Germania. Jaargang 6
(1903-1904)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermdEin Beitrag zur Geschichte der arischen FrageGa naar voetnoot(*)
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‘indogermanischen Rasse und Sprachen in Anspruch genommen’ habe. Wer war dieser Mann? Vergebens durchstöberte ich mein Gedächtnis und meine Bibliothek nach ihm und erfuhr erst durch die Güte des Verfassers, dass er die betreffende Angabe Kretschmers ‘Einleitung in die Geschichte der griechischen Sprache’ (Göttingen 1896) entnommen habe. Da ich dies Buch nur aus Besprechungen kannte - wer kann heutzutage alles lesen? -, war mir der Hinweis auf genannten Schriftsteller entgangen, der nach Kretschmer in einer ‘fast gänzlich verschollenen Schrift’, worin sich ‘fast die ganze Penkasche Betrachtungs- und Folgerungsweise vorgebildet’ finde, vor mehr als vierzig Jahren schon ‘ähnliche, aber massvollere Ansichten’ geäussert habe. In der Universitätsbibliothek von Bonn, dem Verlagsorte, war die Krugersche SchriftGa naar voetnoot(1), ein dünnes Heftchen von fünfzig Seiten, noch zu haben. Was steht darin? Schon auf der ersten Seite spricht der Verfasser von der Zeit, als unsere Urahnen ‘noch in den Thälern des Hindukusch lebten’, und lässt auch sonst keinen Zweifel darüber, dass ihm die Einwanderung der europäischen Indogermanen aus Asien als selbstverständliche und unumstössliche Vorraussetzung galt. Nur in einer Anmerkung, S. 42. sagt er über den ‘Urtypus des arischen Völkerstammes’ Folgendes: ‘Es ist eine sehr verbreitete, aber irrige Meinung, als ob blondes Haar, blaues Auge und Körpergrösse nur den Germanen, nicht aber ursprünglich dem ganzen arischen Völkerstamme zukämen. Man hat sehr wohl zu unterscheiden zwischen wirklichen Indogermanen und Indogermanisierten. Die letzteren bilden bei weitem die Hauptmasse, indem die Arier selbst ursprünglich nur ein verhältnismässig kleines Volk waren, das | |
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aber durch Waffengewalt seine Nationalität einer Menge anderer Völker aufdrängte und auf diese Weise zu einem Völkerstamme wurde, wie aus einem seiner Zweige, dem kleinen Römervolke, der ganze romanische Stamm erwuchs. Der Indogermanen, bei welchen das ursprüngliche Element vorherrschend geblieben, sind nur noch wenige, und wo wir sie immer finden mögen, treffen wir stets auf die obigen Merkmale. In Asien, dem Tummelplatze der verschiedensten Rassen, wo seit Jahrtausenden eine unausgesetzte Mischung stattfindet, haben sich echt arische Völkerschaften nur noch in verborgenen Thälern gewaltiger Gebirgsmassen erhalten. - In Europa ist die Rasse am reinsten in den Nordgermanen und in dem teutsch-sassischen Stamme (Hannoveraner etc.) erhalten.’ Den für jeden zu naturwissenschaftlich-folgerichtigem Denken Erzogenen so naheliegenden Schluss, dass eine Rasse sich nur von dort ausgebreitet haben kann, wo sie sich in grösster Reinheit und Kraft erhalten hat, vermag er jedoch nicht zu ziehen, und lässt beispielsweise die alten Kelten ‘rein arischer Abkunft.... von Asien herkommend’ eine durchaus fremde Bevölkerung unterjochen und leibeigen machen. Davon, Kruger als einen Vorläufer der Forscher auszurufen, die unseres Volkes Urheimat im Norden des eigenen Weltteils suchen, kann demnach keine Rede sein. Anerkennung verdient es, dass er die Merkmale der Rasse, aus der alle arischen Völker, zuletzt die Germanen, hervorgegangen sind, blondes Haar, blaues Auge und hohen Wuchs - von der Langköpfigkeit wusste er nichts - richtig erkannt hat; aber auch das war selbst in damaliger Zeit nichts Neues. Ein anderer Verschollener, J.J. d'Omalius d'Halloy, ist in einer schon 1839 der belgischen Akademie vorgelegten, 1869 zuletzt in fünfter Auflage erschienenen SchriftGa naar voetnoot(1) noch | |
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weiter gegangen. Er beschreibt die weisse Rasse, die sich ‘durch das schöne Eirund des Kopfes auszeichnet’, folgendermassen: ‘Die Nase ist gross und gerade, der Mund mässig weit gespalten, die Lippen schmal, die Zähne senkrecht gestellt, die Augen gross, weit geöffnet und durch gebogene Brauen überspannt, die Stirn gewölbt, das Gesicht wohlgebildet, die Haare weich, lang und dicht. Sie ist es, die die gesittetsten, zur Herrschaft über andere berufenen Völker hervorgebracht hat.’ Er weiss auch sehr wohl, wo sich diese Rasse am reinsten erhalten hat: ‘Die Völker der teutonischen Sippe sind es, die im höchsten Masse die Merkmale der weissen Rasse besitzen. Ihre Haut, heller als bei jedem anderen Volke, scheint selbst für Bräunung durch langen Aufenthalt in den heissesten Ländern weniger empfänglich; ihr Wuchs ist hoch, der Gliederbau ebenmässig; die blauen Augen und blonden Haare sind nirgends so häufig wie bei ihnen. Keine geschichtliche Urkunde, keine sprachliche Erwägung zeigt, dass die Deutschen im Herzen ihres Vaterlandes andere Völker zu Vorgängern gehabt, während uns die Geschichte lehrt, dass sie zu verschiedenen Zeiten Teile von Europa und Nordafrika unterworfen haben. Aber mit Ausnahme von Deutschland, Dänemark, Skandinavien, einigen Landstrichen an der Ostsee, den britischen Inseln und den Niederlanden sind sie überall mit den früheren Bewohnern verschmolzen und haben deren Sprache angenommen.... Die Skandinavier hauptsächlich haben die oben als Kennzeichen der teutonischen Rasse angeführten Merkmale fast rein bewahrt; sie sind eines der Völker, bei denen die Bildung am weitesten verbreitet ist; ihre alten Lieder, die bis zu dem 8. Jahrhundert hinaufreichen, sind berühmt in der Litteraturgeschichte, und zu den Fortschritten der Naturwissenschaften in neuester Zeit haben sie mächtig beigetragen. Unter dem Namen von Goten, Warägern, Normannen haben sie eine hervorragende Rolle in | |
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den Völkerbewegungen gespielt, durch die das Römerreich gestürzt wurde.’ Als Naturforscher hat er daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen gewusst und die zu seiner Zeit so allgemeine und übermächtige Ansicht von unserer Herkunft aus Asien dass ‘entgegengesetzte Meinungen für Widersinn galten’, zu bekämpfen und zu erschüttern gesucht (Bullet. de l'Acad. de Belgique, 1848, XV, S. 549), indem er darlegte, sie sei ‘im Widerspruch mit dem allgemeinen Naturgesetz, nach welchem die sozialen wie die natürlichen Erscheinungen zu allen Zeiten in gleicher Weise sich entwickelt haben’. Von