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Zur Wirtschaftspolitik Mitteleuropas
Von Dr. Reismann-Grone. (Essen a/R).
Die Vereinigung der mitteleuropäischen Gebiete zu einem stärkeren, zum mindesten wirtschaftlichen Zusammenschluss liegt in der Luft. Die Idee geht, sie kommt wieder und ist nicht fortzubringen; sie ist eben in den natürlichen Verhältnissen begründet.
Das mitteleuropäische Flussystem, oder wenn man lieber will, das mitteleuropäische Gebirgssystem, weisst dringend auf eine solche Konzentration. Wenn man von Europa diejenigen Länder abschneidet, die ein getrenntes Flussystem besitzen, die 3 Halbinseln Spanien, Italien und Skandinavien, so bleiben nur 2 grosse Systeme übrig: Das grosse Zentralrussische Gebiet
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und Mitteleuropa. Mit letzterem verbunden, doch ein wenig abseits, steht Frankreich, dessen Ströme nach den Ozean und in das mittelländische Meer verlaulen. Dagegen bildet das ganze Zentraleuropa, umrändert von den Ardennen, den Vogesen, den Alpen, dem Balkan und den Karpathen ein natürliches Ganzes. Fast sämtliche Flüsse dieses Gebietes entspringen in nicht allzu grosser Entfernung von einander in dem nordalpinen oberdeutschen Gebiete und stellen dadurch schon ein einheitliches, natürliches Verkehrsnetz her. Die Quellen des Rheins, der Maas, des Mains, der Weser, der Elbe, der Donau, der Oder, der Drau und der Sau liegen im Höchstfalle nur 800 Km. auseinander, meistenteils aber nur ein paar hundert Kilometer, sodass ein Flussgebiet in das andere greift. Ein Blick auf die Karte ergiebt sofort die dagegen gänzliche Verschiedenheit von dem russischen Flussystem, dessen Ströme ebenfalls in ihren Ursprüngen unter sich nur 700-800 Km. getrennt, von dem zentraleuropäischen bis zu 3000 Km. entfernt liegen.
Auf diesen geographischen Verhältnissen beruht das Volkstum. Die in Mitteleuropa eindrängenden Volksstämme folgten den natürlichen Flussläufen und suchten ihre Deckung innerhalb der gegebenen Gebirgswälle. Seit etwa 2500 Jahren ist dies Mitteleuropa daher germanisch und deutsch, wenngleich niemals alle anderen Sprachen und Volksstämme aus ihm verdrängt worden sind. Aber dies einigende Band des Volkstums tritt zu dem Bindemittel der geographischen Verhältnisse.
Politische und militärische Verhältnisse haben Einigungen hier erschwert, z.T. unmoglich gemacht und auch die wirtschaftliche Verbindung läge in weiter Ferne, wenn nicht in den letzten Jahrzehnten gewaltsame Anstösse von draussen gekommen wären. Das Sonderintresse der einzelnen Staaten und ihre Eifersucht sind bisher stärker gewesen, als die einigenden Kräfte. Wir würden unter ruhigen Verhältnissen deshalb so etwas wie ein
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mitteleuropäisches Zollbündnis für aussichtslos und auch vielleicht für unnötig halten. Nur die Not kann einen so grossen und schwierigen Gedanken in die Tat umsetzen und diese Not rückt näher in dem Abschliessen der grossen Weltreiche. Es ist zuerst die amerikanische Union, welche mit dem Beispiel vorangeht; sie arbeitetununterbrochen daran, Europa von seinem Markt auszuschliessen, dafür aber Europa mit ihren Waaren zu überschwemmen. Denselben Weg verfolgt Russland,, wenngleich noch nicht so scharf erkennbar; Russland ist geographisch nicht in der Lage sich gänzlich abzuschliessen, solange es nicht China und Persien sich einverleibt und damit die verschiedenen Klimate in seine Hand bekommen hat; aber es droht. Und als drittes Gespenst taucht jetzt Chamberlains ‘Greater Britain’ auf. Man mag Chamberlain in seiner Rücksichtslosigkeit hassen wie man will, er ist ein bedeutender Mann; sicherlich heute der grösste Politiker des an politischen Grössen reichen Englands. Es unterliegt für uns keinem Zweifel, dass er glänzend siegen wird und dass in wenigen Jahren dieses reiche und kautkräftige England mit einem grossen Teil seiner Kolonien ein in sich abgeschlossener schutzzöllnerischer Ringwall ist, mit anderen Worten, dass die kontinentale Industrie und der Ausfuhrhandel vom gesamten britischen Markte fast verdrängt wird. Nach dem nun auf diese Weise langsam derjenigen schwerfälligen, gebildeten Masse welche nichts ist als Erwerbstier und Geldmacher, der Gedanke zwangsweise beigebracht ist, dass die Politik jederzeit sich in die Geldfragen umsetzt, fangen die reicheren Klassen Mitteleuropas an, sich mit theroretischer Politik zu beschäftigen und allgemeine Probleme der
Wirtschaftspolitik, wie einen mitteleuropäischen Zollbund zu erörtern. Vor ein paar Jahren waren solche Erörterungen in den Augen der ‘realen’ Politiker Phantasie, heute sind sie Wirklichkeit.
Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht zuerst die Reise des
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holländischen Ministerpräsidenten Kuyper nach Brüssel. Es ist unzweifelhaft, das durch ein Abschliessen der Grosstaaten die Kleinstaaten zuerst wirtschaftlich erdrückt werden. Es ist sicher, dass Chamberlains Pläne den Anstoss zu der Reise Kuypers gegeben haben. Ein holländisch-belgisches Zollbündnis hat auf den ersten Blick manches Verlockende an sich. Es kommt der Idee einer Vereinigung des durch die Sprache geeinten holländisch-vlamischen Niederdeutschtums entgegen. Es kann auch in gewisser Beziehung Holland und Belgien sich ergänzen, weil in einem die Industrie, in dem anderen der Ackerbau vorwiegt; doch nur bis zu einem gewissen Grade ist diese Ergänzung möglich. Belgien ist vor allem aufnahmefähig für Getreide, und Holland hat kein Getreide. Auf der anderen Seite würde Holland bei einem solchen Bündniss ohne Gegenwert die Zukunft seiner Industrie opfern. Vor allem steht dagegen aber der natürliche Wettbewerb der beiden Staaten als Handelsländer. Beide Länder lagern sich nordwestlich vor Central-Europa. Für dieses Mittel-Europa sind beide Durchfuhrländer im grossartigsten Masstabe und daher natürliche Wettbewerber. Holland pflegt Amsterdam, Rotterdam, Belgien sein Antwerpen und sein Brügge. Keiner der zwei Staaten kann dem anderen etwas zur Pflege dieses Handels bieten, vielmehr muss jeder dieser Häten aus dem Hinterlande gespeist werden. Und schlieslich entscheiden in allen solchen Beziehungen die Ziffern. Die Natur des modernen maschinellen Industrialismus verlangt ungeheuere Absatzgebiete. Die Zukunft der Industrie ist die Spezialisierung; jede Fabrik macht nur einen Gegenstand, Nähnadeln oder Schrauben oder ein bestimmtes Tuch, u.s.w., aber dieses immer, um die Unkosten herabzusetzen, in ungeheuren Massen. Man muss also
die Verbraucher grosser Gebiete für diese Erzeugnisse mit Beschlag belegen können. Holland und Belgien würden einen Wirtschaftsstaat von noch nicht zwölf Mil- | |
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lionen Einwohner darstellen. Ein solcher Wirtschaftsstaat hat keine bedeutende Zukunft. Halten doch selbst die Deutschen mit ihren 60 Millionen Einwohnern sich noch zu schwach, allein zukünftig eine wirtschaftliche Grossmacht zu sein. Die Zukunft braucht wirtschaftliche Weltreiche von 100 Millionen Menschen, und darum ist das holländisch-belgische Zollbündnis ein Unding, welches nicht geboren, oder bald sterben muss. Dass Kuyper aber Pläne hat, ist sicher. Sein Hauptblatt, dessen Leiter er ehemals war, der Standaard, brachte, als Kuyper von seiner Reise zurückgekehrt war, einen beachtenswerten Artikel.
Er lautete:
‘In Belgien blieb's beim alten. Alles Französische weckte Interesse, und um das, was in unserm Lande vorviel, kümmerte man sich nicht. Selbst durch die vlamische Bewegung gelangte nur ein kleiner Theil der belgischen Presse zur Einkehr. Es war zu befürchten, dass allmählich ganz Süd-Niederland der Niederländischen Volksart verloren gehen würde.
