Germania. Jaargang 2

Vlämische Chronik

Unser vlämisches Theater zu Brüssel feierte sein 25jähriges Jubelfest. Es wurde viel vlämisch gesprochen aber auch viel französisch, besonders dort, wo die offizielle Welt sich um den Thronfolger schaarte, wahrscheinlich damit Sr. K. Hoheit denken sollte, dass nur Festredner und Schauspieler vlämisch sprächen, während das Publikum I. Klasse blos hie und da ein Wort davon verstände.

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Die ganze königl. Familie war angemeldet, aber nur Prinz Albrecht erschienen. Julius Hoste als Mitbegründer hielt die treffliche Festrede. - Die Direktoren Hendricks und Rans leiten das Haus seit 25 Jahren mit viel Geschick, sie haben sich entschieden Verdienste um das finanzielle Gebahren desselben erworben. Das vlämische Theater ist dasjenige der Hauptstadt, das die grössten Ueberschüsse erzielt.

Die Leistungen sind im Grossen und Ganzen lobenswert, besonders werden Stücke aus dem vlämischen Volksleben ganz vortrefflich gegeben. Diese sind entschieden eine gesunde geistige Nahrung im völkischen Sinne.

Nestor de Tière steht unter den Dichtern obenan, die vom Publikum ganz besonders bevorzugt werden und dies mit vollem Recht. Sein schönes Drama ‘Roze Kate’ wurde als Festaufführung gewählt und mit grossen Erfolg gespielt. Da ihm wohl grösstenteils nicht blos die Ehren des Abends, sondern auch die der letzten 15 Jahre zufallen, so hätte er für seine Person an diesem Erinnerungstage weit mehr in den Vordergrund gestellt werden müssen, auch hier hätte das alte Wort ‘Ehre dem Ehre gebührt’ gelten müssen.

Die zahlreichen deutschen Stücke, die in Uebersetzung aufgeführt werden, sind vielfach leichte oder Mittelwaare. Ein wirklich klassisches Repertoir besteht nicht. Von Schiller, Göthe, Lessing keine Spur. Ist das Publikum für Aufführungen unserer grossen deutschen Meister nicht aufnahmefähig Wagt man sich nicht an die Aufgabe heran aus finanziellen oder anderen Gründen? Jeder einigermassen gebildete Belgier kennt Schillers Wilhelm Tell aber leider nur aus den Büchern. Die Bühne hat die hohe Aufgabe erzieherisch auf das Volk einzuwirken, in klassischem Sinne ist das von der hiesigen Direktion durchaus versäumt worden.

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Im Vlämischen Theater fand am 1. April ebenfalls das grosse Konzert statt, das die drei Brüsseler Ausschüsse für Transvaal und Oranjefreistaat gemeinschaftlich veranstaltet hatten; das Brüsseler vlämische Komiteit, das niederländische Komiteit für Belgien und der Ausschuss des deutschen Veteranen-Vereins.

Se. Excellenz Dr. Leyds kam direkt aus Paris zurück, um mit seiner Gemahlin demselben beizuwohnen. Verschiedene Gesandtschaften, so die deutsche, niederländische, russische, französische, hatten Plätze genommen. In der grossen Loge von Dr. Leyds bemerkten wir viele Mitglieder der hohen Aristokratie, so die Familien d'Ursel, Grünne, Liedekerke, Imperiali, Boisvilliers, dann den russischen und französischen Militärattaché; ferner den Jonkheer van der Hoeven. In anderen Logen den Gesandt-

