihre Neutralität gegen die übermächtigen Flotten der | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Russen oder Japaner verteidigen können sie nicht. Nach allem, was man hört, sieht es mit der niederländischen Flotte ziemlich bedenklich aus. Sind wir gut unterrichtet, so beträgt der Gesamtinhalt der Kriegsschiffe noch nicht 30,000 t. Zudem werden die kleinen Kreuzer in diesem Falle sehr wahrscheinlich wertlos sein. Der innere Wert der ganzen niederländischen Flotte wird von Kennern sehr niedrig geschätzt. Aber abgesehen davon, vergleicht man die Machtverhältnisse und wird man sich über die ungeheure Ausdehnung des zu verteidigenden Gebietes klar - die Landverteidigung ist in einem geradezu trostlosen Zustande - so braucht man eigentlich kein Wort darüber zu verlieren: Holland kann Ostindien nicht verteidigen. Werden nun die übrigen Mächte sich bereit finden lassen, Holland in diesem Falie zu schützen? Können Einsprüche der Grossmächte gegen Übergriffe der Kriegführenden mit Grund erwartet werden? Wenn wir die Ereignisse auf Kuba, auf den Philippinen, in Transvaal u.s.w. in Erinnerung bringen, so glauben wir die Frage bereits beantwortet zu haben: Right or wrong; my country. Es wird davon abhängen, wie es den zunächst Beteiligten, England, Amerika und Deutschland, in den Kram passt. Vermutlich werden sich die Mächte nicht daran stossen, dass Haagder Sitz eines ständigen Schiedsgerichtshofes ist. Irgend eine Hilfe haben die Holländer wohl nicht zu erwarten. Ihre selbstgefällige, nur für den Tag sorgende Politik hat sie bisher jeden Versuch auf Anlehnung an einen Stärkeren verschmähen lassen. Vollständig isoliert, ist das Land heute dem Wohlgefallen seiner Feinde preisgegeben. So ist denn der Horizont für Holland zur Zeit recht dunkel. Wie er erst werden wird, wenn Japan, gleichviel ob es siegt oder nicht siegt, die Chinesen zu organisieren und auch nach Süden vorzudringen beginnt, - das ist eine Frage, die wir heute nicht berühren wollen. Wenn es soweit kommt, würde jede Überlegung überflüssig sein. Noch aber ist Musse dazu. In dieser sehr ernsten Zeit verschieben sich viele Machtverhältnisse. Was | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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werden die Holländer tun? Werden sie versuchen, einige befreundete Mächte an ihrem Kolonialbesitz teilnehmen zu lassen? Werden sie dem eindringlichen Notschrei der Amsterdamer Zeitung ‘Der Telegraaf’ folgen und versuchen, ein Schutz- und Trutzbündnis mit dem Deutschen Reiche zu schliessen? Versuchen sagen wir, denn es mag sehr zweifelhaft sein, ob Deutschland geneigt wäre, sich in dieser heiklen Sache für die Holländer die Finger zu verbrennen. Werden sie es versuchen? Wir wissen es nicht, wollen auch heute nicht untersuchen, was sie am besten tun könnten. Das aber wissen wir, dass wohl noch nie so ernste Ansprüche an die Regierung unseres kleinen Nachbarstaates gestellt wurden. Hoffen wir zum Vorteil dieses stammverwandten Volkes, wie auch zu unserm eigenen, dass die heutigen niederländischen Machthaber sich der Lage voll gewachsen zeigen werden. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Deutschland und die Niederlande.Ein neuer Beweis dafür, dass man in Holland, wenn auch mehr der Not gehorchend als dem eigenen Triebe, neuerdings freundschaftlicher nach Deutschland hinüber zu schauen beginnt, ist die entschiedene Stellungnahme der Amsterdamer Zeitung ‘De Telegraaf’ zu Gunsten eines Schutz- und Trutzbündnisses mit Deutschland, worauf soeben von der Nat. Korrespondenz hingewiesen wurde. Nicht nur ein Zollverband, nein, ein regelrechtes Bündnis zwischen Holland und Deutschland befürwortet das Blattt. Die Zeitung wird seit einiger Zeit in deutsch-freundlichem Sinne geleitet. Bis zu der jetzigen, wenn auch von privater Seite herrührenden, - der Verfasser ist ein niederländisch-indischer Beamter - so doch von der Redaktion gedeckten lebhaften Empfehlung eines Bündnisses ist aber noch ein weiter Schritt. Dieser Schritt könnte ein Wagnis heissen, wenn das Blatt nicht über die Stimmung seiner Leser genügende Sicherheit hätte. Und dies gibt der Stellungnahme des Blattes grössere Bedeutung. Als neutrales Organ hat der ‘Telegraaf’ keine Partei hinter sich, sodass die blosse Anpreisung | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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des Bündnisses keine tiefere Bedeutung hat. Die Tatsache aber, dass zum ersten Mal ein grosses holländisches Blatt unter ausdrücklichem Hinweis (im Titel) auf die ‘kritische Lage der niederländischen überseeischen Besitzungen’ zu einem Zusammengehen Deutschlands und Hollands auffordert, wird im Lande ihren Eindruck nicht verfehlen.