Insofern darf die Sympathiebezeugung beinahe der ganzen belgischen Presse für Nord-Niederland, gelegentlich des Besuches von Minister Kuyper in Brüssel, eine sehr erfreuliche Erscheinung genannt werden. Zu grosse Bedeutung darf man dieser Wendung der öffentlichen Meinung allerdings nicht beimessen, aber sie zu unterschätzen, geht auch nicht an..
... Unser Stamm trägt das Gespräge eines selbständigen Characters, verschieden von dem des Engländers, des Deutschen. Stets wird es schwieriger, diesen Charakter zu entwickeln, da sowohl England als auch Deutschland, als Riesenmächte auf jedem Gebiet, einen Ton aangeben, den wir nicht zu erreichen vermögen.
Wir haben die heilige Pflicht, das uns anvertraute Pfand mit allem Ernst zu erhalten. Vor Allem die Kunst hat in dieser Beziehung günstig gewirkt, aber doch zählt hier auch die Ziffer mit. Gegenüber der zu stark anwachsenden Bevölkerung der grossen Staaten kann schiesslich die kleine Zifter unserer Bevölkerung, wenngleich auch sie Fortschreitet, zu gering an Bedeutung werden, um den Ringkampf für eigene Art und Character fortsetzen zu können. Schon verspürt man die tiefgekende Einwirkung der Deutschen Sprache und Deutschen Wissenschaft auf unser wissenschaftliches Erbe und in höheren Kreisen spricht das high life schon stärker von englischem Einfluss als für unsere selbständige Entwickelung gewünscht ist.
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Angesichts der erhöhten Sympathie zwischen Nord und Süd denkt der Kaufmann zuerst an einen Zollverband; der Militär an eine Convention; aber wer tiefer fühlt, muss zugeslehen, dass es von weit höherm Interesse ist, wenn die Eigenart des Niederländischen Stammes zu reicherer Entwickelung und zur Entwickelung auf breiterer Grundlage gelangt.
Von diesem Standpunkt aus betrachtet, besteht alle Ursache zur Freude darüber, das der König von Belgien in so auffallender Weise die in Belgien aufkeimende Neigung zum Ausdruck brachte und dass beinahe die gan[z]e belgische Presse sich als geistesverwandt zeigte.’
Der Artikel enthält sehr viel schiefes. Wir sind zum Beispiel der Meinung, dass die Französelei in Holland mindestens ebenso stark ist, wie in dem vlamischen Belgien; die Hollander brauchen also den Vlamen gar keine Vorwürfe zu machen. Wenn der Verfasser des Artikels ‘die Eigenart des niederländischen Stammes zu reicher Entwickelung und zur Entwickelung auf breitester Grundlage bringen’ will, so unterstellt er der Reise Kuypers politische Zwecke. Es ist nicht klar was hier gemeint ist; jedenfalls werden sich das belgische Königstum und die Walonen strauben, einen Schritt zu tun, der die Revolution von 1830 ungeschehen macht und der einen Teil Belgiens enger mit Holland verbindet. Aber richtg und ausschlaggebend ist der Satz: ‘Gegenüber der zu stark anwachsenden Bevölkerung der grossen Staaten kann schliesslich die kleine Ziffer der Bevölkerung unserer Staaten zu gering an Bedeutung werden’. Ins wirtschaftliche übersetzt gilt das aber nicht nur für Holland sondern auch für Holland und Belgien zusammen. Ein holländisch-belgischer Zollbund könnte eine wirtschaftliche Katastrophe nicht abhalten, wenn tatsächlich einmal alle grossen Länder sich in sich abschliessen und die kleinen von ihrem Markte verjagen.
