Germania. Jaargang 3
(1900-1901)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermdDie französische Kriegslyrik des Jahres 1870-71 in ihrem Verhältnis zur gleichzeitigen deutschen.(Fortsetzung und Schluss.)Getreue, humorvolle Schilderungen der Freuden und Leiden des Kriegers im Feindeslande enthalten ausser den Gedichten: ‘Auf Vorposten’ (Kriegspoesie IV. Bd., S. 85), ‘Humor im Feld’ (a.a. O., S. 220), ‘Das Lied von der | |
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Erbswurst’, (Albumblatt des Kladderadatsch vom 20 September 1870, S. 6), ‘Vorpostenlied’ eines pommerschen Landwehrmannes vor Metz, welches von der Sehnsucht nach den Lieben in der Heimat und der Hoffnung auf baldige Helmkehr handelt (Kriegspoesie IV, S. 211), ‘Was braucht der Krieger in dem Feld?’ (a.a, O., II, S. 192) und die zahlreiche Kutschkelieder, welche die verschiedensten Stimmungen der deutschen Soldaten im Verlaufe des Krieges, ebenso Todesmut und Siegesgewissheit, wie Gottvertrauen, Pflichttreue, Friedensliebe und Sehnsucht nach der Heimat in einfacher, echt Volkstümlicher, dem französischen Chauvinismus entgegengesetzter Weise zum treffendsten Ausdruck bringen. Gerade bei den grössten Entbehrungen und Strapazen war der Hnmor von nachhaltiger, packender Wirkung. Die in der Kreuzeitung vom 14. August 1870 mitgeteilten Textzeilen: ‘Was kraucht da in dem Busch herum?
Ich glaub', es ist Napolium!’
welche schon als Kehrreim eines Liedes im Jahre 1813 von unsern Kriegern gesungen wurden, bilden sowohl die Grundlage des Liedes von Herm. Alex. Pistorius (Kriegspoesie II, S. 185), als des von Gotthelf Hoffmann verfassten Kutschkeliedes (Zeitschr. f.d. deutschen Unterricht, 9. Jahrgang, IV. Heft, Leipzig 1895, S. 316)Ga naar voetnoot(1). Aus den überaus zahlreichen Kutschkeliedern he- | |
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ben wir nur hervor: ‘Kutschke und Napolium’ (Ditf. II, S. 76), ‘Kutschke auf Feldwache’ (Kriegspoesie II, S. 142) ‘Ein Kutschke-Uberblick’ (a.a O. II, S. 175), ‘Kutschkes Einzugsgedanken’ (a.a. O.; II, S. 212), ‘Kutschke an die Pariser’ (a.a. O., III, S. 172), ‘Füsilier Kutschkes Einsprache (a.a. O., III, S. 325), Kutschkes Visitenkarte’ (a.a. O., IV, S. 94) und ‘Das Pariser Kutschkelied’ (a.a. O., V.S. 229). Ganz im Sinne und Geist dieser Lieder dichtete der Unteroffizier Lorch von der 9. Kompagnie des I. Garderegiments zu Fuss, das Lied: Auf Bereitschaft’, las er seinen Leuten in stürmischer Nacht auf dem Boden eines Bauernhauses in Courcelles vor, um sie wach zu erhalten und so vor einem Uberfall durch Franctireurs zu sichern (Kriegspoesie IV, S. 212). Für unsere deutsche Kriegslyrik ist es besonders bezeichnend, dass in ihr sich eine reiche Fülle wahren Gemüts erschloss und eine tiefe Religiosität Perlen der Dichtung schuf. Der christliche Idealismus, den nicht wenige jener Dichter in der Brust trugen, verleiht auch ihrer Begeisterung für nationale Grösse noch einen höheren Schwung. Gerade dadurch aber haben diese Lieder ihre Wurzeln so tief in die Anschauungen unseres Volkes eingesenkt. Ein eigentümlicher Zauber umgiebt bei uns in Deutschland die Feier des Weihnachtsfestes; der Lichterglanz des Christbaumes erhöht im Palast des Reichen, wie in der Hütte des Armen, die Weihe, welche auf diesem volkstümlichen Feste ruht. Selbst im Feindeslande, teilweise unter sehr schwierigen Verhältnissen, hielten die Krieger an dieser schönen