Documentatieblad werkgroep Achttiende eeuw. Jaargang 1989
(1989)– [tijdschrift] Documentatieblad werkgroep Achttiende eeuw– Auteursrechtelijk beschermd
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P.J. Buijnsters Brieven van Rijklof Michael van Goens aan Hieronymus van Alphen
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Voor het overige geldt wat eerder al is gezegd: de transcriptie en annotatie stelt een editeur voor grote proglemen. Ondanks de deskundige hulp van dr. F. Hulshof heb ik niet alle namen en titels met zekerheid kunnen ontcijferen. Ook nu is bij de toelichting uiterste soberheid betracht. | |||||||||||||
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278. R.M. van Goens aan Hieronymus van Alphen[geen adres]
Dresden 3 hornungGa naar eind1. 1801. Liebster Bruder,
Durch die Krankheit des Herrn v. FrGa naar eind2. werden Sie meine lezten etwas später empfangen haben. Ich zweifele aber nicht, ob er muss jetzt schon in Ihren Händen seyn. Ich empfange eben den Ihrigen von 17. JennerGa naar eind3., und antworte sogleich, wonicht ausführlich, dennoch soviel möglich. Denn ich liege seit Montag 8 tagen wieder an mein Podagra, diessmahl aber, bis jezt wenigstens, sehr leidlich. Zwar schien im Anfang die Stoffe sich auf die Brust werfen zu wollen, bald aber fixirte sie sich auf die Hand, und glücklich nur auf die linker Hand, so dass ich, wiewohl mühsam und im bette, dennoch schreiben kann, u. würcklich viel schreibe. Auch kann ich seit ein paar tagen wieder ein wenig essen und schlafen, und die Nerven lassen mich bis jezt in Ruhe. Die quassia, die ich während dem interstitium genommen, hat mich zu viel Kräften geholfen. Kürz ich bin überhaupt nichts als Lob und Danck und habe alle Ursache dazu. Jetzt kommen Sie mir sogar zuvoren mit einige Unterstüzung, lang ehe ich daran dachte. Ich war mit ende des jahrs so gerade ausgekommen, und seit ein halbjahr immer ganz ohne Sorge gewesen. Das ist das höchste was ich wünsche, denn für die Zukunft ist mir nie bange. So lang ich nur spühre, dass mein lieber Herr seine hand nur nicht von mir abzieht, und sich noch an mich gelegen seyn lässt, dann ruhe ich ganz sanft und sorgenlos in seinen Armen, wie ein Kind auf der Mutter Schoss. Es ist, als wenn Er sich hätte bereden lassen, was ich Ihm so oft gesagt habe, plage mich nur nicht von der Seite, Du weisst einmahl dass mir dieses rein schädlich ist, mich für alles abstümpft, jedes andere will ich gerne tragen. Ist es mir doch bloss zuwieder, weil es mich von Dir abführt, auf allerhand nachtheilige Grübeleijen thut verfallen, anstatt, wie alles andre, mich Dir näher zu bringen. Nur der Todt LavatersGa naar eind4. hat mich sehr angegriffen, und ich kann noch kaum davon reden noch darüber schreiben, wiewohl ich mich fast mit nichts anders beschäftige. Also davon ein andermahl. Nur schicke ich Ihnen ein bildchen von ihm, das ich lezt, glaube ich, vergessen, und ihn vorstellt, wie er, durch schmerz abgekarmt und ausgemergelt, schon vor 6 monathen muss ausgesehen haben. Nach der nächste Messe, wenn ich lebe, empfangen Sie ein grosses, noch ganz neues, vortrefliches portrait von ihm, schon vor einige jahren gemahlt, doch jezt vor kurzem gestochen. Vielleicht erhalte ich auch jezt aus seiner Nachlassenschaft, etwa noch wieder ein exemplar von dem, was ich in Paris von ihm stechen liess, denn werden Sie es bekommen um vor dem Ms. zu fügen. | |||||||||||||
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Auch schicke ich Ihnen hierneben eine Predigt, die hier seit ein paar monathe eine erstaunliche Sensation macht, wie Sie wohl muthmassen werden. Sie freuen sich gewiss sehr darüber, nehmlich besonder über den da voran gestellte Belobungs. Rescript. Welch ein Dorn in den Augen der ganze Neologische clique dieses sey, brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen. Inzwisschen verwunderen Sie sich da nicht über, denn der bekannte und ostensible Urheber davon, mein verehrter freund B.Ga naar eind5., der jezt als Conferenz-Minister das ganze geistliche Departement unter sich hat, stand schon seit lang sehr übel bey ihnen angeschrieben. Nur dass ihr vortreflicher ReinhardGa naar eind6. (der Verfasser sovieler geschäzter, bloss moralischer, Wercken) den sie als einen ihrer Häuptern verehrten, und von dem sie vielmehr alles gegengestellte erwarteten, so unvorsehens ihr party verlässt, und sich öffentlich zu die Lehre des freye Gnade in Xto bekennt, das ist ihnen unbegreiflich. u. unerträglich, darüber speyen sie feuer und galle, und wissen nicht wie sich zu rächen. Würcklich macht die Predigt epoche, u. ist ein höchst merkwürdiges phenomen in den jezigen zeiten. Ich wünschte sehr, dass Sie eine Uebersezung davon konnten machen lassen, mit einer Vorrede, zur belobung besonder auch des Rescripts. Ich konnte allenfalls wohl einige hauptzüge dazu an der hand geben. Die Versen von JorissenGa naar eind7. sind recht gut, so gar schön, einige wenigen, etwas lähmen und unprosodischen zeilen ausgenommen. Man muss in reimlosen, scandirten versen sehr streng seyn, z.b. wehmüthig braucht er einmahl als dactylus, -⌣⌣ anstatt von ⌣-⌣, wie es seyn sollte, und wie er's nachher selber gut Construirt u. dgl. Ein sterben, das vielmehr einer Aufnahme im Himmel ähnlich sah, sagen sie? Da wünschte ich, dass Sie mir einige details von hätten schreiben können. Ich schreibe Ihnen vielleicht auch noch einiges ab von Lavaters lezten seligen stunden, und endliche Erlösung aus dem entsezlichsten Leiden. HinlopensGa naar eind8. brief hat mich herzlich gefreut. Reichhaltig, und mitunter wahre Hinlopiana. Kann ich es thun, ohne den brief zu sehr zu beschwehren, lege ich auch für ihm ein ex. van R. predigt bey. Das boekje interessirt mich. Im anfang kont'ich gar nicht klug daraus werden, jezt fang ich an mir doch einigen begriff davon zu machen. Es ist gerade was man im Englischen nennt, eine Art Highlife below stairs, und ich stelle mir leicht vor, wie Sie im Anfang ganz herrlich so alles unter sich vertheilt haben. Wie aber in der Länge die Maschine sich aufrecht hält, und noch so taliter qualiter fortläuft, da kann ich mir keinen rechten begriff von machen. Man nennte das Deutsche Reich von alters her, Confusio divinitus conservata. Vermuthlich giebt es seit einigen Jahren mehrere confusiones infermaliter conservatae. Das Gott erbarme! Ueber Graf H.Ga naar eind9. bin ich froh dass ich schon lezt antwortete. Sie werden ihm doch jezt schon meine Antwort haben zukommen lassen. Ich verzeihe den General S.Ga naar eind10. nicht, dass er meine Commission, warum ich ihm so ange- | |||||||||||||
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legentlich gebeten hatte, nicht scheint ausgerichtet zu haben. Besonder, dass ich aus blosser discretion und furcht ihn etwa zu compromittiren in denjezigen zeiten, nicht schrieb. Sie wissen doch, wie ich sogar Ihnen und O.v.G.Ga naar eind11., an denen ich so sehr hing, aus der nehmlichen Ursache so lange nicht geschrieben habe. Ich dachte immer, Sie wissen wo ich bin, wenn sie schreiben darften, würden sie mir schreiben. Bis dahin, muss ich sie schonen. So auch mit Gr. H., der gewiss mehr vorsichtigheit braucht als jemand. Inzwisschen so bald ich weiss, dass er wünscht dass ich ihm schreibe, werde ich ihm schreiben. Nur brauche ich noch etwas zeit dazu, denn ich habe ihm sehr viel zu schreiben, u. vieles was ihn wundern wird. Sie werden alles sehen. Nun will ich für diess mahl endigen - das schreiben ermüdet mich doch, und ich habe eben noch so vieles, sehr wichtiges, was L's Nachlassenschaft angeht, zu schreiben - dagegen aber auch diess nur für ein billet, nicht für einen brief, anrechnen. Tausend Grüsse an Ihre liebe frau! Ich umarme Sie herzlich. C. Konnten Sie mir auch so das Utrechtsch boekjeGa naar eind12. schicken, das werd mich noch mehr interessiren. Nur schneiden Sie den Pappendeckel davon ab, wenn Sie es wieder in einen brief schickten. Wir müssen unser Canal nicht missbrauchen. Am Ende einer schwehren Leidenswoche.
Ach! wieder eine hin der bangen Leidenswochen!
So schwehr sie immer war, sie hat mich nicht gedrückt!
Der Herr verliess mich nicht, wie mich der Herr versprochen,
Und liebereich hat er mich ins Elend angeblickt.
Schien Er sein Angesicht mir etwa zu verhüllen
Mich hielt ansichtbar noch des treuen Vaters Hand;
Er gab ich Kindlich mich in seinen Vater willen,
Und sucht' in Demuth Ihn, bis ich ihn wiederfand;
So schien Er liebreich mir ins Jam'rn zu zu rufen:
so wahr Du bist, Ich bin, und weiche nicht von Dir;
fürt ich noch tiefer dich der Prüfung dunkle stufen,
wie matt seij dein Vertraun und dein Gebeth zu mir!
In Keinem Sturme soll des Christen Hoffnung wancken
bin ich, dein Gott, bey dir, was kann dir schädlich seijn?
Am Ziele wirdst du mir für jedes Leiden dancken,
denn Freudenquelle wird der stillgetrag'ne Pein,
die lezte Woche wird dir kommen und verschwinden,
wie jede Woche kam, die nun verschwunden ist,
lass jeden neuen Tag den lezten dir ankunden,
der die Erlösung bringt, wann du geläutert bist.
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Ich zähle deinen Tag und deine Jammernächte,
und jedes Schmerzens Ach erschallet an mein Ohr;
dich hält, dich trägt, dich führt oft spürbar meine Rechte,
wann du verlassen scheinst, den Dornenpfad empor!
du sehnest seufzend dich nach deines seufzens Ende,
dies Ende seh' ich schon, viel näher als es scheint;
den stillen Hoffnungsblick, die aufgehob'ne hände
‘Erblick' ich, und das Aug das bald aus Freude weint.’
Diess höre ich, Vater, dich zu meiner Seele sagen.
Sollt' ich geduldlos seijn, und ohne Ruhe klagen?
O nein! ich will an dir in keinem Schmerz verzagen,
Und will, wie Jezus Christ, mein Joch zum Ziele tragen.
15 nov. 1800 Lavater Am Neujahrstage 1801. 16 Stunden vor s. Tode.
Angetreten auch diess Jahrhundert, O Vater!
Hallelujah, von jedem, den du noch Odem vergönnst!
Ziehe die Hand nicht ab von uns, du Aller-Erbarmer!
Unsre freude seij du, und unsre Hoffnung und Hülfe!
Täglich werde Du mehr von uns gesucht und gefunden!
Jede wachsende Noth verbinde uns inniger mit Dir!
Jeder Abend finde des Daseyns und DEINER uns froher!