In Deutschland und in Oesterreich ist inzwischen ein viel gewaltigerer Plan aufgetaucht, wir wollen es gleich heraussagen, der Plan einen mitteleuropäischen Zollverband vorzubereiten; denn wenn auch die sofortige Schaffung eines solchen Verbandes für unmög- | |
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lich erklärt ist, so wird doch die Arbeit schliesslich auf einen solchen hinzielen wie später zu beweisen sein wird. Bei politischen Strömungen kommt es weniger auf den guten Willen als auf die Macht an, deshalb sind die Namen der Förderer eines Projektes von ausschlaggebender Bedeutung. Wir können hier gleich feststellen, das die einflussreichsten Politiker und parlamentarischen Führer, sowie die allerersten leitenden Industriellen der drei Staaten, deutsches Reich, Oesterreicch und Ungarn, sich zu einem ‘Mitteleuropäischen Wirtschaftsverein’ im Januar d.J. zusammengeschlossen haben. Um dies zu beweisen nennen wir einen Teil der Namen. Der Ausschuss besteht u.a. aus folgenden Personen:
In Deutschland
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Prinz von Arenberg, Mitgl. d. Reichstags u.d. preuss. Abgeordnetenhauses in Berlin. |
Aust, Hermann, Kommerzienrat, Vorsitzender d. bayrisch. Industriellen-Verbandes in München. |
Ballin, Generaldirektor der Hamburg-Amerika-Linie, in Hamburg. |
Bassermann, Rechtsanwalt in Mannheim. |
Dr. Bödiker, Wirkl. Geh. Ober-Regierungsrat a.D., in Berlin. |
Dietel, Franz, Kommerzienrat, Vorsitzender des Vereins deutscher Wollkämmer und Kammgarnspinner, in Cossmannsdorf. |
Dr. Hammacher, Friedr., in Berlin. |
Ernst. Günther Herzog zu Schleswig-Holstein, auf Primkenau. |
v. Kardorff, Mitgl. d. Reichstags u.d. preuss. Abgeordnetenhauses, auf Wabnitz. |
Kirdorf, E., Geh. Kommerzienrat, Generaldirektor d. Gelsenkirchner Bergwerks-Aktiengesellschaft, Rheinelbe bei Gelsenkirchen. |
Graf zu Limburg-Stirum, Wirkl. Geh. Rat, Mitgl. d. Reichstags u.d. preuss. Abgeordnetenhauses, auf Gross-Peterwitz. |
Lueg, C., Geh. Kommerzienrat, Mitgl. d. preuss. Herrenhauses, Vorsitzender d. Vereins deutscher Eisenhüttenleute, in Oberhausen. |
Freiherr v. Manteuffel, 1. Vizepräsident d. preuss. Herrenhauses, Landesdirektor der Provinz Brandenburg, in Berlin. |
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Marwitz, G., Generaldirektor, Vorsitzender des Verbandes deutscher Baumwollgarnkonsumenten, in Dresden. |
Dr. v. Mayr, Georg, kais. Unterstaatssekretär a.D., Prof. d. Staatswissenschaften a.d. Universität München. |
Dr. Mehnert, Geh. Hofrat, Präsident der Zweiten Kammer der sächsischen Ständeversammlung, Vizepräsident des sächs. Landeskulturrates, in Dresden. |
Dr. Paasche, Geb. Reg.-Rat, Prof. d. Staatswissenschaften a.d. Techn. Hochschule in Berlin, 2. Vizepräsident d. Reichstags u. Mitgl. d. preuss. Abgeordnetenhauses. |
Dr. Porsch, Justizrat, 1 Vizepräsident d. preuss, Abgeordnetenhauses, in Breslau. |
Dr. Ratzel, Geh. Hofrat, Prof. d. Geographie a.d. Universität Leipzig. |
Freiherr v. Richthofen, Landeshauptmann v. Schlesien, in Breslau. |
Dr. Ritter, Geh. Reg.-Rat, Generaldirektor, Mitgl. d. preuss. Staatsrats, in Waldenburg. |
Dr. Schäffle, k.k. Handelsminister a.D., in Stuttgart. |
Schlumberger, Th., Kommerzienrat, Mitgl. d. Reichstags, Vorsitzender d. Elsässischen Industriellen-Syndikats in Mühlhausen im Elsass. |
Prinz zu Schönaich-Carolath, Georg, Vorsitzender d. Landwirtschaftskammer für die Provinz Schlesien, auf Saabor. |
Freiherr v. Soden-Fraunhofen, Erster Vorsitzender d. bayr. Landwirtschaftsrats, 1. stellv. Vorsitzender d. Deutschen Landwirtschaftsrats, Reichsrat der Krone Bayern, in München. |
Dr. Freiherr v. Schorlemer, Mitgl. d. preuss. Herrenhauses, Vorsitzender d. Landwirtschaftskammer für d. Rheinprovinz, stellv. Vorsitzender d. preuss. Landes-Oekonomie-Kollegiums, in Lieser a.d. Mosel. |
Graf v. Tiele-Winckler, Landesältester, erbl. Mitgl. d. preuss. Herrenhauses, Fideikommiss-Besitzer auf Moschen und in Berlin. |
