Germania. Jaargang 6
(1903-1904)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermd
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Geschichte jenes berühmten Verbandes norddeutscher Stadtgemeinden ansprechen dürfen, der unter dem Namen der ‘Hanse’ auch heute noch in aller Munde ist. Die Erforschung der so ausserordentlich interessanten Episode mittelalterlicher Wirtschafts-und Handelsgeschichte, die mit der deutschen Hanse verknüpft ist, wird in Deutschland von einem besonderen Verein betrieben, der jedes Jahr unter dem Titel ‘Hansische Geschichtsblätter’ ein meist sehr inhaltreiches Heft historischer Untersuchungen erscheinen lässt. Der letzte Jahrgang dieser VeröftentlichungGa naar voetnoot(1) wird nun für die Leser der Germania von besonderem Interesse sein wegen eines Aufsatzes, der sich mit dem Handels-und Schiffahrtsveikehr in der Ostsee von der Mitte des vierzehnten bis zur Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts beschäftigtGa naar voetnoot(2). Zu jener Zeit war die Hanse, von kleinen Anfängen ausgehend, längst auf dem Gipfel ihres Ansehens angelangt; immermehr war Lübeck mit den ihm engverbündeten benachbarten wendischen Städten als das wahre Haupt des Bundes hervorgetreten. Hatte ehedem der deutsche Handel im Norden sich naturgemäss fast ausschliesslich auf die Westsee oder das ‘Deutsche Meer’ erstreckt, so war hierin ein Wandel geschehen nachdem der deutsche Pflug über die Elbe vorgedrungen war und deutsche Handelsplätze weithin gen Osten nicht allein am Rande des baltischen Meeres sondern auch auf dem breiten Saume des den Lithauern und Slaven abgerungenen Binnenlandes emporwuchsen. Der Akt der Gründung der Stadt Lübeck an der Mündung der Trave, deren ausserordentliche Bedeutung sogar von den Zeitgenossen richtig emplunden wurde, bedeutet gewissermassen die dauernde Besitzergreifung der Ostsee durch den deutschen Kaufmann; und jedenfalls beginnt mit dem machtvollen Aufblühen dieses Gemeinwesens seit Anfang des dreizehnten | |
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Jahrhunderts eine neue Periode in der nordeuropäischen Handelsgeschichte. Es soll hier nicht erzählt werden, wie es Lübeck gelang im Westen, Osten und im Norden, auf Gotland, auf dem Festlande sowie auf der ihm vorgelagerten grossbritannischen Insel sowie endlich auch in Nowgorod das Ubergewicht, sei es nun Kölns oder Wisbys, zu brechen; genug in der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts hat die neue Königin der Meere in der fernen und näheren Umgebung alle Rivalinnen überflügelt. Ja man gewahrt hier das im deutschen Mittelalter so seltene Schauspiel, dass die benachbarten Städte, namentlich Rostock, Stralsund, Wismar und Greifswald, Lübecks Vorherrschaft willig anerkennen und, seine Politik unterstützend, dieser erst den rechten Nachdruck verleihen. Kaum aber war das Uebergewicht der wendischen Städte im Bereich der Ostsee gesichert, so drängten sie auch schon, nunmehr durch Hamburg und dessen Gefolgschaft binnenländischer Städte nachhaltig unterstützt, nach Westen vor, nach England, nach den nördlichen Niederlanden, vor allem aber nach Flandern, wo Brügge, der grosse anerkannte Stapelplatz für das nördliche Westeuropa, für sie alle von gleicher Bedeutung war. Die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts zeigt die Hanse, was innere Geschlossenheit und Grösse der politischen Erfolge anbelangt, in gewisser Weise schon auf dem Höhepunkt. Die Territorialmächte des nordöstlichen Deutschlands sind, wie etwa Brandenburg, an die Seite gedrängt, sie sind durch gegenseitige Eifersucht zur Ohnmacht verurteilt oder aber, sie sind wie Holstein, oftmals mit den Städten gegen die nordischen Mächte verbündet. Wie stark aber die ‘Dudesche Hense’ - diese Bezeichung begegnet zuerst in einer Lübecker Urkunde vom Jahre 1358 - war, das offenbarte sich doch erst als König Waldemar Atterdag, dem deutschen Kaufmann den Fehdehandschuh hinwarf. An- | |
