Konrad Merz
aan
Menno ter Braak
Amsterdam, 26 september 1935
Amsterdam, Pythagorasstraat 21
26.9.35
Lieber Dr. Ter Braak,
jetzt kann ich nichts mehr, als Ihnen danken.
Von Herrn Querido abgelehnt zu werden, scheint mir eine ähnliche Bestätigung, wie von Herrn Hitler gehasst zu sein (mit dem Unterschied dass einem Hitler zuweilen angenehmer ist als der andere Schmutzfink). Es liegt übrigens im Rhythmus meines Lebens, dass mir niemals etwas zufliegt oder sofort gelingt. Meistens geht es dann später umso besser.
Erts reimt sich auf Schmerz, weil es sich auf Herz reimt.
Wenn ich mir nun eine Kugel durch den Kopf schiessen würde (wie es Weininger getan hat, als niemand sein erstes Buch anblicken wollte), dann wäre die Sensation schon da, das Buch würde sofort gedruckt und verkauft werden. Aber ich könnte das kaum verantworten. Schon weil die Gefahr bestände, dass dann Herr Querido einen Kranz auf mein Grab legen würde. Ausserdem könnte ich mir jetzt gar keinen Revolver leisten. Und dann möchte ich die Rache an Hitler und Querido nicht aus meinem Sarge mitansehen müssen.
Versuchen wir es also mit dem Erdenkbaren.
Wenn ich auch nicht weiss, wovon ich in diesem Monat und gar später leben soll, so wäre es mir doch sehr beschämend, nun doch diesem Querido nachzulaufen.
Ich wüsste nicht, warum man es nicht mit Allert de Lange versuchen sollte. Wenn Sie selbst dort hin gehen würden, scheint mir das nicht so unmöglich. Freilich weiss ich von diesen Leuten ja nichts. Wäre es dumm, wenn Sie einmal Ihren eigenen Verleger um einen freundschaftlichen Rat bäten? Diese Leute kennen sich meist besser. In Deutschland würde man nun alle wesentlichen Leute einladen und etwa an einem Abend den Verfasser aus seinem Buche lesen lassen. Das wäre dann der Beginn einer Aktion. Hier ist das wohl nicht üblich. Eine Verbindung zu den Schweizer Verlägern haben Sie wohl nicht (etwa ‘Spiegelverlag, Zürich’).
Ich habe hier noch ein zweites Exemplar, das könnte man inzwischen vielleicht in die Welt hinaussenden.
Ich gestehe Ihnen, nicht zu wissen oder zu fühlen, wie ich ferner leben soll, ohne dieses Buch gedruckt zu sehen.
Wenn sie also zu De Lange gehen sollten, schreiben Sie mir bitte vorher, ich möchte Sie dann gern hier sprechen.
Im übrigen haben Sie selbstverständlich weiter alle Vollmacht an dem Buch. Auch wenn Sie sich für Querido entscheiden sollten.
Ich hoffe, recht bald von Ihnen zu hören
und grüsse Sie herzlich
Kurt Lehmann
Origineel: Den Haag, Letterkundig Museum