Vogel, Herm., Geh. Kommerzienrat, Vorsitzender d. Velbands der Textilindustriellen, in Chemnitz. |
Vopelius, R., Mitgl. d. preuss. Herrenhauses, stellv. Vorsitzender d. Centralverbandes deutscher Industrieller, Vorsitzender d. Vereins der Glasindustriellen Deutschlands und d. Glasberufsgenossenschaft, Sulzbach b. Saarbrücken. |
Vorster, J., Kommerzienrat, Mitgl. d. preuss. Abgeordnetenhauses, Vorsitzender des Vereins der Industriellen d. Regierungsbezirks Köln, in Köln. |
Dr. Wachter, Oberbergrat a.D., Mitgl. d. preuss. Herrenhauses, in Charlottenburg. |
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Dr. Websky, Geh. Kommerzienrat, Mitgl. d. preuss. Staatsrats, in Wüstewaltersdorf. |
Wirth, Herm., Geh. Kommerzienrat, Vorsitzender d. Bundes d. Industriellen, in Berlin. |
In Oesterreich
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Fürst Auersperg, k.u.k. Geh. Rat, 1. Vizepräsident des Herrenhauses, Präsident der k.k. Landwirtschafts-Gesellschaft in Wien, Goldegg bei St. Pölten. |
Dr. Bärnreither, Josef, k.k. Handelsminisier a.D., k.u.k. Geh. Rat, Reichsratsabgeordneter, in Wien. |
Dr. Ritter v. Bilinski, k.k. Eisenbahn-u. Finanzininister a.D., k.u.k. Geh. Rat, Gouverneur der Oesterreichisch-ungarischen Bank, in Wien. |
Graf Bouquoy, Ferdinand, Herrschaftsbesitzer in Hauenstein, in Böhmen. |
Freiherr v. Chlumetzky, k.k. Handelsminister a.D., k.u.k. Geh. Rat, Mitgl. d. Herrenhauses, Präsident der Südbahn-Gesellschaft in Wien. |
Freiherr v. Dipauli, k.k. Handelsminister a.D., k.u.k. Geh. Rat, Mitgl. d. Herrenhauses, in Kaltern, Tirol. |
Dr. Exner, k.k. Sektionschef, Direktor des staatlichen Gewerbeförderungsdienstes des k.k. technologischen Gewerbemuseums, in Wien. |
Dr. Ritter v. Guttmann, Max, k.k. Bergrat, in Wien. |
Dr. Hallwich, Hermann, k.k. Hofrat, Vizepräsident des Zentralverbandes der Industriellen Oesterreichs, in Wien. |
Simic Reichsritter v. Hohenblum, Referent der Zentralstelle für Wahrung der land-u.forstwirtschaftlichen Interessen beim Abschlusse von Handelsverträgen in Wien. |
Ritter v. Kink, Julius, Reichsratsabgeordneter, Präsident des Zentralverbandes der Industriellen Oesterreichs, in Wien. |
Dr. Kolischer, Heinrich, Landtags- und Reichsratsabgeordneter, in Wien. |
Graf Kolowrat-Krakowski, Leopold, Fideikommissbesitzer, in Teinitzl bei Klattau. |
Graf Kottulinsky, k.u.k. Geh. Rat, Mitgl. d. Herrenhauses, Präsident der k.k. Landwirtschaftsgesellschaft in Graz, Präsident der Zentralstelle für Wahrung der land- und forstwirtschaftlichen Interessen beim Abschlusse von Handelsverträgen. |
Kohn, Felix, Vizepräsident des Zentralverbandes der Industriellen Oesterreichs. |
Krupp, Arthur, Mitgleid des Herrenhauses, in Berndorf. |
Dr. Licht, Stefan, Reichsratsabgeordneter, Rechtkonsulent des Zentralverbandes der Industriellen Oesterreichs, in Wien. |
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Prinz Lobkowitz, Ferdinand, k.u.k. Geh. Rat, Mitgl. d. Herrenhauses, Landtagsabgeordneter, Präsident des Landeskulturrates für das Königreich Böhmen, Unter-Berkowic. |
Freiherr v. Mauthner, Mitgl. d. Herrenhauses, Präsident der Handels- und Gewerbekammer, in Wien. |
Neumann, Alois, Präsident der Handels- und Gewerbekammer in Reichenberg, Generalreferent des Ausschusses des Industrierates zur Vorbereitung von Handelsverträgen. |
Pastrée, Julius, Präsident des Bundes der Industriellen, in Wien. |
Dr. Russ, Viktor, Präsident der Oesterreichischen Nordwest-Dampfschiffahrtsgesellschaft, in Wien. |
Ritter von Skene, Alfred, Reichsratsabgeordneter, Präsident des Landeskulturrates der Markgrafschaft Mähren, in Prerau. |
Ritter von Schoeller, Paul, Mitgl. d. Herrenhauses, Präsident des Zentralverbandes der Industriellen Oesterreichs, in Wien. |
Ritter v. Schoeller, Richard, Vizepräsident des Industriellen Klubs, in Wien. |
