Documentatieblad werkgroep Achttiende eeuw. Jaargang 1990
(1990)– [tijdschrift] Documentatieblad werkgroep Achttiende eeuw– Auteursrechtelijk beschermd
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P.J. Buijnsters
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309. R.M. van Goens aan Hieronymus van Alphen[geen adres]
Dresden, 20 April 1802
Liebster Bruder,
Ach! was habe ich wieder einen harten stand gehabt diesen winter, das heisst beynahe von neujahr an, bis jetzt, denn ich fange nur eben an wieder convalescent zu seyn, und ein paar stunden nachmittags aus den bett kriechen und mein bett machen lassen zu können. Und dennoch sollte ich nicht klagen, und würde gar nicht klagen, wäre es nicht dass ich Ihnen wenigstens mein so langen stillschweigen erklären müsste. Denn je schwehrer ich es gehabt, desto mehr ausgezeichneten beweise der liebevollsten, zärtlichste, väterliche unterstützung habe ich erfahren so dass eigentlich meine ganze seele lob und danck gewesen ist. Ich habe mehrmalen gesagt, es ist als wenn der liebe Gott nichts anders zu thun hätte, als tag u. nacht zu sizen und mir mein bischen elend und jammerseligkeit mit einer goldwage zuzumessen, und doch ja ganz genau zuzusehen, dass das jünglein in der wage nicht ein augenblick an der seiten der unerträglichkeit überschluge. So genau wurde mich jedes leiden, jede angst und schmerz, zugetheilt, abgemessen oder auch compensirt. Der anfall fieng an mit einer damahls hier epidemischer kranckheit, den fürchterlichsten catharr, der mich, sonst den anticatharralischten und antirheumatischten menschen der in keinen 25 jahren weder husten, noch schnuppen, noch zahnweh, noch etwas dergl. gehabt hatte, angriff, als wenn mir alle catharren, die ich seit 25 jahren zugut hatte, auf einmahl alle zusammen auf dem leib gekommen waren. Inzwisschen tröstete ich mich darüber in der meynung, ich wurde dadurch so viel langer vom podagra frey bleiben, und so meynte jedermann und gratulirte mich mit dem catharr. Allein diese erwartung wurde ganz betrogen. Kaum 5 tagen nachher erwachte ich unvorsehens mit das chiragea an der hand (glücklich nur den lincken!) die auch dieses mahl fürchterlich mitgenommen ist, so dass ich wohl nie mehr rechten gebrauch davon haben werde, und darauf bald auch in den fussen und im knie, so dass ich ganz danieder lag. Wie mich der husten jedesmal durch diesen leidenden theilen, die keine die geringste erschütterung leiden können, könnte kaum nur ein podagrist sich vorstellen. Und ich hustete, nicht wie man sonst hustet, sondern eine wahre tussis ferina, wie ein kettenhund bellt, unten aus den untersten eingeweiden heraus, und so anhaltend, dass ich ein einmal drey nächte an einander, von abends 8 bis morgens 6 uhr gehustet habe, ohne 1/4 minut zwisschenzeit zwisschen jeden paroxysmus, und bey jedem solchen husten floss mir vom scheitel bis an | |
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die fersen aus allen poren ein strom schweiss beym körper herab, dass ich immer buchstäblich wie in ein bad lag, und nach 14 tagen, da man am ersten mich verbetten kontte, fand sich, dass ungeachtet einer ganz neuen, also sehr festen, zwey hände dicken matraze, und darunter noch zwey federbetten, das stroh in der strohsack so durch und durch nass war, als wenn man es durch wasser gezogen hätte. Diess hielt so mehr als 6 wochen an, und Sie können sich vorstellen, wie mich das alles total erschöpfte und von allen kräften bracht, da mich zugleich das podagra ganz unbeweglich und unbehülflich gebunden hielt. Schlaf, appetit, alles war weg, &c.&c. Inzwisschen, wie gesagt, wurde diess alles, jedesmahl und wie von augenblick zu augenblick intoxirt [?], zu einem grad von unverkennbaren attenzion, mag ich sagen, die mir das aug mit freude und danckbarkeit erfüllte. Ich hätte mich für ein ungeheuer gehalten, wenn ich ein augenblick ungeduldig geworden wäre. Sezte mir der husten zu, so liess das podagra nach, musste dieses wieder ein wenig wüthen, um sich nicht zu metastasiren, und die stoffe durch schmerzen ausgetrieben werden dann halte ich etwa 24 stunden ein wenig ruhe vom husten, und kam es, dann und wann, ein augenblick so weit, besonder durch die beschwerden die aus meiner unbehülflichkeit beym auf den stuhl gehen und dergl. entstanden, dass ich zusammen fiel und sagte, jetzt kann ich nicht mehr, so war auch in dem augenblick alles vorbei, und jede beschwerde, wie mit einer allmächtigen hand, gehoben. Dabey machte ich ein paar mahlen wieder die sonderbare und mir höchstwichtige erfahrung, die ich noch einmal bey einem vorigen anfall von podagra, gleichfalls ganz deutlich und unverkennbar gemacht habe, und woraus ich einen entfernten sehr wichtigen schluss ziehe, den ich nachher sagen werd, nehmlich dass auf irgend eine weise die schwersten schmerzen dermassen für dem gefühl können modifizirt werden, dass man deutlich weiss, dieses oder das gebied leidet jezt unvergleichbar mehr als gestern, da ich solche schwehre schmerzen daran hatte, und doch fühle ich jezt den schmerz ungleich weniger als ich gestern that. Ich kann mir das phenomen an sich nicht anders erklären als durch die Muthmassung, dass die communication zwisschen die nerven des leidenden theils und dem sensorium commune auf irgend eine weise unterbrochen oder gehemmt wird, zu einem grad, der bloss dem bewustseyn, nicht aber dem gefühl des schmerzen räum lasst, und die narcotica und opiaten thun einigermassen eine ähnliche wirkung. Wenn aber diese wirkung, ohne einigen gebrauch von opiaten oder dergl. sich sponte einstellt, und ohne dass man an einigen natürl. ursachen dencken könne, so wusste ich nicht was uns abhalten soll zu glauben, dass unser nervensystem auf irgend eine übernatürl. weise dermassen berührt und bewirckt werden kann, die den nehmlichen effect, noch viel deutlicher und unverkennbarer als alle narcotica, zu wege bringt. Und der höchstwichtige schluss, den ich daraus ziehe, ist dass mir das sonst unerklärbare und | |
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doch so zuverlässig als möglich historisch bewährte phenomen, wie so manche martyrer mitten in den flammen kaum einige schmerzhafte empfindung gezeigt habe, ganz deutlich wird. Ebenso können auch die geruchnerven bey dem löwen in Daniels grubeGa naar eind1., &c. modifizirt geworden seyn, u. dgl. Endlich gieng es mir wieder, wie gewöhnlich bey jeden anfall von kranckheit, dass mir auch jede andre aüsserliche sorge gespart wurde, besonder durch Ihre mir zugeschickte zulage von f 100 die mir mehr als jehmals a tempo kam [in margine: wiewohl der briefGa naar eind2. ganz sonderbahr beynahe zwey monathen war liegen geblieben. Denn unterwegs gewesen, kann ich nicht sagen], das heisst in den augenblick dass ich hatte anfangen können zu sorgen. Denn meine lage ist jezt, da ich nicht mehr in einen wirtshaus wohne, wo man mir allenfalls creditirte so lang ich wollte, doch wo ich auch bey den aussziehen alles auf einen heller abbezahlte und mich also ganz entblossen habe müssen, aüsserst beschwerlich und critisch, weil ich von woche zu woche jede ausgabe bestreiten muss, zumahl da die gute frau, wobey ich wohne, und von der ich sonst allen dienst u. gefälligkeit geniesse, selber bey den todt ihres mannes, in den kümmerlichsten umständen geblieben ist, und also ausser stand sich befindet, mir den geringsten vorschuss zu thun, und jede woche müssen die 5 à 6 thaler meiner verzehrung da seyn. Inzwisschen, ich habe mich in blinden glauben und vertrauen in diese so aüsserst critische lage begeben, gerade weil ich glaubte dass dieses vertrauen von mir gefordert wurde, und bis jezt hat mich mein glauben nicht beschämt werden lassen. Tausendmahl dencke ich an die frage: ‘Ich habe dich ausgeschickt ohne stab, ohne geld u. ohne beutel, und hat dir noch je etwas gemangelt?’Ga naar eind3. Und wenn ich dann ganz vollmundig sagen muss, und mit freude sagen kann, Nein, nie nichts! und doch nur weiss es ist da gewesen, ohne recht begreifen oder sagen zu können, wie, muss ich mich dann nicht verlieren in verwundrung u. danckbarkeit, und habe ich nicht alle ursache dann auch so weiter fortzuleben ohne einige sorge raum zu lassen? Ich mag sogar fur nichts was leibliche nothdürft ist mehr beten, besser gesagt, ich möchte, sollte gar nicht mehr für etwas dergl. mehr beten, sondern bloss dancken, nicht bloss dancken für alles genossene, für mein leiden wie für meinen genusse, sondern dancken auch für alles was ich brauche, im voraus, als wenn ich es schon hatte, und als etwas was schon lang für mich bestimmt fertig liegt, was ich bloss erwarten, und nur anzunehmen brauche. Wenigstens das wäre die vollkommenheit wozu man trachten soll zu gerathen, in alles was uns selbst angeht, alles was uns indispensabel nothwendig ist, vielleicht sogar etwas darüber, jeder nach seine umständen, gewohnheit, wenigstens von allen leiblichen bedürfnissen, die uns sicher zugesagt sind, worüber jede sorge uns verboten ist, das wir alles als schon für uns bey seite gelegt, betrachten mögen, wie ein kind nie sorgt, ob man ihm auch den folgenden tag noch | |