solchen Erwägungen ausgehend. kam er zu dem Schlusse, ‘dass die arischen Sprachen im Schosse der blonden Rasse entstanden und dem kleinen asiatischen Zweige von dem mächtigen europäischen Stamme aus zugekommen seien’. Es wäre, meint er, unbegreiflich, wenn eine ‘so fruchtbare und thatkräftige Rasse wie die blonde durch die schwarzhaarige, die weder die gleiche Vermehrungs- noch Ausdehnungskraft besitzt, sich aus ihren Ursitzen hätte verdrängen lassen’. Man sieht, es fehlt nur noch ein Schritt zu der Lehre, wie ich sie im Jahre 1881 aufgestellt und begründet habe, und hätte ich die Schriften des belgischen Forschers gekannt, sie würden mir viel Arbeit und Nachdenken erspart haben. Sie waren aber - das ist nicht nur das Los des Schönen, sondern auch des Wahren und Guten auf der Erde - verschollen und sind meines Wissens erst wieder durch Lapouge (Les sélections sociales, 1896) der Vergessenheit entrissen wordenGa naar voetnoot(1). Durchdrungen von der Bedeutung der Rasse in der Weltgeschichte, hat auch Graf Gobineau (Essai sur l'inégalité des races humaines, 1853) die weisse Rasse an die Spitze der Menschheit | |
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gestellt und, wie schon früher die Gebrüder LindenschmitGa naar voetnoot(1), in den Germanen die schönste Blüte, den höchsten Adel dieser Rasse erblickt: ‘Die lange verkannten germanischen Völker zeigen sich uns ebenso gross und herrlich, als die Schriftsteller des sinkenden Römerreiches sie als Barbaren verschrieen hatten... Wo kein germanisches Blut hingedrungen, da giebt es keine Gesittung nach unserer Art... Der Sieg der neuen Völker war unaufhaltsam.’ Wohl hatte er erkannt, dass, ‘je weiter die weissen Völker nach Süden herabstiegen, desto schwächer ihre männlichen Eigenschaften wurden, bis sie schliesslich in einer mehr weibischen Bevölkerung aufgingen’, aber trotzdem vermochte er sich dem Banne der herrschenden Meinung nicht völlig zu entziehen, blieb auf halbem Wege stehen und suchte das Ursprungsgebiet der Rasse (les établissements primitifs de la race) im ‘inneren Hochasien’! Als Heimat der Germanen zwar liess er die skandinavische Halbinsel gelten, ‘jene Gegend, die in den ältesten Volksgeschichten mit Recht und glühender Begeisterung als Werkstatt der Völker und Mutterschofs der Menschengeschlechter gepriesen wird’, weiter aber wagte er nicht zu gehen, wie u.a. auch Wackernagel in seiner ‘Geschichte der deutschen Litteratur’, 1848 bis 1856: ‘Es scheinen aber die Germanen zuerst nach Skandinavien, von Skandinavien als der officina gentium und vagina nationum nach Deutschland vorgedrungen zu sein.’ Dass, wenn man die Auswanderung auch nur eines germanischen Volkes aus der Halbinsel zugiebt, man diese als Urheimat aller Germanen gelten lassen muss, dass das Ursprungsland unserer Vorväter kein anderes sein kann, als das der Kelten, Slaven, kurz aller übrigen arischen Völker, das ist, wie ich wiederholt gezeigt habe, ein Gebot der Logik. Nach dem Gesagten muss daher aus dem Ausdruck ‘Kruger- | |