Versuchen wir von den fünf Spalten langen Artikeln eine Uebersicht zu geben. Zunächst wird die Stammverwandtschaft besprochen und werden die Gründe der uralten, aber um 1870 wieder neubelebten Abneigung der Holländer gegen die Deutschen dargelegt. In demselben Sinne sprach vor Monaten der deutsche Mitarbeiter des Blattes, indem er den verschiedenen Missverständnissen zwischen hüben und drüben nachspürte. Jetzt ist es aber ein Holländer, der es sagt, dass Deutschlands (besonders Preussens) gewaltiger Aufschwung auf allen Gebieten der Hauptgrund des Widerwillens war. Die Geschichte wiederholt sich - heute in England. Der bescheidene, träumerische, gutwillige und arme Deutsche sollte jetzt plötzlich mit die Welt beherrschen. Der reiche Holländer, der sich von altersher über den ‘Mof’ lustig gemacht - wie alle andern auch - sollte jetzt den Michel achten, ja, er musste ihn fürchten. Das konnte nur Erbitterung zeugen. So kam es, dass die Holländer sich gegen ein Volk ereiferten, das ihnen niemals ein Leid zugefügt, während sie ihre Todfeinde, England und Frankreich - der Verfasser betont es mit aller Offenheit, - ehrten und liebten. Eben deshalb, möchten wir sagen, weil sie von Deutschland nie etwas Unerfreuliches gespürt hatten, rechneten die Holländer nicht mit den östlichen Nachbarn. ‘Mit dem Begriffe Deutscher’ - sagt der Verfasser schlagend, ‘verband man in Holland und verbindet man noch mitunter die Begriffe Bedürftigkeit, schlechte Kleider, Schäbigkeit, Servilität und viel Fleiss für wenig Lohn.’ Besonders der Fleiss wird, fügen wir hinzu, den Deutschen immer vorgeworfen von solchen, die auch vorankommen möchten, wenn es nur nicht so mühsam wäre.
Der Verfasser bespricht dann mit grossem Lobe den ausseror- | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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dentlichen Aufschwung der deutschen Industrie, Schiffahrt, Kolonialpolitik, der grosszügigen Sozialreform und Hebung des gesamten Wirtschaftslebens. Er liefert eine fleissige, geschickte Zusammenstellung der verschiedenen Berührungspunkte zwischen Holländern und Deutschen. Er betont die Übereinstimmung im Glauben, in der Regierungsform, in so manchen öffentlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen und - wenn auch nicht an der Oberfläche liegend - im Volkscharakter. Ausführlich legt er dar, dass die Gefühle der Hochachtung vor dem Deutschen dem Hass, der Furcht und dem Neid gefolgt sind. Sehr richtig schildert er den grossen Einfluss, den Deutschlands Friedenspolitik auf die Holländer ausgeübt hat. Wie die Angst vor Bismarcks Kürassierstiefeln - eine beliebte Formel - so dürften auch die Besorgnisse, die man an das Auftreten Kaiser Wilhelm II. knüpfte, sich in Wohlgefallen auflösen. Die verschiedenen Liebenswürdigkeiten, die der Kaiser den Holländern erwies, - die Ehrung des Andenkens des Admirals De Ruyter beim Besuche des Kaisers in Holland 1891, die Einführung niederländischer Melodien bei Heer und Flotte, der ausserordentlich herzliche Empfang der Königin u.s.w. - werden in die richtige Beleuchtung gerückt, was wahrlich Not tut gegenüber den vielen Verunglimpfungen des Kaisers in Holland. Ueberhaupt kann die ganze Darstellung des Verhältnisses zwischen beiden Ländern sehr viel nützen. Namentlich die wirtschaftlichen Gründe, die der Verfasser mit aller wünschenswerten Offenheit und ohne jede Rücksichtnahme darlegt, werden den Holländern vermutlich sehr einleuchten.
Wie wir es seit Jahr und Tag getan, weist der ‘Telegraaf’ auf die sehr grosse Abhängigkeit Hollands vom deutschen Hinterlande hin. Dem zum weitaus grössten Teile zu Deutschland gehörigen Rhein verdankt Holland einen beträchtlichen Teil seines nationalen Einkommens .... Rotterdam hat dadurch seine Hauptbedeutung als Welthafen bekommen und jeder Fortschritt des Ruhrgebietes macht sich sofort auch in Rotterdam bemerkbar..... Man würde es als einen grossen nationalen Verlust betrachten | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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wenn Schiffahrtsabgaben auf dem Rheine erhoben würden. Der Dortmund-Emskanal und die neu zu bauenden Kanäle wären weitere Einnahmequellen für Holland. Der Verfasser hätte noch die grosse Ausfuhr von Gemüse, Früchten, Fisch, Butter (und sogenannter Butter), Käse, Fleisch u.s.w. nennen können. Umgekehrt führt Deutschland in so grossem Masse nach Holland aus, dass man ruhig sagen kann, die In- und Ausfuhr Hollands betreffe weitaus am meisten Deutschland. Schon die Gärtner, Kohlzüchter und Erdbeerenpflanzer allein liefern für viele Millionen ins deutsche Hinterland.
Alsdann werden die gemeinschaftlichen Regelungen besprochen, die beide Länder neuerdings haben, das Kabelabkommen in Indien, die Freimachung des Getreidehandels vom englischen Markt und das angeregte, wenn auch noch nicht beschlossene Postabkommen. Hier wäre noch zu nennen gewesen die Ausdehnung und Verbilligungdes Telephonbetriebes, wodurch im letzten Jahre, wie soeben bekannt wird, etwa 30,000 Gespräche mehr gehalten wurden. Dies ist namentlich auf den Anschluss vieler kleiner holländischer Landstädtchen zurückzuführen. Also ein Beweis grösseren Handels nach Deutschland und ein Beweis zu Gunsten eines Postvereins. Der Verfasser weist ferner auf die zahllosen Holländer, die an deutschen Hochschulen, technischen und Gewerbeschulen eine billige und vorzügliche Ausbildung erhalten, auf die vielen Aerzte, die in deutschen Krankenhäusern ihre Lehrzeit durchmachen, auf die deutschen Professoren in Holland, auf die neuerlichen Verbindungen im Kunstgewerbe (Krefeld, Elberfeld, Weimar), auf den Austausch von Sommerfrischlern, auf das Erscheinen vieler holländischer Gelehrtenbücher in deutscher Sprache, auf den gewaltigen Verbrauch deutscher Bücher und Zeitungen in Holland und die Uebersetzung sämtlicher guten literarischen deutschen Neuheiten - und auf vieles mehr.