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ebenso essen und trinken, kleider geben wird wie heute. Noch einmal diess wäre die vollkommenheit, das non plus ultra, eigentlich aber doch nicht mehr als der ware glauben, der in jedem fall eine ergreifung der unsichtbaren als sichtbar, der zukünftigen als gegenwärtig, der versprochenen als schon gegeben und empfangen seyn soll. Ich bin besonder hierauf gefallen, da ich lezt die Offenbahrung Johannis, mit Jungs commentarGa naar eind4., einmal recht gründlich durchstudiren wollte. Jedesmal, bey jedem neuen Gesichte geht, ehe es anfängt, ein Jubel im himmel vorab, als wenn das, was jetzt geschehen wierd, schon geschehen wäre. Der Reuter auf dem weissen pferdeGa naar eind5. zieht aus als Ueberwinder, mit der Sieges krone zu überwinden, als wenn er schon gesiegt hätte u. dgl. Diess ist himmlisch: wahrhaftes himmlisches Costume. Da ist nichts mehr unsicher, alles zukünftiges als schon gegenwärtig, als schon geschehen. Und wie machte es unser Herr, hier auch als Mensch. Er betete oft, das heisst er anbetete, er unterhielt sich mit seinem Vater etc. Er betete, für sich, bey seinem leiden, Vater ist es möglich! Er betete für andern, für ihre geistl. nothdurft, heiliger Vater heilige sie in deine Wahrheit. Aber er betete nie für das brodt, nicht einmal um einen Segen auf dem brodt, das sich 5000 mal vervielfältigen sollte. Er danckte dafür, danckte im voraus, für den Segen, für die nahrungskraft desselber. Danckte sogar im voraus, da er einen Todten zu erwecken hatte, für die erstaunl. schöpferische kraft die er dazu brauchte, als hätte er sie schon. Und warum? Ich weiss dass du mich alzeit erhörst. Folglich, wo wir sicher seyn können von Erhörung, wo uns das was wir wünschen u. brauchen, gewiss zugesagt ist, wo wir glauben mögen, est ist schon für mich weggelegt, überhaupt in jedem fall wo wir zuverlässig vertrauen können, unsrer willen sey vollkommen einstimmig mit dem willen unsres himml. Vaters, wo es nicht heissen kann, Vater ist's möglich, in allen diesen fällen sollten wir nicht bitten, sondern dancken, im voraus dancken, als wenn es schon da wäre. Und wenige Tagen nachher fand ich, dass auch Gärstendorf in seiner Auslegung über die 4t bitteGa naar eind6., gerade das nehmliche, ohne einigen Anstand noch zweifel ganz ausschliesslich lehrt u. treibt und die vortrefflichste Anmerkungen darüber macht. Inzwisschen werden Sie sich wundern, wie mich mein gedächtniss in vielen vergangenen beynahe ganz verlässt wenn ich Ihnen sage, dass ich in all der zeit umsonst mich angestrengt habe um doch zu errathen, wer der freund von Ihnen v.K. seyn konnte, von dem mir die f 100 zugekommen sind. Was ich thue, ich kann's nicht bedencken. Immer kommt mir Ihr alter freund v.d.KGa naar eind7. in gedancken. Der ists aber gewiss nicht. Wer es auch sey, er hat ein gutes werck an mir gethan. Und ist es jemand, der's in glauben gethan hat, desto besser. Ich habe es so empfangen. Uebrigens dencke ich erwarten zu mögen, wenn das grosse allgemeine Entschädigungsgeschaft einmal wierd in effekt gebracht, wie vermuthlich in diesem Jahre noch zu warten steht, dass ich dann auch meine Ent- | |
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schädigungen erhalten werde. Konnte solchl. durch irgend ein Akkord, eins für allemal, geschehen, würde mir am angenehmsten seyn. Nur mag ich nicht im geringsten auch hierin vorauslaufen, und wünsche überhaupt dass es ohne mich von andern konnte reglirt werden. Ich möchte gern durchaus selbst keine demarches thun. Schreiben Sie einmal dem Gr. v.H.Ga naar eind8. hierüber. Er weisst nun alles, was ich damals, da ich eine anleitung bekam um wirksam zu seyn, mit so wenig frucht gethan habe. Nun was andres. Ich habe wieder eine sonderbare erfahrung gehabt, die besonder mit allen vorigen dergleichen zusammengenommen mir zu zeigen scheint, dass aus gewissen mir verborgenen, aber ungezweifelt wohltätigen, vermuthlich für mich wohltätigen ursachen, jede art von wircksamkeit mir untersagt bleibt. Ich hatte nehmlich kurz vor meine Kranckheit, etwa am Ende dezembers, Ihr vortreffliches Buch Predigt das Ev.Ga naar eind9. mit sehr viel vergnügen gelesen. Und ich meijnte, eine Uebersetzung davon wurde, wenn man sie gedrückt bekommen konnte, freilich keinen Beijfall von den herrschenden literarischen demagogen, die Allg. Literar. Zeitung u. dgl. erfahren, aber doch von den noch übrigen guten gerne gelesen werden, und überhaupt viel frucht bringen können. Ich dachte also ernsthaft daran, diese arbeit auf mich zu nehmen. Was mich hierin noch mehr bestärkte, war, dass mir ein mittel einfiel, das ich gerade zu der zeit bey der hand hatte, und wodurch mein hauptbedürfniss, ohne welchen ich nie etwas dergl. zu stande bringen könnte, abgeholfen schien zu können werden. Nehmlich jemand, der mein fehlerhafte deutsch durchaus corrigiren, und denn übrigens auch mit der besorgung der ausgabe sich befassen würde können. Hiezu, wie gesagt, fiel mir jemand ein, unter meinen sehr wenigen bekannten von der art, der sich ganz dazu schickte: nehmlich ein gewisser magister und candidat der theologie, der in einer familie, die ich kenne, praeceptor bey zwey jungen grafen ist, und mich, aus anleitung meiner bekanntschaft mit den eltern und verwandten, seit einige zeit mit seinen Elèven dann und wann, und besonder damals oft 2, 3 mal in der woche besuchte. Für diesem, der sonst nichts zu thun hat, schien mir die arbeit ganz geschickt, um in den freystunden sich damit zu beschäftigen. Und ungeachtet ich ihn wohl einigermassen in verdacht hatte, dass er nicht frey von dem sauerteig des Neologismus wäre, so musste ihn jedoch seine verhältnisse das gegentheil wenigstens vorgeben lassen. Ich schlug ihm also die sache vor, gab ihm eine idee vom wercke, etc. und er fasste den vorschlag sogleich mit der grösste bereitwilligkeit und freude auf. Freilich beschäftigten ihn seine Eleven wohl sehr, sagte er, allein solch eine arbeit wie dieses war recht für ihn geschickt, da konnte er angehen, wenn er wollte, etc. Dabey würde er sich einen begriff von der Holl. sprache machen lernen, das hatte er immer gewünscht, mann wusste nicht wohin man konnte verschlagen werden, etc. Kurz, er schien so begierig als möglich gleich an der arbeit zu gehen, fragte mich, ob ich schon angefangen hatte etwas zu | |
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übersetzen, ich sagte nein, dass es aber daran nicht fehlen würde, dass ich bloss gewartet hatte jemand wie ihn zu finden. Er wünschte das original daneben zu haben um sich, wie gesagt, im Holl. zu üben. Also redeten wir ab, dass ich ihm jedesmal einen bogen vom original aus dem buche ausschneiden, und samt mein manuscript zuschicken würde. Diess war etwa um Neujahr. Ich fieng augenblicklich noch den nehmlichen abend an, übersezte jeden tag etwa 12 à 16 seiten, und schickte meinem Magister, in zeit 3 Tagen, zwey folio Heften Uebersetzung, samt den ausgeschnittenen bogen des originals. Was geschah? Ich wurde kranck, gerieth ins bette, und musste also alles liegen lassen, anstatt dass ich gewiss in weniger als ein paar monathen mit der ganzen arbeit fertig gewesen ware. Wer sich aber gar nicht mehr sehen noch von sich hören liess, war mein magister. Die gräfliche familie schickte von zeit zu zeit und liess sich nach mich erkündigen. Und jedesmal chargirte ich die bedienten, den magister PetriGa naar eind10. zu sagen, warum er doch nicht zu mir kam? Allein ich hörte noch sahe nichts mehr von ihm. Endlich vor etwa 14 tagen, da ich vernahm, dass die familie bald auf dem lande gehen wollte, wo sie den sommer zubringen, schrieb ich ein paar zeilen, und forderte mein ms. zurück, das ich noch nicht einmal von ihm wusste ob er es erhalten hatte. Er schickte es mir zurück, mit einem zwar höflichen aber peremtorisch abschlagenden brief, er hatte durchaus keine zeit für diess arbeit etc. Und 8 tahe nachher verreiste die familie, ohne dass mein magister sogar abschied bey mir ist kommen nehmen, ungeachtet er zu voren, wie gesagt, oft 3 mal in der woche zu mir kam. So hat sich dieser ganze plan, wo ich so viel vergnügen und frucht von erwartete, ganz zerschlagen. Und eine finanz. speculasion wäre es gewiss nicht. Man hätte noch müssen geld zulegen, oder wenigstens eine anzahl exemplaren zu sich nehmen, um ein werck wie dieses bloss gedrückt zu bekommen. So, und noch ausgezeichneter sonderbar und providentiell irgend einer zufällige anleitung als aus wahren beweggrunden. Nehmen Sie z.b. die quaestionen: ist der mensch von natur verdorben, oder wird das kind durch erziehung, wie er sich später zeigt? Nähert sich das menschengeschlecht überhaupt der vollkommenheit, oder das gegentheil, oder etwa keins von beiden? Soll ich mich in der jurisprudenz wider die todestrafe, in der medizin für das Brownsche systemGa naar eind11. für den [onleesbaar], für den galvanismusGa naar eind12., oder wider das alles erklären, etc. etc. Zu allen solchen quaestionen bleibe ich, wo es nur immer angheht, u. so viel u. so lang möglich, weisz Papier, und sage ich habe das nicht genug untersucht, ich weiss noch nicht, sogar wenn ich schon einigermassen bey mich selbst parthey genommen hatte. In wichtigen gegenständen, besonder in grossen religionspunkten ist es oft blosses glück oder unglück, das heiszt in unser sprache, providenz, Obhut, gnade, wenn wir für die gute seite partey nehmen. Und wohl mochte man täglich bitten, führe mich in | |
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alle wahrheit. Das besste praeservatif ist wohl dabey zu thun u. zu dencken, ‘Dein wort ist die wahrheit!’ Allein leider auch hier mischt sich die inpertinente vernunft hinein, und wagt sogar dieses wort zur wachserne nase zu machen, die jeder nach seiner hypothese dreht. Also ist das einzige mittel diesen wegweiser recht zu benüzen, dass man sich warte, gar keine hypothese da hinein zu bringen, sondern bloss das herrliche einfältige aug, das haplon suma, mit zu bringen, und auch hier weiss papier zu seyn, bis man gelesen hat was da steht. Denn fange ich z.b. an mit zu sagen, wie freund Jung, die ewigkeit des übels ist eine idee die mit der vernunft streit, also können auch keine ewige strafe seyn etc. Denn finde ich leicht, wie PetersenGa naar eind13., meine Apocatastase auf jedem blatte der bibel, wie der astronomen den flecken in der sonne, der auf seinen objectif war. Habe ich doch ein büchelchen vom jungen HelmontGa naar eind14., wo er nicht weniger als 200 (sage zweyhundert) schrifturtexten beybringt, wo er in jede syn system der Metempsychose findet, und daraus sonneklar meynt beweisen zu können!! Hierin hat der weltmann ein grossen vorzug vor den stubegelehrten, und besonder vor den schriftsteller. Denn einmahl schämt er sich nicht über hundert sachen gar keine meynung zu haben, wie der gelehrte der alles wissen und untersucht haben soll. Und dann macht er sich auch nichts daraus, je mehr er weltmann ist desto weniger, heute eine gerade entgegengestellte meynung anzunehmen von der, die er gestern professirt hatte, über den nehmlichen gegenstand. Das rechnet ihm kein mensch zur unehre, unter den seinigen, weil sich hundert gute ursachen dafür voraussezen lassen. Da hingegen der gelehrter und besonder der schrifsteller ganze bande mit apologien schreiben muss ehe er sich über etwas darf retririeren, zumal was er hat lassen drücken, und oft auf lebenslang, wenigstens bey der gegenpartey, für ein tropf, oder wohl gar für ein heuchler bleibt passiren. Diess führt mich einigermassen auf Ihre zwey projectirten neuen schriften. Sie haben mir mit der vorläufige anzeige davon, nehmlich als noch blosse embryo's, freude gemacht, und gewiss würde ich über beiden gegenständen, Europa u.m.V. und Durch mich regieren die V.Ga naar eind15. gerne ein paar folianten von Ihnen lesen. Allein - in manuscript. Ob ich wünschte oder Ihnen rathen möchte, sie drücken zu lassen, das hienge bloss von der ausführung ab, in wie ferne Sie gefahr laufen möchten mit den herrschenden begriffen in collision zu kommen. Denn dazu möchte ich, ausser einen ganz besondern, ausgezeichneten ruf (denn wäre es freilich was anders) nicht rathen; Amos V.13 ist eine sehr betrachtungswerthe stelle.Ga naar eind16. Und dann bleibt nichts übrig als Klaglied III.26Ga naar eind17.: zumahl jezt da die eigentliche fermentasion vorbey, und ein gewisser, gleichviel guter oder schlechter, doch immer gefestigter ordnung der sachen eingetreten scheint, die wieder einige zeit so aushalten kann. Besonder ist mir angst, da Ihre vorige schriften bis jezt so gut durchgekommen sind, und also nicht anders als viel frucht thun können, ob etwa der böse Ihnen einen | |
