Germania. Jaargang 6
(1903-1904)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermdÜber moderne holländische LiteraturGa naar voetnoot(2)
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herrlichen Farbendämpfen aus dem Wasserland. Denn bei Gott, bei Gott, es wird da eine Leidenschaft herrschen und ein Geistessturm, wie ihn selbst die Alten an Jahren noch nicht gesehen. Wir sind Menschen, versteht ihr das, ihr Elenden der vorigen Generation, wir sind Menschen mit grossen, tiefen, heftigen Empfindungen; wir schreiben unsre Seelen auf Bogen Papier, sie werden gedruckt, sie erscheinen, - und in stillen Kammern, in engen Strassen die ihr nicht kennet, werden wir gelesen und überall in der Stadt und im Land entsteht Bewunderung und leben Menschen, welche an ihren Tischen zu lesen beginnen, andächtig, mit ernstem Gesicht.’ Dies verkündete Lodewijk van Deijssel (Ps. von Karel Alberdinck Thijm), Hollands grosser Naturalist 1884 in seinem Aufsatz ‘Neu-Holland’Ga naar voetnoot(1) Denn nach Hollands grossen Dichtern des glorreichen 17 Jahrhunderts: Bredero, Vondel, Hooft, brachten die folgenden Jahrhunderte eine öde Zeit meist leeren Gereims und Geklingels. Mächtig und einsam in dem lieblichen, gemütlichen 18. Jahrhundert steht, gepanzert in seiner steifen Rhetorik, der massive felsenfeste Koloss Bilderdijk. Ein plötzlich unnatürliches Wiederaufleben der längst verblüten Blüte, und ein würdevoller Abschluss dieses Auswuchses des Pseudo-Klassizismus. Um 1830 wehte der Sturm der Romantik etwas frischen Wind hinüber, und man war auf dem besten Wege den Ballast Bilderdijkscher Diktion von sich zu werfen. Allein die lieben sympathischen, aber unbedeutenden Poeten dieser Periode (Bellamy, Loosjes, Tollens u.v.a.) waren einer solchen Aufgabe nicht gewachsen, und so ging diese liebenswürdige kleine Periode auf in den Staub der Dekadenten, deren Leiter BeetsGa naar voetnoot(2) und der strenge, würdevolle Potgieter waren. Abseits steht der ernste, scharfsinnige Kritiker Busken Huet, der einzige, welcher einsah, dass von den | |
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Jüngern seiner Zeit kein Aufblühen der holländischen Literatur zu erwarten war. Aber mächtig empor, in ihrer Grösse und Schönheit, ragt die Riesenfigur Multatuli's, dessen Worte rücksichtslos Literatur, Politiek und Gesellschaft peitschten. Er machte endlich dem steifen, gezierten Periodenbau ein Ende und schuf eine neue holländische Sprache, in welcher Leidenschaft und Empfinden des modernen Menschen zum Ausdruck kamen, in der seine Eindrücke und Stimmungen, seine Fantasien und Gedanken ausjauchzten und- weinten, und bildete aus ihr eine Reihe Kunstwerke, die er vor den erstaunten Augen des gesamten niederländischen Stammes aufrollte. Und so bahnte er endlich den Weg zu einer neuen holländischen Kunst. Aber an seiner Prosa ging man verständnislos vorbei. Gewürdigt ward er erst viel später. Wie er denn auch erst vor wenigen Jahren in Deutschland bekannt geworden durch die sehr verdienstvolle Arbeit Wilhelm Spohrs. In Holland war und blieb die Literatur immer noch äusserlicher Schein. Eine stattliche Reihe herrschender Literatoren hielt Wache, und Schönheit und Reichtum der holländischen Sprache wurden verunstaltet bis zur Unkenntlichkeit. Und was die Flügel breiten wollte, ward niedergehalten, und blieb unbeachtet. | |
IIAlso geschah es auch Jacques Perk, dem schönheittrunkenen Jüngling, der zuerst mit der alten Tradition, welche die Dichtkunst regierte, brach. Seine formvollendeten Dichtungen atmen griechischen Schönheitssinn und zeichnen sich besonders aus durch plastische Darstellung. Er malt die Stimmung selbst, wie sie sich seiner die | |