Aber wir müssen uns beschränken. Kommen wir zu den Hauptpunkten der ‘Telegraat’-Artikel. Der Verfasser empfiehlt einen Postverein, ein Zollbündnis, wie zur Zeit des ‘Zollvereins’, ein- | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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heitliche Zustände im Eisenbahnwesen (Angliederung an das deutsche Eisenbahnnetz), Zusammengehen in kolonialen Fragen und eine beschränkte Einigkeit in Heer und Flotte. Die ersten drei Punkte werden ausführlich beleuchtet; sie sind unseren Lesern genügend bekannt. Über den letzten geht der Verfasser leicht hinweg. Aber den dritten nennt er den schwierigsten.
Meiner Ansicht nach ist gerade das Militärbündnis die schwierigste, weil heikelste Frage. Gerade hier muss sehr schonend vorgegangen werden. Der ‘Telegraaf’ befürwortet ein bedingtes Offensiv- und Defensiv-Bündnis. Holland könne Deutschland nicht helfen, wenn letzteres aus weiterliegenden Gründen Krieg führe, wohl aber müsste Deutschland Holland unterstützen, wenn etwa die Türkei Ansprüche machte auf die indischen Besitzungen, auf Grund der Tatsache, dass dort Millionen von Mohamedanern leben. So wäre auch ein Zusammengehen festzusetzen für den Fall eines Kolonialkrieges mit England, Frankreich oder den Vereinigten Staaten. Heer und Flotte wären in Holland zu organisieren, eventuell zu vergrössern und umzubilden, im Einvernehmen mit den deutschen leitenden Militärs. Hollands Heer und Flotte, von wie geringem Wert an sich, würden den deutschen Streitkräften eine willkommene Verstärkung sein. Das Ganze würde eine grosse Sicherheit bieten für den Kolonialbesitz beider Länder. Möglicherweise könnten auch die Ausgaben später nach und nach verringert werden. Jedenfalls würden die Millionen nicht mehr, wie bisher, ins Wasser geworfen. Es ist keine Lust, als Militär heute in Holland zu leben. Mit preussischem Drill dürfte man den Holländern aber nicht kommen. Schon jetzt kracht das Heergebäude in allen Fugen, weil Minister Borgesius preussisch - militärische Sympathien hat. Jedoch, wie oben gesagt, es ist neu, dass in einem holländischen grossen Blatte in diesem Sinne gesprochen wird. Was die Kolonien betrifft, so empfiehlt der Verfasser einen Zusammenschluss in folgender Weise. Holland behält den Besitz und die Verwaltung der Kolonien, aber diese werden den Deutschen | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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so weit als möglich geöffnet, so dass sie wirtschaftlich halbdeutsches Gebiet sein würden. Deutschland bekäme das Recht zur Gründung von Flotten- und Kohlenstationen. Der Verfasser meint nicht eine kleine Insel, sondern die bereits bestehenden Einrichtungen in Soerabaya, Sabang oder Langtar kämen hier in Betracht. Natürlich nur pachtweise. Deutschland müsste dann die niederländischen Kolonien mit seinem diplomatischen Einflusse oder auch mit der eisernen Faust gegen Dritte verteidigen. Auch eine gemeinsame Konsularvertretung wäre zu wünschen. Ob Deutschlands Hilfe auch bei Kriegen mit Eingeborenen zu erstreben sei, meint der Verfasser bestätigen zu können. Schon der moralische Einfluss dieser Hülfe würde gross sein. Deutschland würde in den wirtschaftlichen Vorteilen genügende Entschädigung finden. Für einen Atjeh Krieg? Ueberhaupt stellt sich der Verfasser die holländische Gegenleistung wohl etwas zu bescheiden vor. Die Holländer müssten dieselben Rechte in deutschen Kolonien bekommen. Durch einen Austausch von Beamten könnte man die gegenseitige Erfahrung benützen. Was könnte deutsche Tatkraft nicht aus diesen reichen Gebieten machen! Der Verfasser weist dann auf die grossen Gefahren hin, die den Kolonien, namentlich von Japan drohen, auf die Wehrlosigkeit dieser grossen Länder, sowie auf die jetzt durch Japans Aufschwung erstarkende Chinesengefahr auf Java. Er sagt, für Holland seien die Kolonien zu gross. Ihre Verwaltung übersteige seine Kräfte. Immer neue Pflichten und Schwierigkeiten tauchen auf. Die Eroberung und Beherrschung neuer Landesteile erfordern stets grössere Opfer. Und diese Opfer, fügen wir hinzu, werden fast nie vergütet, da den Holländern vor allem die Mittel fehlen, die Kultur in grossem Masse zu betreiben. Der ‘Telegraaf’, man sieht es, spricht ganz im Sinne unserer früheren Ausführungen. Als ein höchst bedenkliches Zeichen für die durch Japans Aufschwung in Indien erwachsende Eingeborenen-gefahr verzeichne ich noch die bei allen Kennern mit grossen Bedenken vernommene Tatsache, dass die Chinesen auf Java allerorten ihre Zöpfe abschneiden. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Der ‘Telegraaf’ kommt also zu dem Schlusse, dass ein Bündnis mit Deutschland auf jeden Fall zu wünschen sei. Holland werde trotzdem völlig unabhängig bleiben, es brauche nicht einmal Bundesstaat zu werden. Die gewohnten Befürchtungen seien durchaus hinfällig. Das Bündnis würde ein hervorragendes Friedenswerk sein und der Verfasser hofft eindringlich, dass die Holländer jetzt ihre traditionelle Engherzigkeit und Kleinlichkeit aufgeben möchten, damit Holland nicht einen jähen Absturz erlebe. Er schliesst pessimistisch mit einer Anlehnung an Freiligrath: O schaff', so lang du schaffen kannst. Aber gewiss, wir werden nicht an Gräbern zu klagen brauchen. Das einsichtsvolle ‘Utrechtsch Dagblad’, das seit langen Jahren mit ungeschwächter Kraft auf dies hochpatriotische Ziel hinweist, steht jetzt in seinem schweren Kampfe gegen blödes Vorurteil nicht mehr allein. Die Holländer besinnen sich. Ohne, wie schon gesagt, die Bedeutung der ‘Telegraafartikel’ zu überschätzen, kann man doch sagen: die Zeiten ändern sich. Aber allmählich, sehr allmählich. Wenn nur die Weltgeschichte nicht mit plumpen Eisenfäusten dreinhaut! * * *