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Aantekeningen bij brief nr. 278vindpl.: K.B., sign. 130 D 13. 2pp. (23 × 19), beschreven. | |||||||||||||
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282. R.M. van Goens aan Hieronijmus van Alphen.[Geen adres]
Dr. 21. 3. 1801 Liebster Bruder
In Erwartung bald, wie ich hoffe, wieder etwas von Ihnen zu hören, fange ich vorläufig dieses Schreiben an, um als dann so viel freijer zu seyn, und mich bloss auf ein Antwort beschränken zu können: wäre es auch nur zur begleitung nebengehendes höchstwichtiges, und nur für Ihnen und allenfalls für Gr. H.Ga naar eind1. nicht geheimen, MemorialsGa naar eind2., welches ich endlich ins reine geschrieben, und Ihnen übermachen habe wollen, um auf jedem fall auf zu heben, und gelegentlich, wenn meine Correspondenz mit genannten Grafen H. sich wieder anknüpfen möchte, demselben mitzutheilen, zur bekräftigung und nähere Erörterung dessen, was ich ihm lezt durch Ihnen antworten liess. Die materie ist mir übrigens so unangenehm, dass ich gern jeden Gedancken daran so viel und so bald möglich bey seiten seze. Also Kein Wort mehr hiervon. Genug, Sie heben es auf, und theilen es niemand mit, jusqu'a nouvel ordre. Was ich Ihnen eigentlich schreiben wollte, ist von einer ganz andern, und höchst angenehmen Art. Eine Glaubens-Erfahrung, dessen gleichen ich wohl schwerlich machen werde, und die mich seit wenigen tagen in solch eine freude versezt, dass ich daran fast unterliege, und gerne jeden, der nur Sinn dafür hätte, (leider aber sind diess so aüsserst wenige!) um mich versammlen, und ihnen zurufen möchte, kommt doch und sehet, unser Herr lebt, und thut noch wirklich wunder, wahre Wunder! über alles was wir dencken und erwarten können, und so wahr als Er lebt, die Ihm vertrauen, werden nicht zu schande werden! Mein Gedächtniss wird so schwach, besonder in bezug auf alles kurz vorhergegangenen, dass ich so bald ein brief weg ist, mich kaum mehr erinnere, was ich geschrieben. Also weiss ich nur bloss noch, dass ich Ihnen bey meinen leztenGa naar eind3. unterschiedenes wegen Lavater's todt und lezten Stunden gemeldet, auch ein paar seiner letzten Gedichten mitgetheilt habe. Uebrigens aber habe ich Ihnen, oder ich wusste nicht wem sonst, um der nehmlichen zeit geschrieben, dass, ausser den Schmerz seines Verlustes, dieser Todesfall gewisse folgen hatte, die mich beynahe ausschliesslich, und sehr beschwerlich, beschäftigten. Mehr, denke ich, schrieb ich damahls nicht. Das muss ich Ihnen jezt ganz sagen, damit Sie sich einigen begriff von der Sache machen. Meine Verbindung mit L., der besonder in den jahren 1791-93, da ich um und bey ihm war, nichts geheimes für mich hatte, war all der zeit sehr verbittert durch die Kenntniss, die ich bekam, von seiner höchst drückende Oeconomische Lage, welche wieder in Verbindung stand mit seine indivi- | |||||||||||||
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duelle Denkungsart und begriffen über gewissen höchstwichtigen punkten, worüber ich nicht ganz mit ihm einstimmig denken konnte. Kurz, ich wusste dass L. in einen Schuldenlast steckte, den ich, nach gewissen Angaben und Berechnungen, kaum weniger als zu ƒ80, oder 100,000 Lt. (16 a 20.000 ducaten) anschlagen könnte! Was alles in bezug hierauf vorgefallen, wie diese Schuld nach und nach contractirt, wie L. lang erwartet davon befreyt zu werden, welche total unieke und exzentrische Erfahrungen er desswegen gemacht, kurz wie diess alles sich mit seiner ganze Existenz verwebt, und also auch auf mich, der diese Sache als meine eigne betrachtete und auf dem herzen trug, einen immerwähhrenden Einfluss gehabt, hiervon kann ich jezt kein wort weiter erwähnen. Eine einzige der ebengenannten Erfahrungen, die wohl in ihrer Art ein plus ultra ist, und die ich für eine Fabel oder Roman halten würde, wenn ich Sie nicht vom Anfang bis zum Ende beygewohnt hätte, verzeichne ich Ihnen, jezt nach seinem Tode, einmahl in vertrauen, die Geschichte ist lang genug um einen eignen brief aus zu füllen. Kurz, L. starb, wie ich lang gefürchtet und erwartet hatte, und er selbst vermuthlich schon seit ein paar jahren nicht anders erwartete, ohne im geringsten gerettet oder erleichtert geworden zu seijn; im Gegentheil seine Aussichten auf jede mögliche Art von Rettung hatten sich durch die politische allgemeine Ereignissen und besonder durch die Revoluzion der Schweiz selbst, nicht bloss völlig verschlagen, sondern seine Lage war noch zehnfach drückender und verzweifelter geworden. Inzwisschen trat mit seinen tod eine neue Ordnung der Sachen ein. Er selber schrieb mir, vor etwa ein paar Jahr: ‘ich Schwebe über Abgründe - - aber! Lavater und vergehen bleibt doch immer eine mir undenkbare Combinasion!’ und so hatte ich es auch betrachtet. Ich erwartete nie, dass er, bey seinem Leben, gerettet werden würde, meine Hoffnung und Vertrauen war nur, dass er bloss ohne grossen Erschütterungen sein Ende erreichen möchte; und dass diese Hoffnung nicht vereitelt geworden, dass er in frieden sein ziel erreicht, war mir ein grosser Trost und Labsal, bey seinem Verluste. Nun aber war auch die Crise da für die Seinigen! und wie fürchterlich musste ich sie mir nicht vorstellen! Zehnfach fürchterlicher,verzweifelter, ganz Rettungsloser, in der jeztzigen Lage Europeas, und der Schweiz! - Ich hatte den Muth nicht ihnen eine einzige zeile zu schreiben, und liess den Todtes brief ganz unbeantwortet. Desto mehr aber hielt ich mich verpflichtet, für ihnen geschäftig zu seyn, und alles mögliche, zu ihrer Hülfe u. Rettung zu bedencken und wirklich zu versuchen. In den ersten zwey, drey Tagen war mir die Sache ganz finster, und ich sah durchaus keine Rettung, weil ich sie bloss von menschlicher seite betrachtete. Allein bald fasste ich sie von einer andern seite ins aug, und da stand es bald fest bey mir, sie mussen und werden gerettet werden. Einmahl, wer war hier in Noth? Wittwe und waysen eines gerechten kat exochen, eines Bekenners des Herrn, der wohl schwerlich seines gleichen haben wird. Und die sollten verlassen werden? Die sollten die Schuld ihres Vaters tragen? Und welche Schuld? | |||||||||||||
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Worin hatte L. gefehlt, wenn man ihm diese Schulden zu einen fehler anrechnen wollte? Bloss darin, dass er alle begriffe und Lehre von Nichtachtung des Zeitlichen, von wohltätigkeit, von glauben, von gebets und wunderkraft, vielleicht überspannt hatte, und wider alle gewöhnliche, menschliche, Klugheits regeln, conform diesen begriffen, die bey ihm system waren, gehandelt hatte! Nähm man auch an, er hätte hierin gefehlt, geirrt, keine richtige Begriff genug von der jezzigen Oeconomie Gottes gehabt, und also mehr erwartet als er berechtigt wäre zu erwarten, nicht genug eingesehen, was doch auch würklich so schwer, so beynahe über menschlich schwer ist einzusehen, wo die Grenzlinie liegt zwisschen glauben und Gottvertrauen einerseits, und Gott versuchen andrerseits - da konnte ich allenfalls begreifen, dass er selber über konnte geübt werden, sein Lebenlang, ohne zum ziel zu kommen, ohne die erwartete wunderbare Rettung an sich selbst zu erfahren. Das ist freilich schon sehr hart, weil ihm doch nicht geschah nach seinem glauben. Allein wer weiss, wie weit auch dieser, im schein so starker, glauben dennoch vielleicht mangelhaft gewesen seij! Und überhaupt wer kann diess alles durchsehen? Allein, wie dem auch sey, solch einen Schuld konnten doch gewiss seine Kindern nicht tragen! Dieser Gedanken war mir durchaus unerträglich. Das konnte ich mit nichts zusammen reimen. Da musste im Nothfall ein Wunder geschehen, um dieses vorzubeugen. Sie waren auf jedem fall ganz unschuldig, und mussten also gerettet werden. Nun bat ich auch nicht mehr für ihnen, nun foderte ich ihre Rettung, und die Rettung von Lavaters Ehre, vor den Menschen, von Dem, den er bekennt hatte vor den Menschen, sein Lebenlang, für Dessen Ehre er sich immer ganz aufgeopfert und soviel gelitten hatte. War jemahls ein fall denkbar, wo der Herr sich zeigen musste, dass Er lebte, so war es dieser. Kurz ich zweifelte nicht mehr. Nur eine einzige furcht blieb mir noch: Nehmlich dass es etwa heissen mochte: Konnte ich doch kein Wunder thun in Zürich, wegen ihr Unglauben? Da war mir sehr Angst für, dass das etwa ihr fall seyn möchte, und denn ware freilich keine Rettung. Ich liess ihnen also durch die zweijte hand sagen, da man mir von Nürnberg aus über die Sache schrieb, sie sollten doch ruhig seyn und nur zeit suchen zu gewinnen, sie mussten und würden geholfen werden, allein bloss auf den nehmlichen weg, worauf der Selige ihnen vorgegangen wäre, durch beten und glauben: So bald Sie verzweifelten, ware keine Rettung, und inzwisschen fuhr ich fort, geschäftig für ihnen zu seyn, so viel und so wenig als ich konnte. Ich erwartete nehmlich wohl freilich Wunder für sie; ohne Wunder wären sie nicht zu retten. Allein welche Wunder? Keine unmittelbare, alt-testamentische Wunder, keine Raben, keinen Fisch, der ihnen Geld bringen würde. Sondern stille, neutestamentische, bloss dem Glauben fassliche und erkennbare, im schein Mittelbare Wunder, dergleichen ich gewiss bin dass noch täglich tausenden geschehen, und wobey vielleicht mehr Kraft, mehr direckzion, mehr unmittelbarer Einfluss, kurz eine compliziertere Maschinerie der Vorsehung obwaltet, als bey den einfacheren, auffallendern, ich möchte | |||||||||||||
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sagen grobem, dass heisst sinnlichen, alt. testamentischen Wundern, die für sinnlichere Menschen, als wir, in unsere Oeconomie, seyn sollten, berechnet waren, und daher für uns, die wir nicht mehr schauen, sondern bloss glauben sollen, aufhören. Also: Mitteln mussen gebraucht, alles mögliche versucht werden: wir mochten nicht die hände in den Schoss legen, und warten, ob Gott fenster im Himmel machen würde: sondern jeden Weg bedenken und versuchen, ohne übrigens etwas davon zu erwarten, sondern bloss um uns kein Versäumniss der ordinairen Wegen zu schulde kommen zu lassen. Die gerade Anleitung dazu war L. nachgelassene Physiognomische Cabinet, von Mahlereyen, Rissen, Kupferstichen, freilich ein geknicktes Rohr, an sich, um darauf zu bauen, zumahl in denjezigen Zeiten, wo kein fürst sogar mehr etwas kauft, ausser dass ich nicht wusste, wie viel schon L. in den lezten zeiten davon schon veräussert mochte haben; immer doch aber ein object, um als Leitfaden zu Rettungs-Versuchen zu dienen. Dass die höchste Werth davon dennoch kaum die Halfte der Schuld aufwegen würde, schlug mich nicht nieder, im gegentheil. Das gefiel mir vielmehr, weil diess uns gerade hinderte auf diesen object, als auf eine gewisse ressource, zu bauen. Einen Leitfaden zu mittelbaren Rettungs-Versuchen möchten wir wohl haben, nur keine feste ressource. Ein Wunder musste die Rettung immer bleiben, im starksten, auffallendsten sinn; nur ein mittelbares Wunder. So kam es mir wenigstens vor. Ich weiss nicht, ob Sie meine ganze Denkungsart hierüber so recht fassen? - Kurz: was denn zu thun? Wir bedachten hier alles. England, Rusland, Copenhagen, alle Deutsche Höfe, gross u. klein. Sogar BonapGa naar eind4.. kam ein Augenblick in Anschlag, in Anmerkung von L.'s Verwundungs-geschichte. Ich hielt viel auf Petersburg, allein stellte alle Gedanken davon für mir, hier, bey Seite. L. hatte mir erst vor 2 jahr geschrieben, ich bin jezt in Correspondenz mit der Kayzerin von R.Ga naar eind5. Also hielt ich für gewiss, dass entweder er selbst schon damahls da angeklopft haben, oder dass die Seinigen das jezt thun würden. Da brauchte ich mich also nicht einzulassen. Auch habe ich wohl die Mutter und eine Tante der K. gekannt, sie selbst aber nicht: und mit Nebucadnezar möchte ich nicht zu thun haben. In Copenhagen muthmasste ich gleichfalls dass die familie selbe sich wohl adressiren würde. Da ich aber gelegenheit hatte der Gräfin Julie von Reventlov-Schimmelmann (die Sie vielleicht aus Matthison's Briefen kennen) zu schreibenGa naar eind6., so drang ich die Sache sehr an, und bat sie prins Carl von HessenGa naar eind7. wo möglich zu überreden, dass man das Cabinet für Copenhagen kaufte. In England war die grosse frage, was zu thun wäre? Von der KöniginGa naar eind8., der L. vor einige 10 a 15 jahren ein Gedicht dedizirte, und woran man also gleich dacht, erwartete ich, aus vieler Ursachen, nichts. Hingegen hatte ich viel Gedancken von einen Artikel in den Englischen Zeitungen: das wollte ich aber nicht gerne thun, ohne vorherigen Rücksprache mit der familie. Hingegen fiel mir ein, dass wohl niemand in England, wo L. sonst am wenigsten recht gekannt wird, so sehr enthusiast von ihm seijn kann, als die Herzogin von DevonshireGa naar eind9., und auch ihre Mutter, die Gräfin Spencer, | |||||||||||||