Vetter, Heinrich, Kommerzialrat, Vizepräsident des Bundes der Industriellen, in Wien. |
In Ungarn
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Graf Apponyi, Albert, k.u.k. Geh. Rat, Mitgleid des Reichstags. |
Bosanyi, Andreas, Generalsekretär des Vereins ungarischer Zuckerindustrieller. |
Dr. Chorin, Franz, Mitglied d. Magnatenhauses, Präsident des Bundes ung. Fabriks-Industrieller. |
Graf Dessewffy, Aurel, k.u.k. Geh. Rat, Präsident der Ungarischen Landwirtschaftsgesellschaft. |
Celléri, Moritz, kön. Rat, Direktor des Landes-Industrie-Vereins. |
v. Hatvany-Deutsch, Alexander, Mitglied des Magnatenhauses, Vizepräsident d. Bundes ung. Fabrik-Industrieller. |
Dr. Kautz, Julius, k.u.k. Geh. Rat, Gouverneur d. Oesterreich-ungarischen Bank a.D. Mitglied des Magnatenhauses, Präsident der ungarischen Volkswirtschaftlichen Gesellschaft. |
Lánczy, Leo, kön. Hofrat, Direktor der Ungarischen Commerzialbank, Präsident der Handels- und Gewerbekammer. |
v. Matlekovits, k.u.k. Geh. Rat, kön. Staatssekretär a.D., |
Dr. Nagy, Franz, Staats-Sekretär a.D., Universitäts-Professor und Reichstags-Abgeordneter. |
Neuschloss, Marcell, kön. Rat, Grossindustrieller, in Budapest. |
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Graf Széchenyi, Emerich, Mitglied des Magnatenhauses, in Budapest. |
Dr. Wekerle, kön. Ministerpräsident u. Finanzminister a.D, k.u.k Geh. Rat, Präsident des Verwaltungsgerichtshofes, in Budapest. |
Wer die politischen und parlamentarischen Verhältnisse, vor allem aber auch die industriellen Verhältnisse kennt, weiss, dass diese Liste zalreiche ausschlaggebende Namen umfast, und darin liegt die Bürgschaft, dass dieser Wirtschaftsverein von sehr grosser Bedeutung werden wird. Der Wirtschaftsverein erklärt ausdrücklich, dass er zur Zeit eine Zoll-Union der Mitteleuropäischen Staaten noch für unmöglich hält. Jede Propaganda für eine Mitteleuropäische Zoll-Union liegt wie der Verein sagt, ausserhalb seines Programmes. Aber seine Begründer, sind von der Ueberzeugung durchdrungen, dass die mitteleuropäischen Staaten ihr Gedeihen in höherem Masse sicherstellen können, als dies jetzt geschieht, wenn sie
1. | in weiterem Umfang als bisher gewisse Gegenstände des Wirtschaflswesens und des Wirtschaftsraelites gleichmässig regeln, wenn |
2. | die Staaten Einrichtungen, welche sie besitzen, wechselseitig auch den anderen dienstbar machen, was auf den verschiedensten Gebieten möglich ist (vgl. z.B. Grenzwachdienst, Kontrolle der Ein- und Ausfuhr, Clearings von einem Staate in den anderen), wenn sie |
3. | besonderes Entgegenkommen üben, besondere Rücksicht nehmen auf die speciellen Verhältnisse ihrer Volkswirtschaften, ihre Bedürfnisse und ihren Vorteil bei Vereinbarungen über Zölle, Eisenbahntarife u.s.w., wenn sie |
4. | die auf diesem Gebiet vorhandenen Möglichkeiten zum Gegenstande dauernder Bearbeitung machen, statt sich auf Verhandlungen, die nur alle Jahrzehnte einmal wiederkehren und hastig durchgeführt werden müssen, zu beschränken, wenn sie |
5. | mit der Vertretung ihrer Interessen im ferneren Ausland hin und wieder gemeinsam Organe betrauen, oder wieder auch Organe des einen Staats dem andern dienstbar machen, wenn sie |
6. | bei Verhandlungen mit dem ferneren Ausland, wo dies erspriesslich, im Einvernehmen vorgehen, wenn sie |
7. | für die Schlichtung internationaler Streitigkeiten auf dem Gebiete des Wirtschafts-, insbesondere des Zollwesens standige Schiedsgerichte einsetzen. |
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Es ist zweifellos, dass bei systematischer Arbeit auf allen diesen Gebieten jeder der Staaten gewinnender sein muss, zweifellos, dass Gelegenheiten und Aufforderungen zu solcher Arbeit in sehr grosser Zahl vorhanden sind, und weiter auch klar, dass jene Arbeit getan werden kann, ohne das wirtschaftspolitische, geschweige denn politische Selbstbestimmungsrecht der Staaten im geringsten zu gefährden.