Aus allem geht hervor, dass sich in Holland ein grosses Unbehagen wegen der gefährdeten Stellung der ostindischen Kolonien zu verbreiten beginnt. Wir können diese Andeutungen dahin vervollständigen, dass tatsächlich im Haag ernstlich an eine Aenderung der auswärtigen Stellung Hollands gedacht wird. Es ist klar, dass sich diese Aenderung hauptsächlich auf die Sicherung des Kolonialbesitzes beziehen muss. Nicht unmöglich erscheint es aber, dass man noch einen Schritt weiter gehen wird. Es ist wahrscheinlich, dass diese Aenderungen auf einem Kongress der Mächte, den der Friedensschluss in Ostasien nötig machen wird, zur Veröffentlichung kommen werden. Einstweilen seien hier einige Presstimmen wiedergegeben, die für die Lage in mancher Hinsicht bezeichnend sind. Die Haltung des in Amsterdam erscheinenden antirevolutionären | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Hauptblattes ‘De Standaard’ ist da sehr bemerkenswert. Eine eigentliche offiziöse Presse hat das parlamentarisch regierte Holland nicht. Die jeweiligen Parteiblätter gelten als halbamtlich. Im ‘Standaard’ nun erscheinen von altersher die berühmten ‘Asterisken’, Drei-Sternchen-Artikel, worin Dr. Kuyper, der ein Menschenalter die Zeitung leitete, sich persönlich vernehmen lässt. Diese Artikel bringt der ‘Standaard’ auch heute noch. Ihr Inhalt hat also die grösste Bedeutung. Kürzlich hatte nun das Blatt eine Betrachtung über die niederländische Flotte, die auch unseren Artikel ‘Hollands Stellung zur Weltpolitik’ streift, und die darin gipfelt: Holland kann Indien nie verteidigen. Der ‘Standaard’ weist auf die Gefahren in Ostindien und auf ‘Gewitterwolken von anderer Seite’ hin. Er bemerkt, wenn man der Eingeborenen völlig gewiss wäre, könnte vielleicht auf eine Sicherheit gerechnet werden. Jetzt aber bliebe nur die Flotte und das Heer. Sollte aber die Flotte im stande sein, einen Angriff z. B. Japans abzuschlagen, so müsste sie mindestens verdoppelt werden. Sehr nüchtern rechnet das Blatt dann vor, dies würde etwa 500 Millionen Mark kosten, mit jährlicher Ausgabe von 40 Millionen. Nur für Indien. Alle zwölf Jahre werde man neu beginnen müssen. ‘Und rechnen wir mit anderen europäischen Flotten, die uns bedrohen können, so sind wir damit noch durchaus nicht gedeckt.’ Mit Bezug auf den Verstärkungsvorschlag eines anderen Blattes spricht der ‘Standaard’ von ‘einem Brande, den man löschen will mittelst einer vorher bereit gestellten Kanne mit Wasser’.
Die zweite Aeusserung des ‘Standaard’ betrifft die Verabschiedung des Auslandsministers. Auch hier der pessimistische Ton. Melvil ging, - das steht zwischen den Zeilen - weil er der Lage nicht gewachsen war. ‘Seit einem halben Jahrhundert hatten wir fast keine auswärtige Politik. In den letzten zehn Jahren aber ist ein Prozess in der europäischen und Weltpolitik im Gange, der fortwährend auch Hollands Namen hineinmischt, namentlich mit Bezug auf unsere Kolonien.’ Darauf aber, fährt das Blatt fort, ist unser Auswärtiges Amt längst nicht mehr eingerichtet. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Es sei eine Frage vom höchsten Belang, in diesem Punkte die Zustände zu verbessern. Holland habe leider keine grossen Kräfte, wie den kürzlich in Brüssel verstorbenen Lambermont. Man sucht also eine grosse Persönlichkeit für die kommende schwierige Zeit. Dr. Kuyper selbst beabsichtige, das Auswärtige Amt zu leiten. Ferner geht aus dem sehr diplomatisch gefassten Artikel hervor, dass bereits Verwicklungen mit dem Auslande vorliegen, die zu ernsten Besorgnissen Anlass geben (mit Japan nämlich). Schliesslich kommt der ‘Standaard’ nochmals auf die Kolonien zu sprechen. Wieder betont das Blatt die dringende Gefahr und wundert sich darüber, dass mit wenigen Ausnahmen (Utrechtsch Dagblad. Telegraaf) die ganze Presse darüber schweigt. (Das weisheitsvolle ‘Handelsblad’ erklärt übrigens recht arglos: Wir sind imstande, unsere Neutralität kräftig zu behaupten! ‘Und doch’, fährt der ‘Standaard’ fort, ‘kann dies für uns Sein oder Nichtsein bedeuten.’) * * *
In aansluiting aan voorgaande beschouwingen van onzen duitschen medewerker laten we hier de artikels waarop gezinspeeld wordt, ongewijzigd noch onverkort volgen. Het Utrechtsch Dagblad schreef: | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Vlootbouw.I.In het Voorloopige Verslag der Eerste Kamer wordt de noodzakelijkheid van den aanbouw van meerdere schepen voor onze vloot juist en bondig op vier gronden aangetoond.