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streich spielen, und Sie zu irgend einen vortreflich gemeynten schritt verführen mochte, der Sie aber in üblem gerucht brachte, und also den nüzen Ihrer vorigen schriften hemmte. Ich rathe Ihnen also - eigentlicht nichts, als blosse behuthsamkeit, und reife überlegung, die ich übrigens Ihnen selbst genug zutrauen sollte. Vielleicht finden Sie auch in meinem vorigen einige ideen, die hierauf bezug haben, und die Sie vielleicht näher prüfen werden. Ueber meinen eignen gescheiterten plan mit ihrem Predigt d.E. habe ich lezt geschrieben. Also nun bloss noch ein wort über Lavaters leben. Warten Sie das nicht von mir, denn ich weiss nicht ob der liebe GessnerGa naar eind18. meine commission vergessen, oder der buchhändler sie versaumt hat. Ich habe wenigstens von den 3 ex. die ich provisionellement begehrt hatte, weder vom Leben, noch von den 2 bände Verm. Schriften, ein einziges blatt erhalten. Die letzten habe ich bis jezt auch gar nicht gesehen. Nur schreibt mir die repatrirte Gräfin von Stolberg WernigerodeGa naar eind19. gerade, dass vieles ganz vortrefliches darin ist. Das Leben aber habe ich gelesen, nehmlich in Ms., und das sollen Sie auch lesen, so bald möglich. Ach da konnte ich ein ganzes buch über schreiben. Jetzt nur zwey worte. Ich habe mich bis jezt immer berühmt Lavaters freund gewesen zu seyn, jetzt schäme ich mich jemals mich dessen zu haben dürfen rühmen, und möchte den seligen noch abbitte dafür thun. Aber keiner von uns hat den mann gekannt, was und wie er wircklich war: weil er sich jedem gleich stellte, oder wohl unter jedem erniedrigte. Und das ist nicht resultat, welches Gessner sieht. Auch die biographie ist muster in ihrer art, und nichts weniger als panegyricus. Er lässt L. überall selbst handeln, als kind, als jüngling, als student, als bürger, endlich als bräutigam. Ueberall und in jedem bezug ist er ein ideal von alles was man in diesen unterschiedene ockasionen dencken konnte, und das alles so ganz ohne allen schein von pretention, ohne es selber zu ahnen noch zu wissen. Vielmehr lesen Sie das capittel Selbstprüfung, u. dann sagen Sie mir ob Sie jemahls Lavater's gleichen, nicht kannten, sondern von etwas dergl. hörten! Meine empfindung war am schluss, ich möchte den Herrn die füsse küssen, das Er sich einmahl solch einen Verehrer zubereitet hat, wie man einen freund dancken möchte dass er endlich einmal auch sich selbst eine freude gemacht hat. Kurz, lesen Sie, lesen Sie, lieber heute noch als morgen! Nun muss ich endigen. Tausend grüssen an allen lieben.
t.t.C.
P.S. v.d.P.Ga naar eind20. schreibt mir eben aus Wien vom [onleesbaar]. Sie sind da retour aus Pohlen, Russland und bis über Moscow hinaus gewesen. | |
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Aantekeningen bij brief nr. 309vindpl.: K.B., sign. 130 D 13. 6 pp. (23 x 19), beschreven. | |
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310. R.M. van Goens aan Hieronymus van Alphen[geen adres]
Dr., Donnerstag 28.4.1802.
Liebster Bruder!
Sonntagmorgen d. 24. ist mein voriger an IhnenGa naar eind1. mit den Post nach Gotha abgegangen, den ich vertraue dass Sie jetzt empfangen und gelesen haben. Und diesen Morgen, da ich an nichts weniger dachte noch erwartete, und mit ganz anderm, wovon nachher, beschäftigt war, tritt auf einmal der hiesige Loterie Collectör der mir immer das Geld von Gotha bringt, hinein, und stellt mir Ihre ƒ 150- zu, wovon ich weder von Ihnen noch vom Gr v.Z.Ga naar eind2. einige Angabe erhalten hatte. Dencken Sie sich also meine Verwunderung, mein erstaunen, zumahl in verbindung mit meinen besorgten Schreiben vor 4 tagen!! Doch Sie können es sich nicht recht dencken, wenn ich Ihnen nicht mehr vorher von meiner eben jezigen Lage schreibe, was ich lezt nicht berührt habe. Ich habe Ihnen nehmlich, wie ich glaube, in November schon geschrieben, dass mit dem neuem Logis, welches ich damals antratt, ein Beschwerde verbunden war, worauf man mich im voraus preparirt hatte, nehmlich dass die frau dieses, jezige quartier nur noch bis Ostern in Miethe hatte, und dass wir dann zusammen würden ausziehen müssen. So äusserst critisch als dieses für mich war, da ich oft monathen lang total intransportabel bin, so wagte ich es nichts desto weniger, wie alles übrige, immer in den nehmlichen Vertrauen, dass die ganze Sache providentiell war, und dass ich es wagen musste. Das hat sich denn auch in so ferne schon vor ein paar monathen geschickt, dass wir ein andres, in vielen Bezügen viel bessres Quartier gefunden haben, gerade in dem Hause wo ich sogleich gesagt hatte, da möchte ich wohnen und nun kam mit diesem Monath die zeit an, dass wir am ende desselben, nehmlich noch vor 1 May, würden ausziehen müssen. Jedermann sagte, wie können Sie, Sie können ja sich noch nicht rühren, und sind so schwach! Ich behielt allein Muth, und versicherte jeden, so bald die zeit da war, würde man sehen, dass sich alles schicken würde. Diess ist nun auch bis jezt also ganz ausgekommen. Noch vor 8 tagen konnte ich weder die eine Hand gebrauchen, noch ein Augenblick auf die füssen auftreten, oder mich aufrecht halten, wie wohl ich jeden tag es versuchte, mich mühsam aus dem bette auf einen Sessel schob, und dann 3, 4 Schritte weit bis zum fenster fortrutschte ohne aber langer als etwa ein paar Stunde ausser dem Bette aushalten zu können von Schwäche. Und nun seit Montag ist mir so wohl, dass ich nicht allein den halben tag auf seyn, sondern auch, mit behülf eines Sessels, woran ich mich mit beiden händen halte, das ganze zimmer auf und ab gehen | |
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kann, wie vor 5, 6 monathen. Dabey kommt das herrliche Sommerwetter, das wir seit 8 tagen haben, und welches wohl am meisten mitgewürkt hat, um mich so ferne zu herstellen. Kurz alles hat sich, gerade wie ich geglaubt habe, ganz unbeschreiblich geschickt. Diesen Nachmittag fangt man an alles überzutragen, und übermorgen abend hoffe ich in meinen neuen Quartier établirt zu seyn, 4 treppen hoch, die ich mich freilich in einem tragsessel wird müssen hinauftragen lassen, doch das ist hier eine sehr gewöhnliche Sache, und dagegen habe ich, sagt man, (denn das quartier habe ich selber nicht gesehen, wie Sie begreifen) die Aussicht, über die Häuse hin, ganz im Grünen, über den grossen Churfürstl. Garten hinüber, bis den schönen Plauenschen Grund, ein paar Meilen vorwarts und in der Runde, kurz die schönste ländliche Aussicht, wie wohl mitten aus der Stadt, die man sehen kann. Nur blieb ein für jedem andren höchst beunrühigender, unüberkommliche Schwierigkeit über, nehmlich dass mein Geld ganz zu Ende war, ohne Aussicht, vor Ende des jahrs, auf einige Unterstüzung, und alle diese zeit musste ich vom tag zu tag fortleben. Wie ich hierüber gedacht, zeigt Ihnen mein vor 4 tagen abgeschickter, und nur etwa 8 tagen vorher angefangener brief, wo ich nicht glaube Ihnen sogar etwas von meiner Verlegenheit zu kennen gegeben zu haben, sondern bloss, wie mich seit einige zeit die unaufhörliche Beweise der Väterlichste Sorge und Treue das vollkommenste Zutrauen in der Vorsehung inspirirten, dermassen dass ich wegen alles was indispensable leibliche Nothdürft ist, so unbekummert als möglich fortlebe, ohne für den tag von morgen zu sorgen, sondern bloss wünschte im voraus dancken zu können für alles was ich brauche, als schon für mich bey seite gelegt, anstatt angstvoll darum zu bitten. Und nun, noch einmahl, dencken Sie sich meine Empfindungen, bey der eben jezigen neuen Erfahrung, und dem Besuch dieser LindnersGa naar eind3. ohne einige vorherige Anzeige, und ehe mein Brief an Ihnen vielleicht noch von Gotha aus auf weg ist! Jedes wort, was ich weiter davon sagen wollte, würde der Sache viel, viel zu kurz thun. Meine grösste Verwunderung ist nur, dass mir, gerade mir, solche Erfahrungen zukommen, über tausenden, der ihrer so viel weniger würdig bin, als tausenden andern! Und ware es auch, alles übrige bey seite gesezt, bloss der Glauben und das feste Vertrauen, dem auf solch eine ausgezeichnete weise geantwortet wird, so ist doch eben dieser Glauben kein verdienste, sondern ein Glück, das niemand sich selbst geben, noch in sich wirken kann. Ich muss selber tausend malen mir selbst gewisser massen gewalt anthun, um dem sich regenden Unglauben zu wehren, und bloss sagen, ich glaube, Herr, hilfe du meinem Unglauben! Nur dass ich immer halte an dem Saz, genossenen und erkannten (das heisst wenigstens aufgemerckte, nicht verkannte) wohlthaten sind Pfände neuer und noch grösserer Wohlthaten! Wer ist aber im Stande nur im geringsten danckbar, nur nicht undanckbar zu seyn für so viel ausgezeichneten Liebe und Treue! | |
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Sontag 2.5.1802.