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schaftssekretär van Boeschoten mit Familie, den vlämischen Abgeordneten De Vriendt und den französischen Kommandanten Jaquet, beide mit Gemahlinnen, den holländischen Konsul mit Familie, schliesslich mehrere deutsche, vlämische und holländische bekannte Familien u.s.w. Die berühmte Chorgesellschaft der Melomanen von Gent unter Leitung ihres vorzüglichen Direktors Oskar Roels sang mit grosser künstlerischer Vollendung altfranzösische und altvlämische Chöre, dann neuere Kompositionen von Florimond van Duyse, Blaes und schliesslich das grosse neueste Werk von Roels ‘Die Befreiung von Leyden’, ein zwölfstimmiger Chor. Diese wundervolle Schöpfung erweckte einen Sturm von Begeisterung, sie passte sich den Verhältnissen in auffallender Weise an. Die bedrängten Einwohner, die vergebens Hülfe erwarteten und den sie eng einschliessenden mächtigen Spaniern erbitterten Widerstand leisten. Dann der Mut und das Gottvertrauen des Bürgermeisters van der Werf, der die Seinigen ermahnt und zum Ausharren bewegt. Endlich naht, als die Not ihren Höhepunkt erreicht hatte, Hülfe unter Wilhelm von Oranien. Im letzten Teil verweben sich das Wilhelmuslied, das altniederländische Lied: ‘Help nu uselven, so helpt u God’ und der neunte Psalm zu einem mächtigen Triumpfgesang dar Befreiten. Alle Anwesenden erhoben sich unter Rufen und Beifall von ihren Sitzen, ein unvergesslicher Eindruck! Lebhaft wurde die Erinnerung geweckt an die kämpfenden Helden im fernen Süden, an ihren gottvertrauenden standhaften alten Präsidenten Paul Krüger und alle sehnten sich nach dem Oranien, der sich endlich wohl auch zeigen wird, wenn ihn das ‘Help nu uselven’ nicht überflüssig macht. Fräulein Lautmann, eine hier wohlbekannte treffliche deutsche Sängerin, trug mit wohllautender, vorzüglich geschulter Altstimme alte und neuere deutsche und niederländische Lieder vor, ebenso der mit Recht geschätzte Bariton der lyrischen niederländischen Oper Herr Judels. Reicher Beifall und Hervorruf, Blumen und Kränze belohnten Chor und Künstler. Während des Konzertes wurden künstlerisch ausgestattete Programme mit dem Bilde Krügers und den Farben der Burenfreistaaten versehen, durch junge Damen aus Transvaal, die liebenswürdigen reizenden Töchter des Legationssekretärs van Boeschoten, verkauft. Ein seltenes, besonders künstlerisch vollendetes Fest. Hoch- und Niederdeutsche hatten sich die Hand gereicht zu gemeinschaftlichem Handeln, und andere, selbst Franzosen und Russen blieben nicht seitwärts stehen, sondern trugen gern ihr Schärflein zum guten Werk bei.

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In Oestreich, wie auch in anderen Ländern, gelten die Blumen häufig als Parteiabzeichen, die Deutsch-Völkischen tragen Kornblumen, gerade wie die Liberalen in Belgien. Da beide Parteien mit den Katholiken im scharfen Widerspruch stehen so sind letzteren ganz besonders die Kornblumen verhasst.

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Deutsche hingegen verehren in der blauen Feldblume die Lieblingsblüte des Heldenkaisers Wilhelm, deshalb finden wir an patriotischen Festen, wo nur immer angängig, die Kornblume, im Knopfloch oder sonst als Zierde, so hat z. B. die Fahne des Brüsseler deutschen Veteranenvereins, der am 22. März 1897 gegründet wurde, einen reichen Schmuck von eingewirkten seidenen Kornblumen. Im Verein selbst sind viele aufrichtige Katholiken, die nie irgend welchen Anstoss daran genommen hätten. Die Deutschen hier mischen sich eben nicht in Parteistreitigkeiten. Selbst katholische Belgier, wie der Abgeordnete De Vriendt, schmückten sich bei deutschen Festen mit der blauen Blume. Deshalb überrascht uns die aus Tirol kommende Meldung, dass der kaiserl. deutsche Consul Gerock in Innsbruck einer um Unterkommen suchenden Frau die schroffe Erwiderung zurief: ‘Ich beherberge keine Kornblumenträger’. Weh' uns Deutschen, wenn wir im Auslande mit solch liebevollen und patriotisch gesinnten kaiserlichen Beamten zu thun haben! Gar häufig wird überhaupt Klage geführt, dass die konsulare Vertretung keine richtige Verbindung mit der Kolonie selbst unterhält, es giebt rühmliche Ausnahmen, aber vielfach lassen die jungen Herrn, die als Verweser auf kurze Zeit durch die verwaisten Consulate fliegen, meist kein oder leider ein ungünstiges Andenken zurück. Ein gewisser schulmeisterischer, belehrender Ton und überlegenes, gar zu selbstbewusstes Auftreten wirkt erkältend. Jede deutsche Vertretung hat das höchste Interesse daran, in enger Fühlung mit den Landsleuten aller Klassen zu stehen, was aber meist vermieden wird, aus Bequemlichkeit oder anderen Ursachen.