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derthalb Jahrhundert früher, als mit der Katastrophe Heinrichs des Löwen dem Norden des Reichs ein überragender Vorkämpfer zu fehlen begonnen hatte, konnte Waldemar der Grosse mit guter Aussicht auf Erfolg an den deutschen Ufern der Nord-und Ostsee um sich greifen. Damals hatte sich der ‘siegreiche’ Dänenkönig sogar Lübecks bemächtigt und nur den vereinten Anstrengungen seiner und der Bürger Hamburgs sowie der deutschen Territorialherren von Nah und Fern war es gelungen auf der Heide zu Bornhöved im buchengeschmückten Holstenlande den gewaltigen Gegner aufs Haupt zu schlagen (1227). Dann hatte zu Beginn des vierzehnten Jahrhunderts Graf Gerhard der Grosse von Holstein die deutsche Sache den nordischen Reichen gegenüber repräsentirt. Nachdem er aber im Jahre 1340 dem Dolche eines dänischen Meuchelmörders erlegen war, ging die Vertretung des deutschen Namens in dem weiten Bereich der Ost-und Westsee von den Fürsten auf die Städte über, die nunmehr im Bewusstsein ihrer grossen Mission aus der Enge ihres territorialen Daseins zu einer Gemeinschaft zusammenwuchsen, die zum mindesten die norddeutsche Tiefebene handelspolitisch zusammenfasste. | |
II.Es konnte nicht fehlen, dass die grosse und siegreiche Aktion gegen König Waldemar Atterdag das Selbstgefühl der verbündeten Städte insgemein namentlich aber das der führenden wendischen Plätze ausserordentlich hob. Der Name Hanse, der anfänglich vor allem auf sie ging, verbreitete sich nunmehr allmählich auch über die anderen entfernteren Gemeinwesen, die dieselben oder annähernd die gleichen Handelsinteressen hatten. Hinzu kam, dass in Folge mehrerer unter sich nicht zusammenhängender Vorkommnisse die bisher am Ostseehandel beteiligten fremden Kaufleute allmählich zurückwichen. Viel fehlte in der | |
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That nicht mehr an der Verwirklichung des Ideales, das Lübeck und seinen Verbündeten als letztes Ziel vorschwebte: fast waren sie die beherrschenden und ausschliesslichen Handelsträger zwischen Westeuropa und den entlegenen östlichen Gegenden. ‘Ihre Stellung aber im Westen war solange eine unantastbare, als ihfe Kaufleute im Stande waren, dort als einzige oder doch weitaus wichtigste und leistungsfähigste Vermittler der auf dem Markte Englands und der Niederlande und weiterhin im Occidente geschätzten Rohstoffe des europäischen Nordens und Ostens aufzutreten.’ Und dieser Position that es zunächst jedenfalls keinen Abbruch, dass der westeuropäische Handel damals eine nicht unerhebliche Steigerung dadurch erfuhr, dass an Stelle des Landverkehrs von Italien nach den Niederlanden in steigendem Umfang der Seeverkehr trat und fortan Schiffe von Venedig und Genua in regelmässiger Fahrt Antwerpen oder Brügge anliefen. Mochten auch die Produkte, die dergestalt aus dem fernen Süden und dem Orient zugeführt wurden, die im Mittelalter starkbegehrten Gewürze, die seidenen Gewebe und der für die Färberei unentbehrliche Alaun, besonders kostbar sein, eine entscheidende Rolle spielten sie nicht, denn der Schwerpunkt des hansischen Handels ‘beruhte vorzüglich auf dem Umsatze der Roh-und Gewerbserzeugnisse der Anwohnenden gegeneinander. Blieb im Norden, Osten oder Westen der hansische Händler mit seinen nordeuropäischen Waren aus, stellte er den Verkehr einmal ein, so erlitt das Wirtschaftsleben der davon betroffenen Gebiete schwere Störtingen; um so schwerere, je höher organisiert und je mannigfaltiger die Volkswirtschaft war. Am meisten also litten die südlichen Niederlande,’ deren dichte Bevölkerung schon seit dem klassischen Mittelalter in immer stärkerem Maasse auf die Versorgung mit nordosteuropäischer Brotfrucht angewiesen war. | |