So weit hatte ich am Donnerstag mittag geschrieben, da man mich abrief um weiter mit zu einpacken und fortbringender Sachen fortgang zu machen. Und nun schreibe ich Ihnen aus meinem neuem quartier, wo ich schon seit vorgestern mittag eingerichtet bin, und auch mitten unter dem Strudel und wirrwarr Ihren lieben brief von 15.4. empfangen habe.Ga naar eind4. Wie alles gegangen ist, wünschte ich sagen zu können, denn es verdiente dass man's wusste, allein es lasst sich nicht beschreiben. Ich kann nicht anders sagen, als: Meine ganze Seele ist Lob und danck. Auch das unmöglichste ist möglich, und sogar leicht, für mich gemacht geworden. Den ersten (Donnerstag)abend war ich so erschöpft, dass ich vor blosse Müdigkeit nicht einschlafen konnte, und eine art heisser fieber hatte. Dennoch könnte ich den folgenden Tag (freytag) von morgens 5 bis abend, 8 uhr aus dem bette seyn, und die Nacht darauf schlief ich so sanft, so erquickend (fürs erste mahl im meinem neuem quartier) dass ich beym erwachen so frisch und heiter war, als wäre nichts vorgefallen, und mich bloss der reinen freude aller meiner Empfindungen überlassen konnte. Denn alles was mich fürs Ausserliche am meisten aufheitern kann, vereinigt sich hier für mich im vollsten maasse. Ich liege, beym schönsten herrlichsten Sommerwetter, (ich schreibe dieses am Sontag morgen 4 uhr, im bette) in einem geräumigen Zimmer, in einem neuen, Pallast ähnlichen Hause, wo mit mir vielleicht zwanzig und mehr familien wohnen, deren Nahmen ich vielleicht nie erfahren werde, mitten unter meinen büchern. Ich habe mein bette am fenster stellen lassen, weil ich doch immer die meiste zeit im bette zubringen muss, und sehe aus meinen fenster rechterhand die schöne Kreuzkirche, die zum theil nach dem Modell des Pantheon gebaut ist, und dann links, über eine Reihe freilich schwarzer und garstiger Dächer hinäber, die einen schlechten vordergrund machen, die schönste Ländliche gegend, freilich nur einen schmalen streifen, und in grosser Entfernung, so dass ich ein gutes Telescop brauchte, um sie zu geniessen, hingegen eben da noch hinüber den lieben, herrlichen, heitern Himmel, den ich seit 2, 3 jahren kaum mehr gesehen hatte, denn der Himmel mit einen Horisont von dächern, ist ein ganz andres object als mit dem natürlichen Horisont von Land und Bergen. Inzwisschen fange ich seit gestern an nun erst nachher die fatigue zu spühren, die ich in dem strudel und agitazion nicht gespührt hatte, auch regt sich in meinem rechten fusse eine empfindung von Hize und Schwehre, die mich ahnden lässt, dass ich vielleicht keine 8 tagen ohne einen neuen Anfall von podagra seyn werde. Diess führt mich auf Ihren brief, den ich nun anfangen will zu beantworten, denn nachdem zu urtheilen, was Sie mir über meine Gesundheits Lage schreiben, muss ich muthmassen, dass Sie wohl leicht glauben werden, diese Vorstellung, wahrscheinlich liege ich erster tagen wieder schmerzhaft | |
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danieder, müsse mir wohl sehr unangenehm seyn. Ach du Lieber! wenn Sie wussten, wie das gerade Gegentheil der fall ist! Erstens bin ich überhaupt da ganz hinüber, und alles was Kranckheit, Schmerzen, Bettlägrichkeit, privation aller künftigen Aussicht jemals wieder die Gassen zu betreten, u. dgl. ist, macht mir im geringsten nichts mehr. Im gegentheil, ich nehme das alles an als wohlthat, und weiss wohl warum: bin also ganz damit zufrieden, etc. Sollte ich nicht! Habe ich Ihnen doch so kurz noch geschrieben, wie mir das alles granweise zugemessen wird, gerade so viel als nöthig ist, kein granchen über die Maasse. Das weiss ich, bin ich gewiss, dass wohl so fortgehen wird. Also. Und denn, dencken Sie doch, in dem jezigen fall, was das seyn würde, nicht bloss gerade auf dem tempo, das ich es brauchte, da ich ausziehen musste, so geschwind, so wider alle Erwartung, gestärkt und herstellt zu seyn, um dann eine zeit lang wohl zu bleiben und von da an einige wochen, 2,3, monathen leidlichen befindens zu datiren. Das möchte man etwa noch an natürlicher Ursachen zuschreiben wollen, an den effect der starken impression, ich muss dann fort, ich kann nicht kranck seyn, wie man sagt, je n'ai pas le temps d'etre malade, und dgl. So konnte sich der Unglauben wieder regen, wenigstens der Glauben sich erschüttern lassen. Wenn ich aber nur gerade diese 14 tagen frey hätte, gerade da ich ausziehen musste, und dann nach wie vor, wieder total danieder lag, dencken Sie doch wie herrlich dieser Gedancken sey, und ob man solch eine Erfahrung mit kein gold aufwegen würde! Was sind dagegen alle schmerzen, und was möchte man nicht leiden, um sagen zu können, nur 14 tagen, gerade jene 14 tagen, in 4,5 monathen, war ich frey, da ich's brauchte! Das wäre Stärkung auf jahr und tag, auf Lebenslang. Inzwisschen mag ich auch hierin nichts begehren, nichts vorschreiben. Wie es ausfällt, wird's am besten seyn, und freilich brauchte ich wohl einige wochen Erhohlung, um manches in Ordnung zu bringen u. manches ims verzäumte nach zu hohlen, allein, wie gesagt, wenn ich morgen wieder mit dem podagra erwache, wieder den ganzen cursus von 2,3 monathen vor mich habe, so werde ich gewiss nicht unzufrieden seyn, ich werde mich herrlich freuen. Wir sollen, auch wenn wir zu leiden gerufen werden, gleich fertig seyn, und froh sagen, Herr hier bin ich. Oder vielmehr (denn mit Leiden, zumahl Körperlichen Leiden, ist das nicht schwer, und konnte sogar in eine Art kindisches heroismus ausarten, das die infame Eigeliebe flattirt) wir sollten in jedem fall, in freude wie im Leiden, besonder aber in wegen, die nicht von unsrer Wahl sind, in Rufen die uns zuwider sind, uns ganz unerwartet kommen, uns in die Queere kommen, uns einen Strich durch unsre Rechnung machen, er sey denn in was es sey, klein oder gross, immer da seyn, mit unserm frohen, heitern, willenlosen, ‘Herr hier bin ich’. Das ist weit schwerer, oft in den kleinsten, elendsten Angelegenheiten. Da examinire ich mich oft selbst über. Oft sollte ich nicht sagen, denn selten darf ich daran dencken, weil | |
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ich so weit, weit entfernt davon bin. Auch in den besten momenten, da ich am lebhaftesten fühle, so sollte es seyn, brauche ich mich nur einige proben zu erdencken, um zu finden, wie schlecht ich dabey bestehe. Und überhaupt meynen Sie ja doch gar nicht, das ich etwa mir selbst eine Lobrede habe halten wollen, da ich Ihnen einige Vorstellung suchte bey zu bringen von meiner denkungsart über meinem Kranckheitszustand. Das war erstens antwort auf Ihr Schreiben darüber und Ihre freundschaftliche theilnahme an dem was Sie als ein grosses Unglück für mich betrachten, was ich aber gar nicht so betrachte. Und denn andrer seits vornehmlich Lobrede auf die ausgezeichnete Väterliche Sorge, Liebe, Schonung, Mässigung, Attenzion, etc. womit mir das, worüber Sie mich bemitleiden, zugetheilt wird, und wovon ich wohl keinen auffallendern Maasstab angeben kann, als den effect den das alles auf mich macht, nehmlich dass das an sich schwere Leiden dermassen dadurch überwogen wird, dass ich, in Anmerckung des einen, mich über das andre sogar freuen kann, anstatt mich zu beklagen. Sonst, nehmlich wenn Sie meynten ich hatte mir selbst eine Lobrede halten wollen, würde ich Ihnen ein ganz andres Liedchen singen, oder wie Sie sagen, een ander boekjen van mij selbst openen. und zum beyspiel bloss nur berühren, wie empfindlich mir jedes, auch das kleinste Leiden, der kleinste Verdruss, der mir von menschen gemacht wird, noch immer bleibt, und wie schändlich entfernt ich bleibe, wenigstens welche Schnecken Schritte ich mache, in jener gleichmuth, sanftmuth, demuth, die doch jeden auszeichnen sollte, der für sich selbst Barmherzigkeit hofft, u. dem so viel barmherzigkeit gescheht. Wie bey jeder neuen gelegenheit die Sünde immer vor die thür ist, etc. Wie wohl ich zugleich, auch in diesen bezug, oft mit Schaam erkennen muss, dass auch hierin die nehmliche Attenzion und Schonung obwaltet, nehmlich so, dass ich wohl oft auf kleinen proben gestellt werde, bloss um nicht zu vergessen dass ich doch wohl einmal lernen sollte ein wenig sanftmüthig und gedultig zu werden, dass aber mir incorrigiblen menschen grössere Proben, die ich gewiss nicht aushielt, mehr und mehr gespahrt werden. So mit andern bösen neigungen. Sind sie einmahl nicht zu überwinden, steckt das ferment zu tief in der Natur, oder ist das Verderbniss zu habituel geworden, dass es sich nicht ausrotten lässt, so geschieht das einzige was noch an mir zu thun ist, nehmlich die Gelegenheiten werden mir abgeschnitten, wo diese Neigungen sich regen konnten. Wenigstens so scheint es mir, und so erniedrigend es auch ist, sich auf diese art wie für unverbesserlich angeschrieben zu dencken (für prodigus erklärt zu seyn) und als solcher tractirt zu werden, so kann ich doch nicht anders als höchst danckbar für die Anwendung dieser lezten ressource seyn. Und dieser giebt Ihnen, beyläufig gesagt, auch einen Schimmer von Erklärung, wie und warum ich mit so manches, was andern unerträglich scheinen würde, so ganz zufrieden seyn kann, mit mein consinement auf meinem zimmer, mit | |