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Der vlämisch-deutsche Hülfsausschuss für Transvaal, der in Antwerpen unter Leitung des Professors Pol de Mont steht, veröffentlicht seinen Ausgabe- und Einnahmestand, der sich wie folgt berechnet. Einnahmen aus Belgien 83,992,02, aus Deutschland 61,411,40 (dazu müssen noch gerechnet werden gegen 24,000 Franks, die der Alldeutsche Verband als Reserve zur Verfügung hält, so dass sich die Einnahmen aus Deutschland auf rund 85,000 Franks belaufen), von den ‘Deutschen’ aus Oestreich 7,260,24 (der Ausschuss vermeldet einfach ‘aus Oesterreich’, nach seinem alldeutschen Aufruf ist es aber wohl zu verstehen, dass nur Deutsche aus Oesterreich beisteuerten und in der That ist von Czechen oder Ungarn kein Heller eingeschickt worden), aus der Schweiz 155, Luxemburg 12,50, demnach von Deutschen: 68,839,14 und mit der alldeutschen Reserve: rund 92,000 Frank. Aus Amerika 633,45, England 110,80. Total: 153,575,50 (ohne die Reserve des alldeutschen Verbandes).

Die Ausgaben belaufen sich auf 117,311,49, so dass sich noch in der Kasse befindet 36,264,01 (ohne die Reserve des alldeutschen Verbandes).

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Leider müssen wir hier befestigen, dass von manchen belgischen Blättern, auch von vlämischen noch immer nur von einer belgischen Ambulanz berichtet wird, so unter anderm wiederum von dem Blatte Transvaal, siehe No. 24 vom 15. April Seite 3. Wir können es einfach nicht verstehen, warum dies geschieht. Sind die Deutschen und das deutsche Geld nur gut genug um mitgenommen und sonst totgeschwiegen zu werden? Wir müssen gestehen, dass wir solche Handelsweise von franztollen Blättern begreifen, von vlämischen Blättern aber nicht gerade vornehm und ehrlich finden. Vlamen haben einen alldeutschen Aufruf erlassen, empfangen reichlich Geld von Hochdeutschen, bilden einen gemeinsamen Ausschuss, senden eine aus Hoch- und Niederdeutschen bestehende Ambulanz aus und sprechen meist nur in ihren Organen von einer belgischen, trotzdem der Ausschuss stets von belgischdeutscher Ambulanz Berichte ausgehen lässt. In Deutschland ist man ehrlich genug, in allen Blättern nur von einem belgisch-deutschen Dienst zu sprechen, man will sich nicht ausschliesslich alle Verdienste zuschreiben, von denen man rechtlich nur die Hälfte zu beanspruchen hat.

Aus Transvaal sind gute Berichte über die Thätigkeit eingelaufen, die wir gern in einer späteren Nummer mitteilen werden.

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Mit grossem Bedauern berichten wir von dem festen Entschluss unseres werten Mitarbeiters Juliaan De Vriendt, Abgeordneten für Brüssel, dem politischen Leben zu entsagen. Der hartnäckigste Streiter für die vlämische Sache lehnt jedes Mandat für die Kammer ab. Der Verlust ist ein beinahe unersetzlicher.

Wir können jedoch die Gründe, die ihn dazu bestimmten und die ganz persönlicher Art sind, verstehen. Später gedenken wir auf die politische Wirksamkeit De Vriendts, die wir hoffentlich nur als zeitlich unterbrochen ansehen dürfen, zurückkommen.