Sitte fest und liessen alle die erinnerungsfrohen Bilder vor ihrem geistigen Auge vorüberziehen, welche sie bisher in der Heimat zur Weihnachtszeit als den Inbegriff höchster Glückseligkeit betrachtet hatten. Um so weniger überrascht uns die grosse Zahl der Weihnachtslieder, welche wir in Kriegspoesie V, S. 418, 419, 428, 430 und 433 mitgeteilt finden. Der Feier dieses unseres schönsten Festes entstammen noch folgende ergreifende Lieder: ‘Weihnachtsgruss den verwundeten deutschen Kriegern in den Lazarethen’ (Kriegspoesie V, S. 443), ‘Deutschlands Kindern zum Weih nachtsfeste’ (Kriegspoesie V, S. 447), ‘Der Landwehrmann am Weihnachts- | |
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abend’ (Zeitgedichte für Volk und Heer’, Stuttgart, Ad. Bonz & Cie. 1876, S. 56) und ‘Zu Weihnachten an die Krieger’ (Patriot. Lieder von Dr. Peiter, Bonn, Marcus, III. Heft, S. 87). Den Grundton vieler Gedichte aus jener Zeit bildet der Lobgesang der himmlischen Heerscharen bei der Gcburt Christi: ‘Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden!’, welcher auch bereits das Leitmotiv bildete zu dem Geibelschen Liede von 3. September 1870: ‘Nun lasst die Glocken von Turm zu Turm
Durchs Land frohlocken im Jubelsturm!’
(Tetzner, Deutsche Geschichte in Liedern, Leipzig, Reclam, S. 308). Waren Gott, Glaube, Gebet die mächtigen Felsen, auf welche beim Beginn des Krieges viele unserer Vaterlandslieder gegründet sind, so strömt die deutsche Dichtung vor und nach der endlichen Erfüllung des langen heissen Sehnens des deutschen Volkes den Dank gegen den obersten Lenker der Schlachten in den kräftigsten, vollsten Tönen aus. Man lese nur nach: ‘Eine feste Burg ist unser Gott’ von Dr. Peiter (Patriot. Kriegslieder, Bonn, Marcus, II. Heft, S. 52) und Em. Geibels Lied: ‘Zur Friedensfeier’ mit dem Kehrreim: ‘Preis dem Herrn, dem starken Retter,
Der nach wunderbarem Rat
Aus dem Staub uns hob im Wetter
Und uns heut' im Säuseln naht!’ (Tetzner a.a. O., S. 318).
Schon nach der Gefangennahme Napoleons und noch mehr nach dem Einzug der Truppen in die stolze Seinehauptstadt spricht sich die Freude des friedliebenden deutschen Volkes über das Erreichte und der Dank gegen den höchsten Lenker der Schlachten in vollen Jubeltönen aus, und die mit dem neuen Jahre in Deutschland allgemein hervortretende Sehnsucht nach Frieden macht sich in einer Fülle von Liedern aufs deutlichste bemerkbar. Da begegnen wir dem Liede von Rud. v. Gottschall ‘Zum neuen Jahr’ (a.a. O., S., 198) und dem Liede: ‘Ein Friedensgruss unsern heimkehrenden Kriegern’ (Karl Gerok, Leipzig, Volckmar 1871’, aus welchem wir nur auf folgende Stellen hinweisen möchten: ‘Ein Schwur dem grossen Gott und Retter,
Der sein erbarmend Angesicht
Euch leuchten liess im Schlachtenwetter:
Vergesset sein im Frieden nicht!
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Verlaufen sind des Krieges Wogen,
Die Heere ziehen froh nach Haus,
Nun spanne deinen Friedensbogen
Ob den versöhnten Völkern aus!’
Lieder ähnlicher Art sind: ‘Friede’ (Kriegstagebuch in Liedern von Moritz Pläschke, S. 57), ‘Gieb uns Frieden’ (Kriegspoesie V.S. 417), ‘Gebet um Frieden (Kriegspoesie V, S. 425), Dem Frieden’ (Ditf. II, S. 215) und ‘Friede’ (Ditf, II, S. 217). Von dieser friedliebenden Stimmung giebt uns der helle Jubel am besten Kunde, der uns aus der ersten Strophe des zuletzt erwähnten Liedes entge enschallt: ‘Friede, Friede, welch' ein Wort!