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gewesen waren. Ich hatte selbst mit der erstgenannten sehr viel über ihm geredt, ihr portraits, handschriften, etc. von ihm schicken müssen, etc. Und bekanntermassen giebt es wohl keine warmere Patronin wenn Sie sich einer Sache annehmen will, als diese schöne, und äusserst gefühlvolle, gutherzige frau. Ich entschloss mich also sogleich ihr zu schreiben, wiewohl ich sonst in lang nicht von ihr gehört hatte, in gewissem Vertrauen, wann Sie nur nicht ganz ausser stand ist sich der Sache anzunehmen, dass Sie alles darin thun wird, was nur bey mögligkeit in England kann gethan werden. An Holland war, meynte ich, in derjezigen Lage von Sachen, gar nicht zu denken. Und in Deutschland auch nichts zu thun; da die wenige fürsten, die noch allenfalls etwas mochten kaufen wollen, unglücklicherweise, mehr wider als für L. eingenommen sind. Nur den einzigen Herzog Albert von S. TeschenGa naar eind10., der das schönste Kupferstichen Cabinet in Europa besizt, und vor einigen jahren noch für 1000 Ld'or jährlich daran legte, behielt ich im Aug; nur in der damahligen Crise für Oestreich und vor dem beendigen der friede war an keinen Schritt von der seite zu denken. Ich hatte also wohl alles mögliche bedacht, doch eigentlich nichts nennens werthes in der sache gethan. Auch war es mir keineswegs darum zu thun, dass Sie durch mich geholfen werden möchten. Das war mir völlig gleichgültig, wenn ihnen nur geholfen würde - Und nun, denken Sie sich meine - wie soll ich sagen? Meine Entzückung! da ich gestern, von GessnerGa naar eind11. (den die gräfin von Reventlov mein schreiben an ihr geschickt hatte) einen brief empfang, vom 8. dieser, wo er mir schreibt: ‘Ihre zuversichtliche Weiszsagung ist ganz in Erfüllung gegangen. Wir sind geholfen! So sehr geholfen, dass ich jedem rechts u. links schreibe, man soll doch mit alle weitere bemühungen für uns einhalten. Wir möchten mehr bekommen, als wir brauchen.’ Ich mag kein Wort weiter hierüber schreiben, welche Sprache hat doch Worte die die Gefühle nur nicht entehren, welche solch eine Nachricht bey mir erwecken müsste! freilich glaubte und vertraute ich, dass Sie würden gerettet werden. Allein so bald, und so complet, in keinen zehn wochen nach L. todt, wo er viel mehr als zehn jaren todesängsten über litt, in dieser zeit, wo alles zehnfach schwerer, unüberkömlicher war, das ist ein wahres Mirakel Gottes, eine Hand aus dem Himmel von Dem der ewig lebt, und Den wir forthin mehr verkennen mögen, als hatten wir Ihn sichtbar gesehen. Von allen den wie und was das mir Gessner weit und breit schreibt, mag ich auch kein Wort sagen. Die Sache ist so menschlich als möglich, so leise, so einfach, und doch so wunderbar als möglich, zugegangen. Je einfacher, je natürlicher im schein, desto wunderbarer in der that, in meinen Augen. Gerade der karakter unser jezigen Wunder, derer ganzes Gewebe uns erst in der Ewigheit einmahl einleuchten und in Erstaunen versezen wird. Mir ist die Sache so, dass ich beynahe ahnde, dass mir wieder fürchterliche Glaubensproben bevoren stehen, wo zu mich diess Erfahrung hat müssen vorbereiten. Ach dass der Eindrück davon nie bey mir möchte verwischt werden! | |||||||||||||
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6 April Wieder ein herrlicher Ostertag, den ich gestern hier erlebte! Vorig jahr erwachte ich eben vor 4 Uhr. Dieses mahl schon im 3 uhr, doch gerieth sogleich weit weg in mancherley fremden Gedancken, bis 4 uhr. Mit schlag 4 uhr donnerten auf einmahl die Canonen von den Wallen, und darauf das herrliche Glocken geläute, von allen thürmern. Der HERR ist wahrhaftig auferstanden! - Sie können sich keine Vorstellung machen, welch einen effect diese so feyerliche, und doch so einfache, Ankündigung des grössten aller möglichen evenementen, macht. Ich dacht vor ein jahr, solch eine Empfindung, wie ich jetzt davon habe, kommt nie wieder. Und doch war sie mir dieses mahl, noch dazu bey vieler zerstreuung, wie ich sagte, wieder wie ganz neu: und wie ein Ruf, aus allen vier winden: wie der frohe Jubelschall, wo niemand mehr zweifelt, wo alle Stimmen rufen: Lo! this is our God! We have waited for him, he will save us! There is our Lord, we have waited for him, we will be glad & rejoice in his salvation! (Js. 25.9.) - Nur das aufhören denn wieder von diesen Glöcken, nach einer halbe viertelstunde, ehe man noch halb ausgedacht hat, und dann das rasseln der Wagen, und laufen auf den Gassen, nach die Catholische Kirche, wo das Grab ausgestellt ist, das stört und dämpft denn wieder alle Gefühle auf eine unangenehme weise, und man findet sich wieder versezt in eine elende alltägliche Welt, die leider für diesen allen so wenig Sinn hat! - Ich dachte, auch jedes personelle interesse, ja sogar jede religiose idee, bey seite gestellt, und die Sache bloss aesthetisch, bloss als Mythologie betrachtet, wie viel erhabener, herzlicher, menschlicher und göttlicher dennoch, solch eine Auferstehung, als alles was die elende Griechische Göttergeschichte darbietet. Das besste, lieblichste, in diese, ist etwa die visite bey Baucis und PhilemonGa naar eind12.: die mit der der drey Engeln bey Abraham gleich stehen mag. Welch ein Abstand aber zwisschen dem Besuch der drey Engeln bey Abraham und die Auferstehung Xti - die Erscheinung an Maria - an den Emmausgängern! noch einmahl, bloss in einen aesthetischen Gesichtspunkte, für Kopf und Herz! Und dabey sind wir kalt wie Eisklumpen, und wünschen noch wohl sogar die Götter-Griechenlands uns zurück! Kyrie eleison! Ich habe inzwisschen vorgestern abend Ihren lieben brief von 9 Febr - 1 MärzGa naar eind13. durch Hr. v.Jr. erhalten, und mich sehr darüber gefreut. Ich musste mehr als ein Blatt nehmen, um auf alles zu antworten, und doch will ich kein zweites Blatt nehmen, da ich mir einmahl im Kopf gesezt, Ihnen das nebengehende Memorial über zu machen, um auf jeden fall zu meinen Andenken auf zu heben. Vermuthlich aber werde ich Sie bitten dasselbe dem Gr. v.H. eine oder andre zeit mitzutheilen. Vielleicht schreibt er mir wohl, nach dem was Sie ühm von meinetwegen haben wissen lassen. Dass ich nicht zoviel gesagt habe, seul ingratitude etc. davon werden Sie jezt selbst urtheilen können. Inzwisschen muss man nichts unnöthig verderben. Man redt jezt viel von geprozentirten Entschädigungen, auch von jener Seite. Wenn diese statt fanden, hoffe ich dass ich auch vielleicht an das meinige | |||||||||||||
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gerathen werde: das doch, wie Sie sehen werden, nichts weniger als eine Pension, sondern als eine Obligation mag gerechnet werden. Nur mag ich in diesen allen, so dringend an sich auch, doch weniger als in etwas in der welt, dringen, sondern bloss folgen, und nur nicht im wege seyn, nichts hindern. Gleich nach der Ostermesse, also in etwa 3 wachen, schicke ich, wills Gott, Herrn Weideman u. Reich in Leipzig, an Ihre Adresse, ein Paket, worin Sie finden werden: Lavaters grosser, neuer Portrait, Zinzendorf über Johannes. Zinzendorfs Leben v. Spangenberg, U.v. Salis G. für Heimwehkrancke th. 2. und die Worte Jesu 10 bändchen. Leider aber fehlt mir an diesen lezten ein bändchen. Sie sind so klein! und, da ich sie dem Hr. Coadjutor in Erfurt lehnte, hat mir sein Laufer, im zurückbringen, vermuthlich eins auf der Gasse fallen lassen: und nie habe ichs wieder bekommen können. Ich hatte das 1ste bändchen für L. in vier Sprachen übersezt, doch auch er hat versäumt mir mein exemplar zu completiren. Jezt schreibe ich Gessner darüber. Bekomme ichs denn, so erhalten Sie das fehlende bey der erste Gelegenheit. - Auch, hoffe ich, das bildchen vor dem Ms. L. und C. das ich in Paris, stechen liess. Gessner schreibt Ls. Leben (eine sehr schwehre Unternehmung)Ga naar eind14. und giebt seine Nachgelassene Schriften aus, in 6-8 bänden. Ich habe von beider vorderhand 4 Ex. verschrieben, die ich hier reichlich los werden würde: eigentlich aber eines für Ihnen, wenn Sie es nicht contremandiren. Da ich mich ausserdem erinnerte, dass Sie die Handbibliotheek gewünscht hatten zu besizen, schreibe ich ihm, dass ich wahrscheinlich auch von diese ein Exemplar brauchen werde. Schreiben Sie mir also Ihre Gesinnung hierüber. Vermuthlich setzen Sie den Preis wohl etwas herab. Eigentlich kosteten die 3 Jahrgänge, oder 36 bändchen, 3 Louis d'or (ƒ33) Auch sein Gebetbuch hoffe ich nun endlich zu erhalten. Meine Nouvelle Ruth, ou la petite glaneuse de la Maison RougeGa naar eind15. werde ich sehen vor der zeit abzuschreiben. Denn erhalten Sie sie im Pakete. Für einen brief wäre es zu voluminös. Mit meiner Gesundheit geht es, Gottlob, leidlich. Die Quassia thut mir sehr viel gut. Nur fürchte ich, dass ich alle Hoffnung von ausgehen werde aufgeben müssen. Denn so gesund ich sonst bin, bleibt doch die Schwäche in den Füssen, unherstellbar: so dass ich mich kaum im Zimmer fortschleppen, und keine 3 minüten stehend bleiben kann. Vor einigen tagen fiengen sie mir sogar an zu schwellen. Dem habe ich aber durch einigen kleinen Mitteln etwas ein halt gethan. Wenigstens scheint es sich eher zu mindern. Ein unbegreiflicher Segen ist, dass ich bey solch ein total sedentaries Pflanzenleben, ohne alle Bewegung, und doch bey gutem Appetit, so ganz von allen gastrischen beschwerden freij bleibe. Ich war im gegentheil vorher vielmehr sogar an Constipazionen, hemorrhoïden, u. dgl. unterworfen. Dass man in Holland auch für die L. collectirt, und contribuïrt hat, war mir desto erfreulicher, je weniger ich von der Seite etwas hatte dürfen hoffen, in den jezigen zeiten. G. schreibt nur überhaupt aus Frankfurt, | |||||||||||||