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Dieser Umsatz von Waaren hatte nun kraft der Gunst der geographischen Lage und in Folge der historischen Entwicklung seinen Mittelpunkt in dem grossen Emporium an der Mündung der Trave. Zu Lübeck gehörten auf Grund der handelspolitischen Interessengleichheit neben Hamburg und den schon genannten wendischen Plätzen Lüneburg, Salzwedel, Stendal und die anderen die alte Handelstrasse zwischen Nord-und Ostsee in weitem Bogen umspannenden binnenländischen Städte. Ihr gemeinsames Ziel musste es sein, das für den nordeuropäischen Handel errungene Verkehrsmonopol dauernd zu behaupten. Zu diesem Zweck begannen sie die Ausbildung eines allmählich bis ins Einzelne ausgedehnten Systems allgemeingiltiger Vorschriften, die den Verkehr der Hansen im In- und Auslande sowie den der fremden Händler in der Heimat in eben dem Sinne zu regeln bestimmt waren. Trotz aller Klugheit und Energie versprach diese Politik aber nur solange Erfolg, wie sie sich auf eine überlegene Macht stützen konnte. Sobald diese Voraussetzung nicht mehr zutraf, sobald die im Westen zurückgedrängten und an den östlicheren Gestaden noch nicht recht befestigten Handelsrivalinnen erstarkten, musste die Hegemonie der mittleren Städtegruppe ins Wanken gerathen. Auch zur Zeit der grössten Kraftentfaltung, zur Zeit der Kriege mit König Waldemar, liess sich der Gegensatz zwischen den Preussischen Städten und den wendischen auf der einen, den nordniederländischen und eben jener mittleren Gruppe auf der anderen Seite, nicht völlig verdecken. Je mehr aber die Kultur des so erfolgreich germanisirten ostdeutschen Hinterlandes zunahm und je höher die materielle Bedeutung der Handelsemporien an den Mündungen der osteuropäischen Ströme stieg, desto ernstlicher mussten sie darauf bedacht sein, sich von der Bevormundung Lübecks und seiner Gefolgschaft zu befreien. Und nicht allein im Hinterlande selbst drängte man | |
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die rührigen überall heimischen älteren Konkurrenten zurück, nein man begann nun auch auf eigene Faust Schiffe zu bauen, grösser und umfanglicher als die in den wendischen Städten bisher gebräuchlichen Schiffskörper, die besonders geeignet erschienen für die Aufnahme der Massengüter der Heimath, für das dem Schiffbau Westeuropas so erwünschte Holz und für das in Flandern so begehrte Getreide. Indem man nun auch anfing diese Artikel im Eigenhandel auf die flandrischen Märkte zu bringen, schädigte man die Interessen Lübecks und Hamburgs, deren alte Handelstrasse fortan umgangen wurde. Als Rückfracht brachte man wohl das westfranzösische von den östlichen Hinterländern in grossen Mengen gebrauchte Baiensalz, das dergestalt das, namentlich von den Lübeckern vertriebene Lüneburger Salz, aus seinem alten Absatzgebiet verdrängte. Umgekehrt aber wurden hinwiederum die westlichen Nichthansen, vor allem die Engländer und Nordniederländer, in den Häfen von Danzig und Riga gern gesehene Gäste: Neben die älteste Strasse des ostwestlichen Verkehrs, die über Lübeck und Hamburg mit zweimaliger Umladung der Waren führte, trat eine direkte und der Kontrolle Lübecks nicht unterworfene Verbindung zwischen Nord- und Ostseegebiet. Eine ähnliche Gunst der Lage, wie sie bisher die wendischen See- und Binnenplätze genossen hatten, begann jetzt den Kaufleuten von Dordrecht, Zierikzee und Amsterdam, von Kampen, Deventer und Zwolle zu teil zu werden. Zwischen den dichtbevölkerten südlichen Niederlanden und dem niederrheinischen Gebiet auf der einen und den fernen östlichen Zonen auf der anderen Seite, wurden sie die gegebenen Vermittler und bald die gefürchteten und überlegenen Rivalen Lübecks und seiner Anhänger. Neben dem Frachtgeschäft mit Baiensalz erlangten sie zudem in dem Nordseehäring und in den Erzeugnissen der gerade im vierzehnten Jahrhundert sich mächtig aufnehmenden Tuchindustrie | |