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natürliche Schönheit schauenden und empfindenden Seele dargetan, und hierin beruht der grosse Unterschied mit seinen Vorgängern, die zu ihren Reimereien über Religion, Familie und Vaterland alles Mögliche und Unmögliche herbeiholten um Stimmung zu wecken. ‘Jedes Gedicht dieses echten Sängers ist wie eine Einheit des Gefühls, ein Bach sozusagen, der ruhelos stromt bis an sein ruhiges Ende, ein Bach, auf dem die Bilder liegen wie Blumen, welche von derselben Bewegung mitfortgerissen werden wie das fliessende Ganze, und so, buchstäblich, eins damit werden, eine reine gefühlvolle Schönheit der Gestaltung auf einer gefühlvollen Schönheit des Gesanges. Sein Streben ward aber mit völliger Nichtachtung, ja mit Hohn, beantwortet von den Poetastern seiner Zeit. So gelangte auch erst vor zwei Jahren sein unvergänglicher Sonettenkranz Mathilde vollständig zur Ausgabe.Ga naar voetnoot(1) Er konnte jedoch dem werdenden Lenz der holländischen | |
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Literatur nur den Weg zeigen zu seinem höchsten Kunst-Ideal, denn mitten im blühendsten Jünglingsalter (er zählte erst 22 Jahr) als seine spontane Dichterseele sich kaum zu ihrem vollen Wachstum entfaltet, wurde er vom Tode hinweggerafft. Den Uebergang zur neuen Generation bilden Marcellus Emants, der Verfasser einige; Dichtungen (Lilith, Götterdämmerung), sowie des psychologischen Romans ‘Inwijding’ (‘Einweihung’), und die Dichterin Hélène Lapidoth-Swarth, ‘das singende Herz in der holländischen Literatur,’ welche auf altem Boden weiterbauten und von den Alten und Jungen anerl annt wurden. | |
III.Alsbald taten sich einige junge Männer, welche die Schönheit über alles liebten, zusammen, und gründeten 1885 die Zeitschrift ‘De nieuwe Gids’ (Der neue Führer), das Organ, welches vorläufig allein ihre Richtung vertrat. Mit heiliger Begeisterung stritten sie für die wahre Kunst und das für sie allein-geltende Gesetz des Schönen, und machten frei die Jüngeren und die Schwächeren, die in dem muffigen Literaturleben nicht hatten emporkommen können. In glühenden Aufsätzen bekämpften sie alles Unwahre. Besonders der Bereits genannte Lodewijk van Deyssel war es, welcher unermüdlich die leidenschaftliche, feurige Wort-Kunst seiner Kritiken niederdonnern liess und noch lässt auf die Häupter aller Kleinlichen und Mittelmässigen. Um dies Organ nun scharten sich Hollands grosse Dichter: Willem Kloos, Albert Verwey, Herman Gorter, Frederik van Eeden. Für das niederländische Volk, das überdies erst wieder an reine Kunst gewöhnt werden musste, waren sie jedoch zu durchaus individuell. ‘Die Gedichte von Jacques Perk, Hélène Swarth, Willem Kloos waren lange Zeit Kunst für einzelne. Verglichen mit denen von Beets, Heye, De Génestet ist ihre Kunst nicht national: es spricht sich kein Volk in ihnen aus, sondern ein | |
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bestimmtes Individuum. Ein Individuum, das nur Zeugnis ablegt von individuellen Empflndungen ‘sagt der verdienstvolle Kritiker W.G. van Nouhuys im letzten Band seiner Studien’ Stunden mit Schriftstellern.’Ga naar voetnoot(1) Der tief-innerliche Wesensunterschied dieser Dichter und Schriftsteller musste jedoch ein Jahrzehnt später die traurige Katastrophe herbeiführen, welche dieser kurzen aber glänzenden, in der ganzen niederländischen Literatur einzig dastehenden, Periode ein Ende machte. Sie trennten sich und gründetèn nach und nach neue Zeitschriften. Die Jüngeren schlossen sich den verschiedenen Richtungen an, und so entstanden eine Anzahl exclusive, scharfgetrennte literarische Zentren. An der Spitze