Strahle leuchtend fort und fort,
Hört es alle, gross und klein:
Süsse, goldne Friedenssonne,
Fülle jedes Herz mit Wonne!
Friede, Friede soll es sein!’
Ganz ähnliche Gedanken treten uns auch in dem Scherenbergschen Liede entgegen, welches zur offiziellen Begrüssung des Kaisers beim Einzug in Berlin, am 16. Juni 1871, diente. Wir führen daraus nur die bemerkenswerte Stelle an: ‘Und mit den unwelkbaren Lorbeerkronen
Bringst Du die Palme uns als Siegeshort,
O dass ihr Schatten Dich noch lange labe,
Dein Sämanns-Müh'n die reichste Ernte habe!’
(Ad Enslin, S. 167).
In Deutschland ist die Pflege der volksmässigen Kriegslieder auf dem Boden treuen Pflichtsgefühls, unerschütterlichen Vertrauens auf den Sieg der gerechten Sache und wetteifernder Opferfreudigkeit für das Vaterland entstanden. Deshalb behalten sie auch für unsere Tage, in denen die nationale Strömung nicht selten durch Parteihader eingedämmt wird, insofern noch ihre hohe Bedeutung, als sie das Andenken an die mit den Schwersten Opfern erkauften Errungenschaften des grossen Krieges frisch und lebendig erhalten und die schon beim Friedensschluss, ausgesprochene Warnung Alexander Kaufmanns (Beim Friedensschluss, Lieder. Lief. 11, S 87) unserem Volke aufs nachdrücklichste vor die Seele führen: ‘Frieden, Frieden auch im Innern, -
Erst wenn dieser Friede glänzt,
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Wird vom seligsten Erinnern
Jener grosse Kampf umkränzt!
Erst dann sind wir echte Ahnen
Einer künft'gen schönen Zeit,
Die als geister noch ermahnen
Dich mein Volk, zur Einigkeit.’
Nur in wenigen Erzeugnissen der französischen Kriegslyrik hingegen, deren Keime und Knospen ohne den belebenden Strahl grosser Erfolge und Thaten meist bald genug wieder abstarben, vermögen wir die Regungen der eigentliche Volk[s]eele zu fühlen. Prahlen mit raschem Ruhm und reicher Beute und Selbstüberhebung, das sind die Grundzüge der Lieder aus der ersten Zeit des Krieges. Und als nach der Vernichtung der stolzen Rheinarmee der Ruf nach Rache und Verleumdungen gegen das Heer und seine Führer der Grundton der Lieder war, in denen das Gefühl des tiefverletzten Nationalstolzes sich Luft machte, klingen doch fast nirgends jene reineren Empfindungen trauernder Vaterlandsliebe durch, wie sie zur Zeit der tiefsten Erniedrigung Deutschlands ein Arndt, Schenkendorf oder Körner sich zu bewahren wussten. Die unseligen Wirkungen dieses in der französischen Kriegsdichtung hervortretenden, künstlich geschürten Nationalhasses haben sich auch nach dem Abschluss des Frankfurter Fiedensvertrages in der verschiedensten Form mehr als 25 Jahre hindurch geltend gemacht; und besonders das Aufwerfen der ‘elsass-lothringischen Frage’ hat alle Versuche zur Herbeiführung einer völligen Verständigung mit unseren westlichen Nachbarn stets wieder vereitelt, den Franzosen selbst aber manche bitteren Enttäuschungen im politischen Leben bereitet. Scheint heutzutage zugunsten einer Annäherung an Deutschland schon in der öffentlichen Meinung Frankreichs sich ein Umschwung zu vollziehen so beginnt auch die Uberzeugung ernster französischer Politiker und Staatsmänner von der Gemeinsamkeit der Interessen beider Länder in einem erträglicheren Verhalten Deutschland gegenüber sich zu bethätigen. Möge nur diese Strömung in ganz Frankreich den Gedanken an Rache für die Vergangenheit immer vollständiger zurückdrängen, damit beide Völker vereint sich der Lösung hoher Kulturaufgaben widmen können! Zwickau Prof. Dr Fritsche. |
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