In seinen Erläuterungen zum Aufruf führt der Verein folgendes aus:
Der Mitteleuropäische Wirtschaftsverein erstrebt keine Zollunion der mitteleuropäischen Staaten. Er hält den Plan einer solchen aus politischen und wirtschaftlichen Gründen nicht für durchführbar.
2. | Auch sonst soll die wirtschafts- und zollpolitische Selbständigkeit der in ihm vertretenen Staaten keinerlei Antastung erfahren und denselben unbenommen sein, ihre Interessen gegen einander mit jedem durch die Verhältnisse gebotenen Nachdruck zu vertreten. |
3. | Unbeschadet dessen wil der Mitteleuropäische Wirtschaftsverein die mitteleuropäischen Staaten veranlassen, die handelspolitische Position jedes einzelnen von ihnen bei Verhandlungen mit dem ferneren Ausland durch das Mittel handelspolitischer Allianzen, sei es ad hoc, sei es für längere Zeit, zu verstärken, in der Annahme dass handelspolitisch alliirte Staaten dem Ausland bessere Bedingungen abzugewinnen vermögen als handelspolitisch isolierte. |
4. | Die Meistbegünstigung als solche wil der Mitteleuropäische Wirtschaftsverein nicht in Frage stellen, aber ernsthaft prüfen, ob ihre Gewährung nicht an die Forderung zu knüpfen sei, dass gewisse Zollmaxima auch vom Ausland nicht überschritten werden oder wenn das der Fall, dann auf anderem Gebiete Gegenleistungen gewährt werden (Reciprocitätsverträge), eine Forderung, die Aussicht auf Annahme dann nur hat, wenn eine Anzahl Staaten in ihr zusammenstehen. |
5. | Wie die Sicherung des Innenmarktes der in ihm vertretenen Staaten, ist die Förderuug ihrer Exportinteressen eine der Hauptaufgaben des Wirtschaftsvereins. Er zieht die Einrichtung eines umfassenden Informationsdienstes und die Vertretung von Rechtsansprüchen seiner Mitglieder im Ausland in Betracht. |
6. | Weiter will der Verein durch Vereinheitlichung des Wirtschaftsrechts (Wechselrecht, Checkrecht, Recht des Speditions-, Kommissions-, Frachtgeschäftes) in den mitteleuropäischen Staaten und darüber hinaus die Manipulation des Exportgeschäftes vereinfachen, die Rechtssicherheit erhöhen, die Geschäftsspesen herabsetzen. |
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7. | Aehnlich will er durch einheitliche Regelung des Konkursrechts und durch Erwirkung der Vollstreckbarkeit für in dem einen Land gefällte Urteile in einer Anzahl anderer die Sicherheit der Erfüllung übernommener Verpflichtungen verstärken und die Verluste verringern, denen der Exportkaufmann meist in höherem Masse als der Inlandskaufmann ausgesetzt ist. |
9. | Er will Vereinfachung der Formalitäten, die gegenwärtig bei Ein- und Ausfuhr erfüllt werden müssen, in dem die Erhebungen des einen Staates gleichzeitig dem anderen dienstbar gemacht werden. |
10. | Den Staaten selbst will er durch Vereinfachung des Grenzwachtdienstes Kosten von Bedeutung sparen, in der Erwägung, dass auch der Grenzwachtdienst des einen Staates bis zu gewissem Grade für den andern arbeiten kann. |
11. | Der Verein will die Errichtung von amtlichen Zollauskunftstellen und vor allem von Zollschiedsgerichten erwirken. |