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Penkasche Hypothese’ der erste Name ausfallen. Wie steht es aber mit dem zweiten? Die stimmen der wenigen Männer, die wie Schulz, Henne, Lindenschmit, Omalius d'Halloy, Latham, Ecker, v. Hölder, Benfey, Geiger, Cuno, Poesche Europa für das Ursprungsland unserer Rasse und der arischen Sprachen erklärt hatten, waren wirkungslos verhallt und grösstenteils ganz vergessen, als ich im Sommer 1881 die Anthropologenversammlungen in Regensburg und Salzburg besuchte. Der Eindruck der Verhandlungen war nicht sehr ermutigend: welch heillose Verwirrung! Der Widerstreit der Meinungen schien unversöhnlich, eine Verwertung naturwissenschaftl[i]cher Rassenforschung im Dienste der Geschichtschreibung, eine Ueberbrückung der Kluft zwischen Urgeschichte und Geschichte unmöglich; wie weit war die Anthropologie noch davon entfernt, die ‘vornehmste Hülfswissenschaft’, wie einst mein verehrter Lehrer Ecker gefordert hatte, der Geschichte zu werden! Und doch hatten so viele wahrheitsuchende Männer in emsiger und erfolgreicher Arbeit sich gemüht, waren auf den verschiedensten Gebieten so viele wertvolle Ergebnisse der Einzelforschung zu verzeichnen; Bausteine genug lagen umher, es fehlte nur der Baumeister, um sie nach einheitlichem Plane zusammenzufügen. Gab es denn keinen Ausweg aus diesem Irrgarten, keinen Leitfaden, der aus all den wildverschlungenen, wirr und wahllos sich kreuzenden Windungen zum ersehnten Ziele führte? Ich war damals ein Neuling im Fach, und die meisten der oben genannten Namen, die ja auch nirgends angeführt wurden, waren mir unbekannt. So kam es wie eine Erleuchtung über mich: die herrschende Ansicht von der Einwanderung aus Asien war ein verhängnisvoller Irrtum; unser eigener Weltteil, wo die höchstentwickelten und thatkräftigsten Völker der weissen Rasse sich drängten und stiessen, war auch deren Ur prungsland, das den Verbreitungsmittelpunkt der Rasse und Sprachen in sich schliessen musste. | |
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Wohin wies die Richtung aller geschichtlich bekannten Völkerwanderungen, etwa nach Osten? Nein, von dort waren nur stammfremde, ungesittete Horden, Hunnen, Avaren, Türken, verheerend über Europa hereingebrochen; die Wanderwege der uns stammverwandten Völker, vor allem die unserer germanischen Vorfahren, führten alle, wie Strahlen nach einem Mittelpunkte, gen Norden, und siehe da, aus dem Nebel der Sage tauchte plötzlich in leuchtender Klarheit die meerumschlungene Skandia auf, die Werkstatt der Völker! Wie Schuppen war es von meinen Augen gefallen: wo ich früher ratlos in Dunkelheit und Verwirrung gestarrt hatte, sah ich mit einemmale Licht und Zusammenhang, die Ergebnisse des Grabscheits durch den Masstab des Rassenforschers bestätigt und ergänzt, die geschichtlichen Urkunden im Einklange mit den Wörterbüchern der Sprachvergleicher. Um so mehr schien Vorsicht geboten: hatte mich keine Wahnvorstellung geäfft, keine Luftspiegelung geblendet? So griff ich selbst zum Spaten, durchwanderte die Säle der Sammlungen, führte eigenhändig Tausende von Körpermessungen aus, schlug Geschichtsquellen und Wörterbücher nach und verfolgte mit angestrengter Aufmerksamkeit die Fortschritte der Wissenschaft. Nur dem Ernst, den keine Mühe bleichet,
Rauscht der Wahrheit tief versteckter Born;
Nur des Meissels schwerem Schlag erweichet
Sich des Marmors sprödes Korn.