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meiner Bettel-lage, etc. etc. Ich bin einmal gewohnt in nichts mehr bloss natürliche Ursachen, in alles (was mich wenigstens, und folglich auch alle gleichdenkenden betrift) direction, specielle, höchst gnädige, höchst weise und gute, führung zu sehen. Es ist bey mir ausgemachte Sache, dass nichts in der Welt leichter seyn konnte, als mich, so wie ich jezt bin, in zeit 8 tagen, auf einmal gesund, reich, und etwa irgend zum ersten Minister zu machen, kurz in Glück und Glanz zu versezen. Aber meynen Sie, wenn das alles da vor mich stand, so dass es nur an mich hieng, zuzugreifen, dass ich zugreifen würde? Da versichre ich Ihnen, konnte mich kein Teufel zu bewegen, und mit der grössten freude zog ich mich in meinem bette und in mein flanell zurück. Lieber das eine extrem, als das andre. Was mir etwa von Mittelnüanzen zu kommen möchte, ist etwas anders. Das konnte ich dencken, wird mir zugetheilt in Hoffnung dass ich mich wenigstens etwas wird gebessert haben. Aber gänzliches Wohlhaben wäre gewiss vom Teufel. Ach man meint, dass man schon so viel gelernt hat, wovon man sagt, l'adversité est une bonne école. Dass ist aber nur das erste A B C büche lesen, und wer nicht mehr weiss, weiss noch sehr wenig. Pascal sagte, le vrai etat du chretien c'est l'etat de maladie.Ga naar eind5. Das tönt schon höher, und ist nicht eben maxime, allgemeiner Saz, (denn wäre es unrichtig) sondern aus tiefer, individueller Empfindung, geschöpfter Erfahrungs-saz, eine Art chifre, Siegel, Nahm, den niemand versteht, als der ihn trägt. Ich sage, von herz und Seele, überhaupt, le bien etre est une terrible école, und wenn wir bitten, führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Uebel, so heisst das Uebel, nicht allein was man in der Welt Uebel nennt, sondern entweder den Bösen kat'exochèn, den Teufel, oder gerade das Gegentheil von dem, was die Welt Uebel nennt, nehmlich Wohlleben, Glück, Voorspoed, wie Sie in Holl. sagen, kurz alles was uns, mehr als der Teufel selbst, würcklich in Versuchung führt, in einen Strudel von Versuchungen allerleyer Art hinein führt und uns mit Ketten der finsterniss bindet und gebunden überliefert an der Sünde, dass uns nichts anders überbleibt als der Seufzer, ‘ziehe du mich heraus, allmachtiger, ich kann nicht und werfe mich in's Unglück, um mich zu retten’! Den Seufzer ist, Gott weiss, und Gottlob! in mehreren epochen meines Lebens das einzige gute gewesen, was mir noch übrig war, die tabula naufragii! Und dafür liege ich nun hier, und freue mich hoch, und dancke Gott dass ich hier so liege! - Nun weiter mit Ihren Brief. Sie wollen meine Gedancken über Ihre Idee wegen das Verhältniss der Genugthunung Christi für die Sünde, in bezug auf die Dauer der gedrohten Strafe, wissen. Ach - habe ich Ihnen denn noch nie gesagt, dass ich in meinem Leben nie an solche Materien dencke? Wenn ich darüber dencken wollte so dünckt mir ihre Vorstellung recht gut, zumahl, wie Sie auch wollen in verbindung der alten mit ihre neue Auflösung. Vielleicht fand ich noch eine dritte dazu. Nehmlich die Kanti- | |
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sche, sehr plausible Idee von zeit als bloss relativen begriff, u. folglich von Ewigkeit. Xtus war nicht bloss seiner göttl. sondern sogar seiner bloss geistiger Natur nach (die bey Ihm ganz anders als bey uns sinnlichen, fleischgesinnten Menschen, über das fleisch dominirte oder prevalirte) nicht von dieser Welt, sondern ein Wesen aus der höhern, Geistersphere. So müssen wir Ihn immer in concreto betrachten. Eins! Zweytens ist auch die ganze Sache, die ganze Genugthunung ein Gegenstand nicht nur dieser Welt, sondern aus der Geisterwelt, wo 1000 jahren sind wie ein tag, das heisst wo die idee von zeit vielleicht gar ein Non ens ist, wenigstens seyn kann. Und genommen das wäre eins so, (dass die zeit da eine von unsrer hiesigen ganz verschiedene Modificazion hat, ist wohl ausser zweifel) wie schwinden und verfallen dann nicht sogleich alle unsre Erdwürmer-objectionen, und ich möchte es gerne beyfügen, wenn Sie nicht böse werden wollen, unsre Erdwürmer Soluzionen, über Gegenstände, die an sich so weit über unsre Sphere, die ganz in der Geisterwelt liegen u. zu hause gehören, und wozu uns die ersten nothwendigste data fehlen, um sie zu beurtheilen, die da die einfachste, bekanntesten Sachen sind. Ich bilde mir ein, dass es problemata giebt, worüber wir ganze folianten schmieren (z.b. Leben und Tod, Seele, Verbindung der Seele mit dem Körper, etc. etc.) und die der dummste Bauer sogleich einsieht, bey seinem Uebergang aus dieser Welt, bloss durch seine Versezung in die Geisterwelt, und ohne weiter erleuchtet oder darüber belehrt zu werden. Die folge aus meinen promissen ziehen Sie leicht. Denn so litt Xtus, bloss nur in unserm Gesichtpunkte, hier in nur etwa 3 tagen, oder 33 jahr, der zeit (würklich aber und an sich, in der Geisterwelt), d.h. im Gesichtpunkte der Geisterwelt, in der Ewigkeit, also eben so wahr und würcklich ewig, als die gedrohte strafe, nicht wieder in unserm falschen Gesichtpunkte, nach unsre falschen begriffen von Ewigkeit, sondern in dem Gesichtpunkte der Geisterwelt, würklich ewig gewesen wäre, oder seyn wird. Kurz der paralellismus ist einmal da: ewige strafe war angedroht, einerseits; und Xtus vollthat vollkommen an diese Drohung durch sein Leiden anderseits. Kommt das nicht aus auf unsrer Glocken, die nach Stunden und Minuten gehen, so schliesse ich, es kommt gewiss aus auf die grosse Glocke der Ewigkeit u. der Geisterwelt, wie natürlich ist, weil die Sache eigentlich da zu Lande zuhaus gehört. Sollten Sie doch sich grob irren, wenn Sie einen Italiäner, der sagte, er hätte um 18 uhr gefrühstückt, auslachen und sagen wollten, so haben Sie gar nicht gefrühstückt, denn weil es keine 18 uhr giebt, so heisst um 18 uhr frühstücken, gar nicht frühstücken, so wenig als ich sagen kann, ich habe mich morgen satt gegessen (j'ai bien diné demain) so wenig kann ich sagen, ich habe um 18 uhr gefrühstückt, da der tag nur 12 stunden hat. Und doch weiss den dummste bauer in Italien die ganz einfache Soluzion, nehmlich dass in Italien die Glocken bis 24 Stunden schlagen. Sie in ceteris. Mir ist Jo. II. 12.13.Ga naar eind6. ein hellleuchtender | |
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Bliz in die finsterniss, die ich freilich nicht sagen kann was er mir zeigte, sondern soviel hat er mir gezeigt, dass ich einmahl weiss, alles um mich ware ganz anders, so bald mir nur die finsterniss nicht alles verdunkelte und so manches ganz falsch errathen liess. - Daher auch, zum theil, denn ich habe noch manche andre bewegursachen dazu, dass ich, wie gesagt, in meinem Leben nie an solchen materien dencke noch mich damit beschäftige. Ich halte mich bloss an meinem Köhlerglauben, troz den besten Catholiken und schaze mich unendlich glücklich dass ich, als blosser Laye, das thun kann! Denn ich gestehe gerne, Sie zum beyspiel, und Jung und ihr übrige Lehrer in Israël, die ihr einmahl als Schriftsteller euch für die Religion u. den Xtenthum erklart habt, ihr musst euch wohl von morgen bis abend in voller Armatur halten und in Sauls Rüstung einschnüren lassen, weil jedes mahl einer kommt, und sagt, lösen Sie mir dieses und lösen Sie mir das, wenn Sie können. Ich bin der einfältige HirtenknabGa naar eind7., ich ersticke in dem Panzer, und der Spehr, und das Schwerdt, und der Schild, sind mir viel zu schwehr und zu umständlich, ich kann mich durchaus damit nicht befassen, also da liegt der ganze plunder, ich besehe Sie nicht einmal und rühre sie nicht an. Ich nehme mir einen einzigen Stein aus den Crijstallhaften Bache, den Sie deuten können wie Sie wollen, und der ist mir genug, in meinem Schleuder, wider jeden Goliath, wo nicht um ihn zu boden zu schlagen, dazu ist er vielleicht nicht reif oder nicht glücklich genug zu, sondern um ihn mir ganz gewiss vom Leibe zu halten. Denn dieser stein trift unfehlbar, es ist der Stein, der jeden, auf den er fallt, zermalmet, und an dem jeder, der auf ihn fallet, zerschellet. Kurz, der ganz einfache grundsaz, zu welchen Sie sich vielleicht erinnern dass ich einmal eine gewisse freundin vor einige jahren suchte zu führen, ist ganz mein eigener, und jener brief ganz aus meiner eigener praxis hergenommen, nehmlich ich frage nie, wie und warum soll ich diess oder jenes glauben, oder wie soll ich das fassen und begreifen! Ich frage einfältig: was hat Christus davon geglaubt, was hat Er davon gesagt oder gelehrt? und damit punctum. Denn so bald ich nur damit ins reine bin, und das ist meist leicht, so lasse ich Berge bergen und thaler thaler seyn, und kummre mich weiter um kein wie noch warum. Ich sage bey allen Schwierigkeiten, non licet, nescio, ich bin ein blosser Laye, und gebe mich mit dem allen nicht ab. Solvat qui potest. Der einzige Unterschied zwisschen mich und einen blinden Catholiken ist der, dass er sagt, ich glaube alles was die Kirche glaubt. Das ist mir aber ein Unding, wenigstens ein unzuverlässiger Proteus, mit dem ich nichts mag zu schaffen haben. Mein Glaubensgrund ist etwas ganz festeres, ganz bestimmteres, ganz einleuchtendes, und worüber keine controvers fallen kann, nehmlich ich glaube alles was mir scheint dass Xtus geglaubt hat. Irre ich mich im diesem Schein, das heisst meynte ich etwa er habe etwas so oder so geglaubt, was er doch nicht oder anders geglaubt hat, meinetwegen, denn irre ich auf jeden fall so | |
