der ‘theme group’ vor allem zwei Einzelprobleme zusätzlich beziehungsweise differenziert in den Untersuchungsansatz einführen wollen: Differenzierter hätte er sich den stadtgeschichtlichen Vergleich gewünscht. Die Bedenken richten sich nicht gegen die vorzüglichen Beiträge von 't Hart, Boone und Prak, sondern gegen die Art und Weise, wie Stadt und Urbanität als gesamtgesellschaftliche Erklärungskategorien verwendet werden. Natürlich läßt sich nicht die These als solche bestreiten, daß Stadt und Bürgertum in einer besonderen Weise den Charakter einer frühneuzeitlichen Gesellschaft, speziell ihre politische Kultur und ihre Fähigkeiten zu ökonomischem Wachstum und sozialem Wandel bestimmt haben. Problematisch erscheint mir aber der offensichtlich von Jan de Vries übemommene und nicht problematisierte quantitative Ansatz, demzufolge in diesem Zusammenhang nur Städte von einer bestimmten Größe an zählen, nämlich ab 40.000 im frühen 16., ab 50./60.000 im 17. und 70.000 im 18. Jahrhundert (Karten Seiten 13-17 und entsprechende Thesen in Einleitung und Zusammenfassung). Auf diese Weise fallen alle mitteleuropäischen Städtelandschaften, die der kenntnisreiche Humanist Enea Silvio Piccolomini (1405-1464) zu den blühendsten und wirtschaftlich wie politisch am weitesten entfalteten in ganz Europa zählte, aus den Urbanitätszentren der ‘blue banana’ heraus. Das ist ebenso absurd wie die Tatsache, daß in einer solchen Perspektive neben Hamburg nur drei Städte im notorisch städtearmen Osten des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation wichtig erscheinen (nämlich Berlin, Prag und Wien; Karten Seite 13ff.), während der urbanisierte, städtereiche Süden und Westen des Reiches auf den Karten städteleer bleiben. Nein, in der frühen Neuzeit muß mit anderen Urbanitätskriterien gerechnet werden. Das gilt für das Reich, wo das dichte Netz von Mittel- und Kleinstädten ökonomisch, kulturell, in gewisser Hinsicht auch politisch leistungsfähig blieb, aber auch für die Niederlande selbst, wo sich die Kraft des Bürgertums zu einem ganz erheblichen Teil aus den vielen Städten speiste, die kleiner als Amsterdam und Leiden waren. Angesichts des hohen Erklärungswertes, der den Städten im europäischen Vergleich zu Recht beigemessen wird, muß es auch in die Irre führen, wenn für den unterschiedlichen Stellenwert von Stadt und Bürgertum in den deutschen und niederländischen Geschichte die zeitweilige Koalition süddeutscher Reichsstädte mit den Fürsten während des Bauernkrieges angeführt wird (445), die rechts- und verfassungsgeschichtlichen Zusammenhänge aber weitgehend außer acht bleiben, die es den deutschen Reichsstädten und auch mancher territorialen ‘Autonomiestadt’ (Otto von Gierke) ermöglichten, ungeachtet demographischer und wirtschaftlicher Schwäche politische Selbständigkeit zu bewahren. Indem dies ausgeblendet bleibt, geht weitgehend verloren, daß bis zum Ende des Alten Reiches neben dem territorialen Absolutismus der Stadtrepublikanismus einen nicht zu übersehenden Bestandteil der politischen Kultur Deutschlands ausmachte, was übrigens der zeitgenössischen Politiktheorie, die bis ins 18. Jahrhundert hinein die deutschen Reichsstädte als vornehmste Beispiele traditioneller Stadt- und Bürgerfreiheit anführte, durchaus bewußt war.
Als zusätzlichen Problemzusammenhang schließlich hätte der Rezensent den Machtstaatsfaktor und das internationale System in den Untersuchungsansatz aufgenommen. Es ließe sich zwar darüber diskutieren, ob damit ein weiteres ‘key issue’ oder lediglich ein die vorhandenen Tendenzen zusammenfassender und verstärkender Faktor benannt ist. Fest steht aber, daß der rasche Rückfall der Niederlande seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert auch mit Veränderungen in der Struktur und den Spielregeln des europäischen Mächtesystems korrelierte. Das war die Folge des neuzeitlichen ‘Gesetzes der Größe und der Zahl’, der Fläche und Bevölkerungszahl der Großmächte also, das seit Mitte des 17. Jahrhunderts die internationalen Beziehungen zu beherrschen begann und einem kleinen Land wie den Niederlanden die Lebensadern zwar nicht abschnitt, wohl aber einengte.
Am Ende zählen indes wünschenswerte Modifikationen, Ergänzungen und Differenzierungen wenig gegenüber der Leistung, die Initiatoren und Mitglieder der Forschergruppe mit diesem