Nach fast zwanzigjähriger, ernstester Prüfung darf ich mit gutem Gewissen behaupten: aus allen einschlägigen Wissenschaften ist mir auch nicht eine Thatsache bekannt geworden, die gegen meine Lehre spricht; ich war keinem Wahne zum Opfer gefallen, wohl aber waren, wie sie inzwischen zum Teil selbst eingesehen, die Anhänger entgegengesetzter Ansichten in | |
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die Irre geführt durch das ‘Trugbild des Ostens’. Nur in einem hatte ich mich getäuscht. Mit dem Feuer der Jugend glaubte ich durch die siegende Macht der Wahrheit alles mit fortreissen zu können; Alter und Erfahrung haben mich gelehrt, und die Geschichte der Wissenschaft bestätigt es auf jedem Blatt, dass nichts mit zäherem Widerstande zu ringen und zu kämpfen hat, als gerade die Wahrheit. Im Bestreben, meine neugewonnene Erkenntnis anderen mitzuteilen, hielt ich am 29 Dez. 1881 (Bericht in der ‘Karlsr. Ztg.’ vom 26. Jan. 1882) im Karlsruher Altertumsverein einen Vortrag über die ‘Keltenfrage’, der einen Sturm von Widerspruch entfesselte. Dadurch nur zu neuem Forschen angespornt, sprach ich im August 1882, da mir die für die Vorgeschichte unseres Weltteils so wichtige Keltenfrage ganz besonders der Klärung bedürftig schien, auf der Frankfurter Anthropologenversammlung über ‘Kelten und Germanen’. Obwohl mir bei der Ueberfülle von Verhandlungsstoffen nur siebzehn Minuten zur Verfügung standen und somit eine eingehende Beweisführung ausgeschlossen war, brachte ich doch den Kern meiner Lehre in nicht misszuverstehender Weise zum Ausdruck: ‘Ihre (der Kelten wie der Germanen) ganze körperliche Erscheinung spricht für nordeuropäischen Ursprung... Wo noch heute die Hauptmasse der Blonden sitzt, muss auch das blonde Volk herstammen, von diesen Gegenden muss es ausgezogen sein. Die germanische Völkerwanderung bewegt sich wie Strahlen von einem Mittelpunkte aus von Nord nach Süd, nach Südwest, nach Südost... Auch Sagen, die bei verschiedenen germanischen Völkern (Goten, Langobarden, Burgundern und Angeln) fortleben, weisen auf ihren Ursprung in Skandinavien hin...; wenn wir den Ursprung der Germanen im Norden annehmen, so müssen wir unbedingt auch den aller sprachverwandten Völker in Nordeuropa annehmen u.s.w.’ Am 22. Jan. 1883 (Bericht | |
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in der ‘Karlsr. Ztg.’ vom 22. Febr. 1883) behandelte ich dann im Karlsruher Verein ‘Die Rassenverhältnisse des russischen Reiches’. In diesem wie in dem ersten Karlsruher Vortrage suchte ich aus den Verwandtschaftsverhältnissen der Germanen mit ihren Nachbarn zur Rechten und Linken (Kelten und Lito-Slaven) den Nachweis zu erbringan, dass sie beiden gegenüber die Stellung eines rassereinen Stammvolkes einnehmen, dass insbesondere nicht, wie es bei östlichem Ursprung sein müsste, die Slaven, sondern die nördlichsten Kelten dem Urvolke am nächsten und durch die Belgen, bei denen die Erinnerung an ihre Abstammung zu Cäsars Zeit noch vollkommen lebendig war, und den Kimbernstamm mit den Germanen im innigsten Zusammenhange standen. Im gleichen Jahre erschien Penkas erstes, noch recht unvollkommenes Buch ‘Origines Ariacae’. Man kann von keinem Menschen verlangen, dass er die ‘Karlsruher Zeitung’ liest, wer aber ein derartiges Buch herausgiebt, von dem darf man voraussetzen, dass er die Verhandlungen der letzten Anthropologenversammlung durchsieht (verschiedene frühere sind auch angeführt). Penka giebt aber keine Andeutung davon, dass schon vor ihm jemand ‘Skandinavien als die Urheimat der Arier’ bezeichnet hat. Am 31 Jan. 1884 (‘Karlsr. Ztg.’ vom 28. Febr. 1884) berichtete