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Leidens und Amsterdams zwei für den Eigenhandel vorzüglich geeignete neue Artikel. Vollends nachdem man den älteren Rivalen das Einpökeln des Harings abgesehen hatte, wurden Holland und Seeland die grossen Stapelplätze für diese beliebteste Fastenspeise. Das in Briel gebräuchliche Heringstonnenmass errang sich die Bedeutung eines Normalmasses im Westen und wurde, in Stahl ausgeführt, von Briel an Antwerpen und Köln übersandt. Von diesen alten Märkten aus gewann der Nordseehering alsbald in West- und Süddeutschland die weiteste Verbreitung; ja als während der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts der Ertrag des Heringsfangs an der Küste Schonens unergiebiger wurde, waren die Hansen froh den fehlenden Bedarf in Holland decken zu können. Wurde der Art im Laufe der Zeit bei den Niederländern im Westen und den Livländern und Preussen im Osten der gemeinsame Gegensatz gegen die Lübische Handelspolitik immer schärfer, so entwickelte sich auf der andern Seite grade zwischen diesen räumlichen Antipoden noch eine besondere Interessengemeinschaft, die von Daenell folgendermassen veranschaulicht wird. Die vom Osten aus zu exportierenden Massengüter erforderten, wie wir schon sahen, ungewöhnlich grosse Schiffskörper. Da nun die einzige Zufuhr aus dem Westen, die gleichfalls mit grossen Schiffgefässen rechnen musste, das Baiensalz war, während die übrigen kostbaren Importartikel nur wenig Raum erforderten, waren in den preussischen und benachbarten Häfen zu jeder Zeit zahlreichere Schiffe für die Ausfuhr als für die Einfuhr nöthig. Mochte der Schiftbau noch so sehr an Ausdehnung gewinnen, immer blieb eine Lücke offen und in diese schoben sich - unter einander wetteifernd - die wendischen und die niederländischen Frachtunternehmer ein. Wahrend aber das zeitlich frühere Eindringen des Lübschen Kaufmanns immermehr als eine offenbare Gefahr empfunden | |
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werden musste, erblickte man in der sich jetzt einbürgernden Frachtfahrt der Holländer ein Mittel dem schwer lastenden und für-die Zukunft noch drohenderen Uebergewicht der wendischen Städte einigermassen zu entrinnen. Vom Standpunkt der Hansen im engeren Sinn aus betrachtet kam also die Ausdehnung der Niederländer nach der Ostsee der Durchbrechung eines Monopols gleich, dessen Aufrechterhaltung bisher mit ängstlicher Eifersucht überwacht worden war. Zu umfassenden Vorkehrungen gegen diese Aussicht, die noch dadurch verschlimmert wurde, dass den Holländern die Engländer als Mitbewerber fast auf dem Fusse folgten, entschloss man sich im vierzehnten Jahrhundert noch nicht, hierzu gingen die führenden wendischen Städte erst über, nachdem der steigende nichthansische Verkehr in den nächsten Jahrzehnten ihnen die Ueberzeugung beibrachte, dass ihre Vorherrschalt im baltischen Meer ernstlich bedroht sei. | |
IIIDaenell weist in dem im Eingang erwähnten Aufsatz, dem wir hier folgen, gewiss mit Recht darauf hm, dass Lübeck zunächst auf friedlichem Wege seine überragende Stellung zu sichern suchte. So ist es wohl zu deuten, dass das Haupt der wendischen Städte grade in den Jahren 1390-1398 mit nicht geringen Opfern den Stecknitzkanal zwischen Trave und Elbe ausbaute und sich dadurch einen bequemeren Zugang zu den Erzeugnissen namentlich auch der Lüneburger Saline eröffnete. Im Hinblick auf die bedeutende ‘Zunahme des Sundverkehrs sollte der Kanal die Konkurrenzfähigkeit der alten Strassenzüge des gewaltigen Vororts der Hanse noch erhöhen.’ Für um so heilsamer wild man diese Massregel gehalten haben weil sie das Absatzgebiet eines so wichtigen Stapelartikels, wie es das Lüneburger. Salz war, erweiterte, so dass man die verhasste Konkur- | |
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renz des Baiensalzes in Preussen und Livland allgemach aus dem Felde zu schlagen hoffen mochte. Zur Eintracht der auf einander angewiesenen mittleren Städtegruppe trug indessen, nebenbei bemerkt, dieser Schritt schwerlich etwas bei, deun den Hauptschaden erlitt zunächst Wismar das einen nicht geringen Teil seiner bisherigen Blüthe eben dem Export lüneburgischen Salzes verdankt hatte. Wenn hiervon abgesehen zunächst wenig geschah, um den steigenden Einfluss der süderseeischen und westfriesischen Schiffahrt entgegen zu arbeiten, so hatte das offenbar in den inneren Wirren seinen Grund, die ebendamals Lübeck (1408-1416) heimsuchten und auch den anderen vornehmeren Städten, wie Hamburg, Rostock und Wismar, nicht erspart blieben. Die erstaunlichen Erfolge Lübecks und der ihm angeschlossenen Städte auf dem