des kurze Zeit darauf neugeborenen ‘Nieuwe Gids’ tront Willem Kloos. Lodewijk van Deijssel und Albert Verwey gründeten ‘Het Tweemaandelijksch Tijdschrift’ jetzt die Monatschrift: ‘De XXe Eeuw’ (Das zwanzigste Jahrhundert). Die socialistische Richtung im allgemeinen, die Kunst des Proletariats im besondern, vertritt ‘De jonge Gids’, den der in Deutschland bereits bekannte Herman Heyermans Jr,. redigiert. Von den neuesten verspricht besonders viel die Monatschrift ‘Groot-Nederland’,Ga naar voetnoot(2) herausgegeben von W.G. van Nouhuys, dem vlamischen Schriftsteller Cyriel Buysse und dem bekannten Romancier Louis Couperus (Verfasser von ‘Schicksal’, ‘Metamorphose’, ‘Majestät’, ‘Weltfriede’, ‘Die stille Kraft’ welche u.a. auch ins Deutsche übersetzt wurden). Allen den vielen Dichtern, welche diese Bewegung hervorgebracht, gerecht zu werden, wäre an dieser Stelle eine Unmöglichkeit, und ich werde mich deshalb begnügen müssen mit der Erwähnung einiger Schriftsteller, die besonders durch ihre neuesten Werke in den Vordergrund des Interesses traten. | |
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IVHollands grössten, Prosa-Künstler neben Lodewijk van Deijssel nenne ich den ‘painter-poet’ Jacobus van Looy. Seit der Ausstellung seiner Bedeutendsten Farben-Schöpfungen im Jahre 1901 zu Amsterdam, ward das Interesse für seine Kunst mehr allgemein. Da ward man sich klar über die gesunde Urkraft seines unermüdlichen Schaffens. Da erkannte man zuerst, als man, hierdurch angeregt, seine Prosa zur Hand nahm, die grosse Uebereinstimmung von Maler und Dichter, wie beide sich ergänzen. Denn in seinen Prosa-Studien, - in seinen ersten Bänden ‘Gekken’Ga naar voetnoot(1), Erinnerungen aus Marokko und ‘Proza’Ga naar voetnoot(2), meist Studien während seines Aufenthalts in Spanien entstanden - in den herrlichen Farbenvisionen seines mächtigen Impressionismus, verrät sich sofort der Maler. Aber nicht minder in seinen vor kurzem in Buchform erschienenen ‘Feesten’ (Feste)Ga naar voetnoot(1), denn es sind dies wahrhaftige Feste in jedem Sinn des Wortes. Schon zur Zeit der Ausstellung zogen neben all den Gemälden und Skizzen aus dem Süden, seine vielen Schnitterstudien die Aufmerksamkeit auf sich. Und so ward auch das Fest vom Mäher (V) zum herrlichsten dieser sechs Gesänge in Prosa-Rhythmus. Von Thorn Prikker (Ps. Ed. Verburgh) erschien ein Künstlerroman ‘Kunstmenschen’ der jedoch hinter seinen früheren Schöpfingen ‘De Weelden des Harten’ und ‘Opstanding’Ga naar voetnoot(3) zurücksteht. Diese zeichnen sich aus durch vornehme Einfachheit des Stils und Schönheit der Sprache. Sein erstes Werk ‘Die Wonnen des Herzens’ sind meist Studien aus dem Landleben. In meisterhaft lyrisch-impressionistischer Weise malt er die Leidenschaften des Landvolkes: die Unumwundenheit und Naïvetät | |
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ihres Liebeslebens. Er giebt Vertiefung in das innerliche Leben nicht nur der Menschen, sondern auch der Natur und ihrer Mysterien. Alles erhält bei Thorn Prikker eine eigene Färbung, alles hat einen tieferen Sinn, von allem giebt er in der weichen, geschmeidigen Einfachheit seiner Sprache die Essenz ‘Auferstehung’ könnte man ein realistisches Märchen nennen. Der jüngsten einer ist Gerard van Eckeren; durch sein eminentes Talent aber hat er sich bereits in die Reihe der besten emporzuschwingen gewusst. Was in jedem seiner Werke frappant ins Auge springt, ist die gute Psychologie der Weiblichen Charaktere. Es erschienen bisher von ihm ‘Ontwijding’ (Entweihung) ‘Donkere Machten’ (Dunkle Mächte), ‘Studies’ (ein Band novellistischer Studien) und ‘De stem die verklonk..’ (Die stimme die verwehte.Ga naar voetnoot(1) ‘Dunkle Mächte’, sein Meisterwerk, ist ein Roman, der spielt bei einer Sandgrube in den hölländischen Dünen. Mit sozial-ökonomischem Hintergrund, malt er die dunkeln Mächte welche eine der ärmsten Familien, die sich in den Baracken dieser Arbeiter-Kolonie niederliessen, stets weiter ins Unglück treiben. Es ist ein derbes Stück Naturalistik, die Ausarbeitung einer Skizze, aus der Januarnummer 1900 von ‘de Gids’Ga naar voetnoot(2) (eine der ältesten und meist verbreiteten Zeitschriften auf allen Gebieten von Kunst und Wissenschaft hierzulande). Der Dichter beherrscht seinen Stoff vollkommen, und so liest sich das Werk durch seine Leidenschaft und meisterhafte Technik hinreissend und spannend von Anfang bis zu Ende. Seinen jüngsten Roman ‘Die Stimme die verwehte’, vergleicht man unwillkürlich mit Omptedas ‘Traum in Süden’Ga naar voetnoot(3). In beiden ist es ein Mann vom Lande, - hier ein Edler, dort ein junger Pfarrer - welcher eine Frau liebt aus der vornehmen Welt; sie liebt ihn zwar wieder, | |
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kann aber den Verhältnissen, in welchen sie aufgewachsen, nicht entsagen, und hierin beruht für beide Werke die Tragik. Beide werden eingeleitet durch ein Praeludium und schliessen mit einem Epilog von rührender Schönheit. Während jedoch Omptedas Schilderung unter-Tränen-lächelnde-Einfachheit ist, und von streng durchgeführter Einheit, herrscht bei van Eckeren die lyrische, beschreibende Kunst vor. Auch einer von den jüngsten ist Joh. W. Broudelet, eine eigenartige Erscheinung in der modernen Literatur. Sein Erstling war der Amsterdamer Roman ‘Aufstand’. Durch die gross angelegte, einheitlich durchgeführte Konzeption ist dies Werk besser als seine übrigen: ‘Feest’ und ‘Clarie Howald’,Ga naar voetnoot(1) mit ihrer tollen, erstaunlichen Fantasie. Die holländische Märchenliteratur ward in letzter Zeit bereichert durch die Märchen für Erwachsene von Marie Marx-Koning. Bis jetzt erschienen drei Bände: ‘Vom Veilchen das gern wissen wollte’ ‘Das Bild vom Felsen’, ‘Nacht-Silene’. Die übrigen Werke der Dichterin sind: ein Roman ‘Gabriëlle’, ein Band Skizzen ‘Intermezzo’, und ‘GedichteGa naar voetnoot(2).’ | |
VDie irrigen Meinungen des Auslands, besondres Deutschlands, über die Unbedeutendheit der holländischen Literatur und die Hässlichkeit der Sprache sollte nun doch bald ein Ende nehmen. Die oft gehegte Ansicht, die holländische Sprache sei nur ein Dialekt, und zwar ein Dialekt der deutschen, wird jeder wiederlegen können, der ein wenig mit der Geschichte der germanischen Sprache vertraut ist. Das Holländisch ist ebensowenig ein Dialekt des Deutschen, wie das Englisch oder irgend eine der | |
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skandinavischen Sprachen. Uebrigens ist die holländische Sprache (wie auch das Volk) dem Charakter nach von der deutschen sehr verschieden, mehr noch vielleicht als die französische. Sie ist nicht etwa rauher, sondern im Gegenteil weicher, während die deutsche kräftiger, was u.a. daraus zu erklären ist, dass die Artikulations-Basis des Deutschen vorn in Munde, die jenige des Holländers dagegen hinten im Munde liegt. Und von der Schönheit der holländischen Sprache wird sich jeder überzeugen können, der sich mit Liebe und Verständnis in ihre Dichter vertieft. Das hat auch die Belgierin Hélène Swarth erfahren, welche erst in französischer Sprache dichtete, bis der vlamische Dichter Pol de Mont sie mit den Schönheiten der holländischen Sprache vertraut machte. Vor kurzem gab die Dichterin eine Auswahl ihrer französischen Gedichte, in frühester Jugend entstanden, heraus. Man erkennt darin bereits die