aus einem unerschöpflichen Füllhorn strömten Jahr für Jahr die Millionen in die Staatscasse des Mutterlandes, wo man sich keineswegs den Kopf darüber zerbrach, auf welche Weise diese Millionen gewonnen wurden und welches das Los der einheimischen Bevölkerung war, welche dieselben mit ihrem Schweiße verdienen mußte. Da erschien vor 25 Jahren das Erstlingswerk Dekkers, ‘Max Havelaar’, das Ergebnis seiner langjährigen Beobachtungen und Erfahrungen über Indien, und es ist nur eine schwache Redensart, wenn man sagt, daß dasselbe die Wirkung eines Blitzes aus heiterm Himmel hatte und die öffentliche Meinung aus einer Art hyperboreischen Schlafes aufrüttelte. ‘Es handelt sich nicht darum’, sagte er, ‘ob der Javane verpflichtet werden kann, Kaffee zu pflanzen, wenn ein Beamter es ihm befehlt, auch nicht darum, ob er dies nach freiem Uebereinkommen mit dem Pflanzer thut, die Frage ist die, ob er seines Eigentums beraubt werden darf oder ob er für seine Arbeit gehörig bezahlt werden muß.’ Dies aber war keineswegs der Fall, vielmehr wurde der Javane, wie Dekker nicht müde wurde, immer von neuem seinen Landsleuten vorzuhalten, mißhandelt und ausgezogen. Im ‘Max Havelaar’ ist nun ein geradezu hinreißendes Gemälde dieser Zustände in Indien dargestellt, die darin auftretenden Personen sind mit solcher Meisterschaft, solcher Kenntnis von Menschen und Zuständen gezeichnet, die Empfindungen und Leidenschaften mit solcher edeln Naturwahrheit entwickelt, daß man alsbald zur Ueberzeugung kommen muß, ein Meisterwerk ersten Ranges, wie es volkommener und edler kaum gedacht werden kann, vor sich zu haben. Gibt es eine wahrheitsgetreuere Gestalt, als Mynheer Droogstoppel, der ja auch bereits in den deutschen Wortschatz übergegangen ist, oder
läßt sich eine seelenvollere, angreifendere Idylle denken, als die in den Text eingefügte Erzählung ‘Saidjah’? Leider ist die einzige deutsche Uebersetzung des Max Havelaar in jeder Hinsicht ungenügend und verfehlt - denn Saidjah ist einfach ganz weggelassen -, sodaß man nur in sehr unvollkommener Weise die Schönheiten des Werkes zu genießen bekommt.
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Nicht nur die Literatur, sondern auch das politische Leben in den Niederlanden hat in den letzten 50 Jahren keinen Mann hervorgebracht, der in so hervorragender Weise der Gegenstand der