ich wieder im Karlsruher Verein über ‘Die neuesten Forschungen über die Urheimat der Arier’, wobei ich, ohne für dessen Irrtümer blind zu sein, Penkas Duch vollauf gerecht wurde. Im Jahre 1885 kam dann endlich der Druck meiner Schrift. ‘Die Herkunft der Deutschen’ zustande und folgte mein Vortrag über den gleichen Gegenstand auf der Anthropologenversammlung zu Karlsruhe. Das Jahr 1886 brachte Penkas ‘Herkunft der Arier’, die gegen die Origines einen wesentlichen Fortschritt bedeutet. Auch hier giebt sich der Verfasser den Anschein, als habe er zuerst ‘Skandinavien | |
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als den Ursitz der Arier’ nachzuweisen versucht; wenn man aber früher an ein Versehen glauben konnte, so war dies jetzt ausgeschlossen, denn entweder kannte er den Inhalt meiner Schrift nicht, dann durfte er auch nicht darüber urteilen, oder er kannte ihn, dann musste er wissen, dass ich schon fünf Jahre vorher diese Lehre verfochten hatte. Die mich als blossen Nachschreiber hinstellende Bemerkung auf Seite XI der Vorrede: ‘Ohne neue Argumente vorzubringen, bloss mit Wiederholung der bereits von ihm vorgebrachten Beweisgründe, hat es wiederum Dr. L. Wilser unternommen, Europa, speciell Skandinavien als Heimat der Arier nachzuweisen’, kann daher nur als absichtliche Entstellung der Wahrheit aufgefasst werden. Auch dies Buch habe ich am 31. März 1887 (Bericht in der ‘Karlsr. Ztg.’ vom 13. April 1887) eingehend besprochen und seine Verdienste um die Lösung der arischen Frage gebührend hervorgehoben, zugleich aber in einer, auch im Correspondenzblatt der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft abgedruckten, Erklärung mein unbestreitbares Vorrecht gewahrt. Nachdem Penka hierzu dreizehn Jahre lang geschwiegen, sucht er mir jetzt (Mitteil. der Anthropol. Ges. in Wien XXX, 2) zu unterstellen, ich nehme ‘eine Art von Priorität’ in Anspruch. Im gleichen Heft hat er auch eine Abhandlung über die ‘Bedeutung der megalithischen Grabbauten’ veröffentlicht, die, selbstverständlich ohne mich zu nennen, zu keinem anderen Endergebnisse gelangt, als was ich schon vor fünfzehn Jahren (‘Herkunft der Deutschen’) kurz und bündig in folgendem Satze ausgesprochen: ‘Die Sitte dieser Völker (Nordeuropäer), ihre Toten in Kammern von Steinplatten beizusetzen, hat Denkmale geschaffen, die norch nach Jahrtausenden von ihrer Ausbreitung Kunde geben.’ In Bezug auf die Dolmen freilich hat General Faidherbe das Vorrecht, der schon 1872 auf dem Brüsseler Internationalen Anthropologenkongress aussprach: ‘que ce sont les blonds | |
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du Nord de l'Europe qui ont laissé cette traînée continue de dolmens’, und nur die Zeit der Entstehung, 1500 v. Chr., viel zu weit herabrückte. Da es nahe liegt, überall, wo passende Steinblöcke vorhanden sind, diese zu Grabbauten zu verwenden, muss man sich hüten, zu weit zu gehen. Nur wo [B]auweise und Inhalt übereinstimmen, darf man auf Erbauer von gleichem Völkstum schliessen. Abgesehen davon, dass ich zuerst die Lehre vom Verbreitungscentrum der weissen Rasse (Homo europaeus Linné) und der arischen Sprachen in Südschweden aufgestellt und vertreten habe, bin ich auch über Penkas Beweisführung weit hinausgegangen, habe verschiedene von ihm nicht gewürdigte Gründe beigebracht, die Entstehung der weissen Rasse bis zu den Uranfängen des Menschengeschlechts, ja bis zu unseren tierähnlichen Vorfahren zurückverfolgt und durch folgerichtige Durchführung aller sich ergebenden Schlüsse einen ununterbrochenen Zusammenhang von Urgeschichte und Geschichte hergestellt. So hat wenn die