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unschuldig und so sehr bona fide als möglich, und mein grund wird meinen Irrthum gewiss entschuldigen, da habe ich gar keinen Kümmer über, auch wird es wohl selten und in nichts wichtiges der fall seyn. So mache ich von tausend Schwierigkeiten auf einmal los, und komme in gar keine discussion darüber. Ueberhaupt wird mir die hochgepriesene Dame Vernunft, nicht an sich, sondern in unsre mehr als halbverfinsterte Lage, immer weniger ehrwürdig (ich hatte beynahe ärger gesagt) weil ich Sie täglich auf tausend betrügereien ertappe, nicht bloss in Religions-Sachen, in allen möglichen speculazions Gegenstanden, kurz in alles, wo mathematische Gewissheit unerreichbar ist. So z.b. in der Medizin, und dgl. Immer ist Sie eine Gauklerin, eine Tausendkünstlerin, ein Advocat pro et contra, der für alles rath weiss, jede schlechte so wohl als gute Sache annimmt, u. sich gebrauchen lasst um schwarz weiss zu nennen, wo und für wem das nur will. Daher bin ich auch jeden tag mehr für den non liqet, in tausend Sachen, und möchte es besonder allen jungen Leuten anrathen (die aber meist am entferntesten davon sind) denn so bald man einmal parteij gefasst hat für irgend einer Meynung, und nur an irgend jemand gesagt (viel mehr aber, geschrieben, und noch mehr, drücken hat lassen) ich begreife das so und so, ich dencke darüber wie dieser oder jener, so mischt sich gleich die Eigeliebe darin, dass man sich nicht retractiren will, und in nehmlichen momente ist auch die Dame Vernunft mit ihrer Scharfsinn da, und liefert nach belieben Schild oder Pfeilen die Menge, um sein einmal behauptetes zu vertheidigen, oder sogar jeden anderes denckenden zu bekriegen. Jeden Augenblick komt man auf solchen Scheidewegen, besonder in der Jugend, wo es heisst, was für eine Meynung soll ich über diess oder das annehmen, und meist entschliesst man sich und nimmt partey, mehr aus (Hier breekt het handschrift af) | |
Aantekeningen bij brief nr. 310vindpl.: K.B., sign. 130 D 13. 8 pp. (23 × 19), beschreven. | |
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316. R.M. van Goens aan Hieronymus van Alphen[geen adres]
Dr., 1.8.1802.
Liebster Bruder
Sind sie kranck? Oder was kann die Ursache seyn, dass Sie mir auf meine zwey lezten Briefe von halb April, und Anfangs May, noch gar nicht geantwortet haben?Ga naar eind1. Ich habe doch nirgend gefunden, dass Sie etwa, bey der endlichen Catastrophe eurer Republiek, wider in Activitaet gekommen sind. Mir ist es, seit der zeit, im leiblichen, fast immer wieder höchst elend gegangen, so dass ich erst seit etwa 14 Tagen mich wieder anfange ein wenig zu erholen. Wenigen Tagen, nach meinen lezten von 2 u 3 MayGa naar eind2., bekamen wir eine neue, fürchterliche Kälte, welche auch die gesundeste angrif, und mich besonder, da ich die Thorheit hatte dieselbe durchstehen zu willen, ohne in meinen neuen quartier feurer machen zu lassen, an dem Rand des Grabes brachte. Eine Wind-colick, wo sich vermuthlich wohl podagra-stoffe zugesellte, widerstand beynahe 14 Tagen lang alle Sudorifera [zweetmiddelen], Carminativa [windbevorderende zuiveringsmiddelen], laxantia u. [onleesbaar], u. all die zeit brachte ich durch, unter den heftigsten Schmerzen, ohne etwas zu geniessen, doch auch ohne transpirazion, Stuhlgang, oder Urin bekommen zu können. Der motus peristalticus was ganz intervertirt, alles brach ich weg, u. bey den heftigsten durst, konnte ich keine löffel voll dranck, von welcher Art auch, zu mich nehmen, ohne dafür mit neuen Schmerzen büssen zu müssen. Bey dem allen blieb mein Geist heiterer als jemahls. Nie betrachtete ich mich meinem Ende näher, u. nie war mir dieser Gedancken so erfreulich. Ich habe viel resignazion gebraucht, um mich nachher wieder nach u. nach an die Idee zu gewöhnen, dass mein zeit noch nicht da gewesen war, u. ich wieder ins Leben zurück musste. Ach, noch jezt, ist es mir mehr u. mehr, als wenn solch ein geschicktes Moment, in jeden bezug, schwerlich wiederkommen würde! Sogar mein leztes, grosses Anliegen, wurde mir facilitirt, um nehmlich gehörig Ordnung auf meine Sachen stellen zu können. Ich hatte mehrmalen dergl. Aufsäze, die eine Art Lezter Willen seyn sollten, angefangen, doch ohne sie zu beendigen, weil die Sache in meiner Lage so äusserst schwer ist, u. besonder bekam ich keine Durchsicht, wie ihnen eine Art legalität zu verschaffen, ohne unbekannten, denen ich nicht trauen konnte, meine wahre Lage zu entdecken. Dass mir auch dieses alles auf einmal facilitirt wurde, so dass ich einem vertrauten, lieben Mann, mit dem ich vorher lang umsonst gesucht hatte in connexion zu kommen, ein formliches beschlossenes Testament dictiren konnte (wobey ich besonder für meine | |
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Papieren sorgte, u. dieselbe alle Ihnen vermachte)Ga naar eind3. schien mir ein neuer Pfand von der Treue des Herrn, der mir jedes Anliegen vor meinem Tod benehmen wollte, u. so todt schwach ich auch war, konnte ich doch alles vollführen. Doch, wie gesagt, die Kranckheit entschied sich, und in etwa 4 wochen war ich wieder so weit, dass ich einige Stunden Nachmittags aus dem Bette kriechen konnte. Während diese kurze zwisschenzeit von Erhohlung, begegnete mir eine sehr unerwartete, sehr angenehme rencontre. Ich war vor etwa 6 monathen von ohngefehr mit der regierende frau Gräfin von Stolberg-WernigerodeGa naar eind4. in Correspondenz gerathen, die sich aber auf wenigen Briefen beschränckt hatte, u. seit HornungGa naar eind5. hatte ich nichts von ihr vernommen, meist durch meine eigne Schuld, weil ich beynahe keine Correspondenzen mehr unterhalten kann. Auf einmahl besuchte mich am 15 Junius V.M. da ich noch im bette lag, ein Baron von SchönbergGa naar eind6., der hier alle ihre Sachen thut, und benachrichtigte mich, dass die ganze familie Stolberg W. den Abend vorher hier angekommen war, 8 Herren und 12 Damen, mit 48 pferden, u. 36 pferden, relais voraus. Sie giengen nach ihre Güter in Schlesien, hielten sich nur ein paar tagen hier auf, doch die Gräfin wollte durchaus mich sprechen. Also, da sie vernommen, dass ich schon in drey jahren nicht aus dem zimmer gewesen, hat sie nach vieler Ueberlegung, und ungeachtet meine 102 treppen, sich entschlossen, mich zu besuchen. Konnte ich sie also abwarten, würde sie den nehmlichen Nachmittag, mit ihrer ältesten Tochter, eine Gräfin von Wittich, zu mir kommen. So äusserst schwach ich auch war, musste ich doch diesen annehmen. Sie kamen, und anstatt einer halbe stunde, schickten sie zweymal ihren Wagen wieder fort, und blieben bey mir von 3 bis 6½ uhr. Ach die herrliche frau werde ich nie vergessen! Beym Abschied sagte sie mir, den folgenden N.M. wollte auch ihr Gemahl zu mir kommen. Anstatt davon aber liess sie mir morgens sagen, der Graf hatte nothwendige Geschäfte bekommen, wenn ichs aber erlaubte, wollte sie noch einmal zu mir kommen. So brachte ich noch einen zweyten, nicht weniger angenehmen Abend mit ihr zu. Sie hatten ihre Abreise noch einen tag langer, und bis auf Donnerstagmorgens ausgesezt. Der Graf verreiste aber schon am Mittwoch abend. Doch wollte er vor seiner Abreise mich noch gewiss besuchen. Das geschah denn auch, u. so sehr ich mit der Gräfin eingenommen gewesen war, so sehr erfreute mich auch der Besuch des Grafen. Er blieb auch bey mir von 3 uhr bis auf die Minute seines Abreisens, um 7 uhr. Und ein theil unsrer Unterredung schien mir interessant genug, um den andern tag aus meinem Gedächtniss aufzuschreiben. Ich schicke ihnen hierneben diesen kleinen Aufsaz, vielleicht enthält es einige idéen, die Sie für ihr werck, durch mich regieren die f.Ga naar eind7. benüzen können. Auch werden Sie daraus sehen, wie heiter und aufgeweckt ich damahls war. Der Geist beherrschte ganz den Körper. Keine 8 tagen nachher aber fiel ich desto fürchterlicher wieder zusammen. | |