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Bremen, Copenhagen, etwa ƒ6000- Hier aus Sachsen, fürchte ich, wird leider nichts gekommen seijn. Ganz charakteristisch! Bedauren, alles bedenken um durch andern zu helfen, so weit gehen noch die bessten. Allein thätliche eigene Hülfe, dafür ist niemand zu Hause. Ach, dass Sie wussten, welche Erfahrungen von der Art, ich, bey dieser Gelegenheit, ohne einmal etwas dergl zu beäbsichtigen, gemacht habe! Nicht bloss der Herr selbst, sondern auch jeder Bekenner des Herrn, wird gestellt zum fels der Ärgernisse und zum Zeichen, damit die Gedanken des Herzens vieler offenbar werden! - Wenn das grosse charakteristische eines Xten Liebe, thätiger Liebe seijn soll, über wie vielen, die da Herr! Herr! sagen, giebt es denn nicht zu seufzen, und ängstlich nachzudenken. Es ist mit ihnen gerade umgekehrt von 1 Cor. 13. Nichts fehlt ihnen, als nur bloss Liebe! Ihre Anmerkung, by gelegenheit von H., über die Hevitationsaenderungen der Physionomieen, ist äusserst interessant. Und ich glaube sie ganz, ohne Gelegenheit gehabt zu haben sie zu machen. Ein geschickter Arzt in Philadelphia, Benj. RushGa naar eind16., hat eine Abhandlung geschrieben über die physische Effecten der Levitazionen überhaupt die sehr lesenswürdig ist. Auch ein Fransos PinelGa naar eind17. hat einige hier einschlagende Beobachtungen gemacht in Esprit des Journaux 1790. cf. Hufeland's Annalen der Fr. Artzneikunde, th. 3. S. 228Ga naar eind18.. Allein Ihre Anmerckung ist ihnen entgangen, und doch höchst unterichtend. Auf welche erstaunenden Modificazionen in manchen Seelen kann man daraus nicht schliessen? Werfen Sie mir jezt nicht wieder vor, dass ich nicht auf alles antworte; denn eigentlich soll dieses Blatt gar kein Antwort seyn auf den Ihrigen. So bald diess unter weg ist, fange ich ein eigentlich genannter Antwort darauf an. Schreiben Sie mir inzwisschen so bald möglich, besonder wegen der Handtbibl. u. L. Leben u. Schriften, um mich nach zu richten. Ich hoffe doch, dass Sie in dem Liederbuche, das ich Ihnen schickte, das schöne Lied haben: Von dir, O Vater, nimmt mein Herz, glück, unglück, freude, oder Schmerz, etc. Es ist mir nicht aus den Gedancken, noch aus dem Munde, seit dem Mirakel mit L. besonder die 9. u. ff. strophe: Ja, Christ, wenn niemand hilft, hilft Er! Von allen, allen seiten her, war Er der Helfer wurden, wird er auch bleiben was Er war! etc. etc. Auch eine Kleine Schrift von L., wo er mir viel von schrieb, Jezus Xtus gestern und heut der nehmliche hoffe ich jezt zu erhalten. Ich war zu weit entfernt, er konnte mir am Ende nichts mehr schicken. Ich umarme Sie herzlich. C. Geendigt u. nach Gotha verschickt 8.4.1801. | |||||||||||||
Aantekeningen bij brief nr. 282vindpl.: K.B., sign. 130 D 13. 4 pp. (23 × 19), beschreven. | |||||||||||||
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284. R.M. van Goens aan Hieronymus van Alphen[geen adres]
Dresden 4. 5. 1801. Werthester Bruder
Ich habe vorgestern ein Paket in wachstuch an die Weidmänische BuchhandlungGa naar eind1. für Ihnen abgeschickt, welches ich hoffe dass sie Ihnen bald werden übermachen können. Sie finden darinnen:
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Endlich habe ich auch eine Abschrift meiner Jeanette oder Nouvelles RuthGa naar eind12. dabeygelegt, wie ich sie Ihnen versprochen hatte. Sonst hat mir die schrift, jezt, da ich sie in so langer zeit nicht gelesen hatte, besonder das 3te theil, nicht gefallen wollen. Ueberhaupt habe ich nie viel daraus gemacht. Nur Lavater, Hoze, und andern, redeten immer davon, und wollten, ich sollte es drücken lassen. Das habe ich aber nie erlaubt. Eine gewisse Made Trompawski aus Riga übersezte es im Deutschen. - Die Geschichte der Animula blandataGa naar eind13., die ich nie schrieb, bekommen Sie ein andermahl. So viel genug von dem Pakete. Mir ist es, diesen tagen, wieder sonderbar gegangen, ohngefehr eben wie im vorigen Jahre. Ich schrieb Ihnen, glaube ich, in einem meiner vorigen, dass ich diesen winter die Bekanntschaft eines Churfürstl. Chambre Herrn, eines gewissen Hn von PolenzGa naar eind14., gemacht, der auf seine gütern, in der Oberlausiz, einige meilen von hier, lebt, und dass mich derselbe auf die dringendste weise eingeladen hatte, einen theil dieses Sommers bey ihm auf dem Lande zubringen zu kommen. freilich bin und bleibe ich noch eben so lahm als jemahls und komme noch nicht aus dem zimmer, auch kann ich keine fünf minuten nach einander auf den beinen stehen. Dennoch sagte jeder, da das frühjahr so ausserordentlich schön ist, nun, wenn gehen Sie doch zu Polenzen? Das müssen Sie absolut thun. Das wird Ihnen recht gut thun für Ihre Gesundheit. Und er selbst liess mich bey jeder Gelegenheit, aufs dringendste daran erinnern. Was geschieht? Vor einige 8 tagen sitzt der gute Polenz, | |||||||||||||
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morgens um 8 uhr, ruhig mit seiner frau am frühstück. Den tag vorher war in der Nachbarschaft, bey einem Grafen von Hohenthal, brand gewesen. Da war Polenz gleich hingeritten, hatte viel geholfen, und links und rechts geld ausgetheilt, an den abgebrannten bauern. Erst abends spät war er zurückgekommen. Auf einmahl entsteht Lärmen. Wieder brand! Hier! in der Mühle! Polenz springt auf, und sieht dass die flamme schon bey ihm selbst überschlägt. Der wind gieng starck, und das feuer greift um sich von allen Seiten. Jedermann lauft zu, doch alle hülfe ist umsonst. Kaum dass die bauren ihr Vieh aus den ställen retten können. Man sucht bloss nur sich, und die Kindern zu retten. An nichts anders war zu dencken. Kurz, in weniger als 10 minuten liegt dem guten Polenz sein ganzes Schloss, mit stallen, scheunen, frücht, heu, alle meubeln, linnen, better, alles, und 9 häuser im dorfe, (die ihm alle gehören, denn in der Lausiz sind alle bauren leibeignen und haben kein eigenthum) völlig in der Asche. Kaum dass der schulmeister das jüngste seiner 9 Kindern, das man vermisste, noch aus den flammen retten konnte. Die frau von Polenz, eine sehr zarte, schwächliche, zur düstere melancholie geneigte, sonst sehr Xtliche, liebe frau war 6 monathen schwanger. Ich wartete bloss noch ihre Niederkunft, um dahin zu gehen. - Das feuer war so gewaltig, und der wind gieng so stark, dass die funken, über den berg hinüber, eine gute halbe stund weit, bis in Gross Welcken überschlugen, und da der Brüdergemeine drey häuser anzündeten, die gleichfalls abbrennten. Polenzens schade wird auf 36 à 40.000 thaler geschäzt, und er muss alles neu aufbauen. Dieses Gut war ohngefehr sein ganzes Vermögen, und ein effect von etwa 60.000 thaler. - Dass diese neue, wieder so plözliche Vereitelung aller meiner Aussichten, für diesen Sommer, bey mir in keinen Anschlag kommt, bey solch ein entsetzliches Unglück, brauche ich wohl nicht zu sagen. Dennoch kann man sich nicht entwöhnen auch daran zu denken. Wird dieser brief nicht schon zu dick, so lege ich Ihnen ein Abschrift von den meinigen an Polenz bey. Nur können Sie sich beschwehrlich eine Vorstellung solch einer zarten, ganz Tauben-artige, beynahe zu weichliche, Johannes-Nathanaels-SeeleGa naar eind15., machen, wie dieser Polenz ist, ein wahres Xtliches Kind, eher als ein Mann, und nichts weniger als ein gewöhnlicher Hofmann oder fürstl. Kammerherr, wie wohl man ihn hier am Hofe, besonder die Princes Marianne, bey der er eigentlich angestellt ist, sehr schäzt, und als einen lieben Sonderling betrachtet. Danach mussen Sie meinen ganzen brief beurtheilen. Jedes herz blutet bey seinem Unglücke und von allen Seiten, höre ich, strömen ihm geschenke zu. Eine alte freundin von mir, die Gräfin von WartenslebenGa naar eind16., in Klein Welcken, hat sogleich Mann, frau, und 5 Kindern, zu sich genommen, bis sie wieder unter Dach kommen können. Sein eige gut und dorf hiess Gross Welcken.
3 Julij. So weit hatte ich vor beynahe zwey monathe geschrieben, da mich wenig tage darauf unversehens das Podagra erst in den rechten Ellbogen, und von | |||||||||||||
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daher successief auf beide füssen und knien befiel und etwa 6 wochen lang in den Casematten hielt; so dass ich nun vollends alle Gedancken aufgebe, um diesen Sommer aus dem zimmer zu kommen. Nun aber hat sich alles, was ich Ihnen schreiben wollte, so angehäuft, dass ich gar nicht mehr weiss wo anzufangen, und wo zu enden. Also alles nur durch einander wie es mir beyfallen, oder noch unbeantwortetes in Ihren briefen finden werde. Erst hier neben eine Art Connissement oder Empfangschein von W.u.R. den ich Ihnen bitte zu behalten und aufzuheben, bis Ihnen das Paket wird zugekommen seyn. Ich fürchte, dass die Buchhandlung dann u. wann ein wenig nachlässig ist. Sie können allenfalls, wenn das Paket nicht bald kommt, sich bey L. danach erkündigen. Für die ƒ200,- bin ich so frey gewesen, da ich das geld sehr brauchte, auf Sie zu ziehen. Tausend dank! Auch gelegentlich, bitte ich, an den Hn. Gr. v.H.,Ga naar eind17. dem ich hoffe, dass Sie auch bald meine Memorie werden mittheilen können. Ihm wird vieles noch weit erinnerlicher seyn als Ihnen, denn ich bin mit ihm und nur mit ihm immer in alles de concert gegangen, und nur leider zuviel sein Rath gefolgt, die immer auslief auf dem menager le choux & la chevre, das in ruhigen zeiten sehr gut ist, in troublen aber und stürmen meist schlecht ausfällt. Über die jezige Undanckbarkeit wird er, auf jedem fall, erstaunen und sich schämen müssen. Ich wünschte, dass ich wusste, ob er gerne hätte dass ich ihm schrieb, so that ich's gleich; doch fürchte ihn etwa zu compromittiren. Da jezt ernsthaft anfangt von Entschadigungen die Rede zu seijn, die so zu sagen abgeschlossen seyn sollen, ist gerade der Zeitpunkt für mich da, um meine so gerechte praetension gelten zu machen. Meine Geschichte hat für mich zwey total entgegengestellte Ansichten. Von Seiten der Menschen, und von Seiten der Vorsehung. Wenn ich sie von der ersten seite betrachte, dann tobe ich; und da, dencke ich, habe ich Ursache zu. Was waren doch alle eingebildeten Leiden eines Rousseau, ja einer LinguetGa naar eind18., die doch Europa erfüllten mit ihren Klagen, in Vergleichung mit meinem Schicksal! Und doch schweige ich, und werde vermuthlich vergessen sterben, ohne dass jemand sich meiner erinnert, und meine geschichte wird mit mir zum Grabe gehen. Zu diesem schweigen und dulden gehört mehr Kraft, als zu ihren schreijen, dencke ich. Und doch wird das lezte nur von Menschen beobachtet, das andre ganz vorbeijgesehen, oder vielmehr total verkehrt beurtheilt. - Glücklich aber habe ich, freilich auch vor einen R. und L. voraus, dass ich mein Schicksal noch in ein zweyter, ganz unterschiedener, Gesichtspunkt betrachte, nehmlich von Seiten der Vorsehung. Da, weit entfernt von toben, ist mir alles, auch das widrigste, alles - nicht bloss gut, sondern lieblich, herrlich, lauter Weisheit und Güte, alle vereitelte Aussichten, alle fehlgeschlagenen Erwartungen, Planen, Unternehmungen, kurz, der ganze so widerwärtige Lauf meines Lebens, in allem sehe ich lauter Liebe und Güte, und wünschte es auch von dieser Seite noch einmahl ausführlich so vorstellen zu können! Das würden eine andre Art Confessions seyn, als die des elenden J. JacquesGa naar eind19., und ein wenig | |||||||||||||