skandinavische Theorie benannt werden soll, auch der zweite Name keine Berechtigung, denn Penka hat diese Lehre weder zuerst aufgestellt, noch weiter ausgestaltet. Ebenso wenig ist die Bezeichnung ‘Hypothese’ zutreffend, denn so nennt die Wissenschaft Annahmen, die zwar wahrscheinlich, aber noch nicht zu beweisen sind. Die Lehre von unserer skandinavischen Abstammung war aber von vornherein durch eine Reihe schwerwiegender Gründe aus den verschiedensten Wissensgebieten gestützt, während bekanntlich für die asiatische ‘Hypothese’ noch nie ein stichhaltiger Beweis beigebracht worden ist. Möge mir der Leser das Persönliche in diesen Auseinandersetzungen zu gute halten. Wer, wie ich, fast sein halbes Leben an die Lösung einer Frage gesetzt, hat wohl das Recht, seinen Anteil sich nicht verkümmern zu lassen. Dass die arische Frage, die Grundfrage aller Völkerkunde, ‘verwickelt und schwierig’ | |
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ist, wird man Nörrenberg gerne glauben; dass sie aber gelöst sein muss, wenn wir zum richtigen Verständnis der Vorgeschichte und damit der Geschichte gelangen wollen, dass sie gelöst werden kann, glaube ich genugsam gezeigt zu haben. Die Sprachforscher, einst die eifrigsten Verteidiger der alten, die heftigsten Gegner meiner Anschauungen, sind diesen doch im Laufe der Zeit immer näher gekommen; einige der Fortgeschrittensten, wie u.a. Hirt, würden sogar ‘kein Bedenken tragen, die Urheimat der Indogermanen nach Skandinavien zu verlegen’, wenn nicht noch einige sprachliche Gründe im Wege stünden. Diese bestehen darin, dasss angeblich das Germanische durch die ‘Lautverschiebung’ und andere Veränderungen am meisten von der ‘Ursprache’ abweicht. In Bezug auf letztere kann ich hier nur wiederholen, was ich schon früher (Stammbaum der arischen Völker, Naturwiss. Wochenschr. XIII, 31) gesagt: ‘Das Urvolk, die Stammrasse selbst, hat niemals aufgehört zu bestehen, ist in der alten Heimat sesshaft geblieben und langsam, aber stetig in der Entwickelung fortgeschritten. Nur der jeweilige Uberschuss der Bevölkerung ist ausgewandert und hat mit dem edlen Blute der Rasse die angestammte Sprache und Sitte in ferne Lande getragen. Es ist daher ein vergebliches Unterfangen, den Kulturzustand oder die Ursprache des Stammvolkes ermitteln zu wollen. Diese sind in jedem Jahrhunderte andere gewesen.’ Gerade der Umstand, dass die germanischen Sprachen unter allen verwandten die weitestgehende Fortbildung zeigen, beweist, dass sie dem Ursitze am nächsten geblieben, denn wo die Entwickelung begonnen, hatte sie auch die meiste Zeit und Gelegenheit zum Fortschritt. Das Hindernis der ‘Lautverschiebung’, auf die viele Sprachforscher so grossen Wert legen, suchen manche, wie u.a. Nörrenberg, auf ihre Weise zu beseitigen. Mir scheint ein solches überhaupt nicht zu bestehen, denn die Lautverschiebung setzt eine Ursprache | |
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voraus, die, wie gesagt, niemals bestanden hat oder heute noch besteht. Ebenso willkürlich ist die Annahme, im Germanischen seien die mediae älter als die tenues. Die vergleichende Schriftforschung lehrt im Gegenteil, dass in allen alteuropäischen Alphabeten die Zeichen für tenues und spirantes die ältesten, die für die mediae aber - es sei nur an lat. Gerrinnert - spätere Ableitungen sind. Vor hundert Jahren war die asiatische Irrlehre noch allmächtig, heute darf sie als überwunden gelten. Hoffen wir, dass im neuen Jahrhundert die Sonne der Wahrheit die letzten Schatten vom ‘Trugbild des Ostens’ bald verscheucht haben möge. |
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