Wij moeten een zoo sterk mogelijke zeemacht hebben:
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Deze vier stellingen zijn elk op zich zelve zoo duidelijk, en zoo waar, dat het niet noodig zal zijn, na wat wij reeds betoogd hebben, ze nog te omschrijven. Een mogendheid als Nederland, die door zijn uitgestrekte en dichtbevolkte bezittingen in Oost-Azië tot de staten van den tweeden rang wordt gerekend, behoort eene vloot te bezitten, ten minste aan die van Oostenrijk gelijk en overtreffende die van Zweden, Noorwegen of Denemarken. Hoeveel daaraan helaas nog ontbreekt, hebben wij vroeger reeds gezien. Meer dan ooit te voren is het belang van een goede vloot voor een staat, die er prijs op stelt geen quantité négligeable in het concert der volkeren te wezen, in den jongsten tijd gebleken. Japan heeft het aan zijn vloot, die zich aanstonds als de meerdere der Russische uitwees, - en aldus voor het landleger den weg vrijmaakte om den tegenstander terug te werpen, - aan zijn vloot vooral heeft Japan het te danken, dat het thans door de groote mogendheden als huns gelijke wordt erkend. Het lot van Rusland daarentegen leert een ieder welke bittere gevolgen voor het aanzien van een staat voortvloeien uit een terugblijven zijner machtsontwikkeling ter zee. Klaar en duidelijk staat sinds den Spaansch-Amerikaanschen oorlog en nog meer sinds de Russisch-Japansche worsteling de beteekenis van de zeemacht in den strijd der volken voor aller oogen. En daarom heerscht dan ook op alle scheepswerven over de geheele aarde de meest koortsachtige bedrijvigheid. In de Vereenigde Staten van Noord-Amerika stelt de publieke opinie reeds den eisch, dat de vloot bij die van geen andere natie mag achterstaan. Men ziet daarbij Engeland over het hoofd; maar toch heeft zulk een eisch symptomatische beteekenis. Na de En- | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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gelsche is de Amerikaansche vloot inderdaad op weg om de sterkste der wereld te worden. Aan de voltooiing van 13 linieschepen, 11 groote pantserkruisers en 2 beschermde kruisers wordt er op de werven gearbeid en de aanbouw van nog 3 linieschepen van 16000 ton elk en tal van andere kleinere oorlogsvaartuigen wordt voorgesteld. In Duitschland ontstaat onder de leiding van den ‘Deutschen Flottenverein’ een machtige beweging tot bespoedigde uitvoering van de beraamde uitbreiding der vloot. Deze Vereeniging maakt propaganda voor den aanbouw van nog tien eerste-klasse slagschepen. Frankrijk geraakt onder de desorganisatie, die de demokratische stroomingen in het bestuur van dat land veroorzaken, in de achterhoede. Maar in Oostenrijk en in Italië zijn de regeeringen door het streven bezield om de oorlogsvloot, naarmate de financieele krachten dier rijken het gedoogen, op de hoogte van den tijd te brengen. Het sterkste voorbeeld van toerustingen ter zee geeft echter Engeland. In welk tempo daar te lande aan de vermeerdering van de vloot wordt gewerkt, blijkt uit het volgende overzicht over het afgeloopen jaar. In het jaar 1904 werden daar namelijk in dienst gesteld en bij de vloot ingedeeld: 5 slagschepen, 6 pantserkruisers, 1 beschermde kruiser en 1 torpedojager. In datzelfde jaar werden van stapel gelaten daarenboven:
6 slagschepen, 8 pantserkruisers, 3 beschermde kruisers, 6 kleine kruisers voor dépêche- en verkenningsdiensten, 18 torpedojagers, 4 torpedobooten. In datzelfde jaar werden eindelijk op stapel gezet: 4 slagschepen, 8 pantserkruisers, 2 kleine kruisers, 21 torpedojagers en 10 onder-zeesche booten. Nu kan zich met Engeland geen zeemacht ter wereld vergelijken; maar toch kan het zijn nut hebben om dit uiterste van | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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krachtsinspanning op maritiem gebied zich voor oogen te houden. Wanneer Engeland, wiens financiën toch ook niet onuitputtelijk zijn, in één jaar tijds zijn vloot met 15 linieschepen van den eersten rang, 22 pantserkruisers van weinig geringer waterverplaatsing, en dan nog ettelijke beschermde kruisers en kleinere schepen kan vermeerderen, dan kan men toch bezwaarlijk verwachten, dat Staaten van den tweeden rang aan hun verplichtingen zouden beantwoorden, door in het geheel niets de doen. De bevolking van Groot-Brittannië is nauwelijks achtmaal talrijker dan die van ons Rijk in Europa; in een jaar tijds brengt zij echter een uitbreiding der vloot met circa 600.000 ton tot stand. Onder die omstandigheden moet het des te meer bedroeven dat er ten onzent onder onze volksvertegenwoordiging zelfs liberalen waren, die hun stem uitbrachten tegen eene vermeerdering van onze vloot met één, zegge één klein pantserschip van 5000 ton. Wij leven in een tijd, waarin wereldhistorische gebeurtenissen zich voorbereiden; het weerlicht aan den horizont in verre werelddeelen; en niemand vermag met zekerheid te zeggen wanneer groote vraagstukken aan de orde zullen komen, die naar Bismarck's woord slechts met bloed en ijzer op te lossen zijn. Wee dan diegenen onder de volkeren, die zelfs dat verzuimd zullen blijken te hebben, wat naar de mate hunner krachten redelijkerwijs van hen verwacht worden kon. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