werdende grosse Dichterin. Sie sind formvollendet und legen Zeugnis ab vom zartesten Gefühl für die Schönheit der SpracheGa naar voetnoot(1). Ein andres sprechendes Beispiel bietet Giza Ritschl, eine Ungarin, die sich erst seit einigen Jahren hier aufhält. Als sie mit der holländischen Sprache in Berührung kam, fühlte sie intuïtiv das eigenartige Schöne derselben: die melancholische Weich heit und fast fromme Vornehmheit. Im vorigen Jahre erschien von ihr ein Bändchen Gedichte in holländischer Sprache.Ga naar voetnoot(2) Obgleich nicht immer formvollendet, sind sie doch von tiefem und innigem Gefühl und, verbunden mit ihrer slavisch-melancholischen Leidenschaft, von einer Naïvetät, die ihnen eine eigene Originalität verleiht, welche von berückendem Reiz ist. Es sind eigentlich eher Extrakte, aus denen erst noch Gedichte werden müssten. Am besten liesse sich ihre Art vergleichen mit der des Wieners Peter Altenberg. | |
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VI.Man wird mir die Frage vorlegen, weshalb von all diesen herrlichen Schätzen dem Ausland noch fast nichts durch Uebersetzungen bekannt gegeben wurde, wie es doch mit den Literaturen anderer kleiner Länder der Fall. Erstens wohl der grossen Schwierigkeiten halber, die der Uebersetzung in eine fremde Sprache entgegentreten. Denn die holländischen Dichtungen sind nicht nur dem Inhalt, sondern auch der Form nach durchaus individuell. Die schweren Rhythmen z.B. der gewaltigen erschütternden Wort-Kunst eines Lodewijk van Deijssel, des grössten Schülers von Zola, der seine Bewunderung für den Grossmeister des Naturalismus ausströmen liess in einer Reihe Kritiken, die in der flammenden Leidenschaft ihrer mächtigbreiten Rhythmen, gepaart mit dem innigsten Verständnis und der zartesten Liebe für Zolas Kunst, ihresgleichen suchen. Jede Uebersetzung van Deijsselscher Prosa, auch die allerbeste, wird nur ein schwaches Bild hervorrufen können vom Original, dessen hypnotischem Eindruck auch der sich nicht zu entziehen vermag, den sein bisweilen zu temperamentvollschroffes Urteil unsympathisch berührt. Dann ist die schlechte Wahl der übersetzten Werke Schuld daran. Wie es beispielweise möglich war, dass G.H. Priem's Roman ‘De Doode’ (Die Tote)Ga naar voetnoot(1) zweimal in deutscher Uebersetzung erscheinen konnte, - in ‘Der Tag’ von Otto Hauser und im ‘Magazin für Litteratur’ von Rhea Sternberg - ist mir ein Rätsel. Priems psychologische Konzeption ist ziemlich gut, aber seine prosaische Natur versteht kein Kunstwerk daraus zu schaffen. Eine leere, trockene Nüchternheit atmen alle seine Werke, denn er denkt dieselben, vermag sie aber nicht dichterisch zu gestalten. Den künstlerischen Anforderungen seines | |
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Realismus glaubt er dadurch Genüge zu tun, dass er des Alltags Leben und Sprache ziemlich naturgetreu wiedergiebt. Allerdings erschien auch einiges Gute, und hier erwähne ich zuerst die Uebersetzung einiger Gedichte u.a. von Hélène Swarth und Gorter von Otto Hauser [in: Die niederländische Lyrik 1875-1900. Eine Studie und UebersetzungenGa naar voetnoot(1)], dann die Romane von Louis Couperus (diejenigen welche ins Deutsche übersetzt wurden, nannte ich oben bereits) und ‘Der kleine Johannes’ von Frederik van Eeden (mit einer Einleitung von Dr. Paul Raché).Ga naar voetnoot(2). Aber noch ein grosser Schatz an Poesie wartet darauf, dem Ausland erschlossen zu werden. Und immer neue junge Dichter tauchen auf, die ihre jugendlich aufkeimenden Leidenschaften und zartesten Seelenregungen aussingen in kleinen Liedern und mächtigen Gesängen. |
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