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mehr nach wahrheit, als die seinigen. Doch für wem? für wie wenigen würde ich schreiben; und unter den wenigen, wie viel weniger noch die solche Confessions recht würdigen konnten; Wer, unter tausenden, dem es bloss nur einleuchtet, wie das toben und loben, zu gleicher zeit, im nehmlichen menschen, in bezug auf den nehmlichen Gegenstand statt finden, und neben einander sich vertragen könne! Ach täglich verzweifle ich mehr an alle beurtheilungen von Menschen, auch oft der besten Menschen! Und jedes richtige, unbefangne urtheil, (wie oft die Ihrigen, über manchen personen und sachen) das mir wenigstens als solches einleuchtet, und ein resultat, ein product, eine ausstrahlung jenes heiliger haplon omma (Math.VI. 22)Ga naar eind20., jener Xtlichen oder geistlichen Sensus communis, scheint (welches das gegengestellte nicht nur des infernalischen Schalcken Auges, sondern auch des microscopischen oder feijnsehenden falcken auges einerseits, und des kurzsichtigen, blinzenden, oder krancken, dürftigen Auges anderseits ist), ist mir wie eine erscheinung aus einer bessern welt, woran ich, wie an einen Schatten, abnehme, wie wir einmahl beurtheilt werden, und auch selber einmahl alles, so ganz anders als jetzt, beurtheilen u. richten werden! Von GessnernGa naar eind21. erhielt ich einen lieben, auch noch unbeantworteten brief, woraus ich sehe, dass ich mich wegen der Handbibliothek geirrt habe. Es sind nur 24. kein 36 bändchen, allein nur 3 complete exemplaren noch übrig. Von dieses ist also auf jedem fall, für Ihnen nicht mehr die Rede, da Sie sich ohnehin nicht mehr so sehr darum kummern. Auf den Nachgelassenen SchriftenGa naar eind22. habe ich für 3 exemplaren wenigstens subscribirt. Schreiben Sie mir also ob Sie eins wollen. Sonst werde ich sie hier leicht los. Der erste band wird bald kommen. Haben Sie Stillings Verklarung LavatersGa naar eind23. gelesen? Das herrlichste Denkmal das je einem sterblichen durch einen sterblichen gestiftet worden, und bey weitem das vollkommenste product, das je aus Jungs feder geflossen ist. Ich wünschte Ihnen ein exemplar schicken zu können, doch habe für mich selbst kein erhalten können. Sie können sich keine Vorstellung von der Buchhandel in Deutschland, in diesem bezug, machen. Der so sehr verrufene, und sonst so vollkommen gescheiterte, Deutschen-Unions plan hat sich in so ferne doch, Gott weiss durch welchen unbekannten wegen u. mitteln, realisirt, dass seit jahr u. tag kein Buchhandler in Deutschland mehr sich mit etwas, was nur von der guten seite kommt, befasst: nur zwey noch, RauGa naar eind24. in Nürnberg und KummerGa naar eind25. in Leipzig, beiden aber arme, elende Kopfen, geben sich damit ab, und an diesen muss man sich wenden, um etwas, das nur Lavaters, Stillings, oder dergl. nahmen trägt, zu erhalten. Alle andre haben sich, entweder tacite oder expresse, verschworen, etwas dergl. zu debitiren: fragt man also nach etwas von der art, so sagen sie, ich habe es nicht; lasst man's ihnen verschreiben, so sagen sie, ich kan's nicht erhalten und am ende des jahres schicken sie den Verlegern, die ihnen etwa ein solche schrift schicken alle ex. zuruck, und sagen, niemand hat es begehrt, kein mensch kauft solches zeug mehr. Von dergl. einer thätlichen | |||||||||||||
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unterdrückung alles guten ist wohl nie, in keinem Lande, sonst ein beijspiel gewesen. Ich schäze die Valeriana als Nervirum sehr hoch, und gebrauche für mich selbst nichts anders. Ich lasse für mich das Extract davon mit doppelte quantitaet Liq. Andd.Hofm. zu einer Tinctur machen, und mit ein wenig Ess.Cort.Aurant. versezen, und nehme denn jedesmahl 15,20 z.H. entweder auf zucker, oder in ein wenig wein. Nur muss das Extract gut gemacht seyn. Auch wird die Valeriana, auf Ihren feuchten boden, schwerlich so kräftig seyn, als in wärmern, trocknern gegenden. Hier ist sie schon bey weitem das nicht, was ich sie in der Schweiz fand, wo sie überall bey mir herum auf dem Rothen HauseGa naar eind26. wuchs. Ich habe auch in andern fällen wundern damit gethan. In Nerven-zufällen, die von Würmern entstehen, ist sie ein ganz einziges Mittel. Inzwischen fragen Sie einmahl nach, ob in Ihren besondern fall, so wie ich ihn mir vorstelle, nehmlich bey krampfichter empfindlichkeit der Gedärme und angesammelter Luft im Darmkanale, der zugleich als Ursache und effekt wirkt, und allerhand hypochondrische beschwerde verursacht, das Kauztische Salmiakgeist oder der Alcali-fluor volatilis von LeSage (Sp. Salis Hes caustiam ressinopus) allenfalls mit ein wenig Lsc. Castorei, oder Ol. Cajeput versezt, nicht noch bessre diensten, als die Valeriana, thun würde? Sonst ist in dergl. Hypochondrie sine materia, das Vitriolum album auch ein gutes mittel, mit Quassia, Trif. fibrinun, Assa faetida, u. dgl. Nur ist die Hauptfrage ob die Hypochondrie wirklich sine materia sey. Denn, wenn infarcten da sind, so muss die stoffe erst weggeschaft werden, und bis dahin schaden alle genannten Mitteln. Ich freue mich dass Sie wieder eine arbeit unter hände genommen haben, u. werde der Schrift über dem Predigt das Eu. allen Cr.Ga naar eind27. mit sehnsucht entgegen sehen. Sie werden natürlich da auch über die Missionen reden. Ich gestehe, dass ich darüber nicht ganz so dencke, wie die meisten meiner freunden, u. nicht so sehr enthusiast bin von den neuen Englischen missionen, als JungGa naar eind28. u. andern. Das heisst: ich halte sie für ein sehr gutes, löbliches, schönes, Menschen-werck, das aber also leicht fehl schlagen kann, nicht aber für ein eigentlich genanntes Werck Gottes. Und in diese Meynung bin ich sehr bestärkt, seitdem ich Mortimer's Geschichte dieser Missionen (2 bände)Ga naar eind29. gelesen habe. Besonder Haweis's Rede über die OiTaiti MissionGa naar eind30., im 2tn bande. Daraus erhellt, dass die Unternehmer nicht gefragt haben, wohin ist Gottes wille dass wir Missionen schicken sollen, wohin scheint die Vorsehung uns zu rufen, u. dgl. sondern wohin ist es für uns das angenehmste, vortheilhafteste, u. dgl. alles nach menschlichen, weltlichen, sinnlichen, gründen u. ansichten. - Ich dencke, man sollte die Missionen der Brudergemeine lassen. für diese schicken sie sich in jedem bezug. Wir aber sollen daheim bey uns selbst, jeder in seinen Kring, das Ev. bekennen u. verbreiten, wenn wir talent dazu haben. Für den Heiden wird Gott selbst schon sorgen wenn es Seine Zeit ist. Das wird sich dann zeigen. | |||||||||||||
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Gewiss werden Sie mich sehr freuen, wenn Sie mir die 2 stücke von S. de Providentia & Amore divinoGa naar eind31. cediren wollen. Ich habe sonst alle seine wercke (leider nicht hier, sondern noch in der Schweiz) und dieses allein habe ich nie bekommen können. Vorher aber wünschte ich, dass Sie es selber lasen. Sie werden wenigstens über das erstaunlich systematische, coherente und consequente in des Mannes Denck- und Schreibweise verwundert seijn. Und das bleibt er, auch in seinen argsten scheinbaren extravaganzen.
[onduidelijk of het volgende hier op aansluit] Wir haben hier seit 8 tagen einen alten bekannten von mir, den vormaligen Utr. Rathsherrn v.d. PauwGa naar eind32., der mit einen jungen Boreel reist. Er besucht mich oft, und ich erkundige mich bey ihm nach vieles. Alles scheint ohngefehr so, wie ich es mir vorstellte. Kurie eleison. Er ist der erste Holländer, den ich sehe, d.h. den ich habe sehen wollen seitdem ich hier bin. Denn sonst giebt es hier hunderten. Hier im haus sogar logiren jetzt lauter Holländer, unter andern eine familie v. Borselen, sie eine SchulenburgGa naar eind33., die sehr reich seyn müssen. In Leipzig haben sie in 9 monath 14.000 thaler (ƒ21.000) verzehrt. Hier geht es den nehmlichen weg. Und täglich kommen noch mehrern. Ich habe diese lezte zeit ein sehr wichtiges werck gelesen: die Bibel ein Werck der Göttl. Weisheit von KoppeGa naar eind34. gr.8. 2 bände. Suchen Sie doch das auch zu lesen zu bekommen. Bey vieler, oft ermüdender, Weitschweifigkeit, und einigen ideen die ich nicht beystimmen kann, macht das werck doch überhaupt, wahrhaft epoque und ich kenne keine dgl Apologie der Bibel, mit aller Würde und Kraft der Wahrheit geschrieben. Man sollte es nicht übersezen, sondern umarbeiten und abgekürzt ausgeben in allen Sprachen. Der nehml. Verfasser hat seit kurzem auch eine andre kleinere gute Schrift herausgegeben, über das Schreiben der Berliner Juden, wo Tatler's Antwort an ihnen ganz vortreflich abgefertigt wird: Hintenan ist eine meisterhafte Skizze von dem verdorbenen Zustand der Religion am ende des XVIII. Jahrhunderts. Unser Oberhofpr. ReinhardGa naar eind35. hat seit kurzem von einem Geistlichen In Rom (einen gewissen P. Baldo oder Balbo) eine kleine Schrift empfangen, üben den 4tn Psalm, wo der Verf. über die Bekehrung der Juden schreibt, und behauptet, dieselbe müsse jezt in etwa 30 a 40 jahren erfolgen. Völlig wie Bengels RechnungGa naar eind36.! Aus Rom ist diess ein wahres phenomen! Man verspricht mir die Schrift zur lehn zu versorgen. - Er selbst bleibt das ziel der giftigsten, boshaftesten Anfälle der gereizten Gegenparthey, und noch täglich erscheinen die hämischten recensionen, libellen, und Schriften ohne zahl wider ihn. Die meisten praetendiren, dass er seine wahre Gesinnungen nicht gesagt, sondern bloss demjezigen factotum, meinem freunde dem Conferenz. Minister v.B.Ga naar eind37. hat schmeicheln wollen! Lezt hat einer die Bosheit so weit getrieben, dass er der Sache eine ganz neue, höchst gehässi- | |||||||||||||
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ge wendung hat suchen zu geben, und gesagt, R. hatte sich an seinen Catholischen Landesherrn vergangen mit seiner Predigt! Und das thun sogenannten Lutherischen Theologen und Geistlichen! So weit wird der Wuth wider die Versöhnungslehre getrieben. Ich habe hier gesagt, was Sie mir schreiben: ‘Es wäre bey Ihnen der mühe nicht werth die Predigt zu übersezen: bey ihnen wird überall so gepredigt.’ Man lächelt, und sagt: welch ein glückliches Land denn noch! In Deutschland predigt niemand mehr so. Und das ist wahr: Die Ausnahmen sind so wenig, dass sie in kein betracht kommen können. Moral, und nichts als Moral, hört man sogar in der Charwochen. Und welche Moral noch! Vor kurzen soll ein notabel dicker, feister, wohlgemästeter Superintendant gepredigt haben über diepflicht sich am Tische das Essen recht wohl schmecken zu lassen!! - noch erst vor 14 tagen hat man einen beym Examen hier abgewiesen, der sagte, ich habe mich mit MeurickGa naar eind38. nicht viel abgegeben, wenn die Socinianer aber so lehren, wie Sie sagen, denn finde ich dass sie recht haben, ich begreife es auch so! - Vor einigen wochen wolltte ein gewisser Herr hier einen Candidaten zum Lehrer für seinen Kindern annehmen. Nur sagte er ihm vorher, mit den religionserneuerungen, die jezt herum gehen, verschone der Herr meine Kindern: da wäre wir nicht mit gedient. Gut dass Sie es mir voraus sagen, antwortete der Candidat: in dem fall diene ich Ihnen nicht, und Sie sehen sich lieber um nach einem andern: damit verbeugte er sich, und trat ab. So ereignen sich täglich tausend Geschichten. Habe ich Ihnen gesagt, dass ich von Lavatern noch 4 billets nach seimen Tode empfangen habe? Er hatte immer gesagt, er wollte seinen freunden noch nach seinem tode schreiben, und da ich wohl glaubte, dass ich auch unter diese zahl seyn wurde, verlangte ich sehr danach. Ich meynte, es würden etwa (vielleicht physionomische) Räthe, warnungen, Ermahnungen, u. dgl. seyn, die er bey seinem Leben nicht hatte sagen wollen, wofür man aber den todten dancken würde. Endlich hat mir Gesner meine von L. selbst noch am 27 Jul. 1800. zugeschickten 4 karten geschickt. Was ich erwartete, ist es nun freilich nicht. Sonst aber vier interessanten Sprüche. Ich schreibe sie Ihnen hier ab. N. 2. ist besonder notabel, und räthselhaft 1
Welche Liebe kann die Liebe Christi nur ahnen?
Welche Weisheit kann ein Schatten der Weisheit des Herrn seyn?
Alle menschliche Kraft ist ohnmacht nur vor des Herrn Kraft.