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Wäre es ein recidif der vorigen Wind-colick, oder ein in die Eingeweiden zurückgetretenes podagra, kurz ich gerieth wieder auf einmahl ins bette, der leib trieb sich von neuen auf, alle Ausleerungen stockten, u. ich hatte tag noch nacht nicht ein Augenblick ruhe vor Schmerzen. Diessmal aber griffen sie auch den Kopf an, dermassen dass ich beynahe 14 tegen lang bloss existirte, ohne einen einzigen Gedancken, ein einziges Gefühl, ein Augenblick fassen, oder verfolgen zu können. Kopf u. Herz waren immer gleich und so plagte mich, ich mochte beynahe sagen fürs erste mahl in meinem Lebene, die tödlichste Langeweile. Da ich dabey sehr taub bin, konnte ich sogar auch nichts für mich lesen lassen, auch hatte ich auf nichts keine Attension, nichts intressirte mich. Ich vegetirte buchstäblich, wie ein vieh: hatte keine schlechte, doch auch nicht einen einzigen guten gedancken. Ich dachte gar nichts: konnte nicht ein einziges mahl mein Herz zu Gott erheben, kein Seufzer! Und was meinen Unmuth vermehrte, waren die vorwürfe, die ich mich darüber machte. Dennoch hab ich mir nachher keine Vorwürfe darüber gemacht. Der zustand ist bloss körperlich: das heisst, er ruhrt bloss von körperlichen Ursachen her. Allein er beweisst doch, dass wir sogar nichts können, nichts haben, was wir nicht empfangen müssen! Wie schwach ich wieder daraus noch einige wochen blieb, können Sie leicht dencken. Zwisschen beiden habe ich auch vergessen einer Ophthalmie zu erwähnen, ja wo ich auch 5 a 6 wochen, von anfangs May an, mit geplagt gewesen bin. Kurz solch einen Winter wie diesen, von October an bis ende Julius, habe ich noch nie erlebt, und dencke kaum, dass ich auch noch wieder einen Winter durchstehen werde. Inzwisschen hat mich die Wärme, die sich seit 14 tagen endlich eingestellt hat, doch wieder sehr aufgeholfen, so dass ich den ganzen tag ausserm bette seyn kann, u. sogar wieder allein an ein stockchen durch dem zimmer gehen, was ich in mehr als ein jahr nicht konnte. Denn da die füsse alle balanz verlohren hatten, musste ich mich an dem rücken eines Sessels, wie die Kinder an eine Hand schlitten, halten u. so fortschleppen. Nur zeigen mir mehrern Vorbote, dass ein neuer Anfall von Podagra nicht weit mehr entfernt seyn kann. Konnte ich mir mit fahren bewegung machen, während solche kurze lucide intervallen, das wäre mir wohl am heilsamste. Das ist aber in meiner Lage unmöglich. Und jedes Mittel, jeden Genuss, den ich nicht haben kann, kostet mir nichts, zu entsagen. Wenn ich nur so fortleben mag konnen, allein ich fürchte, dass mir vielleicht bald wieder neue grosse Glaubensproben bevorstehen. Wenigstens der todt des Churf. v.M.Ga naar eind8. wovon ich vorgestern ganz unerwartet die Nachricht empfieng, hat mich ganz gewaltig getroffen: einmahl an sich, ich liebte ihn, wie einen Vater, u. Sie erinnern sich, aus meinem Engl. MemorialGa naar eind9., dass er sich wahrhaftig wie ein Vader an mir betragen hat. Und dann auch wegens der reëllen folgen. Er schickte mir, jeden November, 40 Louis d'or, oder 80 ducaten, die mir jezt entfallen. Ich werde | |
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vermuthlich wieder meinen ganzen kleinen Bücherschaz verkaufen müssen, um mich aufrecht zu halten. Freilich bin ich mit seinem NachfolgerGa naar eind10. eben so intiem verbunden gewesen. Allein wer weiss, was noch aus diesen wird. Sie wissen was für Gerüchte geloffen haben, dass man sogar mit ihm vorhatte. Und auf jeden fall zieht man ihn bis aufs Hemde aus. Kürz das ganze Entschädigungs geschäft ist ein Gewebe von der Gottvergessendste Ungerechtigkeit, wovon ich kein beyspiel weiss. Denn die theilung Pohlens war kinderspiel dabey. Die theilung Pohlens rentrirte in die Classe der Conquesten, u. war nicht weniger, doch auch nicht mehr ungerecht, als alle Conquesten, von Nimrod an bis auf unsre zeiten, da ein Mächtiger seinen schwachen Nachbar überfällt u. ihn unterjocht. Allein dieses Geschäft ist ein Excess von total unverschämten Missbrauch von Gewalt, der alles übertrift, was ich jemals in der Geschichte weiss gefunden zu haben. Die Englische Zeitungen sagen mit recht, es sieht aus wie die Anschlagszettel des Verkaufs einer unsren Westindischen Plantagen, so viel morgen lands, liefern so viel fässer zucker, und so viele köpfen Negern, die dazu gehören. Und so ist es buchstäblich. Ich fürchte, es werden vielleicht noch sehr ernsthafte folgen daraus entstehen. Und wer wird alsdann noch langer die parthie nehmen können, die man, aus Grundsäzen von guter Ordnung &c. wünschen würde nehmen zu können. Gott erbarme sich der Menschheit. Die Verwirrung nimmt, dunckt mich, zugehens zu! Herr! Dein Reich komme! Es ist hoch zeit. Alle andre Reiche gehen nicht zu grunde, sondern arbeiten sich selbst muthwillig zu Grunde! Und was kann sie hilfen. Konnte mans auch, sie verdienen nicht mehr dass man sie hülfe. Auch andrer Seits habe ich viel Stoff zur Sorgen. Es schickt sich mit diesem meinem neuen Quartier gar nicht, wie zu hoffen war, u. gegen den Winter werde ich wieder ein andres suchen müssen. Also, da ich dazu ausser stand bin, wohl wieder in meinem alten Gasthof zurück kehren müssen. Schon war es ein sehr grosses beschwehrde, in meiner Lage, dass kein Mann im hause war. Jezt findet sich, da des Verstorbenen Sachen beendigt sind, dass der armen wittwe nichts über bleibt. Also müssen die töchter ein gutes hinkommen suchen. So bleibt mir zu meinem dienst nichts als die Frau selbst übrig, die schon ein Anfang von Auszehrung hat, also jeden tag bettlägrig werden kann mit zwey kleinen Kindern. Das macht, das ich anstatt der besste Aufwartung, bald gar keine mehr haben wird. Endlich lasst sich auch das jezige Quartier, so angenehm es auch im Sommer ist, doch, ohne dreyfachen kosten, vermuthlich nicht heizen. Und schon kommt mir sonst alles viel theurer. Es ist mir eine ganz eigne Uebung, dass ein Arrangement, das mir so ganz providentiell scheinen musste, u. welches ich bloss als solches folgte, so ganz anders auskommt, so dass ich dreymahl in ein jahr zeit, ganz umsonst werde haben ausziehen müssen, und endlich wieder dahin zurück kehren wo ich hergekommen war! Ich dencke, ist es doch dem | |
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Vorbilde jedes glaubiges, dem alten Israel, in der Wüste, nicht besser gegangen. Freilich durch ihre eigne Schuld. Aber habe ich denn mehr von mich selbst zu rühmen! Kurz, Gott giebt mir bis jezt die Gnade, dass ich in allem ruhig bin, und bey stoff genug zu den peinlichsten Sorgen, wie ich sagte, möchte ich aber gar nicht sorgen, u. immer dencke, Er that's, Er kann's wenden. Ich habe mich einmal ganz Ihm anvertraut, Er kann nicht zu schande werden lassen. Oft mache ich sogar wohl Plane, wie Er es alles herrlich würde ausführen können, z.b. jezt mit den todt des Churf. v.M. Den hat Er, über dem gewöhnlichen ziel bey Leben erhalten, wäre es auch nur um mich zu unterstüzen, wie er getan hat. Und ihn, wie ich nach Achaff. schrieb, gerade auf dem geschicktesten tempo weggenommen. Für ihm selbst: Er hatte genug gelitten: brauchte vermuthlich wohl diess alles zu leiden, um ihn von vieles zu reinigen, zu läutern stolz &c herunter zu bringen, &c. Nur das lezte, der hefen des Kelchs, die besiznahme seiner Länder, seine eigne, neue endliche Vertreibung wurde ihm gespart. Und nicht weniger für seinen Nachfolger. Vielleicht wenig tagen langer, u. man hatte ihn sogar die so legitim als möglich acquirirte, 15 jahren lang entgegen gesehene sucession, noch sogar zwistig gemacht. Ehe dieser plan zu reife kam, tretet er facto ein in seine Rechte. Das ist schon vieles gewonnen. Endlich für mich. Da ich nicht hoffe, dass Sie kranck sind, duncke ich mir Sie haben vielleicht den Winck in meinen lezten benüzt, sind mit dem Gr. v.H.Ga naar eind11. in Correspondenz getreten, wegen der mir endlich so legitim verschuldigte Entschädigung, die man bald gar kein protest mehr haben wird mir zu vorenthalten. Dieser hat sich der Sache angenommen, wie ich vertraue. Es ist grossentheils würcklich Seine Sache. Er ist mein einziger Vertrauter gewesen! Und durch ihn sind mir alle Versprechungen geschehen, dass man auf jeden fall mich nie verlassen, u. über u. über entschädigen wurde. Nur hält man ihn auf. Und Sie haben immer nähere Aufschluss von ihm erwartet, um mir zu schreiben. - So muthmasse ich wenigstens, und kann nicht anders als natürlich hier einigen effect von erwarten. Wäre es also dass ich provisionellement nur etwas in Abrechnung durch diesen Weg erhielt, wäre es auch nur ƒ 1000- (Man ist mir schon über ƒ 8000 schuldig) und dann weiters die zusage von jährlich so viel, oder etwa ein Arrangement fürs ganze - wie war mir denn nicht geholfen, und wie viel Ursachen hatte ich nicht die Wege des Herrn, der alles so ganz gut gemacht hatte, zu bewundern! Kurz, ich will stille seyn, und warten! Schreiben Sie mir indessen so bald möglich, bitte ich. Und wenn Sie etwa nichts noch in der Sache gethan haben, so thun Sie es doch, und schreiben dem Gr. v.H. Ich kann, noch mag, selber directe nichts thun. Und er kann's mit viel mehr effect. Es ist jezt der Moment. Den muss man wahrnehmen. Gr. H. besizt das zutrauen der ganzen familieGa naar eind12., besass es wenigstens vormahls. Jezt sind sie wieder alle beysamen, und in dem fall, thun zu | |