Felde der hohen Politik waren nämlich nur dadurch möglich gewesen, dass die Regierungsform eine aristokratische war. Erfahrene und reiche Kaufherren, die in jungen Jahren in den hansischen Kontoren ein gutes Stück Welt kennen gelernt und auf den Tagungen einen Einblick in die vielverschlungenen Pfade der damaligen Diplomatie gethan hatten, sassen meist lebenslänglich auf den Rathstühlen und erfreuten sich auch bei der Menge der Kleinkaufleute und für den Grosshandel arbeitender Handwerker solange eines uneingeschränkten Vertrauens, als sie bei ihren Unternehmungen in Krieg und Frieden eine glückliche Hand bewiesen. Nachdem aber erst einmal diese Form eines patrizischen Regiments in einer benachbarten Stadt (in Braunschweig 1374) gestürzt war, ergaben sich auch in den anderen grössere und geringere Schwierigkeiten. So war man in Lübeck bereits im Jahre 1384 einer von den Handwerkern unter Führung der Knochenhauer angezettelten Verschwörung auf die Spur gekommen, vollends aber seit Beginn des neuen Jahrhunderts wollten die Klagen der Gemeinde gegen die dor- | |
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tigen herrschenden Geschlechter gar nicht mehr verstummen. Diesmal wurde tatsächlich der alte Rath beseitigt und erst nach langen Jahren, nachdem er durch Vermittlung König Sigismunds (1416) wiederhergestellt war, konnte in Lübeck, sowie in Wismar, Rostock und Hamburg, die alle ähnliche Wirren über sich hatten ergehen lassen müssen, abermals an die Inangriffnahme einer zielbewussten hansischen Politik gedacht werden. Das geschah zumal auf den grossen Bundesversammlungen der Jahre 1416, 1417 und 1418, die in ihren ausgiebigen Verhandlungen deutlich erkennen lassen, welches fortan die leitenden Gesichtspunkte waren. Da fällt es nun auf, dass die neuen Massregeln direkt gegen die Holländer gerichtet sind. Sie vornehmlich wollte man treffen, wenn man den Fremdenverkehr insgemein einschränkte und Handelsgesellschaften zwischen Hansen und Nichthansen in jeder Hinsicht erschwerte. Laut aber spricht vor allem die Bestimmung, dass kein Getreide durch den Sund oder Belt aus der Elbe und aus der Weser wo anders her verschifft werden dürfe als aus den Hansestädten. Des weiteren wurde angeordnet, dass alle Handelsgeschäfte von Fremden mit dem Hinterland sich nur in den hansischen Plätzen an der Küste abwickeln dürften. In Bezug aber auf den nordniederländischen Handel nach Livland wurde bald darauf festgesetzt, dass nur Frachtschiffahrt nicht aber Handel dorthin erlaubt sein solle. Als die wendischen Städte 1425 noch weiter gehen und einen Beschluss durchbringen wollten, der auch die Frachtschiffahrt untersagen sollte, scheiterte dieser Wunsch an dem unüberwindlichen Widerstande Rigas. Es hatte sich herausgestellt, dass in Folge der früher geschilderten Verkehrsbedürfnisse des östlichen Beckens der Ostsee die Holländer bereits damals ein fast unentbehrliches Glied in dem Handel von Meer zu Meer geworden waren! Als daher in eben jener Zeit die Lübecker die schwere | |
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Schädigung des hansischen Handels in Holland durch den dem Tode Wilhelms VI folgenden Bürgerkrieg zur Aussperrung der dortigen Kaufleute aus Preussen und allen Hansestädten auszunutzen erstrebten, söhnten sich die preussischen Städte auf eigene Faust sehr bald aus und verhinderten so die Durchführung des geplanten Gewaltaktes. Wie sehr sich aber schon die Verhältnisse zugespitzt hatten, zeigt ein Vorgang aus dem Jahre 1422. In jenem Augenblick drohte der Ausbruch eines offenen Konfliktes zwischen den wendischen Städten und dem Beherrscher Skandinaviens, König Erich von Pommern. Als nun eine holländische Handelsflotte im Sunde erschien und dem Gegner ihre Hilfe antrug, machte die Kriegsflotte der Hansen kurzen Prozess und machte ohne weiteres die feindlichen Schiffe unschädlich. Mit diesem Ereignis aber treten wir in einen Zusammenhang ein, der für den Ausgang des Kampfes um das dominium maris baltici von schwerwiegendem Einfluss werden sollte. (Wird fortgesezt). |