25.9.1794.
2
Sähst du, was ich sehe - du sänkest in anbethender demuth
Vor dem Herrlichen hin, dass Herrlichkeit
Liebe, nur Lieb ist.
29.9.1794.
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Liebe die Liebe nur erst, so lernst du auch lieben die feinde.
29.9.1794.
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Stiller Wandel vor Gott giebt siebenfältiges Daseyn.
21.10.1795
Hier noch zwey andre, auch sehr guten Sprüche, die G. bey mir eingeschlossen hat, zur besorgung, an einem hiesigen Reformirten Prediger, Messmer, und seiner frau, mit denen L. ich weiss nicht wie in Bekantschaft scheint gekommen zu seyn. 1
Wohl dem Weisen und Guten, der seine Zwecke vereinfacht;
Der in das kleinste Geschäft was legt von liebender Weisheit;
Der das Gemeinste heiligt, in hinblick auf heiligen zeugen
Die der Bessten sich freuen, thun froh und rein sie das besste.
2
Täglich weiser wird der Weise, besser der gute,
Frommer jeder Fromme, dem's mit der frommigkeit Ernst ist;
Wachsthum das einzige Siegel des wahren geistigen Lebens.
19 July. Ich kehre zu diesen brief zurück, den ich wieder 14 tagen habe liegen lassen, weil ich wusste dass man ihn doch in 9. noch nicht abschicken konnte, den ich aber jezt schliessen u. absenden wil. Sie würden durchaus nicht wissen, was aus meinem langen stilschweigen zu machen. Nur dieses also noch. Gestern hab ich leider die Nachricht erhalten, dass der Tod mir wieder einen lieben freund, den Dr. HozeGa naar eind39., geraubt hat. Er war noch vorgangenen Sommer hier, doch litt schon viel, an eine alte, ungenessliche Verstopfung oder vielmehr Verwachsung der Eingeweiden (die Folge eines falles vom Pferde), gieng dann den Winter in Leipzig durchbringen, wo er immer slecht u. oft dem Tode nahe war: Jetzt wollte er endlich wieder nach die Schweiz zurück, doch starb den 6. dieser auf der Reise, in Pfurt, bey seiner Tochter Neufville. Sanft ruhe dieser gewiss sehr selige! ein wahrhaft christlicher Weise, dessen jedes wort ein Spruch war. Sonderbar dass mir keine zwey stunden, nach dem ich die Nachricht von der Verlust dieses freundes empfangen, die Post einen brief von Jung aus Marburg bracht, den ersten den ich von diesen in seiner Art nicht weniger vortreflichen Mann erhaltenGa naar eind40., wo er mich sehr angelegentlich um meine freundschaft u. correspondenz bat. So war also sogleich dieser | |||||||||||||
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Verlust durch die Acquisizion eines neuen nicht weniger schäzbaren freundes ersezt! Wenn ich nur nicht mit jedem tage untäuglicher zu jeder correspondenz würde, da meine eigentliche heitere momente, wo ich noch ein wenig zum schreiben aufgelegt bin, immer weniger werden! Sie haben besonder Ursach sich über mich zu beklagen. Ich halte also diesen auch keinen tag länger auf, wiewohl ich noch stoffe genug hatte um mehreres zu schreiben. Mit meinen Gesundheit geht es noch immer gut, nur die Schwäche in den beinen bleibt, so dass ich alle gedancken von ausgehen ganz verseze. Die Synonvia, welche den Astragulus, der die tibia mit dem Calcaneum verbindetGa naar eind41., schmierig halten muss, und die sich bey einem gesunden menschen nach 3 a 4 Stunden stillstehens, oder 6,8,10 stunden gehens, comprimirt, doch durch ein wenig ruhe bald wieder ersezt wird, comprimirt sich bey mir in wenigen Secunden, höchstens in 2,3 minuten stehens oder gehens, und braucht 6 mal so lang um sich wieder zu herstellen; ein gewöhnlicher endlicher resultat langwieriger u. mannigfaltiger podagra-paroxysmen, wo beschwehrlich Mitteln wider zu finden sind, wenigstens keine die ich gebrauchen kann. Denn der Bals. vitae Hosen. mit Sp. Roris marius der mir noch am besten diensten thut, ist in der Länge viel zu theuer, besonder um in grosse quantitäten anzuwenden, wie man doch musste, um einen mercklichen, u. anhaltenden effekt zu suchen zu bewirken. Electricitaet, u. alle dgl. Mitteln, die bey paralijsen aus stockenden, zähen Saften, kurz aus obstruïrten gefässen entstehen, von vielem dienst sind, schicken sich in diesem fall gar nicht, wo theils erweicht u. theils gehärtet werden muss. Doch wo gerathe ich wieder hin. Ich umarme Sie herzlich. Schreiben Sie mir bald wieder u. umarmen für mich Ihre liebe frau u. Kindern C. [Onduidelijk in hoeverre het volgende brieffragment hierop aansluit] ist es mir mit jeder Unternehmung von der Art gegangen. Ich ziehe mich dann auch jedesmahl zurück, und halte mich wieder eine zeit lang ganz stille, bis mir scheint dass wieder etwas vorkommt, was ich wenigstens wieder tentiren konnte. Muss etwas seyn, dann schickt sich alles, so wie in gegengesezten fall alles contrarie lauft. Ich mag nichts erzwingen. Und finde mich auch, in jedem Sinn, dabey am bessten. Sie haben mir, dünckt mich, noch nicht geantwortet auf den brief von JungGa naar eind42., den ich Ihnen einmal geschickt habe. Ich möchte ihn gelegentlich wohl zuruck haben. Wir warten den lieben MannGa naar eind43. diesen Sommer hier, wenigstens soll er nach Hernhut kommen, um einige Staarpatienten zu operiren. Ich freue mich sehr darauf ihn zu sehen. Es wird mir wunder nehmen, was er von der gegenwartigen Constellation sagt, in bezug auf sein System. Denn für den Antichrist qualifizirt sich B.Ga naar eind44. wenigstens jezt noch gar nicht, wie es doch ongefehr seyn musste: wenigstens wo nicht er, doch sein Nachfolger. Was sagen Sie zu diesem allen? Dass ich solch einen Frieden von seiten E.Ga naar eind45. nie erwartet hatte, brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen. | |||||||||||||
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Ich dencke darüber ganz wie D. und Gr. Übrigens ist es ein sehr auffallendes phenomen, dass seit 1775 das alte tandem bona causa ... bey jeder neue gelegenheit total entgengesetzt auskommt. Die hauptursache ist wohl, dass die besste causae, wohl nach und durch menschlich guten und moralischen grundsäzen und mitteln getrieben werden, allein ganz ohne Gott, ohne einige Rucksicht auf Vorsehung, u. dgl. in dem Sinn wie es heisst, sie leben ohne Gott in der Welt. Und daraus entsteht dann wieder die folge, dass nach meinen ganzen System über Allg. u. particular Vorsehung, Gott hinwieder diesen menschen, sachen, fürsten, staten, seine particular Vorsehung ganz entzieht, und sie dem natürlichen Lauf der Ursachen und effecten überlässt, der weil die Kindern der finsterniss kluger sind in ihrem geschlechte, d.h. weil Neuerer, empörer &c. immer thatiger wirksam sind als ihre Gegner, natürlich zum Nachtheil der leztern, unthätigen, nachgiebenden, indolenten, egoïstisch, nachlässigen, ausfallen muss. Die Verwunderung darüber, bey den Guten, entsteht bloss aus verkehrten begriffen von der Vorsehung. Man meynt, und lehrt, die particular Vorsehung bestehe darin, dass die Vorsehung über das geringste gehe eben wie über den (für uns) grösste und wichtigste. Das glaube ich aber gar nicht. Ich betrachte die Allg. Vorsehung als bloss negatif. Kein Sperling fallt vom Dache, ohne - es heisst nicht, anders als auf ordre meines H[eiligen] V[aters]. Der Sperling fallt vom dache nach der einmahl festgesezten ketten von Ursachen u. effecten nur nicht ohne, (eben daher, nicht ohne) den Willen G[ottes]. Die allg. Vorsehung ist also nichts anders als das im Gang halten oder lassen der einmahl construirte Uhr. Allein der grosse Uhrmacher hat sich vorbehalten diese Uhr, nach belieben, zu richten auf den wahren, ihm gefälligen zeit zu stellen. Diess thut er nicht anders als in Sachen, woran Er sich besonder gelegen seyn lässt, und zu gefallen von personen, die an einer particular Vorsehung glauben, und diesem Glauben nachleben. Bloss in bezug auf diesen (personen u. sachen) ist die particular V. geschäftig (exserit se). Alles übrige (personen sowohl als Sachen) wird dem allgemeinen Lauf der Natur, dem Ketten von Ursachen und effecten überlassen. Ich weiss nicht ob Sie meine Vorstellung fassen. Sie erklärt mir tausend unerklärbares, und tröstet mich über tausendes, was andern plagt u. ängstigt. Eine von den wohlthätigen effecten der Taufe, ein theil von der Kraft der Taufe, besteht vermuthlich auch wohl darin, dass die Kindern ohne ihr bewustseyn unter den Aufsicht der particular Vorsehung kommen, und ihre Engeln werden wahrscheinlich genaue rechenschaft von ihrer Commission ablegen müssen. Nachdem aber die Kindern anfangen begriffen zu bekommen u. nachdencken zu können, und in verhältniss als sich das ursprüngl. Verderbniss bey ihnen anfangt zu entwickeln, entzieht sich nach u. nach diess particular Vorsehung, u. sie endigen bald, wie andern, mit zu leben ohne Gott in der welt, bis dieser und jener von der Gnade ergriffen wird &c. Allein auch nachher, glaube ich, dass sogar auch Glaubigen, wahre Christen, mehr oder weniger dem allg. Lauf der Dingen überlassen werden, in Verhaltniss als sie mehr oder | |||||||||||||
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weniger, nicht bloss an einer particular Vorsehung glauben, theoretice, sondern diesem Glauben practisch nachleben, und ganz wie an der hand Gottes wandeln oder im gegentheil sich durch menschl. rücksichten, überlegungen, motiven, &c. in ihren handlungen determiniren lassen, und sich mit dem blosse zeugniss eines guten Gewissens begnügen. freilich wenn uns unser Herz nicht verdammet, so haben wir freudigkeit zu Gott, und was wir bitten, nehmen wir &c. Allein wer so, wie ich's meyne, an der Hand der Vorsehung einhergeht, der erhält oft viel weniger, als andern, oder noch besser, er bittet weniger, findet weniger zu bitten u. zu begehren, weil er nichts will, nichts wünscht noch begehrt, als was gewiss schon für ihm bestimmt war. Er bittet um nichts, als warum ihm gegeben wird zu bitten. Und wagte er etwa hiervon abzugehen, wird ihm naturlich mehreres abgeschlagen als andern, was an sich wohl gut wäre, aber sich in den zusammenhang seiner particular führung nur nicht gut schickt. (Dencken Sie z.b. an grossen Angelegenheiten, Heijrathen, sterben von Kinder, u. dgl. da wird das Gebet eines, der nicht so ausschliesslich in dem glauben einer particular Vorsehung lebt, oft eher erhört werden, als das eines andern. Er erhält sein begehrtes, zu seinen schaden u. nachherigen Verdruss, damit er lerne weniger ernsthaft begehren &c.) Ich habe hingegen jedesmahl versäumt Ihnen wegen der Visite des jungen SchlükerGa naar eind46. und MollerusGa naar eind47., die Sie mir den vorigen Sommer zu shickten, zu antworten. Den ersten habe ich gar nicht, den andern nur etwa eine stunde, und den Abend vor ihre abreise von hier, gesehen. Sie haben vermuthlich nicht gewusst, dass ich gar nicht ausgieng, und also erwartet, dass ich ihnen, auf die Carte die sie mir schickten, eine Visite machen wurde. Das war mir aber unmöglich. Endlich kam Mollerus allein, der mir in jeden bezug sehr gefallen hat. Er hat ganz ungenirten, und doch sehr anständigen, höflichen Manieren, ein gut militairischer air, ohne einige roheit, wie sonst viele junge Preussische Offizieren, redet sehr gut französisch, ohne falschen accent &c. Es that mir leid, dass er so spät zu mir kam, den Abend vor seine Abreise. Denn er hat hier keine einzige andre Adresse gehabt, auch keine bekantschaften gemacht, und also bey weitem auch nicht alles gesehen noch die frucht von sein sejour hier gehabt, den er hätte haben können. Da ich ihm hingegen, wenn ich ihn bey zeite gesehen hatte, genug gelegenheit dazu wurde verschaft, und der eintritt in einige der besten [....]Ga naar eind48. haben. Jezt musste ich mich begnügen ihm wegen seine w[....]Ga naar eind49. einigen Rath zu geben. Kurz der junge Mensch hat mir sehr gefallen, und ich hatte ihm gerne jeden Dienst gethan. Am meisten wunderte ich mich ihn so schön ausgewachsen ze sehen, da sonst alles was Mollerus hiess, so Liliputisch war. Ich konte mich nicht enthalten ihm zu sagen, Sie müssen eine schöne, grosse Mutter gehabt haben. Sagen Sie mir doch, wessen der Mollerussen, die ich gekannt habe, er ein Sohn sey. Doch nicht des kleinen Griffierchens?Ga naar eind50. Von v.d.P.Ga naar eind51. habe ich, seit ihrer Abreiss aus dem Carlsbade, nicht die geringste Nachricht mehr erhalten, und weiss nicht wo sie sind, ungeachtet | |||||||||||||