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können, was sie thun sollen. für mich, directe, ist es Welthandel, worin ich mich nicht gerne von neuen eingeben mochte. Auch bin ich kein Augenblick sicher, ob ichs kann. Ich kann einen brief erhalten, woran alles hangt, dass ich ihn gleich beantworte, u. doch gerade ausser stand seyn in wochen lang zu schreiben! Dabey wissen Sie, wie man mich tractirt hat. Auf keinen einzigen brief je eine silbe geantwortet! Da ich doch mit fürsten, die eher mehr als weniger sind, u. denen ich nie einigen dienst thun kann, in der freundschaftlichsten Correspondenz stand, u. alle mögliche Liebe u. Auszeichnung von denselben wiederfuhr. Das sezt natürlich auch kein gutes blut! und ich bin viel zu aufrichtig, viel zu fest von character, um Liebe, Achtung, Verehrung zu heucheln. Auf jeden fall schreiben Sie mir, hoffe ich, so bald möglich, dass ich weiss ob es bey Ihnen allen wohl ist. Ich umarme Sie herzlich. C. | |
Aantekeningen bij brief nr. 316vindpl.: K.B., sign. 130 D 13. 4 pp. (23 × 19), waarvan 3 beschreven. | |
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321. R.M. van Goens aan Hieronymus van Alphen[geen adres]
Dresden, 5 April 1803
Liebe Bruder u. Schwester
Wie kommt doch dass ich in so vielen Monathen nichts, gar nichts, von Ihnen gehört habe? Ausser die ƒ 100-, die Sie mir vor einigen wochen übergemacht, u. wofür ich herzlich dancke. Mein herz möchte mir zerspringen so oft ich an Ihnen dencke, denn wie kann ich beynahe keine Nachricht fur gute Nachricht halten, wie man sonst etwa noch thun möchte, bey Ihre so bedencklichen Leibes Umständen? zumahl, da ich hoffte, dass mir wenigstens meine liebe Schwester würde geschrieben haben, wenn Ihnen das schreiben beschwehrlich wäre. Mir ist es, nicht physisch, sondern moralisch, unmöglich gewesen in all dieser Zeit zu schreiben. Ich habe niemand geschrieben. Ich habe so zu zagen nicht gelebt, ich habe bloss fort-existirt. Nicht meiner Gesundheit wegen, damit ist is, über u. wider alle Erwartung, was man nennt, gut gegangen. Anstatt dass meine Ahndung, die ich vorigen Spätjahr hatte, dass dieser Winter mein lezter seyn würde, eingetroffen sey, bin ich vielmehr seit October täglich mehr zu Kräften gekommen, auch bin ich so wohl als möglich gewesen, habe den ganzen Winter wenigstens von 11 bis 6 a 7 uhr ausser den bett seyn und mich, oft sogar ohne stock, im zimmer herum schleppen können, was ich im Jahr und tag nicht gekönnt hatte, bis ich endlich vor etwa 6 wochen wieder ein Anfall von Podagra bekommen habe, die sich erst, sonderbahr genug! auf den hals, den mund, und besonder die Zunge, geworfen hat, (man nennt es Angina arthritica) und diese dermassen entzundet u. gelähmt hat, dass ich 14 tagen lang nichts als klare fleischbrühe u. milch durchbringen, und sehr mühsam und schmerzhaft nur wenig und halb verständlichen monosylben reden konnte. Von da an aber hat es sich, nicht wieder auf die Eingeweiden geworfen, wie das vorige ganze jahr, und wie ich fürchtete dass forthin immer der fall seyn würde, sondern so rein als möglich auf die Knieen und füssen (ein beweis wie sehr ich wieder zu kräfften gekommen wäre) woran ich jezt noch liege, ohne aber ursache anders als wahrhaft danckbar dafür zu seyn, wenn mich mein Leben und Gesundheit noch interessirte. Das thut sie aber nicht, und es ist bloss ein immer gespanntes, ich möchte sagen überspanntes, effort von Unterwerfung an den unergründ-lichen wegen u. willen Gottes, dass ich noch fortlebe. Denn sonst sind, in moralischen, alle fluthen über mich gegangen, seit November, so dass ich gefürchtet habe mein Verstand zu verliehren, und mich selbst habe tractiren müssen, wie jeder Leib und Seelen-Arzt mich würde gethan | |
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haben, nehmlich mich bloss zwingen und aufs schärfsten anhalten, um die immer aufwellenden, unerträglich nagenden gedancken, über den nehmlichen empörenden gegenstand, so viel möglich zu unterdrucken, u. dazu wenigstens alles zu vermeiden, was mich wieder darauf bringen u. mich damit beschäftigen könnte. Ich habe daher auch vor allen Dingen mir entsagen müssen Ihnen zu schreiben, weil ich besonder Ihnen nicht schreiben konnte, ohne die sache sogar weitlauftig zu berühren, wovon ich mich enthalten musste von nur zu dencken, um nicht von sinnen zu kommen. So hat die zeit nach und nach den Eindruck gemildert, ohne etwas daran zu ändern, geschweige ihn zu verwisschen. Und nun kann ich wenigstens versuchen ihn zu erwähnen. Der Gegenstand, der mich in solchen unabsehlichen Jammer gestürzt hat, ist die unglaubliche, nie zu erwartende, Undanckbarkeit, Unempfindlichkeit, mit nichts zu vergleichende Hartherzigkeit, kurz das nie zu erwartende, abscheuliche Betragen des P.v.O.Ga naar eind1. gegen mich. Sie erinnern sich, dass ich vorigen Sommer, in meinem letzten Brief vor Ihrem Schlagfluss, da der Plan wegen dem Deutschen Entschädigungs Geschäft anfieng betrieben zu werden, Ihnen schrieb, wir müssen jezt anfangen daran zu dencken, dieses Ereigniss, wenn es zur Consistenz kommt, zu benützen, denn wenn der P.v.O. entschädigt wird, so kann er natürlich nicht weigern, und muss sich viel mehr freuen, endlich im stande zu seyn, um auch mich zu entschädigen für alles was ich diesen zehn jahren lang gelitten habe, und mir wenigstens das rückständige meiner in all der zeit unbezahlt gebliebene Leibrente von ƒ 1200- zu bezahlen, und dann diese Liebrente wieder, wie zu voren, in gang zu bringen und mich zu continuïren bis an meinen tod. Inzwischen ists mir zuwider, diese sache selber zu betreiben, es sind bloss weltliche zeitliche belangen, ich stehe am Rande vom Grabe, wird auch oft durch Kranckheit mitten in ein Geschäft unterbrochen, und die Sache selbst is auch mehr geeignet durch einen dritten betrieben zu werden - Der Gr. v.H.Ga naar eind2. ist der mann, der am meisten darin thun kann, der ist immer mein einziger vertrauter gewesen &c. Wollten Sie mit diesem darüber correspondiren? Sie wissen die ganze Geschichte dieser Leibrente, die Sie vorher nie wüssten, aus meinen übergeschickten E. Memorial, &c. Und so war ich denn froh und ruhig, meine belangen in den bessten händen zu sehen. Anstatt hiervon empfieng ich, einige wochen nach her, die entsezliche Nachricht von Ihrem Zufall, und natürlich war übrigens in dem ganzen brief kein wort von meiner sache. Auch in dem theil, den Sie selber noch geschrieben hatten, hatten Sie mich über andres angenehmeres, geistliches, unterhalten, und dieses zeitliche vermuthlich bis am Ende verspahrt, waren aber gehindert worden fort zu schreiben. Was nun zu thun? Sie waren einmahl ausser stande mehr etwas das geringste in der sache zu thun. Ich musste sie also selber ganz übernehmen, und mich entschliessen sie zu betreiben. Das that ich auf die | |
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einfachste, directeste weise. Wartete bloss bis die eigne Entschädigung des F.Ga naar eind3. consolidirt, und die Besiznahme vom F. &c. im wercke war. Schrieb Ihm dann den einfachen Brief, wovon hierneben eine Copie geht. Und zweifelte nicht an den Ausschlag; nehmlich dass wenigstens die Leibrente wieder im gang würde gebracht werden. Bloss über die unbezahlten Rückstände, die sich damahls, Sept. 1802. auf ƒ 9000-beliefen, könnte ich fürchten, weil ich nur zu viele Proben schon von der Hartherzigkeit des Mannes gehabt hatte, dass es vielleicht discussionen geben würde, wenn er nicht fühlte, welch eine armliche Entschädigung das wäre, für alles was ich gelitten hatte, mir bloss das auszuzahlen, was man mir zum strictesten genommen, schuldig war; so schuldig, als wohl je jemand einem andern etwas schuldig seyn kann. Und nun dencken Sie, wie mir war, da ich am Abend (Sonntags, 28 November) die Antwort, wovon gleichfalls eine höchst genaue Copie hier neben geht, empfieng. Es war abends 8 uhr - Ich erkannte sogleich an der Adresse die Hand, und das Wappen, legte aber den Brief ungeöfnet neben mir, wie ich dann in solchen fällen meist thue, und speisete zu Nacht, unentschlossen ob ich den brief nicht erst den folgenden morgen öfnen wollte. Bloss die mögliche Weigerung der Rückständen musste mich sehr erschüttern. Gegen 11 uhr entschloss ich mich jedoch den Brief zu öfnen. Und nun stellen Sie sich meine Empfindungen vor, wenn Sie können. Ich fiel rückwarts auf mein Kopfkissen, und mein erster lauter Ruf (wo für ich Gott noch in der Ewigkeit dancken wird, denn seine Gnade allein war es, die ihn in mir wirckte) war: O mein Gott! mein Gott! Es ist ein Misverständniss. Verzeihe Du, wie ich verzeihe; und behalte Ihm den fluch nicht, der wegen solch ein Betragen auf ihn und auf sein Haus ruhen müsste! Mein zweiter Gedancken war: Ach dass meine Lage so wäre, dass ich Ihm bloss zwey zeilen antworten könte: ‘Gott verzeihe Ihre D. wie ich verzeihe, was Sie im stande waren mir zu schreiben. Hierneben mein blanc-signé. Das füllen Ihre D. ein mit solch eine complete renunciation auf immer, als Sie gut finden, an aller und jeder pretention, Pension, gratification, oder Leibrente, wie Sie es auch nennen wollen, die ich jemahls auf Sie oder auf Ihr Haus dencken könnte zu formiren.’ - Allein, wie könnte ich, wie mocht ich? Das wäre mich stolz und eigewillig zum ewigen Bettelstab verurtheilt. Das mag ich nicht. Und (hier breekt het handschrift van deze brief af) | |
Aantekeningen bij brief nr. 321vindpl.: K.B., sign. 130 D 13. 4 pp. (23 × 19), beschreven. |
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