Prüft man aufmerksam dieses Programm, so ergiebt sich daraus folgendes: der Verein erstrebt keine unlösbare Zoll-Union; aber sein Ziel führt ausgesprochnerweise indirekt auf etwas Aenhliches hin, denn mittelst eines Bündnisses soll die Position bei Verhandlungen mit dritten verstärkt werden und die Meistbegünstigung soll von den wirtschaftlich verbündeten Staaten an Dritte nur gegeben werden, wenn das Ausland, z.B. Amerika, gewisse Zollmaxima nicht überschreitet; mit anderen Worten: Wir haben hier die abgeschwachte, durch bestimmte Zeiträume und für bestimmte Ziele geschlossene Zollallianz. Dass Chamberlain der eigentliche Vereinsgründer ist sieht man aus einer Stelle im Aufruf selbst, der in tausenden von Exemplaren in Deutschland, Oesterreich und Ungarn umhergestreut wird: ‘Dieses Programm gewinnt die voile Actualität in einem Augenblicke, wo Grossbritannien im Begriffe ist, nach halbhundertjähriger Freihandelspause wieder Zölle aufzurichten, bezüglich deren Höhe und Art Alles in Frage stekt, und der Zeitpunkt immer näher rückt, wo auch Amerika für den Absatz eines wachsenden Teiles seiner Produkte, ob es will oder nicht, auf auswärtige Märkte angewiesen sein wird.
Der Verein ist, indem er das hervorhebt, weit entfernt davon,
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Zollkriegen oder auch nur Zollkonflikten das Wort zu reden. Er will, bei allerdings nachdrücklichster Verfolgung seiner Ziele, Allem aus dem Wege gehen, was politische Verstimmung schaffen kann. Aber er halt däfür, dass es unverantwortlich wäre, sich ohne Not der Vorteile zu begeben, die ein wirtschaftspolitisches Einvernehmen einer Anzahl Staaten schaffen kann, und dass es patriotische Pflicht ist, Alles aufzuwenden, um jenen Staaten gegenüber, die über einen viel grösseren Innenmarkt oder über reichere und vielseitigere Naturschätze oder andere Vorteile verfugen, dem eigenen Lande die Ebenbürtigkeit zu gewinnen oder zu bewahren.’
Die Ziele dieses Vereins sind gewaltig. Wie weit er sie erreicht, lassen wir dahingestellt sein. Es ist aber bezeichnend, dass die Blüte der Politiker und der Industriellen von drei Grosstaaten sich einmütig und blitzesschnell zu einem solchen mächtigen Verein zusammen schliessen. Nun denke man sich einen Augenblick die Ziele des Vereins verwirklicht. Wir denken uns dieses Mittel-Europa vom Rhein bis zu den Karpaten in einer Zollallianz stehend, die allerdings nur für eine gewisse Zeit abgeschlossen und kündbar ist. Deutschland, Oesterreich und Ungarn würden also dann bei Handelsverträgen geschlossen auftreten. Sie lassen noch nicht alle Zollschranken fallen, aber sie handeln gemeinsam, und das ganze grosse Gebiet Mittel-Europas bleibt dem verschlossen, der sich nicht mit ihnen abfindet, ein Reich von über 100 Millionen kaufkräftigen Einwohnern. Sie erleichtern unter sich den Verkehr; sie schaffen direkte Eisenbahntarife und bequeme Abrechnungsstellen; sie verweigern die Einfuhr dem Auslande, welches den Zoll übermassig steigert; kurz, sie treten als zeitweilig wirtschaftlich Verbündete dem übrigen Europa und der übrigen Erde entgegen. Was werden in einem solchen Augenblick Holland und Belgien tun? Werden sie glauben, neben Amerika mit 70 Millionen, neben Rusland mit
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90 Milionen, neben England mit 60 Milionen Weissen und seinen Kolonien und neben Mittel-Europa mit 100 Milionen Einwohnern noch unter einander einen Kleinen Wirtschaftsstaat von 12 Milionen gründen und im wirtschaftlichen Kampfe behaupten zu können? Diese Frage müssen sich die Politiker und die Industriellen an der Maas und der Schelde vorlegen.
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