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sie ihre Aufnahme in Wien, wo man damals äusserst schwierig war, fremde zuzulassen, bloss an mir schuldig sind. Denn weder ElliotGa naar eind52., noch niemand gab ihnen einige adresse. Endlich, da sie verlegen waren, wie einen pass zu bekommen, da man sonst jeden fremden an die Grenze abwies, entschloss ich mich sie aus der Verlegenheit zu helfen, wie wohl BoreelGa naar eind53. nie zu mir gekommen war, und gab v.d.P. eine Carte fur den Preussischen Gesandten, Graf Keller. Diese schickte er von Carlsbad ab nach Wien, und sogleich antwortete ihm Gr. Keller äusserst höflich, schickte ihnen einen Pass, u. wird vermuthlich ihnen den Aufenthalt in Wien sehr angenehm gemacht haben. v.d.P. ist überhaupt ein sehr sonderbarer Mensch, voll guter, vortreflicher qualitaeten, doch für mich unverstehbar in den meisten seiner begriffen, ein Empfindler wie ich wenige gesehen habe. Unsre Unterredung über religion, &c. war so sonderbar, das heisst seine Äusserungen so excentrisch, dass ich verstummte, weil ich nie etwas dergl. gehört hab, noch je gedacht dass in eines Menschen Herzen aufkommen könnte. Er hatte vermuthlich gewiss solch eine Unterredung erwartet, wie wohl wir die ersten tagen bloss von ganz andres geredt hatten. Und er schien darauf gefasst, u. preparirt jede Erklärung darüber ganz auszuweichen. Was er sagte, kam ohngefehr wortlich hier auf aus: Ich muss Ihnen sagen, dass ich gar nicht von denjenigen bin, die, wie jezt, keine Religion haben. Im gegentheil, ich liebe Gott, wie gewiss sehr wenigen. Und ich weiss, dass er mich liebt, das ist aber eine Sache ganz zwisschen Gott u. mir. Ich habe mich nie von einigen Gunstbezeugnungen, zum beyspiel von frauen, oder dgl. geruhmt, und verachte das grossthun mit dem was man geniesst. Also, wie ich sagte, meine Verbindung mit Gott ist eine Sache, wovon ich nie mit kein mensch rede noch reden werd. Und wer mich hierauf drung gegen dem sollte ich am ende grob werden mussen, und sagen quaesna nil refert scire, desine percontarier. - Punctum! Da sie nach Carlsbad giengen, wo ich der Gräfin von ReventlowGa naar eind54. zu schreiben hatte, gab ich v.d.P. den brief mit. Und die Gräfin, die sonst niemand sieht, u. der ich nichts von ihm geschrieben hatte, empfieng ihn nicht allein, sondern schrieb mir nachher, Ach der liebe v.d.P. Solche Leuten, wie der, giebt es sehr [wenig]e!! Er war ebenso mit ihr eingenommen gewesen. Conciliiren Sie mir das alle[s]. Ich will kein couvert um diesen brief [...] und schliesse ihn also hier. Schreiben Sie mir doch so bald möglich, und grüssen Sie Ihre lie[be frau] u. kindern von mir zartlich T.T.C.
[in de marge:] Ich sehe beym überlesen dieses Briefs, dass ich, gerade wie jezt wieder, in distraction in dem Deutschen buchstabencharacter verfallen bin. Ich hoffe Sie werden es dechifriren können. Das schreiben fallt mir noch äusserst beschwerlich, im bette und mit dem gebrauch von nur einer Hand. | |||||||||||||
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Aantekeningen bij brief nr. 284vindpl.: K.B., sign. 130 D 13. 7 (+2) pp. (23 × 19), beschreven. Het hs. vertoont enkele beschadigingen en lacunes, zodat de hier geconstrueerde samenhang niet geheel zeker is. | |||||||||||||
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296. R.M. van Goens aan Hieronymus van Alphen.[geen adres.]
Dresden 17-12-1801. Theuerster Bruder
Endlich ergreife ich wieder die feder, um Ihnen einige Nachricht von mir selbst zu geben. Aus einer kleiner Nota unten an den Wechsel von ult. Oct. (für dessen Bezahlung ich noch verbindlichst dancke) werden Sie gesehen haben, dass ich damahls wieder aus einem Anfall von Podagra anfieng zu herstellen, der aber durch eine grosse Nervenschwäche gefolgt gewesen war. Diese Nervenschwäche hat seither, anstatt zu bessern, dermassen zügenommen, und die Symptomen davon, besonder die totale Schlaflosigkeit, haben sich so verschlimmert, dass ich endlich ernsthafteren folge anfieng zu befurchten, nehmlich entweder ichtias und phantasienfixen oder langwierige Ohnmachte; In beiden fällen wäre ich ausser stand gewesen mir selbst langer zu rathen oder zu helfen; und im lezten fall lief ich sogar gefahr, in einem Gasthofe, wo man naturlich so ein Cadaver bald möglich los ist, vielleicht lebendig begraben zu werden. Ich entschloss mich also kurz und gut, ohngefehr halb November endlich für das erste mahl in mehr als 10 jahren, einen Arzt hohlen zu lassen, und mich demselben ganz anzuvertrauen. Ich hatte dazu seit lang, auf solch eijnem fall, einen geschickten und zugleich sehr Xtlichen Arzt, ausgesehen, der auch sogleich kam und mich besuchte. Und wiewohl derselbe, nachdem ich ihm meine ganze theorie und Curart, nebst den Mitteln, die ich gebrauchte, offengelegt, diess alles nicht nur vollkommen approbirte sondern sich bloss begnügte mir die fortsezung der nehmlichen Mitteln anzubefehlen, ohne sonst etwas daneben vorzuschreiben, so hat dennoch die Beruhigung mich auf jedem fall einen geschickten Arzte anvertraut zu finden, und das erneuerte zutrauen in meinen Mitteln, an deren Wirksamkeit ich anfieng zu zweifeln, solch eine revoluszion bey mir bewirkt, dass von dem tag an die symtomen, anstatt sich zu verschlimmern, erst zu stillstand gebracht, und bald nachher angefangen haben immer mehr nach zu lassen, und sich zur Besserung an zu schicken. Hierbey ist kurz nachher, ein für mich nicht weniger wichtiger Ereigniss gekommen, wovon ich nur mit ein Wort erwähnung thun will. Nehmlich dass ich mich auf das aller unerwartesten, durch betreiben sehr ansehnlicher, lieben freunden, die ich nicht weigern konnte zu folgen, hat bereden lassen, mit ende November, mein Wohnort zu ändern, und aus dem Gasthofe, wo ich nun 3½ jahr gewohnt hatte, in ein privathaus, freilich bey sehr guten, lieben Leuten, die alle Sorge und Gefälligkeit für mich haben, zu ziehen. Mit wie viel Schwierigkeiten dieses inzwisschen verbunden gewesen, wie viel für mich dabey zu vorsehen gewesen, welche tödtliche Ermüdung in physischen wiewohl hingegen bey vieler moralischer Beruhigung, dieser | |||||||||||||
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schleunige und ganz unvorbereitete Entschluss, mir verursacht, von diesen allen brauche und werde ich für jetzo nichts weiter sagen. Genug, dass ich eine zeitlang wieder die ausgezeichnete probe einer leitende Vorsehung erfahren habe, deren Väterl. höchst liebreiche sorge ich nicht verkennen und nie genug erkennen kann, die aber zugleich, im manchem bezug, mich sehr ins dunkle hinein führet, und zu eine zehnfache Anstrengung des Glaubens, des zutrauens, und der Ergebung scheint aufzufodern. Würcklich bin ich in meiner neuen, auch viel engern Wohnung noch nicht ganz eingerichtet, und die unbeträchtlichste Schwierigkeit dabey ist, dass ich mit Ostern wieder von hier weg, und wir wissen noch nicht wohin ziehen werde müssen, weil die frau, wo ich jezt bey wohne, ihr quartier gegen Ostern aufgesagt, und noch kein ander gefunden hat. Wie gesagt aber, dieses ist meine geringste Sorge, ich habe den für mich so weit ausgehenden Schritt gethan, weil ich einen unverkennbaren Ruf der Vorsehung dabey meynte zu entdecken, und also bin ich über alle die folgen davon auch ganz ruhig. Ueber ein und andres vielleicht ein andermahl mehreres. Jezt wunschte ich nur kurz zu schreiben, und habe doch so vielerley zu schreiben! Vor allen andern, dieses, welches ich bitte Ad Notam zu nehmen, wenn Sie etwa wieder in den fall seijn möchten mir Geld schicken zu wollen. Mein freund, der Hr. Minister v. Fr.Ga naar eind1. hat das lezte mahl die weise nicht approbirt worauf ich, auf Ihr Anschreiben, das Geld von Ihnen bezogen, u. darfür ein Wechselchen auf Hn. Heneman, gezogen habe. Ich copire Ihnen wortlich, was S.Exz. mir deswegen schreibt in d. 5. Nov. ‘Je n'ai rien de plus pressé, M. que de vous faire passer ci-joint le Mandat p[ou]r Mesr. L. de vous faire toucher la valeur de 100 fl. Holl. Mais je vous prie au même temp de prevenir M. votre beaufrère, qu'il veuille bien dans la suite, quand il aura une remise pecuniaire à vous faire, charger M. Heneman d'en envoyer le Mandat à M. Kaupert, notre Tresorier de guerre (Kriegs-zahlmeister). Cela abregera infiniment l'operation, & vous toucherez alors la somme à vous destinée en meme temp que vous serez averti que vous devez la toucher.’ Ich habe darauf geantwortet, dass ich dieses in der folge also besorgen wollte. Wenn Sie es also Hn. Heneman also wörtlich, wie ich es abschreibe, mittheilen, zweifle ich micht, oder derselbe wierd es vollkommen verstehen und begreifen, wie man in Gotha wunscht dass diese Commissionen mögen gethan werden. Ich dencke, man will dass Sie das Geld Hn. Heneman jedesmal zustellen, dieser berichtet dann davon in Gotha, u. auf diesen bericht versorgt man mir wieder von da das Geld. Ueber JungGa naar eind2. &c. dencke ich ohngefehr wie Sie. Ueberhaupt kann ich unsre übereinkünft von Gefühlen u. Gesinnungen über den meisten Gegenständen nicht besser ausdrücken, als durch auf Englisch zu sagen: Our sentiments agree in Kind, though not always in degree, d.h. wir dencken ohngefehr gleich, nur einiges denken Sie stärker, ich nicht ganz so starck, und andremalen umgekehrt, was mich gewaltig affizirt, rührt Sie schwacher, | |||||||||||||