II.Aan Nederland is de taak opgelegd de politie ter zee te handhaven in den Nederlandschen Oost-Indischen Archipel, voor het geval een der beide vloten van de oorlogvoerende mogendheden Rusland en Japan, de neutraliteit mocht schenden. Tot het neutrale gebied behooren de kusten der eilanden van onzen Archipel met hunne havenplaatsen en een strook van drie zeemijlen daarom heen, uit de laagwaterlijn getrokken. Vele der zeeëngten vallen dus mede binnen het neutrale Nederlandsche gebied. In dit neutrale gebied mogen geen vijandelijkheden worden toe- | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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gelaten, uit de havens mogen de oorlogvoerende partijen niet gelijktijdig vertrekken, en in de havens mogen door de oorlogvoerende partijen slechts zooveel kolen worden ingenomen, als noodig is om de naastbijliggende neutrale haven te bereiken. Meer dan drie oorlogschepen van elke partij worden in onze havens niet toegelaten. In geval deze bepalingen worden overschreden ten gunste van een der beide partijen, zoo heeft de andere oorlogvoerende partij het recht de neutrale mogendheid te beschouwen als in verbond met de begunstigde partij en haar mitsdien als vijandige mogendheid te behandelen. Aan handhaving der neutraliteit is dus veel gelegen, vitale belangen zijn daarmee gemoeid. De vraag is alzoo van groot praktisch belang, welke macht de neutrale mogendheid Nederland ter zee zal kunnen ontwikkelen, ten einde hare verplichtingen en rechten als neutrale mogendheid - niet op het papier - maar metterdaad, te doen gelden. In de Nieuwe Courant van 12 en 13 dezer troffen wij nu omtrent de sterkte der beide vijandige vloten enkele opgaven aan, die in deze alzoo ten zeerste de aandacht, verdienen. Volgens een der Japansche bladen heeft admiraal Togo de beschikking over de volgende schepen:
Slagschepen: vijf: Mikasa, Asahi, Sjikisjima, Foedzji en Jasjima. Pantserkruisers: acht: Isoema, Iwate, Asama, Tokiwa, Atsoema, Jakoema, Kasoega en Nisjin. Kruisers: veertien: Takasago, Kasagi, Tsjitose, Itsoekoesjima, Hasjidate, Matsoesjima, Naniwa, Takitsjiho, Akitoesjima, Nitaka, Tsoesjima, Soema, Akasji, Itsoemi. Wij hebben gegevens omtrent de gevechtswaarde dezer schepen opgezocht en vinden: De slagschepen Mikasa, Asaki en Sjikisjima, respectivelijk van stapel gelaten in 1900, 1899 en 1898, hebben elk 15,100 ton waterverplaatsing, vier kanons zwaar geschut van 30.5 c.M. kaliber, | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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veertien kanons middelbaar geschut van 15 c.M., twintig kanons klein geschut van 7,6 en acht van 4,7 c.M. De slagschepen Foedzji en Jasjima hebben 12,650 ton waterverplaatsing, vier kanons van 30,5 c.M., tien van 15 c.M. en veertien van 4,7 c.M. De pantserkruisers dateeren alle eveneens van 1898 tot 1900, zij hebben 9,800 à 9,900 ton waterverplaatsing en vier kanons van 20 c.M., twaalf à veertien von 15 c.M., twaalf van 7,6 en zeven von 4,7 c.M. Hun snelheid bedraagt 21 à 23 knoopen. De beschermde kruisers dateeren van 1889 tot 1898, zij verplaatsen 4,200 à 4,900 ton. Het groote geschut te ongelijk verdeeld: de Hasjidate, Matsoesjima en Itsoekoesjim hebben elk één kanon van 32 c.M., de Takasago, Tsjitose en Kasagi elk twee van 20 c.M., alle zes hebben aan middelbaar geschut tien à twaalf kanons van 12 c.M.; de laatstgenoemde drie schepen: aan klein geschut twaalf kanons van 7,6 en acht van 4,7 c.M., de eerst genoemde drie schepen: aan klein geschut twaalf kanons van 7,6 en acht van 4,7 c.M., de eerstgenoemde drie schepen: achttien kanons van 4,7 c.M.,: de acht overige beschermde kruisers voeren twee tot vier stukken van 15 c.M., zes tot acht van 12 c.M. en tien tot vierentwintig van 4,7 c.M. Vergelijken wij daarmede onze beschikbare macht, dan zien wij aanwezig. Koningin-Regentes van 1900, De Ruyter van 1901 en Hertog Hendrik van 1902, elk verplaatsende 4950 ton, elk voerende twee kanons van 24 c.M., vier van 15 c.M., twaalf van 7,5 c.M. en vier van 3,7 c.M. De Kortenaer van 1894, verplaatsenden 3520 ton, voerende drie stukken van 21 c.M., twee van 15 c.M., zes van 7.5 c.M. en acht van 3.7 c.M. De kruisers (pantserdekschepen) Holland, Zeeland en Friesland van 3900 ton en de Utrecht, Gelderland en Noordbraband van 4033, elk dragende slechts twee kanons middelbaar geschut van 15 c.M.. zes van 12 c.M., acht van 7,5 c.M. en twaalf van 3,7 c.M. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Trekken wij nu den tonneninhoud der verschillenden vloten bijeen, dan vinden wij in de Nieuwe Courant voor Japan de opgave:
voor de Russische Oostzeevloot:
Stellen wij de Nederlandsche vloot daaronder:
Uit dit overzicht blijkt nogmaals duidelijk wat wij in ons vorig artikel reeds betoogden:
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Neutralität der Niederlande.Ga naar voetnoot(1)In einem Aufsatze in der ‘Deutschen Rundschau’ von Generalleutnant z. D. van Geest über die militärische Bedeutung der Niederlande für Deutschland wird u. E. der Nachweis erbracht, dass | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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im Falle eines militärischen Bündnisses zwischen Deutschland und den Niederlanden der Vorteil auf Seiten der letzteren liege, was übrigens keineswegs eine neue Behauptung ist. Wenn aber daraus geschlossen wird, ein militärisches Bündnis mit den Niederlanden sei abzulehnen, dagegen die Neutralitätserklarung Hollands anzustreben, so möchten wir davor warnen, die öffentliche Meinung in Deutschland nach dieser Richtung zu leiten. Gewiss könnte es für uns einige Vorteile bieten, wenn Holland neutral erklärt würde, aber doch nur unter der Voraussetzung, dass diese Neutralität im Kriegsfalle auch von allen beteiligten Grossmächten anerkannt und gewahrt wird. Und diese Sicherheit haben wir nicht. Im Gegenteil, wir müssen annehmen, dass eine solche Neutralitätserklärung nur uns binden und in unserer Bewegungsfreiheit lähmen würde, während die anderen Mächte, die wir hier gar nicht zu nennen brauchen, sich doch nicht unter das Stück Papier einer Neutralitätserklärung beugen würden. Die mit der sogenannten Neutralität Luxemburgs gemachten Erfahrungen sprechen denn doch wahrhaftig nicht dafür, einen solchen Versuch zu wiederholen. | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Zum Schlusse noch folgende Ausführungen der Rhein. Westf. Ztg. Nr. 273.Es erscheint nützlich, dem deutschen Volke die aus ungenügender Seemacht erwachsenden Gefahren immer wieder vor Augen zu stellen. In wie engem Zusammenhang der Reichtum und die Machtstellung der Völker mit der Entwicklung ihrer Flotte und ihrer Kolonien steht, wie bitter die Vernachlässigung der Kriegsflotte sich zu rächen pflegt, lehrt unwiderleglich die Geschichte. Im Streben nach der Seeherrschaft war die Haltung der englischen Regierung stets im Einklang mit den Wünschen des Volkes und immer konsequent. Schon unter Cromwell begann mit der Eroberung von Jameica jene Ausdehnung des Reiches mit Waffengewalt, welche noch heute fortdauert, wobei kein Mittel | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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verschmäht wurde, das den englischen Handel und die englische Schiffahrt heben, die mitbewerbenden Völker schädigen konnte. Während der Kriege mit Frankreich, das seine Flotte vernachlässigte, richtete England auf Kosten von Freund und Feind sein Kolonialreich auf, dessen Grundpfeiler die Stärke seiner Flotte und der Charakter seiner Kolonisten sind. In dieser Zeit lag die Regierung in der Hand einer reichen Aristokratie und zeigte niemals die sprichwörtliche Zaghaftigkeit des Kapitals. Nach 1815 und namentlich in unserem Zeitalter ist sie auf breitere Volksschichten übergegangen, doch leidet seine Seemacht nicht darunter. Das Bewusstsein, was von dem Besitz einer starken Flotte abhängt, ist in der ganzen Nation lebendig.
Holland zog noch mehr als England seinen Wohlstand, ja geradezu seinen Lebensunterhalt von der See. Die holländische Handelsflotte hatte sich des grössten Teiles des europäischen Transporthandels sowie des ganzen Warenverkehrs zwischen Amerika und den spanischen und französischen Häfen bemächtigt. Der Gesamtwert der jährlich in holländischen Schiffen versandten Waren überstieg eine Milliarde Franken. Die Holländer hiessen ‘die Frachtfuhrleute aller Meere’. Diese Entfaltung ihres Seehandels verdankten sie ihrem Kolonialbesitz. Aber es fehlte etwas Wesentliches zu seinem Gedeihen. Die Holländer legten weniger Wert auf die Befestigung und Ausdehnung ihrer Herrschaft als auf Zuwachs von Handel und Verkehr und waren im allgemeinen zufrieden, wenn sie unter dem Schutz der exotischen Landesfürsten Handel treiben durften. Dies friedliche Genügenlassen am Gewinn ohne politischen Ehrgeiz stand in enger Wechselwirkung mit Vernachlässigung der Kriegsflotte und erhielt die holländischen Kolonien auf der Stufe von Handelsfilialen des Mutterlandes, tötete so den natürlichen Keim zu ihrem Wachstum. Heldenmütig hatte das holländische Volk stets für seine Unabhängigkeit gekämpft und im Ringen mit den Spaniern und den Engländern die grössten Opfer gebracht. Aber es ist die Eigenart des germanischen Charakters, dass seine vornehmsten Tugenden erst durch die Not | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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geweckt werden. Holland vergass, dass Ansehen Macht und Reichtum wesentlich der Kriegsflotte zu danken war. Bis zum Tode des Johann de Witt (1672) konnte sich die holländische Flotte, sowohl was die Zahl als auch was die Ausrüstung ihrer Schiffe anging, noch sehr gut neben den Flotten von England und Frankreich sehen lassen, und ihre Leistungsfähigkeit rettete das Land vor dem Untergang, den die Könige Karl II. Stuart und Louis XIV. ihm geschworen hatten. Aber schon Johann de Witt hatte mit der Verblendung seiner Landsleute schwer zu kämpfen. ‘Niemals’, so schrieb dieser grosse Staatsmann, ‘werden die Holländer mit Rücksicht darauf, dass Krieg ausbrechen könne, in Friedenszeiten Entschlüsse fassen, welche sie von vornherein zu Geldopfern nötigen könnten. Der Charakter der Holländer ist ein derartiger, dass sie nicht geneigt sind, Geld für ihre eigene Verteidigung auszugeben, so lange nicht die Gefahr ihnen ins Gesicht starrt.’ Wilhelm von Oranien, der zeitlebens eine gegen Louis XIV. und die Ausdehnung der französischen Macht gerichtete Politik befolgte, wandte dem Landheer mehr Aufmerksamkeit zu als der Kriegsflotte. Darüber ging diese immer mehr zurück. Nachdem der ‘Statthalter der Niederlande’ zugleich König von England geworden war, opferte er die holländischen Interessen zur See den Forderungen Englands. Seitdem hat Holland nie wieder eine starke Flotte besessen und hat infolgedessen nicht nur die führende Stelle unter den Seemächten, sondern auch den grössten Teil seiner Kolonien und seines Reichtums verloren. War daran zum Teil die selbsüchtige Politik des Oraniers schuld, so doch vor allem jene übelangebrachte Sparsamkeit des Volkes, die selbst das Notwendige nicht an die Flotte wenden mochte.
Wenden wir uns nun zu Frankreich! König Heinrich IV. und Richelieu erkannten den Wert der Seemacht und schufen eine Flotte. Aber Mazarin, der weniger unternehmend war, vernachlässigte sie. Erst Colbert, der grosse Minister Louis XIV., ein Mann von umfassendem und praktischem Geiste, setzte die Ideen und die Politik Richelieus fort. Er vollbrachte in zehn Jahren, | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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was in England und Holland mehrere Menschenalter in Anspruch nahm. Aber die Landkriege Louis XIV. untergruben das Werk Colberts wieder. Frankreichs Kriegsflotte begann zu verkümmern, und zu Ende der 54jährigen Regierung Louis XIV. war sie tatsächlich nicht mehr vorhanden, denn die verkehrte französische Politik hatte England und Holland zu jenem Bündnis getrieben, das Frankreich von der See vertrieb. Est im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts erhob sich das französische Volk und erklärte, es wolle eine Kriegsflotte haben. Städte, Vereine und private Sammlungen lieferten die Mittel zum Bau von Schiffen. Eine ungeheure Tätigkeit begann, sodass Frankreich in dem Seekrieg von 1778 bis 1782, den es im Bunde mit den Vereinigten Staaten von Amerika und mit Spanien gegen England führte, wieder über eine prächtige Flotte verfügte. Indessen machte sich Mangel an Seegewohnheit als üble Folge so langer Vernachlässigung der See nachteilig geltend, und darum endete dieser Krieg, obwohl er England schwächte und zur Anerkennung der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten zwang, auch für Frankreich nicht günstig. Die französische Flotte war nicht offensiv genug, während Englands Stärke der Grundsatz war, dass die Nation, welche zur See herrschen will, stets angreifen muss. Pitt sagte im Parlament: ‘Der Verteidigungskrieg zur See ist der Vorläufer des sicheren Unterganges.’ Der Mangel an Offensive in der französischen Flotte führte später auch ihre Niederlagen bei Abukir und Trafalgar herbei. Grossen Wert legten die Franzosen von jeher, wie noch heute, auf den Kreuzerkrieg. Aber die Erfahrung zeigte, dass der Kreuzerkrieg, so wichtig er bleibt, doch nur in zweiter Linie steht. Verhängnisvoll kann er für den Gegner nur durch militärische Beherrschung der See, durch lange Abschliessung der strategischen Handelszentren werden, und diese kann nur durch Niederkämpfung des Gegners errungen werden, wozu eine starke Schlachtflotte erforderlich ist.
So mahnt uns die Geschichte, dessen eingedenk zu sein, dass ein Volk, um seine Aufgaben zu erfüllen, auch zur See seine Wehr- | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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kraft auf der Höhe der ZeitGa naar voetnoot1) erhalten muss. Das lehrreichste Beispiel furchtbarer Versäumnisse bietet ja zur Stunde das russische Reich. All die furchtbaren Niederlagen und ungeheuren Kriegsopfer wären ihm erspart geblieben, hätte es sich rechtzeitig mit einer starken, zur Offensive geeigneten Schlachtflotte versehen, die eine Landung der Japaner von vornherein ausschloss. Erst jetzt hat der Zar, freilich zu spät, das A B C alles Vaterlandsschutzes gelernt und seine Genehmigung zur Schaffung einer neuen Kriegsflotte erteilt. Russland wird im Jahre 1915 mit den jetzt im Bau befindlichen und nach dem Kriege übrigbleibenden Schiffen eine Flotte haben, die der unsrigen mindestens gleichzustellen ist. Trotz der ungünstigen Lage, in der sich Russland befindet, hat man dort den Mut, das äusserste daran zu setzen, um seine Machtstellung zu erhalten. Ein Staat, der fähig ist, sich von so schweren Schicksalsschlägen erholen zu wollen, der sich also noch selbst achtet, hat auch ein Recht auf die Achtung anderer Staaten. |
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