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wie wohl wir die Sache sonst ziemlich im nehmlicher Gesichtspunkt betrachten. So über Lavaters Worte JesuGa naar eind3.: lesen Sie meine Anm. aus das Ms. Lavater und C.Ga naar eind4. die hierauf bezug haben, so werden Sie sehen, wie ferne wir gleich denken. Nur scheinen Sie die ganze idee zu verurtheilen. Das möchte ich nicht. So stark dencke ich nicht darüber. Wie viel Poesie verfiel nicht, wenn wir uns nicht in die Seele des Herrn hinein dencken, u. Ihm diese u. jene Worte, bey diesen u. jenen Gelegenheiten, andichten möchten. Allein - das muss freilich sparsam geschehen, das muss mit zittern und beben geschehen. Keine 1000 Worte Jesu müssen wir schreiben wollen, - vielleicht keine 100 - etwa 10, 20 - Die konnte man allenfalls aus 1000 auswählen. Da L. das 2th Hundert schreiben wollte, schrieb ich ihm, kein Engel, kein Erzengel darfte das unternehmen! So bald er sogar bis 1000 schrieb, und nur alles gleich drücken liess, hielt ich die ganze idee für verlohren - verhunzt, um das kind bey seinem Nahm zu nennen. Aber die idee an sich, Worte Jesu zu erdichten, möchte ich nicht so ganz, wie Sie verurtheilen. Mit Jung, bin ich übrigens seit anfang dieses jahrs in CorrespondenzGa naar eind5.. Hier ein merckwurdiges schreiben von ihm, das viel Aufschluss über seine denkungsart u. auch Schützgeister - Wesen, giebt. Theilen Sie es höchstens nur sehr vertrauten freunden mit, u. schicken Sie es mir gelegentlich zurück! Ich habe ihm in Substanz geantwortet: Jeder Geist, der aus Gott ist, wird von Gott getrieben; jedesmal dass wir unser Herz erheben zum Herrn, werden wir inspirirt. Wie wir uns Ihm nähern, so nähert Er sich uns. Ich glaube, nicht nur den Auserwählten, sondern sogar den noch verirrten, noch nicht zugebrachten, in ihren wenigen glücklichen, heiligen momenten! Auch diesen, wenn nur aufrichtigen Israïliten, ist er nahe, unter ihrem feigenbaum, sieht Sie; trägt Sie, haucht Sie an, lang vor dass Sie ihn noch kennen, in der zeit da Sie noch voller vorurtheilen wider Ihn sind. Wie viel malen also jemand wie Sie, der nur für Ihm lebt, nur für Ihm wirkt - Sie sollten nicht inspirirt seijn? Sein Geist sollte nicht reichlich in Ihnen wohnen? - das können, das mögen Sie also frey glauben, das brauchen Sie mir nicht zu deduziren. Nur - für eine einzige Irrung uns Verwahrt! Nur nicht mehr aus dieser Inspirasion gefolgert, als daraus folgen kann. Nur darauf nicht eine Art infallibiter Ihre besondere Meynungen gegründet. Da wäre es ganz gefehlt! Das thun Sie aber gewiss nicht. Würcklich ist der liebe Mann zugleich ein Muster von Bescheidenheit, Demuth, Anspruchslosigkeit, kurz eine wahre Nathanaels SeeleGa naar eind6., neben einer seltsamen thätigkeit, Eifer, Arbeitsamkeit, kurz früchtbarheit in jedem Sinn, in allerley guten Wercken. Ich approbire bey weiten nicht alles von ihn, denke über die meiste wie Sie, doch liebe den Mann, und verehre ihn würcklich, wie wenigen. Den Verfasser der brochure das Xtenthum als Secte betrachtet haben wir diesen Sommer hier gehabt, leider nur auf 3-4 tagen. Er soll ein ausgezeichnet vortreflicher Mann seyn: ein gewisser Hr. von CöllnGa naar eind7., Lippe Detmoldscher Superintendant oder Ober Consistorialrath, der sehr viel gutes da | |||||||||||||
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in dem Ländchen stiftet, in bezug auf Schulen. Da neben ein vortreflicher Dichter. Ich habe ihn nicht gesehen. Er sollte zu mir kommen, doch hatte keine zeit. Er war hier von Töpliz und Carlsbad aus, wo er seinen fürsten begleitet hatte, diesen musste er beynahe immer gesellschaft leisten. Doch mein Doctor, Dimiaus, der in Töpliz seine bekantschaft gemacht hatte, hat ihn bey sich gehabt, und dem Hr. Mint. v. Burgsdorf zu geführt. Habe ich zeit, u. kann ichs finden, so lege ich einige Versen bey, die er hier im Gasthofe gemacht, und dem Min. v.B. addressirt hat. Von seiner brochüre, die ich auch noch nicht gesehen, sagt mir D. dass noch ein zweyter theil auskommt. Schicken Sie mir doch keine von meinen geschickten büchern zurück. Sie sind das porto nicht werth. Ich habe entweder andre exemplaren davon, wie von PutterGa naar eind8. u. Zinzendorf's JoannesGa naar eind9.. Oder ich habe sie gelesen, u. brauche sie eben nicht mehr: wie Z. leben durch SpGa naar eind10.. Z. Johann ist freylich ein defecter band, allein ich habe ihn eben so von einer freundin present bekommen, jezt aber das ganze werk complet, also dieser band überflüssig. Meinen Nahm, den ich auf den titel aller meiner bücher schreibe können Sie so allenfalls auskrazen. Dürch mein beygeschriebenes am Rande habe ich freilich das exemplar verdorben, ich dachte aber diese geheime Anm. würden Sie vielleicht interessiren. Ich wurde sie niemand anders anvertraut haben. - Ueberhauptweiss ich nicht, wem anders, als Ihnen, ich all mein Geschreibsel, von allerley Art, von Jahren her, nachlassen sollte, oder ich musste alles verbrennen! Hierüber ein andermahl. Daher inzwisschen, dass ich Ihnen nie geantwortet habe über Ihre Briefen. Ich besize so vieles, deren Urheber viel mehr Ursache hatten als Sie, um nicht zu wollen dass ihre briefe in jeder hand kamen. Wem aber lasse ich alles? Als etwa Ihnen? den toch der Wüst vielleicht wenig interessiren wird. Vanitas Vanitatum! Manche Kisten voll habe ich schon A. 1785. 1793. etc. verbrennt: besonder einige wichtige politischen Correspondenzen, mit Lord MalmesburyGa naar eind11., etc. Ein paar portefeuilles würden Sie finden bloss mit Briefen von fürsten, etc. Was Sie mir von meinen Br.Ga naar eind12. schreiben, geht mir sehr nahe, doch ich wusste leider nur zu viel schon davon. Ich hatte diesen Sommer gelegenheit mich nach ihm zu erkündigen, u. erhielt die traurigste Nachricht, auf meine frage was er machte! Man zog die Schultern, u. sagte, dass gott erbarm, schlecht, sehr schlecht! Er säuft, flucht, lebt nicht mehr mit seiner gleichen, sondern lasst sich ab zu subalternen, macht da den Spassvogel, dominirt über sie, kurz seine ganze Aufführung ist niederträchtig! Alle seine freunden haben ihm verlassen. - Was soll ich dazu sagen? Ein ganz buch konnte ich drüber schreiben. Doch was hülf es? Ich wünschte handeln, ihm nüzlich seyn, ihn aushilfen zu können, ihn zu retten aus den Schlamme, ihn zu reissen wie ein feuerbrand aus dem feuer. Doch wie kann ich? Sie wissen, ich schrieb ihm vor einige zeit. Er hat mir nie geantwortet. Sie hat er jezt sogar nicht sehen wollen. Was kann man thun. Anders als für ihn beten, ihn an der barmherzigkeit u. Erbarmung Gottes auftragen. Wenn nur meine | |||||||||||||
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Lage anders wäre, dass ich ihm wohlthun konnte, ich sollte ihn durch wohlthun suchen zu gewinnen u. an mir zu ziehen. Aber in meiner jezigen Lage möchte er sogar noch dencken dass ich vielmehr seiner Armuth nachstellte!! Auch den empfindlichsten Verlust möchte ich leiden, wenn ich ihn nur gewinnen, nur an mich ziehen konnte! Er hat mir freilich sehr geschadet (die ganze Geschichte wissen Sie wohl nicht, u. ich mag sie nicht hervorziehen) doch das alles ist lang vergessen u. vergeben, u. im gründe auch nicht der Mühe werth.
Dresden 23.12.1801.
So weit hat ich geschrieben, u. wollte noch über v.d.P.Ga naar eind13. etc. etc. schreiben, da mir beynahe gleichzeitig Ihr paquetchen mit ein tradutirtes billet, von Leipzig, u. Ihr Schreiben von 30 Nov.Ga naar eind14. samt einliegender Lieder-proben, aus Gotha, durch den Hr. v.H.Ga naar eind15. zukommt. Ich eile also diess zu verfolgen u. zu schliessen, weil ich wunsche dass Sie ihn so bald möglich erhalten. Die ƒ100- die Sie wieder für mich fertig haben, sind ein Handedrück des Herrn, ein befestigung des, noch ehr Sie rufen werde ich Sie hören, kurz etwas so rührendes, gerade in diesen Momente, da ich nichts drgl. erwartete und bloss traute es wird kommen vom Osten oder vom Westen, dass ich meine Empfindung schwerlich beschreiben kann. Wie nun aber! (Nach dem vorhin gemeldten). Ich wünschte sie doch so bald nur immer möglich zu erhalten. Ich wage also noch einmal Hr. v.H. ein Wechselchen auf Ihren, zugleich mit diesen brief u. in blanco an wem zahlbar, also entweder a. Heneman, oder an den Tresorie de Geneve, zu zuschicken. Lasst er das noch dieses mahl gelten, gut, denn wird es Ihnen vermuthlich zugleich mit diesen brief zugestellt werden. Wo nicht, so besprechen Sie sich, bitte ich, mit Herrn Heneman, und der versorgt denn die Sache, conform Hr. v. Frankenbergs vorschrift, so bald möglich. Wegen den zurückgeschickten büchern habe ich schon geantwortet. Sie hatten sie doch behalten sollen. Wem gebe ich jetzt Zinzendorfs Johannes, den ich dasselbe habe? Für Swed. de Prov. et A.D.Ga naar eind16. danke ich sehr. Ich bin neugier, wie es mir jezt nach so langen intervalle gefallen wird. Viel mehr aber für ihr vortrefliches Predigt das EvangeliumGa naar eind17.. Ich habe schon seit gestern 1/3 gelesen, und in dem Anm. überall herum genascht. Genug, um gewiss zu sagen, dass das werk ganz u. gar nach meinen herzen ist. Ich hatte gar solch einen begriff nicht davon, u. stellte mir etwas ganz anders vor, nach den wenigen was Sie mir davon im voraus geschrieben hatten. Aber ich sehe, es ist ganz meine theorie, ganz mein maxiem (wenn nur auch mehr mein praxis!) jeder soll doch in Gottes nahm in seinen kring wirken! Keine missionen, das sind treibhaus - pflanzen, seinen eignen Garten soll jeder bebauen. Ueber alles in zeit u. weile weitlauftig. denn ich werde ganze Stoffe von Anm. auf diese werk haben. Auch über die LiederGa naar eind18. werde ich | |||||||||||||
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Ihnen meine gedancken sagen, weil Sie es begehren, so viel mir möglich ist. Denn über alles was Sprache, styl, versification, etc ist, bin ich durchaus kein Richter mehr, ich habe allen tact für die Holl. Sprache verlohren, über alles was Sie sich vorstellen können. - Dies herinnert mich aber an etwas, was ich nicht vergessen wollte: das was Sie mir von Tante v.G.Ga naar eind19. geschrieben. Ey, das hat mich in der Seele wehe gethan. Wie konnte sie glauben, dass ich aus mangel an theilnahme ihr nicht geschrieben, so gar bey Os. tod nicht geschrieben hatte?!! Der Herr kennt mein herz, u. weiss wie ich den seligen geliebt, wie ich ihn beweint, u. wie mir seine Nachgelassenen ans herz gelegen haben u. noch liegen. Das ich nicht geschrieben, ist ganz einfaltig die Ursache gewesen, die Schwierigkeit, in welcher Sprache! Das franzözische liest, glaube ich, niemand im Hause, wenigstens nicht leicht noch gerne. Das Deutsch noch weniger. Und Holländisch kann ich einmahl durchaus nicht schreiben, wenn ich auch schäze damit verdienen, und wochenlang darauf studiren wollte, ohne mich, ganz lächerlich zu machen. Das wäre mir nur für mich nichts, allein über ernsthaften gegenständen lächerlich zu schreiben, u. zu lachen zu reizen, ist widersinnig. Ich werde es dennoch vielleicht noch einmahl wagen, u. ihr wäre es auch nur wenige zeilen suchen zu schreiben, um solch einen empfindl. Verdacht als sie mit mich aufgefasst, von mir abzuwehren. Jetzt schliesse ich diesen u. umarme Sie herzlich. Möge ihre fürcht wegen n. DanieGa naar eind20. in Batavia ganz sich verziehen. Es scheint mir auch wahrscheinlich dass ein blosses malentendu statt gefunden hat. Auch die Adresse von Paketchen lege ich bey. Sie werden sehen dass man Ihr Franco Leipzig ausgekrazt, u. die Schäfersche Buchhandlung sich 16 gr.Ga naar eind21. Auslege hat auszahlen lassen. Dies scheint mir sonderbar. Wenigstens wenn man Ihnen etwa affranchire, sage bis Leipzig in rechnung bringen wollte, so können Sie sich kraft dieser Adresse davon ruhig excusiren. Das ganze porto bis hier betrug 23 gr. oder ƒ10½ - Holl. C. | |||||||||||||
Aantekeningen bij brief nr. 296vindpl.: K.B., sign. 130 D 13. 4 pp. (23 × 19), beschreven. |
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